"Meiner Unzulänglichkeit, als aus den alten Bundesländern stammend allenfalls eingeschränkt aussagefähig zu sein, bin ich mir natürlich bewußt. Vielleicht stützt meine Herkunft aber auch meine Glaubwürdigkeit."
Und weiter:
"Die meisten waren — wie auch ich — als Berufsanfänger nach Sachsen gekommen und verfügten über relativ wenig Erfahrung."
Dieses "die meisten" gilt es dann noch weiter zu spezifizieren.
Es war keineswegs damit abgetan, dass dies für Rechtsanwälte galt. Auch für
andere Bereiche der Justiz gilt diese Aussage im besonderen.
So bescheinigt er etwa der in einem Verfahren tätigen Staatsanwältin mit
Dienstsitz Dresden:
"Wie alle übrigen Angehörigen der für die Verfolgung politisch motivierter Straftaten zuständigen Abteilung 8 der Staatsanwaltschaft Dresden stammte sie aus den alten Bundesländern."
Da haben sich dann dort sozusagen die "rechten" angesammelt, die kraft
ihrer Alt-Bundesrepublikanischen Sozialisation "Recht" über den verhassten
Osten sprechen.
Für die Thematik, mit welcher Herr E. W. nun in jenem 1998er Verfahren sich
auch zu befassen hatte, hatte er sich (ebenfalls nach eigener Aussage), die
Jahre davor nicht sonderlich interessiert. Hörte er also den Namen jener
Gruppe damals mal, wird er (wie noch einige andere) wohl immer nur "Bahnhof"
verstanden haben.
Nun aber wurde er via seiner Mandatierung, "mitten ins Gewimmel
hineingeworfen".
Als relativ noch junger Mann, erwies er sich sogar noch als lernfähig. Ein
Umstand, den man dann ja wohl nicht verallgemeinern kann. Aber wie gesagt,
seine Lernfähigkeit sei Herr E. W. durchaus attestiert. Und welche Lehre hat
er denn so gezogen? Offenbar auch die (gemäss seinen eigenen Worten):
"Die in der öffentlichen Diskussion vorherrschende Vorstellung, staatsbejahende DDR-Bürger seien verblendete und ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachte rücksichtslose Charaktere gewesen, wird der Wirklichkeit der DDR nach meiner Überzeugung nicht gerecht."
Aua, sagen dazu sofort die Alt-Bundesrepublikanischen "Klugscheisser". Eine solche These könne aber nicht sein. Und siehe da, auch Herr E. W. registriert solche "Klugscheisser", wenn er auch berichtet:
"Nicht selten war aus dem Justizministerium zu hören, daß die Ergebnisse der Aufarbeitung der DDR-Strafjustiz unbefriedigend seien. Der Justizminister des Freistaates Sachsen, der Kirchenrechtler Steffen Heitmann, warf den Gerichten sogar Strafvereitelung vor, wenn es zu Freisprüchen kam. Das paßte zur Organisation der Abteilung 8 als einem gegen gegnerische Einflüsse immunen Mikrokosmos innerhalb der Staatsanwaltschaft."
Über besagtem Herrn Heitmann kann man dann in der Wikipedia auch die bedenkenswerten Sätze lesen:
"1993 war er Wunschkandidat Helmut Kohls und der CDU für das Amt des Bundespräsidenten für die im Mai 1994 anstehende Wahl. Nach umstrittenen Äußerungen – zur Rolle der Frau, zum Holocaust oder über Ausländer –, die von Kritikern als ultrakonservativ oder sogar reaktionär angesehen wurden, verzichtete er auf eine Kandidatur"
Zu diesem Wikipedia-Zitat mag man dann nur noch hinzufügen. Da haben sich
also die rechten Herrschaften, recht begünstigt.
Nun also sollte Herr E. W. im Jahre 1998 jemand vor Gericht verteidigen, der
eigentlich nicht so in das vorgefasste Meinungsbild der Heitmann und Co zu
passen schien?
Inwiefern nicht?
Nun das 1998er Gericht musste sich auch mit dem Umstand auseinandersetzen, da
über jemand ein Urteil fällen zu müssen, der als
"Halbjude Hitlers Schergen mit knapper Not entronnen war, um als Staatsanwalt in der DDR ebenfalls in Konflikt mit dem Staat zu geraten und im Alter von 73 Jahren als inzwischen schwer herzkranker und verwitweter Invalidenrentner in der Bundesrepublik wegen eines 44 Jahre zurückliegenden Vorganges vor Gericht zu stehen."
Nun ja Halbjude, da hat er halt Glück gehabt, dass er noch lebt, werden die
Heitmanns und Co dazu kommentieren. Aber diese Vergangenheit sei ja völlig
uninteressant, aus dem Grunde, weil er es ja in der DDR noch zum Staatsanwalt
brachte. Allein dieser Umstand kompensiert, dann wohl alles (in der Sicht der
Heitmanns und Co), was da vielleicht davor gewesen war.
Auch da ist ein Blick in die biographischen Daten erhellend. 1925 wurde jener
spätere DDR-Staatsanwalt geboren. Bis er es dann zum tatsächlichen
Staatsanwalt brachte, vergingen aber noch einige Jahre. In seinem Fall, genau
bis zum Jahre 1953.
Ergo war auch er zu damaliger Zeit Berufsanfänger; und da kann man ja sogar
nachfühlen, wie sich ein Berufsanfänger in die Befindlichkeit des anderen
Berufsanfängers hineinzuversetzen vermag. Lediglich beide durch den Umstand
getrennt, zu unterschiedlichen Zeiten Berufsanfänger gewesen zu sein.
Auch jener Staatsanwalt wurde nun, ohne lange Vorrede ins "Wasser geworfen"
und musste beweisen, ob er denn schwimmen könne oder nicht.
Nun ja, die 1953er "Schwimmprobe" hat er dann ja wohl im Sinne seiner
Auftraggeber bestanden.
Ersichtlich auch daran, dass er die ihm zur Aburteilung überantworteten Zeugen
Jehovas, mit entsprechenden Strafanträgen bedachte.
"Konkret geht es um drei Prozesse aus den Jahren 1954 und 1955. Dabei habe er, so der Vorwurf, vor vierzig Jahren an der Verurteilung mehrerer Zeugen Jehovas zu mehrjährigen Haftstrafen mitgewirkt."
Weiter spezifiziert, das höchste dabei verkündete Urteil (gegen insgesamt 19 Zeugen Jehovas) betrug zehn Jahre Zuchthaus.
Die Angeklagten verbrachten zwischen vier und acht Jahren im Zuchthaus. Die beiden letzten wurden am 24.1.1962 aus der Haft entlassen."
Auch Herr E. W. kann seine Verwunderung nicht verbergen, etwa über solche
seinerzeitigen Klagevorwürfe wie Spionage und ähnliches. Inwieweit war nun
jener Staatsanwalt von damals dabei eigenständig?
Auch dabei meint E. W. urteilen zu sollen:
"Die in den Prozessen beim Obersten Gericht (1950) erzielten Ergebnisse wurden alsdann für weitere Verfahren in den Bezirken übernommen, so daß die Verfahren im wesentlichen nur noch Einzelaktivitäten für eine vom Obersten Gericht bereits als staatsfeindlich eingestufte Organisation zum Gegenstand hatten."
Also hielt sich der Eigenanteil jenes Staatsanwaltes, wohl eher in
überschaubarer Größenordnung.
Da aber Herr E. W. im Jahre 1998 die Rolle eines Verteidigers wahrnimmt,
musste er sich auch so seine Gedanken machen. Ja was bringt man denn nun als
Verteidigungsargumente vor Gericht vor.
Und bei seiner Suche dabei schien ihm wohl auch nachfolgendes interessant zu
sein:
"Eine Auseinandersetzung mit der Kommunistenverfolgung in der Bundesrepublik in den 50er Jahren ist etwas sehr Interessantes. Vor allem der frühere Justiz- und Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Diether Posser, beschreibt eindrucksvoll, mit welcher Kraft die Justiz der Bundesrepublik Deutschland dem kommunistischen Feind zu Leibe rückte. Man will bisweilen gar nicht glauben, wie groß offenbar die Angst vor ihm war. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, mit welcher Akribie und Konsequenz die in ihrer Größe und Aktivität aus heutiger Sicht geradezu lächerlich anmutende Kommunistische Partei Deutschlands beziehungsweise ihre Neben-und Nachfolgeorganisationen vom Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland und der vollziehenden Justiz insbesondere in den 50er Jahren bekämpft wurde."
Das aber würde ein Herr Heitmann wohl als nicht zulässiges Argument
einstufen.
Wie auch immer, der Verteidiger E. W. hatte wohl auch diesbezüglich Glück, als
das urteilende Gericht, auch ohne sonderliches Zutun jenes Anwaltes zu dem
Resultat kam. Ausgehend von der zeitgenössischen DDR-Gesetzgebung, könne wohl
jenem DDR-Staatsanwalt, darüber hinaus gehende, individuelle, zusätzliche
Strafverschärfung, wohl nur schwer nachgewiesen werden.
Auch jenes 1998er Gericht urteilt, in der Höhe seien die verhängten Strafen
wohl unangemessen. Kann es nun aber jenen Staatsanwalt, als
Hauptverantwortlichen für diese Unangemessenheit bezeichnen?
Das 1998er Gericht meint es letztendlich nicht zu können, und verkündete
Freispruch für den angeklagten seinerzeitigen Staatsanwalt.
Der blieb übrigens nicht die ganze DDR-Zeit über Staatsanwalt.
Mag er denn seinen 1953 "Schwimmversuch" im Sinne seiner Auftraggeber auch
zufriedenstellend absolviert haben, so scheint diese Zufriedenheit dann in
späteren Jahren wohl etwas nachgelassen zu haben.
Dafür stehen dann auch die Sätze im E. W.-Bericht:
"Am 20. August 1960 bekam er exakt zwanzig Minuten,
um seinen Schreibtisch zu räumen und die Dienststelle zu verlassen.
Damit endete die Karriere des Staatsanwalts ...
Für (ihn) hieß das, als Hilfsarbeiter in einer Glüherei arbeiten zu
müssen. Erst nach einem Jahr wurde er wieder als Jurist eingesetzt, bis er
1978 invalidisiert wurde. 53jährig war er arbeitsunfähig geworden."
Und noch einen Kommentar zum 1998er Verfahren gibt es von Herrn E. W.. Und zwar den Satz:
"Insoweit funktionierte die Staatsanwaltschaft Dresden der 90er Jahre nicht anders als zu Georg H...s Zeiten."
Und um genau dem zu entsprechen (sicherlich zum Wohlgefallen des bereits
genannten Herrn Heitmann), boxte besagte Staatsanwaltschaft noch eine
Revisionsverhandlung durch, die dann vor dem Bundesgerichtshof ihre
Fortsetzung fand.
Konnte der BGH nun inzwischen weitere personenspezifizierte Schuld jenes
Staatsanwaltes erweisen? Auch er konnte das nicht. Und sehr wohl zum Mißfallen
des Herrn Heitmann gab es dann einen erneuten Freispruch.
Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 26. 7. 1999 in der vorbeschriebenen
Sache ist offenbar auch mit abgedruckt in "Strafjustiz und DDR-Unrecht:
Dokumentation", Band 5, Teil 2 von Klaus Marxen, Gerhard Werle.
Für diese Wertung spricht auch der Umstand, dass auch E. W. davon spricht, es
gab noch eine weitere Mit-Angeklagte in dem Verfahren.
Aufgrund seiner Mandatierung war E. W. aber nur für einen der Angeklagten
zuständig.
Siehe auch:
http://books.google.de/books?id=ojEm8hAJZikC&pg=PA983&dq=jehovas+bundesgerichtshof&hl=de&ei=Z07ATP-iKdq5jAe4l5WlCg&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=4&ved=0CDwQ6AEwAw#v=onepage&q=jehovas%20bundesgerichtshof&f=false
In dem genannten Text liest man dann unter anderem:
"Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden ... werden verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten der Rechtsmittel und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen."
Weiter auch der Satz:
"Obgleich die Anklagen und Verurteilungen der Angehörigen der "Zeugen Jehovas" in den Ausgangsverfahren mit rechtsstaatlich orientierten Maßstäben unvereinbar waren, ist eine direkt vorsätzlich rechtsbeugerische Überdehnung des zur Tatzeit geltenden DDR-Strafrechts zutreffend (bereits vom Landgericht Dresden) verneint worden."
Ergo wertete der BGH mit seiner Vokabel "zutreffend" das er es ähnlich
sieht.
Selbstredend werden im weiteren Urteilstext, die DDR-Urteile als nicht
Rechtsstaatlichen Kritierien entsprechend gewertet.
Es wird aber zugunsten der Angeklagten eingeräumt, sie hätten die Vorgaben
umgesetzt, welche bereits das Oberste Gericht der DDR im 1950er Prozess
formuliert hatte.
Als Weisungsgebundene "zudem nur unzureichend vorgebildete Angeklagte", hätten
sich diese den Vorgaben nur "schwerlich entziehen können."
Die Revision hätte also nur dann Erfolg gehabt, wäre der Beweis erbracht
worden, die Angeklagten seien bei ihren Strafanträgen, noch schärfer als etwa
vergleichsweise das Oberste Gericht der DDR gewesen. Just dieser eben genannte
Beweis konnte aber nicht erbracht werden.
Nun mag man ja solche Urteile als nicht sonderlich schön empfinden. Allerdings
kann man dann im Gegensatz zum Vorwortschreiber bei E. W., berechtigterweie
wohl nicht von "Siegerjustiz" sprechen. Mag jener Vorwortschreiber, der da
titelt "Die dritte Welle" jene Vokabel auch nicht wörtlich verwandt haben, so
ist doch die Tendenz deutlich, die er da "rüberbringt" wenn er wähnt
wahrzunehen:
"Der Eifer zu bestrafen war im Falle des DDR-Unrechts am größten" (S. 8f.)
Eine tatsächliche Siegerjustiz würde sich wohl kaum mit dem Umstand lange
aufhalten, das damalige DDR-Recht als Bewertungskriterium anzusetzen.
Auch ja, Herr E. W. ist in seinem Bericht, auch so frei und offen, Zahlen zu
benennen (noch in DM spezifiziert) welche finanziellen Forderungen er denn nun
habe. Zahlbar von der Kasse der Bundesrepublik Deutschland. Wen dieser Aspekt
interessiert, kann das dann ja in dem genannten Buch selbst nachlesen.
Und noch etwas vernimmt man in diesem Bericht.
Jener Staatsanwalt hätte nun das Angebot bekommen, in einem Video zur Zeugen
Jehovas-Thematik mit auftreten zu können (Möglicherweise von der Loretta
Walz-Videoproduktion wäre meine These zu letzteren). Genannt wird die
fragliche Firma ja nicht namentlich. Und die großen Fernsehsender dürften sich
für diesen Fall wohl kaum sonderlich interessiert haben.
Aber er lehnte dankend ab. Ergo wurde nichts aus einem Auftritt als Videostar.
Dafür kann sich nun jener Staatsanwalt allmonatlich darüber erfreuen, von den
Zeugen Jehovas, deren "Wachtturm" in seinem Briefkasten vorzufinden.
Das er deshalb nun zu den Zeugen Jehovas konvertieren würde, ist aber wohl
weiterhin mehr als unwahrscheinlich!
Folgt man Herrn E. W. weiter, waren es nicht die Zeugen Jehovas selbst, welche
der treibende Keil vorgenannter Verfahren gewesen waren. Im Gegenteil hatten
einige von ihnen, welche da als Zeugen für das Gerichtsverfahren vorgesehen
waren, eher den Wunsch nach "Ruhe". Sich nochmals mit all dem
auseinandersetzen zu müssen behagte ihnen nicht.
Sofern ihnen eine Opferrente für erlittenes DDR-Unrecht zusteht, wurde die
weder höher noch niedriger, durch das Verfahren gegen jenen Staatsanwalt.
Ergo bliebe als individuelle Motivation allenfalls der Aspekt der Rache, der
aber in dieser Verallgemeinerung so nicht gegeben ist.
Treibende Kräfte jenes Verfahrens waren in Sonderheit, politisch motivierte
Kreise der alten Bundesrepublik. Weniger im Text von Herrn E. W. selber, wohl
aber im Vorwort eines nicht gerade durch sonderlich DDR-System"ferne" geglänzt
habenden Anwaltskollegen aus der DDR-Zeit, der da zur Rolle des
Vorwortschreibers auserkoren wurde, vernimmt man die Tendenz, welche
"Marktlücke" denn jenes E. W.-Buch ausfüllen soll.
Man vergleiche flankierend, was etwa die "Wikipedia" über jenen
Vorwortschreiber ausführt; oder wem man sonst noch so alles als Bejubler des
Vorwortschreibers im Internet begegnen kann.
Meinerseits möchte ich dann aber darauf verzichten, über das bereits gesagte
hinaus, diese dann zu kommentieren.
Am 9. 1. 2004 wurde vorgenanntes Buch unter der Überschrift
"Stellvertreterprozesse" in der Gazette "Neues Deutschland" bereits gefeiert.
Online ist der fragliche Artikel nicht mehr für's breite Publikum zugänglich,
sondern nur noch für Abonnenten jenes Blattes.
Der dortige Rezensent meinte etwa besonders auch die
Wehrdienstersatzverweigerungsprozesse gegen Zeugen Jehovas in der alten
Bundesrepublik herausstellen zu sollen, welche E. W. auch mit erwähnt.
Zumindest bei mir blieb damals (siehe Forumarchiv A56) ein fader Rückgeschmack
zurück.
Da feiern sich also DDR-Apologeten, die eigentlich keinen Grund zum feiern
hätten.
Insofern ist die erwähnte Publikation durchaus kein Evangelium, namentlich
nimmt man die zur Kenntnis, welche sie in den Rang eines "Evangeliums" erheben
möchten.
Ohne den DDR-System nahen Vorwortschreiber, wäre es ein Buch geworden, dessen
Thesen ernsthaft der Diskutierung wert sind.
Das überflüssige Vorwort, hat diesen Status selbst zerstört.
Exkurs:
Dann sei doch nochmals aus jenem Kommentar zur "Erwachet!"-Ausgabe vom 8. 10.
1957 zitiert:
Parsimony.24248
"Ich habe dem Richter Stoedter schon früher bescheinigt, dass er von allen,
die während der Nazizeit zum Zeugen Jehovas-Thema zeitgenössisch publizierten,
(Jonak vielleicht ausgenommen), er mit der "gründlichste" (relativ) war. Siehe
dazu Grenze
überschritten
Eines kann man ihm sicherlich nicht unterstellen, das er etwa "mit Schaum vorm
Maul agitieren" würde.
Wie nun reagiert etwa Detlef Garbe auf Stödter? Formuliert er einen
Totalzerriss über selbigen? Auch das kann man so nicht sagen. Garbe etwa
erwähnt selbigen nur mehr
beiläufig. Aber auch bei Garbe findet sich der Satz, dass Stödter
hervorgehaben habe
"daß die bayerische Staatsregierung gegen die IBV "auf Veranlassung" der NSDAP-Landtagsfraktion eingeschritten sei."
Dies will Garbe jedoch als "Überinterpretation" gedeutet wissen.
Wie auch immer, "Überinterpretation" oder nicht. Auch bei Stödter lässt sich
der Hinweis eruieren auf Zitat, die "Bibelforscher-Zeitschrift 'Das Goldene
Zeitalter', Nr. 281 vom 1. Juni 1934."
Das war jene Ausgabe, die relativ umfänglich über die "Verfolgungen in
Deutschland" berichtete. Dies war nicht der "erste" einschlägige Bericht im GZ.
Herausragend auch der in der GZ-Ausgabe vom 1. 2. 1934, (auch bei Friedrich
Zipfel dokumentiert), mit dem Artikel "Alltägliches aus Deutschland" worin den
auch solche "flotte" Vokabeln vorkommen, wie "römische Gestapo" und ähnliches
von dieser Güte. Es ist unzweifelhaft, wie denn die zeitgenössischen Schreiber
des GZ, die Qualifizierung der Hitler'schen Gestapo als "römische Gestapo"
verstanden wissen wollten. Als im "Dienste der katholischen Kirche stehend".
Selbst ein im tatsächlichen Dienste der Gestapo stehendes Publikationsorgan,
nämlich das "Schwarze Korps" kam bei solcherart Unterstellungen nicht darum
herum fast buchstäblich "nach Luft zu japsen"; und Unterstellungen der Art,
zurückzuweisen. Nun mag man Nachsicht für solcherart Vokabeln haben, und sie
aus der zeitgenössischen Betroffenheit heraus erklären. Dennoch kommt man
nicht umhin die zeitgenössische Lesart der damaligen Zeugen Jehovas-Gegner
dazu, auch zur Kenntnis zu nehmen. Zusammenfassbar in einem Wort: "Hetze".
Wenn also das, was das GZ auf der Faktenebene berichtete, "Hetze" (in
Anführunsstrichen) sei. Dann stellt sich doch die Frage. Was war eigentlich
mit dem "Wachtturm Nr. 7/1950".
Das war jene Ausgabe, welche über die Berliner Waldbühnenveranstaltung der
Zeugen Jehovas des Jahres 1949 berichtete, mit dem markigen Slogan. Man
fürchte die Kommunisten nicht. Und der rhetorischen Frage an letztere, ob
selbige nun zu vollenden gedenken, was die Nazis begonnen hätten?
Es lässt sich nachweisen, das in den Ostdeutschen Zeugen Jehovas-Prozessen,
verschiedentlich auch ausdrücklich auf den "Wachtturm" Nr. 7/1950 mit
abgestellt wurde.
Nun hat der Richter Dr. Stödter in seinem veröffentlichten Zeugen
Jehovas-Aufsatz, sich nicht auf die Niederungen solcher Vokabeln wie "römische
Gestapo" eingelassen. Aber auch bei Stödter findet man durchaus eindeutige
Sätze. Etwa den:
" Die Prinzipien des bürgerlichen Rechtsstaats haben dem Gedanken der Volksgemeinschaft weichen müssen. Die Weimarer Verfassung hat damit ihre Legitimität verloren. Mit Recht hat daher vor allem das Urteil des Sondergerichts Darmstadt verschiedentlich eine scharfe Kritik erfahren."
Wer sich intensiver mit der Materie befasst weiß, dass jenes Darmstädter
Urteil (das sogar Freisprüche von Zeugen Jehovas aussprach) eines war, auf
welches die zeitgenössischen Zeugen Jehovas große Hoffnungen setzten. Sie
instruierten die von ihnen benutzten Rechtsanwälte, jenes Urteil möglichst in
den Rang eines Präzedenzfalles zu juridieren. Daraus wurde allerdings nichts.
Denn wie auch Stödter rekapituliert, fand dieses Urteil scharfe Gegnerschaft,
und er selbst (Stödter) sagt dazu "mit Recht".
Weiter kann man bei Stödter die Sätze lesen:
"Die Gemeinschaftswerte, die das staatliche Recht
im Allgemeininteresse für wichtiger hält, genießen den Vorrang vor der
Glaubensfreiheit. 'Staatsgesetz geht vor Religionsgebot', was auf Grund
der allgemeinen Staatsgesetze als staatsfeindlich, ordnungswidrig,
gemeinschädlich erscheint, kann sich nicht mit Hilfe des Mäntelchens
religiöser Überzeugung behördlichen Zugriff entziehen.
Die Bekenntnisfreiheit steht unter dem Vorbehalt des allgemeinen
Gesetzes."
Nun stelle ich dazu mal die Frage, worin bestand da eigentlich der
"Unterschied" in der Argumentation, wie sie etwa der Richter Oehme in
Ostdeutschland gebrauchte? Ich kann da keinen nennenswerten Unterschied
registrieren. Auch Oehme sagte in der Substanz nur ähnliches.
Man kann noch weiter gehen und ausdrücklich erklären. Wenn es Zeit und
Umstände so gefügt hätten, wären beide Richter kompatibel gewesen. Stödter
hätte bequem auch die Rolle von Oehme in Ostdeutschland spielen können. Und
umgekehrt, Oehme auch die Rolle von Stödter in der Nazizeit.
Beide Richter eint auch die grundsätzliche Einsicht, wie es Stödter
formulierte:
"Auch im neuen Deutschland gibt es
Religionsfreiheit. ... Die Glaubensfreiheit beruht im heutigen Staat
allerdings nicht auf der Weimarer Verfassung. .... Im Interesse der
politischen Einheit kann diese Garantie keine schrankenlose sein. Die
Freiheit des Bekenntnisses endigt an den Grenzen, die der Staat zugunsten
anderer völkischer Werte zu ziehen genötigt ist. ...
Zu ihnen gehört die Bibelforscherbewegung. Ihre Lehre und deren praktische
Durchführung gefährden den Bestand des Staats und die Einheit des Volks.
Das die Bibelforscher offenbar aus einem tragischen Konflikt heraus
handeln, indem sie auf Befehl Gottes zu handeln vermeinen, kann an dieser
Kennzeichnung nichts ändern."
Indem beide Richter sich als kompatibel erweisen, stellt sich doch die
Frage, wie der Demokratiestaat Bundesrepublik Deutschland sich zu ihnen
verhielt.
Die Antwort darauf ergab sich schon aus den vorangegangenen
Ausführungen.
Der eine wurde an den Pranger gestellt; der andere konnte seine Karriere
ungebrochen fortsetzen, als wäre nie etwas gewesen. Stoedter bekam zudem im
Jahre 1979, anlässlich seines 70. Geburtstages, eine eigene juristische
Festschrift zugeeignet. Selbiges soll ja bei
Honoratioren, nichts Ungewöhnliches sein. Seine 1936er Zeugen
Jehovas-Ausführungen spielten für den Staat BRD offenbar nicht die geringste
Rolle (negativer Art).
Auch solche "markigen" Sätze des Juristen Stoedter kann man in seinen
Ausführungen lesen (ohne Anspruch auf "Vollständigkeit") wie zum Beispiel die;
"Den Hitler-Gruß können sie mit ihren Glauben ...
nicht in Einklang bringen ...
Zu dieser Ansicht bekennen sich selbst solche Bibelforscher, die Beamte
oder Staatsangestellte sind bzw. waren. Kein Mensch der Welt, behaupten
sie weiter, könne sie jemals dazu bringen, Kriegsdienste zu leisten, zur
Wahlurne zu gehen oder der irdischen Macht in irgendeiner Form mehr zu
gehorchen als den göttlichen Instanzen...
Ergibt sich mit alter Deutlichkeit, daß die IBV nicht lediglich auf
religiösem, sondern auch auf politischem Gebiet tätig wird. Dies Material
ist zugleich die Einstellung der Bibelforscherbewegung zum
nationalsozialistischen Deutschland zu erkennen. Hier wird der Pazifismus
verherrlicht, der Heldentod fürs Vaterland verächtlich gemacht. ...
Auch die irdischen Machthaber, vor allem die deutsche Regierung, sollen
unter teuflischem Einfluß stehen "Hitler und sein Stab von Beamten",,
heißt es in einem Aufsatz ... stehen
ohne Zweifel unter der Kontrolle der unsichtbaren Macht Satans ..."
Die Weimarer Verfassung ist abgelöst. durch die Verfassung des völkischen
Führerstaats. Daß deren Grundgedanken ausdrückliche schriftliche
Festlegung zu einem großen Teil noch nicht gefunden haben, ändert an ihrer
Existenz und Geltung nichts. Eine Reihe geschriebener völkischer
Grundgesetze ist überdies bereits vorhanden. Im Programm der Bewegung
besitzen wir einen Katechismus politischer Weltanschauung der Maßstab und
Richtschnur bei der Entscheidung aller wesentlichen Fragen abgibt. Er ist
integrierender Bestandteil der völkischen Verfassung geworden ..."
Solcherart von Voten sind in dem Staat Bundesrepublik Deutschland,
besonders Karrierebegünstigend. Sagt indes ein Richter, in der Substanz
ähnliches, lediglich mit dem Unterschied, dass anstelle eines braunen, ein
roter Anstrich verwendet wird. Was dem dann blüht, darüber wurde vorstehend
schon berichtet.
Oder auch jener Kommentar:
Da hatte also der Herr Gauck auch einen Onkel, "schlimm genug". Noch
schlimmer, der war zu Nazizeiten Wehrmachtspfarrer. Noch am allerschlimmsten -
jedenfalls wenn man in den Redaktionsräumen der Münchner Arabellastr.
residiert, - hat jener vormalige Wehrmachtspfarrer dann das Naziregime
überlebt, und in seiner Kirche variiert weitere Karriere gemacht.
Noch schlimmer offenbar für "Focus", auch noch einen nicht zu unterschätzenden
Einfluss auf seinen Neffen Gauck ausgeübt.
Das der ehemalige Wehrmachtspfarrer da vielleicht, nach 1945 eventuell
Mitglied einer Neonazi-Partei gewesen wäre, wagt selbstredend auch "Focus"
nicht zu behaupten, obwohl dass sich dann als Diskreditierung sicherlich noch
besser machen würde.
Wenn es denn um braun gewandete (einstmals) geht, die nach 1945 in den Kirchen
(und wohl nicht nur dort) weitere Karriere machten, würden mir noch ein paar
weitere Namen einfallen. So zum Beispiel der des Herrn Grundmann, zu
Nazizeiten Leiter eines kirchlichen, prononciert antisemitisch ausgerichteten
Instituts in Eisenach. Und für die Thüringische Evangelische Kirche, trotzdem
nach 1945 als Führungspersonal relevant.
Oder jener Herr Richter aus Hamburg, Stödter sein Name, der da schon 1936
einen Zeugen Jehovas bezüglichen Artikel in einer juristischen Zeitschrift
publizierte, bei dem man sich fragen kann.
Wer hat denn nun eigentlich von wem abgeschrieben? Hat die Hilde Benjamin
ihren Gerichtsurteilstext bei der Verkündigung ihres Zeugen Jehovas-Urteils
von Stödter abgeschrieben?
Das will ich der Frau Benjamin ja nicht unterstellen. Ich konzediere, die hat
ihren Urteilstext auch ohne die "Krücke Stoedter" zusammen bekommen.
Auch wenn dem so ist, bleibt der Umstand bestehen. Über weite Strecken
"auswechselbar".
Lediglich ein paar zeitbedingte Details bedürften der Anpassung.
Besagtes "Focus" ist noch nie sonderlich in Erscheinung getreten, etwa die
bruchlosen Karrieren vor und nach 1945 gewisser "Stützen des Staates" zu
beleuchten.
Zu denen gehörte dann auch der Herr Stödter, der es noch zu einer ihm
zugeeigneten eigenen juristischen Festschrift brachte. Nun habe ich letztere
zwar nicht selbst gelesen. Aber ich unterstelle schon - bis zum Beweis des
Gegenteils - sein 1936er ZJ-Aufsatz (verdächtig ähnlich dem Hilde
Benjamin'schen Gerichtsurteilstext) ist darin wohl kaum Reflektiert.
Wenn besagtes "Focus" da also noch unbearbeítetes aufarbeiten wollte (was es
garantiert nicht will) hätte es sicherlich ein reiches Feld zu beackern, an
das da zu denken ist.
Aber den kalten Kriegern vom "Focus" geht es ja nur um eines, den Osten weiter
zur Kolonie zu degradieren; auf dass die "Herrenmenschen" Made in "Focus" in
um so "glänzenderem" Licht dastehen sollen beim "Michel mit der Schlafmütze"
versteht sich!
Man vergleiche auch den "Spiegel" Nr. 26/2010. der seinem Bericht den
zusammenfassenden Titel gab: "Abbau Ost"
www.spiegel.de/spiegel/print/d-71123415.html
"Um aufzuschließen, müsste die Wirtschaft in den
neuen Ländern schneller wachsen als in den alten, doch das Gegenteil ist
der Fall....
Seit dem Mauerfall ist die Zahl der Einwohner Ostdeutschlands um fast zwei
Millionen geschrumpft - eine Entwicklung, die sich ungebremst
fortsetzt....
Dabei ist den Fachleuten klar, dass die Hauptschuld für die wirtschaftlich
verkorkste Wiedervereinigung nicht im Osten liegt, sondern bei jenen, die
im Westen die politischen Vorgaben machten."
Den Volltext der "Focus"-Ausgabe vom 28. 6. 2010, stellen die
geschäftstüchtigen Herrschaften aus der Arabellastr. Selbstredend nicht
Online.
Online gibt es da nur ein paar Brosamen daraus, auf die dann noch hingewiesen
sei.
mc.cellmp.de/op/ifocus/de/ct/-X/artikel/politik-gerhard-schmitt-
523831/1335169/48864/
www.focus.de/politik/deutschland/bundespraesident/gerhard-schmitt-das-
Geheimnis-um-gaucks-onkel_aid_523831.html
Einleitung und Schlussätze eines relativ umfänglichen Aufsätzes von Stodter
zum Bibelforscher-Thema im Jahre 1936.
Getreu dem Motto "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus", wurde die
äußerst kurzfristige öffentliche Zugänglichkeit jener Zeitschrift mit diesem
Aufsatz, für die Öffentlichkeit im Internet wieder aufgehoben.
Siehe dazu
http://www.digizeitschriften.de/main/dms/img/?IDDOC=34583
Faktisch ist damit nur der Zugriff über den Umweg wissenschaftler Bibliotheken
(selbstredend nur an Ort und Stelle) möglich, die ohnehin schon vordem, nicht
selten auch über Printexemplare der entsprechenden Zeitschrift verfügen).
Und das alles in Zeiten des Internets!
Nicht auf den vorgeschilderten Fall, wohl aber auf einen doch ähnlich
gelagerten, nahmen zwei Artikel in der "Berliner Zeitung" vom 4. 8. 1995 und
18. 8. 1998 bezug, die noch kommentarlos mit vorgestellt seien.
Daran anschließend ein Artikel zum gleichen Thema der (seinerzeitigen)
Zeitschrift "Wochenpost" vom 17. 8. 1995
Siehe zu vorgenannten auch:
http://books.google.de/books?id=Ih2p9culP14C&pg=PA217&lpg=PA217&dq=Alfred+Trapp+Jehovas&source=bl&ots=YinC33riSs&sig=CnZNBjHU2p5dxMldLnERMgc47RE&hl=de&ei=13rRTOKUNMKQswaa9M2uCw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=2&ved=0CBwQ6AEwAQ#v=onepage&q=Alfred%20Trapp%20Jehovas&f=false
Sowie auch:
www.alst.org/pages-de/lehrmaterial/zeugenaussagen/lothar-hornig.html
Auf der Seite Standhaft.org (die ohnehin nur noch ein nicht altualisiertes
Schattendasein fristet) gibt es auch noch einen Kurzeintrag zu Hörnig (Rubrik
Biographien), welcher aber in der Sache auch nicht ausführlicher ist.
Ebenso inhaltlich mager, auch die Notiz im "Wachtturm" vom 1. 7. 1996.
Zu dem in diesem Kontext mit zu benennenden Richter Ernst Oehme, siehe auch:
http://books.google.de/books?id=bhD8l7DhvWwC&pg=PA305&lpg=PA305&dq=richter+oehme+jehovas&source=bl&ots=k1iWQIeY-Q&sig=K3GzslRvJS1NFcW3Le3oTColOCg&hl=de&ei=MozRTNTnCobGswbPzqi0Cw&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=2&ved=0CBsQ6AEwAQ#v=onepage&q=richter%20oehme%20jehovas&f=false