Im Zeitspiegel
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 28. November 2013 05:31
Ein Fragwürdiges „Menetekel"
In der Zeit von 1927 bis etwa 1936 gab es auch eine Zeitschrift namens „Menetekel" herausgegeben von einem gleichnamigem „Menetekel-Verlag" in Nassau/Lahn.
Der Untertitel jener Zeitschrift wechselte dann mehrmals. So lautete er etwa im Jahrgang 1927: „Die Stimme eines Wächters".
Noch aufschlußreicher ist vielleicht jener Untertitel, welcher für den 4. Jg. 1930 verwandt wurde:
„Monatsschrift für Erforschung der Prophetie, für Sammlung der Zeichen der Zeit und Verfolgung der Zwangsläufigkeit des Weltgeschehens nach dem vorbedachten Plan Gottes".
Als Schriftleiter jenes Blattes zeichnete ein Herr Friedrich Emde.
Ideologisch war jenes Blatt der sogenannten Brüderbewegung zuzuordnen. Die war zwar auch nicht einheitlich, in ihr gab es die Strömungen der „Offenen" und der „Geschlossenen" Brüder (Fremdbezeichnung). Namentlich die „Geschlossenen" gerieten dann auch noch in Konflikt mit dem Naziregime. Das aber im Gegensatz zu den Zeugen Jehovas, keinesfalls von Anfang an.
Was das Naziregime in ihrem Falle besonders zu bemängeln hatte, war ihre eher dezentrale Organisationsform. Die Nazis liebten es halt, am liebsten es nur mit einem strammen Nazibischof zu tun zu haben, der dann für seinen gesamten Laden zuständig sei. Da sich mit vielerlei örtlichen Gemeinden, zwar der gleichen Richtung, aber eben nicht einen strammen Führer-Bischof aufweisend, auseinandersetzen zu müssen, das war ihnen zu mühselig. Und weil es ihnen dieses war, zogen sie es vor, auch im Falle der Brüderbewegung, dann ihre Rasenmähermethode zur Anwendung zu bringen. Und die hieß in solchen Fällen schlicht und einfach: Verbot.
Nach dem dann jenes Verbot eingetreten war, schien erst mal guter Rat teuer. Er wurde aber letztendlich doch gefunden. Dazu das Zitat aus der Wikipedia:
„Am 13. April 1937 wurden die „geschlossenen" Brüdergemeinden von den Nationalsozialisten verboten, da man ihnen aufgrund ihrer starken Betonung der Absonderung von der Welt eine staatsfeindliche (und damit antinationalsozialistische) Haltung unterstellte (was auf die meisten aber nicht zutraf). Bereits im Mai 1937 konnte sich der größte Teil der „geschlossenen Brüder" mit Erlaubnis der Behörden als Bund freikirchlicher Christen (BfC) neu organisieren. Diesem Bund, zu dessen Statuten ausdrücklich das Bekenntnis zum nationalsozialistischen Staat gehörte, traten im November 1937 auch die „offenen Brüder" bei. 1942 vereinigte sich der BfC mit dem Bund der Baptisten zum Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (BEFG)."

de.wikipedia.org/wiki/Br%C3%BCderbewegung#Deutschland
Was nun die Zwangsvereinigung mit den Baptisten anbelangt, so mischten die neuen politischen Verhältnisse nach 1945, auch diesbezüglich die Karten neu. Was die Zeit nach 1945 anbelangt, die hier jetzt nicht Thema ist, kann man auch den Artikel der Wikipedia vergleichen.
Der Name des Friedrich Emde wurde bereits genannt. In einem empfehlenswerten Buch von Daniel Heinz (im Jahre 2011 erschienen) mit dem Titel „Freikirchen und Juden im Dritten Reich" kommt dieser adventistische Autor auch auf den genannten Friedrich Emde mit zu sprechen.
So bescheinigt er Herrn Emde eine aus heutiger Sicht durchaus zwiespältige Haltung zur sogenannten „Judenfrage" die nicht allzuweit von der entfernt war, welche die Nazis praktizierten. Lediglich das Emde mehr auf „religiöse Aspekte" abstellte (beispielhaft S. 281 der Ausführungen von Heinz).
Nun habe ich die Ausführungen von Herrn Heinz ja bereits als interessant eingestuft, und kann nur jedem empfehlen, wenn es ihm die Zeit und sonstige Umstände ermöglichen sie sich mal selber anzusehen.
Das Buch von Daniel Heinz gibt es auch (Auszugsweise) in der Google-Buchsuche. Aber wie dort allgemein üblich, mit Lücken, die zum Teil relevant sein können, worüber man sich im klaren sein muss, wählt man nur diesen Weg.
Gleichwohl ist es nicht meine Absicht, an dieser Stelle den Herrn Daniel Heinz einfach nur zu wiederholen. Ich möchte da eher andere Akzente setzen, beruhend auf einer Einsichtnahme der Jahrgänge 1927 - 1931 des „Menetekel".
Unangenehm berührt hat mich da schon mal die Ausgabe des „Menetekel" vom 15. 8. 1928, welche die antisemitische Hetzschrift (das „Evangelium" der Nazis) „Protokolle der Weisen von Zion" abhandelt. Und hätte man einen Nazi zeitgenössisch befragt zu diesem Artikel. „Ist da was daran zu bemängeln an diesen Ausführungen", so hätte dessen Antwort wohl bloß aus dem Kurzsatz „Nein" bestanden.
Charakteristisch der Satz auf Seite 120:
„So dürfen wir also wohl in der jüdischen Freimaurerei die Wiege des antichristlichen Weltreiches und des Antichristen selbst vermuten. Wer mehr hierüber zu wissen wünscht bestelle bei uns „Protokolle ..." etc.

Ein weiteres „Schluckauf" verursacht bei mir dann die im Jahrgang 1929 (S. 91f.) enthaltene Rezension zu dem Antikriegsbuch von Remarque „Im Westen nichts Neues". Zwar von einem externen Verfasser geschrieben, gleichwohl musste ja Herr Emde als Schriftleiter, sein Okay dazu geben.
Und jener Rezensent „zerreißt" dann Remarque nach allen Regeln (seiner) Kunst. Weshalb ist er so mißgestimmt? Eben weil er erkannt hat. Was immer man zum Stil von Remarque berechtigt oder unberechtigt vorbringt, ist doch eher nebensächlich. Hauptsächlich ist Remarques Kriegsgegnerschaft. Und indem diese dem Rezensenten, grundsätzlich „gegen den Strich geht", spricht in Sonderheit dieser Umstand Bände!
So meinte jener Rezensent beispielhaft mit dem Argument „punkten" zu können:
„Es ist ja leider, Gott sei's geklagt, so Sitte geworden und gehört fast zum guten Ton in Deutschland, daß der Deutsche immer nur sein eigenes Nest beschmutzt."

Als dann der Nazi Goebbels, einige Zeit später eine Filmaufführung auf der Basis des Buches von Remarque, mittels weißer Mäuse, Medienträchtig sabotieren ließ, kann man sich unschwer den Kommentar jenes Rezensenten dazu vorstellen. Der dürfte wohl in dem Ausruf bestanden haben: „Wohlgetan, Goebbels".
Siehe dazu auch
Mysnip.87163

Noch einmal, im gleichen Jahrgang (S. 126f.) kam via eines weiteren Rezensenten, jenes Blatt auf „Im Westen nichts Neues" zu sprechen.
Jener zweite Rezensent, versucht es dann eher mit der „vornehmen Sprache". Er bescheinigt dem Remarque mit seiner Darstellung „Parteiisch" zu sein, wähnt aber nur eine „objektive Betrachtung" sei bei dem Thema (seiner Meinung) nach zulässig.
Wohl kaum dürfte Remarque selber, seine Parteilichkeit bestritten haben. Wenn jener Herr diese aber nicht zulassen will, dann bleibt schon die Frage übrig, wie eine Ersetzung parteiischer Kriegsgegnerschaft, durch eine vermeintlich „objektive" wohl in der Praxis aussieht. Glücklicherweise hat jener Rezensent es aber dem zeitgenössischen Leser jenes Blattes erspart, diese seine Kritik in weiteren Verästelungen darzustellen. Er hätte dann nämlich das Verfahren auch erheblich abkürzen können, indem er einfach ausgeführt hatte:
„Für weiteres, siehe das Programm der NSDAP".
Zu den weiteren zitierenswerten Besonderheiten, gehört dann wohl auch jener Text im „Menetekel" im Jahrgang 1931 (S. 103f).
Da hatte es sich also schon bis zur „Menetekel"-Redaktion durchgesprochen.
Die bisher als „Ernste Bibelforscher" bekannten, haben sich neuerdings einen anderen Namen zugelegt. Die Art indes, wie die „Mentekel"-Redaktion diese Namensveränderung ihrer Leserschaft präsentierte, ist wohl geeignet noch heute Kopfschütteln hervorzurufen, und der Redaktion es abzusprechen, sich ernsthaft mit dem in Frage stehenden Umstand beschäftigt zu haben, wenn sie dann ihrer Leserschaft, auch dieses mitteilte:
„Alte Feinde unter neuer Firma.
Die Religionsgemeinschaft der „Ernsten Bibelforscher" hat einen neuen Namen angenommen. Sie heißt jetzt „Internationale Bibelstudenten-Gesellschaft". Ihre Zentrale, von der auch das „Goldene Zeitalter" herausgegeben wird, führt jetzt die Firma
„Bibelhaus Magdeburg", Wachtturmstraße."

Namentlich wer mit dem Background eines Kenners der Zeugen Jehovas-Geschichte, sich mit dem „Menetekel" näher beschäftigt, dem wird da noch so einiges merkwürdig aufstoßen.
Dazu zähle ich auch dieses:
Im Jahrgang 1931 des „Menetekel" gibt es auch einen in drei Teile gesplitteten Artikel (S.39f, S. 55f, S. 68f.)
Sein Titel: „Gottes Wort über Ägypten" nach Johannes Walther".

Da bekommt also der famose „Johannes Walther" (alias Walter Küppers") berüchtigt-bekannt auch durch sein Endzeitdatum 1912, in diesem Blatt eine Wiederauferstehung.
Zu Küppers („Walther") siehe unter anderem
Kriegsprediger
Noch verwunderter reibt man sich die Augen, liest man im Jahre 1929 in jenem Blatt nachfolgendes Inserat:
„Zuversichtliches über die Zeit seit Adam" (Vorsteher)
64 S. Mk -50
Die Ausführungen werden manchen Widerspruch erwecken, besonders die Berechn. d. Hl. Jahres v. Adam an. Immerhin lernen Sie sie kennen. Sie finden auch viel Anregendes."

Da will also Vorsteher seinen 1926-Schrott den er nun „vornehm in „manchem Widerspruch" umtituliert, just zu jener Zeit, via das Blattes „Menetekel" weiter unter die Leute bringen!

Nicht damit genug, gab es in der Ausgabe vom 15. 1. 1930 eine wortwörtliche Wiederholung jenes Vorsteher-Inserates.
In trauter Nachbarschaft zu jenem Vorsteher-Schinken, gibt es in diesem Blatt, in dergleichen Ausgabe vom 15. 1. 1930 noch ein weiteres Buch-Inserat-Angebot. Und zwar dieses: Hado, „Rom, die größte Geheimmacht der Welt"
Es ist zur Genüge bekannt, dieses Buch ist die Umarbeitung des Balzereits-Opus „Die größte Geheimmacht der Welt".
Indem auch dieser Schinken nun, im „Menetekel" offeriert wird, lässt das wohl tief blicken. Sehr tief!

ZurIndexseite