Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Kommentar von M. Bibleres zum Thema Kindererziehung
M. Bibleres
kommentierte am 16. 1. 2001 im InfoLink-Diskussionsforum zum Thema Kindererziehung:
Aber auch in Deutschland will die WTG
der Öffentlichkeit verbergen, was sie unter Kindererziehung in Wirklichkeit versteht und
vor allem, wie die verantwortlichen Eltern die Erziehungsmaximen der WTG umsetzt. Der
Öffentlichkeit wird durch die Pressemitteilung der WTG, worin sie Stellung zum Urteil des
BverfGE nimmt, ein positives Bild über Kindererziehung vermittelt:
Pressemitteilung Nr. 01/01
2. Januar 2001
Stellungnahme
Zu den vom Bundesverfassungsgericht
aufgeworfenen Punkten der Beachtung des Kindeswohls und der Rechte Austrittswilliger
äußert sich Werner R. (59), Sprecher des Präsidiums der Religionsgemeinschaft:
Wir haben dem
Bundesverwaltungsgericht eine Vielzahl von obergerichtlichen Entscheidungen vorgelegt.
Diese besagen, daß die Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas die Erziehungsfähigkeit von
Eltern nicht in Frage stellt. Der Berliner Senat konnte selbst auf Rückfrage des Gerichts
nicht einen einzigen Fall benennen, in dem die Rechte von Kindern nicht beachtet worden
wären. Ein entsprechendes Beweisangebot hatte der Berliner Senat auch nie gestellt.
Gleiches gilt für die angebliche Verletzung der Rechte von Austrittswilligen."
Die Religionsgemeinschaft legt Wert
auf die Feststellung:
1. Das vom Berliner Senat angeführte
Erziehungsbuch Stock und Rute" wurde nie von uns herausgegeben oder verbreitet.
Jede Form von Gewaltanwendung lehnen wir ab.
2. Gemäß ihrem Glaubensverständnis
sind allein die Eltern für die Erziehung von Kindern verantwortlich. R.: In
dieser Hinsicht besprechen wir lediglich biblische Prinzipien in unseren
Veröffentlichungen. Und wir möchten unsere Kinder zu verantwortungsvollen und
selbständigen Menschen heranwachsen sehen, die glücklich sind und einen positiven
Beitrag für die Gesellschaft leisten."
3. Jeder erklärt freiwillig seine
Hingabe an Gott und läßt sich nach bewußter Entscheidung taufen. Genauso entscheidet er
allein über seinen Verbleib in der Religionsgemeinschaft. Die Beendigung seiner
Mitgliedschaft ist jederzeit formlos möglich und wird respektiert.
Jehovas Zeugen sehen zuversichtlich
dem weiteren Verlauf des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht entgegen.
R.:
Aus unserer Sicht sind alle
offenen Fragen geklärt. Damit sollte einer Anerkennung als öffentlich-rechtliche
Körperschaft durch das Bundesverwaltungsgericht nichts im Wege stehen."
Zu den drei Punkten äußer ich mich
wie folgt:
Punkt 1.
Dieser kann dahinstehen. Stock
und Rute" ist auch mir nicht bekannt. Aber die Nichtexistenz des Erziehungsbuches
soll eher belegen, daß jede Form der Gewaltanwendung" abgelehnt wird. Ein
Argument, das wenig überzeugt da die beiden Substantive Stock" und
Rute" in Bezug auf Kindererziehung in der Literatur der Wachtturm-Gesellschaft
in ausreichender Zahl vorhanden sind. Die Eltern werden immer wieder daran erinnert,
die Rute der Zucht nicht zurückzuhalten".
Solche Sätze findet man im Schrifttum
der WTG massenweise, denn wir besprechen lediglich biblische Prinzipien in unseren
Veröffentlichungen", so R. (s. Punkt 2), allerdings an die Eltern imperativ
vermittelte Prinzipien und die werden solange eingehämmert, bis derartige harte
Glaubenssätze von den Eltern als eigenes Glaubensverständnis"
versubjektiviert werden, und gemäß ihrem Glaubensverständnis sind allein die
Eltern für die Erziehung von Kindern verantwortlich" (Punkt 2 s. o.).
Während man aber dann im
Königreichsaal da saß und den großen Gastgeber Jehova seine volle Aufmerksamkeit
schenkte", konnte man die von der WTG vermittelte Umsetzung der Erziehungspraktiken
oft genug, ja jede Woche, akustisch aus den hintersten Winkeln im Saal vernehmen. Es war
nicht die Hand des Vaters, die den süßen Popo schlug, es war die mächtige Hand des
großen Bruders", die WTG. Ich selber habe es oft gehört. Und manches mal habe
ich mich gefragt, wann ist der endlich fertig damit?"
Früher gab es in unserem, von
Brüdern selbst, privat vermieteten Saal einen Waschkeller wo Waschmaschine und ein
Trockner standen. Dieser Teil des Saals war der geeignetste Züchtigungsort. Der
Waschkeller war allen Kindern sehr bekannt. Der Versammlungsaal lag eine Etage höher,
also akustisch schon mal gut abgeschirmt. Da konnte man schon mal kräftiger draufhauen
und das Kind ruhig schon mal lauter schreien lassen, ohne gleich die Zusammenkünfte zu
stören. Wenn du nicht jetzt sofort ruhig sitzen bleibst, dann gehen wir in den
Waschkeller".
Diese Worte reichten manchmal schon,
um das Kind einfrieren zu lassen, denn es wusste dann sehr genau was ihm im Waschkeller
erwartete. Oft genug wurden die Eltern vom Podium aus ermahnt (auch auf Kongressen), doch
bitte mit ihren Kleinen ins Foyer zu gehen, bis es sich beruhigt hat. Manche sparten sich
den Weg und schlugen ihre Kinder vor allen Anwesenden (ich bin Augenzeuge solcher Szenen)
einfach ins Gesicht.
Das Klatschen ins Gesicht hörte man
durch den ganzen Saal, ein Micro war somit nicht erforderlich. Die Köpfe aller Anwesenden
wendeten sich diesem Kind zu. Ich habe beobachtet, wie Kinder die nicht still sitzen
wollten, regelrecht in den Stuhl geworfen wurden. Das die dabei keine physischen
Verletzungen davon trugen war auch alles. Ich persönlich erinnere mich daran, wie mich
mein Vater im Königreichsaal aufforderte, mich über den Stuhl zu lehnen, den Rest könnt
ihr euch denken.
Ich nehme es meinem Vater heute nicht
übel und liebe ihn, denn auch ich weiß, wie sehr er unter seiner Vergangenheit leidet.
Wir haben immer noch ein gutes Verhältnis. Ich kann es meinen Eltern einfach nicht übel
nehmen. Die waren doch selber das Opfer einer Sekte.
Damit sollte einer Anerkennung
als öffentlich-rechtliche Körperschaft durch das Bundesverwaltungsgericht nichts im Wege
stehen." (s. Pressemitteilung, oben)
Aus Rudkes Sicht sind alle
offenen Fragen geklärt" (ebd.). Das wird sich ja zeigen.
Zu dem sattsam bekannten Kommentar des
Herrn
in der Fernsehsendung des WDR vom 04. 02. 2001, 16, 30h.
Ich bedaure das sehr, wenn ich
von solchen Problemen höre, von Jugendlichen, wie sie eben in dem Beitrag geschildert
wurden. Das zeigt, dass es in der Erziehung auch in Verbindung mit einer starken
Glaubensüberzeugung Probleme geben kann, die die Jugendlichen durchaus erheblich
belasten. Ich möchte aber zum Ausdruck bringen, dass das Verständnis der
Religionsgemeinschaft ist, dass jede Herrschaft oder jede Machtausübung durch Liebe
legitimiert sein muß und das gilt besonders im Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern
und so verstehen wir auch den Begriff der Rute der Zucht, dass es eine liebevolle
Anleitung ist, die Eltern ihren Kindern geben, dass sie ihnen wirklich den Rücken
stärken und ihnen helfen mit den Problemen des Lebens auf diese Weise fertig zu werden
... "
meint Michael Bruder (alias M.
Bibleres) noch:
"Sehr ungewöhnlich ist
Verzicht des für die WTG so typischen Gebrauch des Personalpronomens in der 1. Person
plural 'wir'.
eröffnet seinen Kommentar in der 1. Person singular 'ich' und führt
ihn bis zum Ende fort. Spricht
hier ausnahmsweise nicht im Namen der Organisation?
Offensichtlich - und aus Darstellungsgründen vor der Öffentlichkeit - ist diese
Konstruktion ein grammatischer Schachzug, der die Organisation die nötige Distanz von
Verantwortung und von für sie unangenehmen Konfliktfällen gibt.
stellt die bestehenden Probleme
in den angesprochenen Familien nicht in Abrede. Er verlegt die Kausalzusammenhänge
betehender Problemfälle in den Wirkungsbereich der privaten Sphäre des
Familiengeschehens und eximiert die WT-Organisation damit höchstselbst aus ihrer
Verantwortungsrolle.
Damit müßte sie eigentlich ihre
selbst geäußerten, hart formulierten Positionen über Kindererziehung im eigenen
Schrifttum gänzlich widerrufen. Dies markiert eine perverse Ignorranz seitens der
Wachtturm-Organisation, die nicht in Abrede stellen kann, daß sie massiv auf die
Kindererziehung - mit schmerzlichen Folgen für diese zarten Seelen - einwirkt, eine
meines Erachtens nach sträfliche invadere in ihr nicht zustehendem Gebiet.
Michael Bruder"
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