"Sternverlag" Leipzig Eilenburgerstr. - Hoffnung auf den "starken Mann"
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 13. Februar 2011 00:22
Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
"Sternverlag" Leipzig Eilenburgerstr.
Hoffnung auf den "starken Mann"

Nach einer längeren Pause, auf die zu einem späteren Zeitpunkt noch näher eingegangen wird, findet man in der Magdeburger Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" wiederum ein ganzseitiges Werbe-Inserat des "Sternverlag" Leipzig Eilenburgerstr.
Besagter "Sternverlag" verbreitete auch die Balzereit-Pseudonym-Schrift "Die größte Geheimmacht der Welt", um die es noch eine gerichtliche Auseinandersetzung gab. Und just zu deren Zeitpunkt, wurde es um diese Schrift im Magdeburger "Goldenen Zeitalter" still, sehr still. Die Schweizer Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" hat übigens nie - zeit seiner Existenz, im Gegensatz zur Magedeburger Ausgabe - je ein Inserat jenes "Sternverlages" abgedruckt.

Was das jetzt offerierte Buch anbelangt (das geht aber aus dem Inserat nicht hervor) handelt es sich offensichtlich um eine 1925 in einem Konstanzer Verlag erschienene Ausgabe.
http://www.manfred-gebhard.de/Huss.jpg
Der "Sternverlag" nahm abgesehen von der genannten Balzereit-Schrift, somit nur weitgehend die Funktion einer Buchhandlung war, auch wenn er sich "Verlag" nannte. Dies ergibt auch der Vergleich mit anderen Buchtiteln, welche das Magdeburger GZ gelegentlich - immer in Verbindung mit dem "Sternverlag" - nannte. Noch 1932 stand die Magdeburger WTG offenbar in aktiver Geschäftsbeziehung zu selbigem. Dieser Umstand ist auch aus einer "Grundsätzlichen Erklärung" der WTG (nach dem Naziverbot) zu Händen des Reichs- und Preussischen Ministeriums des Innern, ablesbar. In dessen Anlagen findet sich auch eine Auflistung all jener Firmen, mit denen die WTG im Geschäftsjahr 1932 Wirtschaftsbeziehungen unterhielt. Minutiös aufgelistet einschließlich jeweiliger Umsatzsummen. Solche banale Firmen wie die Deutsche Post, welche bekanntlich für ihre Dienstleistungen Briefporto zu kassieren pflegt, befinden sich darunter. Und eben auch der Inhaber jenes "Sternverlages" (ein gewisser Floegel) mit der Summe des Umsatzes welcher 1932 bei ihm erfolgte.

Noch eine weitere Besonderheit ist zu registrieren. Ab der Ausgabe vom 1. 2. 1926 macht nunmehr auch das Magdeburger "Goldene Zeitalter" jeweils mit einem Titelbild auf. Vorreiter diesbezüglich war aber die Schweizer Ausgabe des GZ. Auch im Innern dieser Ausgabe des Magdeburger GZ finden sich einige Bilder, von denen stellvertretend eines ausgewählt sei.
http://www.manfred-gebhard.de/GZM1226.jpg
Das soll dann wohl kontrastierend zu dem eher düsteren eigentlichen Titelbild sein, welches wohl auf den tendenziösen Antt-Locarno-Artikel in dieser Ausgabe bezug nimmt (welchen die Schweizer Ausgabe des GZ bereits früher abdruckte). Siehe dazu:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,82605,83253#msg-83253

Ein Artikel der "Nationalzeitung" Basel, vom 8. 1. 1926, betitelt "Die Hoffnung auf den starken Mann" inspirierte die Redaktion des Schweizer "Goldenen Zeitalters" vom 1. 2. 1926 dermaßen stark, dass sie ihm auch eigens ihr Titelbild dieser GZ-Ausgabe widmete. Mehr noch. Sie vermerkt weiter, dass sie diesen Artikel besonders auch "um unserer Leser im Auslande willen, wiedergeben möchten."
http://www.manfred-gebhard.de/GZB1226.jpg
Nun muss man besagte "Nationalzeitung", noch dazu dessen zitierter Leitartikel, als ausgesprochenes politisches Votum bewerten. Indem das GZ dieses politische Votum zitiert, bedeutet das im Umkehrschluss dann auch, dass man sich dieses politische Votum, soweit es die in ihm enthaltene "Lagebeschreibung" betrifft, weitgehend zu eigen macht. Was also teilt besagte "Nationalzeitung" via GZ der so erweiterten Leserschaft mit? Nun das folgende:

"Die Jahreswende gab den Propheten auf beiden Seiten des Rheins die Gelegenheit, Franzosen und Deutschen pro 1926 den starken Mann oder wenigstens das diktatorische Regiment vorauszusagen. Man weiß, daß die Bereitschaft dazu in den vergangenen Monaten auch in Frankreich größer wurde. In Paris wie in Berlin ist die Regierungskrisis permanent, die Parlamente aber sprechen, intrigieren, sind ein großes Hindernis, statt eine Hilfe und stehen außerhalb der Nationen, "Wir erleben eine Krisis der Demokratie. Das Bürgertum verzweifelt immer mehr am Parlamentarismus und wendet sich faschistischen Gedankengängen zu-"

so klagen radikale französischen Politiker. Frankreichs kranke Finanzen sind in der "National-Zeitung" oft genug dargestellt worden.

Das Land hat 330 Milliarden zum bedeutenden Teil kurzfristige Schulden. Schon setzt der gewaltige Wirbel der Inflation ein, der allen Wohlstand im gelobten Land der Kleinrentner verschlingen möchte. In Deutschland hat der Papiergeldrausch eine Minderheit, wenn auch eine sehr erhebliche, enteignet und ruiniert. In Frankreich droht die Expropriation der Mehrheit des Volkes. Die materiellen Voraussetzungen, daß unser von der Natur reich bedachtes westliches Nachbarland seine Krisis überwände, sind durchaus da. Aber das Volk mißtraut dem gegenwärtigen politischen Regime und glaubt nicht mehr, daß dieses Regime und dessen Symbol, das Parlament, der Parlamentarismus, die Kraft hätten, entscheidend zum Rechten zu sehen. Den Parlamentarismus ganz überwunden hat besonders die geistige Jugend, deren Einfluß auf das Leben der Nation sehr viel bedeutender ist, als etwa in Deutschland, weil diese Jugend ihre Kraft überwiegend aus einer lebendigen, großen und zwar katholischen Tradition schöpft. Diese Tradition lehrt die unbedingte Notwendigkeit und Autorität und die Pflicht zur Disziplin. ...

In Deutschland liegen Millionen hungernd auf der Straße, die Arbeitslosenziffern übertreffen die Zahlen der vergangenen Woche um hundert Prozent, aber niemand regiert, der Kanzler kommt von einem beinahe vierzehntägigem Weihnachtsurlaub aus der Schweiz heim, und die Parteien des Reichstages beraten immer noch, was für eine Regierung ihren Sonderwünschen und Spezialisten eventuell genehm wäre. Hier steht das Parlament erst recht außerhalb der Zeit und der Nation, und die Entscheidung über das Schicksal dieser Nation wird bestimmt nicht am Königsplatz zu Berlin getroffen.

Doch wo trifft man sie, wo steht sie wenigstens in Vorbereitung ? Alle namentlich privaten Berichte aus dem Norden durch Briete und Reisende melden wieder die "Katastrophmstimmung" und die Beobachtung; "Daß es so unmöglich weitergehen kann."
Aus den Kreisen rechts erschallt abermals der Ruf nach dem "Wirtschaftsdiktator" oder dem Diktator schlechthin.
Mächtige Arbeitgeberverbände verlangen vom Reichspräsidenten die Anwendung des Paragraphen 48 der Verfassung, die Proklamation eines Ausnahmezustandes, welche im gegenwärtigen Moment von den verzweifelnden Massen - und zu diesen Massen gehören nicht nur die Arbeiter, sondern bald das gesamte, noch viel ärger als die Arbeiter drangsalierte Kleinbürgertum - als schwerste Provokation, als brutalen Schutz der Besitzenden gegen die Besitzlosen aufgefaßt werden müßte.

Es ist immerhin bemerkenswert, daß sehr entschieden Rechtsgerichte gerade in Anerkennung dieser Gefahr einer revolutionären Verhetzung nichts vom Paragraphen 48 wissen wollen. So wendet sich z. B. die "Politische Wochenschrift" energisch gegen den Versuch, alle Lasten einfach auf die Arbeiterschaft abzuwälzen und eine Maßregel, welche unter Umständen zum Wohle des ganzen Volkes, auch der Arbeiter, notwendig werden könne, als Interessenschutz der Arbeitgeber bei den Arbeitern zu diskreditieren.

Die Sehnsucht der Verzweifelnden nach dem Diktator ist groß, aber auch in Deutschland fehlt der Mann wahrhaft diktatorischer Art, weil die Gegenwart nicht am großen und starken Einzigen, sondern nur an der entschlossenen freiwilligen Vereinbarung zwischen möglichst vielen freien Bürgern gesunden kann. Den einzig sichtbaren Gewinn an der deutschen Not hat bis jetzt nur der Kommunismus, der die Taktik der Verunglimpfung und Beschimpfung aller Andersdenkenden aufgegeben hat und angesichts des absoluten Versagens der Sozialdemokraten immer mehr Sozialdemokraten, ja sogar, wie die "Köln. Volkszeitung" beklagt, Christlichsoziale in seine Kreise zieht. In den Augen der enttäuschten deutschen Massen ist die kommunistische die einzige bis jetzt noch nicht kompromittierte Partei."

Und als eigenen Kommentar fügt das GZ dann noch ergänzend an:

"Das ist eine richtige Darstellung der Tatsachen, aber ..."

Dieser "aber" mündet dann in die sattsam bekannten eigenen Endzeittheorien ein.

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