Re: Vor sechzig Jahren
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 02. November 2010 04:15
Auffallend an der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 11. 1950 ist schon mal die mit dieser Ausgabe eingeführte Präambel auf der zweiten Seite jeder WT-Ausgabe. Bemerkenswert ihre betonte Ausrichtung auf die Endzeit-Naherwartung. Etwa wenn es darin heisst:

"Wenn sie beobachtet, wie unsere Generation unter Habgier, Pflichtvergessenheit, Heuchelei, Atheismus, Krieg, Hungersnot, Seuchen, Ratlosigkeit, Furcht sowie durch Verfolgung unpopulärer Minderheiten leidet, sagt sie nicht die alte Fabel nach, dass die Geschichte sich wiederhole. Durch die biblische Prophezeiung unterrichtet, erkennt sie in diesen Dingen das Zeichen der Zeit des Endes der Welt ..."

Heiß ging es auch in anderer Beziehung her, in der "Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 11. 1950. Das ist diejenige, in der seitens der WTG, ihr sie inzwischen ereiltes Verbot in Ostdeutschland, zum ersten Mal in einer einigermaßen relevanten Form kommentiert wurde. Insoweit es den eigentlichen Verbotsakt betraf, kann man auch nicht so recht von einem Kommentar sprechen. Es war mehr oder weniger nur eine Zusammenfassung entsprechender Presseberichte. Dennoch, an Kommentaren eindeutiger Art, spart dieser WT nicht, wie noch aufzuzeigen sein wird.
Zum eigentlichen Verbot notiert der WT:

"Gemäß einer Meldung in der New York Times vom 31. August wurden am 30. August in Magdeburg, Sowjetzone, 60 Zeugen Jehovas verhaftet und eingesperrt. Der Bericht sagt,

dass während vergangener Monate die Zeugen 'zu Dutzenden gefangengenommen, ihre Versammlungen gesprengt und verschiedene Personen unter ihnen von der Polizei schwer geschlagen worden seien unter der Begründung, sie bedrohten den Frieden.

Beständig sind in der Kommunistenpresse Anklagen wieder sie erhoben worden, dass sie Spione und Saboteure im Solde der 'Imperialisten' der Vereinigten Staaten seien.'

Dann, am 5. September, brachte die New York Daily News eine Meldung von der United Press, datiert vom 4. September, die besagte

'Die ostdeutschen Kommunistenregierung verbot Jehovas Zeugen in der Sowjetzone heute unter der Beschuldigung, ihre Mitglieder, deren Zahl auf 25 000 geschätzt werde, trieben 'Spionage für eine fremde imperialistische .Macht' … dies war die erste formelle Aktion gegen die Organisation durch die Kornmunistenregierung, obwohl sie in den vergangenen Wochen einen Propagandafeldzug wider Jehovas Zeugen durchgeführt und ein kleines Heer von Männern und Frauen dazu bestimmt hat, die Mitglieder Tag und Nacht zu beobachten.'

Die New York Times berichtete ebenfalls über diese Sache und fügte bei:

'Gestern wurde aus zuverlässigen Quellen aus dem Osten bestätigt, die Führer der Gruppe hätten bestätigt, dass 500 Mitglieder letzten Mittwoch durch eine Geheimpolizei-Razzia im Hauptbüro Magdeburg festgenommen worden seien.'

Am 6. September veröffentlichte die New York Times folgende Reuter-Meldung vom 5. September:

'Die ostdeutscher Sicherheitspolizei hat in den vierundzwanzig Stunden seitdem die ostdeutsche Regierung die Sekte verboten hat, 1000 Zeugen Jehovas ins Gefängnis geworfen, so erklärte heute ein Wortführer der Zeugen … Die 'illegalen Pamphlete' die sich angeblich in den Büros der Sekte vorfanden, waren biblische Literatur, die in mehr als neunzig Sprachen veröffentlicht wird und in der ganzen Welt erhältlich ist.'

In der Schweiz veröffentlichte das Berner Tagblatt vom 4. September auf der Titelseite folgendes:

'Ein Vertreter der Sekte erklärt, dass der von den Kommunisten eingeleitete Feldzug gegen die Sekte zu einer Verfolgung geführt habe, die schlimmer als diejenige der Gestapo sei. Die Gestapo habe die Sektenangehörigen als Freunde der Kommunisten und Juden bezeichnet. Heute werden sie als 'Agenten des amerikanischen Imperialismus' angeklagt. Die Sekte werde sich einem diktatorischen Zwang nie beugen. Sie werde auch nicht aufhören, in der Sowjetzone das Evangelium zu predigen.'"

Es ist sicherlich verständlich, dass die WTG über diese eingetretene Situation wohl kaum "erfreut" war.
Sollte man nun der irrtümlichen Meinung sein. Na ja. Jetzt wird sich wohl das Spektakel der Berlin-Wilmersdorfer Veranstaltung vom 25. 6. 1933 wiederholen. Mit der Mitteilung an Hitler, man hätte doch eigentlich gar nichts gegen ihn. Hitler selbst habe doch gesagt, dass er positives Christentum schätze. Und man selbst sei doch auch nur "positives Christentum".
Oder solche "Liebesbekundungen", dass man Hitler beipflichtet, seine Entscheidung aus dem Völkerbund auszutreten, sei richtig.
Oder solche "Gefälligkeiten" wie die Vokabel "Handelsjuden" gegen die man doch eigentlich auch eingestellt sei, und dass zu einem Zeitpunkt, wo die SA schon mit Schildern vor jüdischen Geschäften stand, mit der Aufschrift "Kauft nicht bei Juden", wenn nicht gar noch schlimmeres.
Oder der vermeintliche "Hauptrumpf": das Verbot könne doch nur auf Missverständnissen beruhen, vor allem auf die Intrigen der bösen religiösen Konkurrenz. Man solle sich daher lieber mal in Ruhe zusammensetzen. Dann würde sich herausstellen, dass alle Verbotsgründe nur auf ausräumbaren Missverständnissen beruhen würden.

Sollte man also wirklich der Meinung sein, jetzt würde sich das Anbiederungs-Spektakel erneut wiederholen, wird man allerdings in dieser WT-Ausgabe glashart eines anderen belehrt.

Man kommt nicht umhin der WTG zu bescheinigen, dass sie global denkt. Ihre unterkühlte Zitierung von Presseberichten, ohne eigenen scharfen zusätzlichen Kommentar dazu, macht das schon deutlich. Noch deutlicher indes wird es, wenn man den in dieser WT-Ausgabe mit abgedruckten Grundsatzartikel

"Antwort an die Feinde seiner Herrschaft",

mit in die Wertung einbezieht. Da ist nämlich ersichtlich. In erster Linie interessierte die WTG nur ihre Probleme in den USA. Die inzwischen eingetretene Situation in Ostdeutschland wird zwar zur Kenntnis genommen, aber doch den Problemen der WTG in den USA eindeutig untergeordnet.

Was für Probleme hatte die WTG in den USA. Nun mit Sicherheit dieses, von den USA-Falken als kommunistische fünfte Kolonne verschrieen zu sein. Das diese These zwar nicht sonderlich stichhaltig war, liegt auf der Hand. Allein in der von den USA-Falken beherrschten öffentlichen Meinung dominierte diese These. Dagegen meint die WTG sich mit aller Kraft aufbäumen zu müssen. Das Rutherford selbst maßgeblich zu diesem vermeintlichen "Missverständnis" beigetragen hat, wird dezent unter den Tisch gekehrt.
Man vergleiche mal zur Veranschaulichung:
Rutherford's Freiheit

Für ihrem Kampf in den USA, gegen die Unterstellung, kommunistisch angehaucht zu sein, ist für die WTG das in Ostdeutschland inzwischen eingetretene nur Mittel zum Zweck. Wie weiland Hitler seiner bei Stalingrad eingekesselten Armee befahl, sie müsse bis zur letzten Patrone weiterschießen. Eine Kapitulation käme unter keinem Umständen in Betracht. So auch das agieren der WTG in Sachen Ostdeutschland.

Nachstehend einige Zitate aus dem genannten WT-Artikel:

"Das Feuer des Zweiten Weltkrieges hat nachgelassen, doch tobt nun ein 'kalter Krieg' zwischen den zwei Blocks, und ein fieberhaftes Manöver um die Macht ist im Gange. Mitten in dieser Weltlage stehen Jehovas Zeugen, die weder ost- noch westwärts weisen; sie weisen himmelwärts …
Um Beispiele von solch nachteiligen Anklagen anzuführen: Die 'Catholic Chronicle' von Toledo, Ohio, veröffentlichte am 27 Februar 1948 einen Artikel, betitelt 'Polnische Rote finanzieren 'Jehova-Agenten'', und man las dort:

'Warschau - Die atheistische Regierung von Polen finanziert Sekten wie die Zeugen Jehovas in dem Bemühen, die Katholizität des Volkes zu vernichten. 'Wachtturm'-Verkäufer machen in den Wohnungen die Runde mit Pamphleten, die die Kirche beschimpfen. Sonntagsvorträge werden zudem organisiert, worin der Katholizismus heruntergemacht und der Kommunismus verherrlicht wird.'

Dieser Bericht erschien im Juni 1948 auch in der Zeitschrift 'Vivtorian' von Vater Baker. Am darauffolgenden 16. Oktober 1948 um 18,45 Uhr las der religiöse Monsignor, der das Columbus-Register herausgibt, über Radiostation WHKC einen katholischen Bericht aus Warschau. Er stellte unser Hilfswerk für' unsere polnischen Geschwister falsch dar und sagte:

'Die Sowjet-Satelliten-Regierung ermutigt und hilft finanziell den Zeugen, deren Gratisliteratur deutliche Spuren kommunistischer Propaganda trägt.'

Jehovas Zeugen haben jetzt mehr als 18 000 tätige Königreichsverkündiger in Polen, und bedeutet etwa die Verhaftung von 80 Prozent oder 14.400 von ihnen, dass die kommunistische polnische Regierung sie ermutige und finanziere? Man höre folgende Meldung, wie sie die 'New York Times' vom 30. Juni 1950, beginnend auf ihrer Vorderseite, in Fettdruck veröffentlichte:

'Polen verhaftet Jehovas Zeugen als Spione, die von Brooklyn aus dirigiert seien',

und worin zum Teil gesagt wird:

WARSCHAU, 29. Juni - Die vollständige Liquidation eines vermutlichen Spionenrings der Vereinigten Staaten, mit Hauptquartier in Brooklyn, N.Y., wurde heute vom Ministerium der öffentlichen Sicherheit Polens angekündigt. Annähernd 80 Prozent der Mitglieder des angeblichen Rings sind verhaftet worden, so sagte das Ministerium.
Der Ring, der vermutlich durch die religiöse Sekte, Jehovas Zeugen genannt, wirkte, wurde angeklagt, Auskünfte über militärische und kommerzielle Objekte und Institutionen der polnischen Regierung gesammelt zu haben.
Gemäss der letzten offiziellen Volkszählung im Jahre 1948 hatte diese religiöse Sekte, deren Geschichte in Polen fünfzig Jahre zurückreicht, 10.000 Mitglieder in Polen …
Nachforschungen, die in den Büros der Sekte und in den Wohnungen ihrer Mitglieder durchgeführt wurden, ergaben eine grosse Menge Beweismaterial, wie der Bericht erklärte …
Eine weitere Anklage ging dahin, dass die Sekte der Aktion zur Sammlung von Unterschriften für den sogenannten Stockholmer Friedensappell, der auf die Ächtung der Atombombe dringt, widerstanden habe."

Dann leitet der WT wieder zu amerikanischen Verhältnissen über und schreibt:

"Schon früher veröffentlichte 'The Catholic Mind' in seiner Ausgabe vom 8. August 1939 einen Artikel, betitelt:

'Rutherfords Zeugen Jehovas: Sind sie Apostel der Anarchie?'

von Herbert Thurston, Gesellschaft Jesu; und er wurde von der 'America-Press' nachgedruckt. Die beabsichtigte psychologische Wirkung dieses Titels ist offensichtlich, wenn auch nicht der ganze Artikel gelesen wird.
Im November 1943 wurde die Broschüre, betitelt ''Richter' Rutherford' (engl.), verfasst vom selben Jesuiten, 'Ehrw.' H. Thurston, von Catholic Truth Society in London, England, herausgegeben, und dort heisst es auf Seite 14:

'Was immer die Bekenntnisse der Zeugen Jehovas sein mögen, besteht doch kein Raum für Zweifel, dass die Wachtturm-Tätigkeit in ihrer praktischen Auswirkung den Kommunismus, wenn nicht gar Anarchie, fördern und jedes Gefühl der Ehrfurcht für Autorität untergraben soll.'".

Dazu kommentiert der WT:

"Wir fordern jenen britischen Jesuiten heraus, seine Anschuldigung in Harmonie zu bringen, wenn er das kann, mit der öffentlichen Erklärung, die J. F. Rutherford, der damalige Präsident der Watch Tower Society, in der Royal Albert Hall, London, am Sonntag, 11. September 1938.
In seiner Rede 'Schau den Tatsachen ins Auge', die über Radio ging … sagte Mr. Rutherford:

"Die erfüllte Prophezeiung zeigt, dass Jehova Christus Jesus 1914 auf den Thron gesetzt und ihn als Herrscher ausgesandt hat, während Satan immer noch seine Macht in der Welt ausübt. Im Jahre 1917 BRACHTE SATAN IN RUSSLAND EINE KOMMUNISTISCHE ODER BOLSCHEWISTISCHE REGIERUNG HERVOR, die erste Erscheinung einer Totalitäts-Herrschaft, die Gott und sein Königreich bekämpft. Sie erklärt, der Staat sei die höchste Macht, und verfolgt die Menschen, die Gott und Christus Jesus dienen." …"

Weiter gehts im WT mit der Ausführung:

"Am 17. April 1948 richtete der Bischof von Cork, Irland, einen Brief an Geistliche die den Pfarrgemeinden in Cork und Umgebung vorstanden und der im 'Examiner' von Cork an jenem Tage veröffentlicht wurde. Nach einem Hinweis auf die Tätigkeit der Zeugen Jehovas schloss der Brief des Bischofs mit den Worten:

'Einige heissen diese Tätigkeit Kommunismus. Auf jeden Fall wird jede Schwächung der Religion vom Kommunismus als Vorbereitung für ihn selbst willkommen geheissen.'

Die 'Irish Times', Dublin, druckte diese Erklärung zwei Tage später ab.
In einem Artikel betitelt 'Jehovas Zeugen in Siligo', veröffentlichte der 'Siligo Champion', Irland, am 25. Juni 1949 den Brief des CATHOLIC LIBRARY INFORMATION BUREAU, worin es hiess:

'Die Bedrohung durch den Kommunismus wird von den Zeugen, die ihn als das Schreckgespenst bezeichneten, das die katholische Kirche mit einem höhergesteckten Ziel geschaffen habe, als nichtig dargestellt. … Der russische Atheismus wird von den Zeugen verteidigt.'

Dublins 'Evining Mail' vom 22. Juni 1949 druckte dieselbe Erklärung ebenfalls.
Der 'Sunday Independent' vom 16. April 1950 berichtet, wie eine öffentliche Veranstaltung der Zeugen Jehovas in The Fountain, Dun Laoghaire … Irland, durch Stadtbürger mit den Rufen 'Kommunisten!' und 'Weg von hier!' und 'Dahin zurück, woher ihr gekommen seid!' gesprengt worden sei.

In Griechenland werden Jehovas Zeugen als Folge von Verleumdungen der Geistlichkeit der griechischen Orthodoxen Kirche Verräter, nichtpatriotisch, Anarchisten und Kommunisten genannt, und am 17. November 1949 wurde es für uns nötig, dass wir dem Minister des Auswärtigen von Griechenland in Neuyork-Stadt schrieben, um die Frage zu beantworten, ob Jehovas Zeugen eine geheime oder kommunistische Organisation seien. …

Schon seit dem Ende des Ersten Weltkrieges im Jahre 1918 ist die amerikanische Regierung auf ihrer Hut gewesen vor der Gefahr des Kommunismus für die amerikanische Demokratie. Es wird berichtet, dass Kommunisten in Amerika seit September 1918 wirken. Doch in all den Jahren seither haben amtliche Nachforschungen auch nicht die geringste Verbindung zwischen der Watch Tower Society oder Jehovas Zeugen und dem gottlosen Kommunismus feststellen können.
Im Jahre 1941 schrieb der Senator Davis von Pennsylvanien, dem Staat, wo die Gesellschaft 1884 gesetzlich eingetragen wurde, dem Justizdepartment der Vereinigten Staaten in Washington, D. C.
Als Antwort darauf berichtete das Department, dass Jehovas Zeugen nicht kommunistisch seien und keine kommunistische Tendenzen verfolgten.

Ferner erstellte die Regierung der Vereinigten Staaten im Jahre 1948 durch ihren General-Staatsanwalt eine Liste aller Organisationen, die totalitär, faschistisch, kommunistisch und umstürzlerisch waren und den Umsturz der Regierung durch Gewalt oder verfassungswidrige Mittel befürworteten. Der General-Staatsanwalt lieferte diese Liste von Organisationen dem Vorsitzenden des Loyalty Reviews Board of the United Civil Service Comission (Loyalitäts-Prüfungs-Ausschuss der Staatsdienst-Kommission der Vereinigten Staaten). Mit Brief vom 21. September 1948 (Memorandum Nr. 19) sandte der Vorsitzende des Loyalty Review Board eine Liste solcher Organisationen an alle Exekutiv- Departmente und Stellen der Regierung der Vereinigten Staaten. Eine Prüfung dieser offiziellen Liste umstürzlerischer und ungesetzlicher Organisationen enthüllt, dass die Namen der Zeugen Jehovas und der Watch Tower Bible & Tract Society nirgends darin erscheinen.

Die Falschmeldung über Jehovas Zeugen drang selbst in ein veröffentlichtes Memorandum des Marine-Korps Memorandum der Vereinigten Staaten ein. Demzufolge besagte das Marine-Korps-Memorandum Nr. 55-49, das am 6. Juni 1949 freigegeben wurde, dass Jehovas Zeugen Verbindung hätten mit dem Kommunismus. Auf diesen Irrtum wurde das Hauptquartier des U.S.-Marine-Korps in Washington, D.C., aufmerksam gemacht. Als Antwort sandte der Kommandant des Marine-Korps in Washington unserem Rechtsanwalt einen Brief, datiert 15. Dezember 1949, worin er der Überzeugung Ausdruck gab, dass die Erklärung über Jehovas Zeugen jeglicher Grundlage gänzlich entbehre. Sein Brief besagt:

'Ich habe angeordnet, dass die Erörterung 'Kommunismus in den VereinigtenStaaten' - (Beillage(B) zum Marine-Korps-Memorandum Nr. 55-49) revidiert werde, um jegliche Bezugnahme auf Jehovas Zeugen auszuschalten, und ich werde anweisen, dass alle Exemplare, die zur Zeit existieren und diese-Bezugnahme enthalten, vernichtet werden. Ausserdem lasse ich ein Memorandum vorbereiten, das von unserem Haupt quartier herausgegeben und dieselbe Verbreitung haben wird wie das Marine-Korps-Memorandum Nr. 55-49.
Dieses Memorandum wird dartun, dass die Bezugnahme auf Jehovas Zeugen in Beilage (B) des Marine-Korps-Memorandum Nr. 55-49 vollständig unbegründet war, dass es ohne richtige Information erstellt und in völligem Missverständnis der Tatsachen gemacht wurde, und dass unser Hauptquartier die Veröffentlichung dieser unglücklichen Erklärung bedauert … Bitte drücken Sie ihren Klienten, der Watch Tower Bible and Tract Society und Jehovas Zeugen, mein aufrichtiges Bedauern aus für die Veröffentlichung der beklagenswerten Bezugnahme auf sie.
Wenn unser Hauptquartier irgendeine weitere Massnahme ergreifen kann, so bitte zögern sie nicht mich zu unterrichten.

Unter dem Datum des 23. Dezember 1949 wurde das Marine~Korps-Memorandum Nr. 131-49 freigegeben und angeschlagen, und es führte all das, was der Kommandant im vorhergehenden Briefe versprochen hatte, völlig aus. Unnötig zu bemerken, dass wir dieses ehrenhafte Handeln des Hauptquartiers des Marine-Korps der Vereinigten Staaten sehr hoch schätzen....

Von früh an haben die Wachtturm-Schriften den Kommunismus als Weltgefahr blossgestellt und gezeigt, dass er undurchführbar und zum Fehlschlag verurteilt ist und im Widerspruch steht mit dem. von Christus regierten Reiche Gottes. Schon in .seiner dritten Ausgabe (engl),
im September 1879, sagte Der Wachtturm in seinem Leitartikel, betitelt "Der Tag des Herrn" (Abschnitte 7 und 14), das Nachfolgende, und man möge sich beim Lesen daran erinnern, dass dies nicht etwa im Jahre 1950, sondern weit zurück, vor einundsiebzig Jahren veröffentlicht worden ist:

"Sehr viele Schrifttexte scheinen zu lehren, dass die Königreiche der Erde durch eine Erhebung des Volkes gestürzt werden, das zur Verzweiflung getrieben wird, durch Mangel an Beschäftigung und auf seiner Suche nach Befreiung von Bedrückung durch blutdürstige Regierungen. Eine solche Erhebung und einen solchen Umsturz würden Sozialisten, KOMMUNISTEN und Nihilisten heute gern herbeiführen, wenn sie das könnten. Nun anerkennt die Heilige Schrift, dass Unrecht und Bedrückung in den Nationen besteht und sagt folgendes als den Weg voraus wodurch diese gestürzt werden sollen: 'Wohlan nun, ihr Reichen weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommt! Ihr habt Schätze gesammelt für die letzten Tage. Siehe, der Lohn der Arbeiter, der von euch vorenthalten ist, schreit.' - Jak, V. 1. Doch anerkennt sie diesen Kommunismus nicht als recht, sondern eher das Gegenteil, indem sie Gläubige anweist, … zu uns sagend: 'Habt nur Geduld, Brüder, bis zur Ankunft des Herrn.'
… Und es ist erstaunlich, wie überaus schnell diese Dinge, die man einst als absurd und unmöglich ansah., Wirklichkeiten werden. Als wir und einige andere erst vor ganz kurzem diese Dinge darlegten und auf die Tatsache aufmerksam machten, dass gelehrt werde, es würden Unruhen entstehen durch eine Erhebung des Volkes und den Umsturz von Regierungen - Kommunismus - lachte man über uns; bestimmt gab es damals nur geringe Anzeichen von Kommunismus; heute aber ist jede zivilisierte Nation in Schrecken, und Nihilismus, Kommunismus und Sozialismus sind alltägliche Begriffe geworden, und wir sehen, dass 'die Menschen verschmachten vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen, denn die Kräfte der Himmel (Regierungen) werden erschüttert werden. …

In seiner Ausgabe (engl) vom Juni 1883 sagte Der Wachtturm (Seite 8):

'In andern Worten: entferne das Element, das zur vorsichtigen Klugheit, zur Sittlichkeit und zum Rechttun ermahnt, aus den Ratschlägen der ruhelosen Massen - aus den Arbeiterverbänden und ändern Vereinigungen, und das niedere Element übe Macht über sich selbst aus, so wird als Ergebnis rasch die Vernichtung von Leben, Besitztum, Gesetzes und Frieden folgen - eine Herrschaft der Anarchie grossen Stils im Namen des Kommunismus.'

Der Wachtturm veröffentlichte in seiner Ausgabe (engl.) vom Januar 1884 (Seite 5) den Artikel 'Licht in der Finsternis' und zitierte in Abschnitt 5 die Erklärung aus Blackwood-s Magazine:

'Wie demütigend ist auch der Gedanke, dass … die gefährlichen Klassen und zersetzenden Kräfte furchtbarer werden denn je, und dass die - soziale Revolution' - als atheistischer Kommunismus und Nihilismus - noch das ganze System der Zivilisation, welches das moderne Europa als das höchste Ergebnis der arischen Gemeinschaft der Nationen allmählich vervollkommnet hat, noch bis zu ihren Grundlagen erschüttert mag.'

Nun beachte man die ferneren Darlegungen: Der Wachtturm sagte in seiner
Ausgabe (engl.) vom 1. September 1895 unter dem Titel 'Sie hatten alles gemein' folgendes:

'Die Erfahrung beweist das Versagen kommunistischer Methoden in der Gegenwart. … Die Bibel lehrt nicht Kommunismus, sondern lehrt liebenden, rücksichtvollen Individualismus, ausser im Sinne des Familienkommunismus, wo jede Familie als Einheit handelt …
Ferner ist das Bilden einer Kommune von Gläubigen dem Zweck und den Methoden des Evangeliumszeitalters entgegengesetzt. Das Ziel dieses Zeitalters ist, für Christus der Welt Zeugnis zu geben und so 'ein Volk für seinen Namen herauszunehmen'; und hierzu wird jeder Gläubige ermahnt, ein brennendes, leuchtendes Licht zu sein vor den Menschen - der Welt im allgemeinen - und nicht nur vor-seinen Mitgläubigen … Immer noch hat Gottes Volk die Aufgabe, wie Leuchter zu leuchten inmitten der Welt und sich nicht in Klöstern oder als Gemeinschaften abzuschliessen. Die Verheissungen eines Paradieses erfüllen sieh nicht dadurch, dass man sich solchen Kommunen anschliesst.'

Der Wachtturm veröffentlichte in seiner Ausgabe (engl.) vom 1. Januar 1902 den Artikel, betitelt 'Die Urkirche', und unter dem Untertitel 'Der Kommunismus zur Zeit undurchführbar' sagte er:

'Die Urkirche pflegte nicht das, was jetzt als Kommunismus bekannt ist; … Soweit die Aufzeichnung zeigt, gab es keine zwangsweise Aufteilung der Güter, wie der Kommunismus dies bezweckt. Im Gegenteil, alles geschah freiwillig; und alles Derartige ist ebenso frei, so freiwillig und so recht jetzt, wie damals - nicht mehr, nicht-minder. … Es ist beachtenswert, dass die Apostel, den Kommunismus weder geboten noch anrieten; noch deuten ihre Schriften an, dass er in der Urkirche herrschte.'

Im Jahre 1886 gab die Watch Tower Bible & Tract Society das Buch Der Plan der Zeitalter heraus, und dieses Buch wurde weiterhin veröffentlicht und in Millionen von Exemplaren und vielen Sprachen bis 1929 in Umlauf gesetzt, in welchem Jahre man es ausgehen liess. In Kapitel 15, betitelt 'Der Tag Jehovas' hiess es in der deutschen Ausgabe dieser Wachtturm-Publikation, auf Seite 321, oben:

'Folglich werden die Reichen mehr auf die Seite der Obrigkeiten gezogen und die um Lohn arbeitenden Massen fangen an zu denken, dass Gesetze und Obrigkeiten nur zu dem Zweck da seien, den Begüterten zu helfen und die Armen im Zaum zu halten, und darum werden sie in die Arme des Kommunismus und der Anarchie getrieben, in der Meinung, dass ihre Interessen dadurch am besten gefördert werden würden, wobei sie vergessen, dass die schlechteste Obrigkeit (Regierung) und die teuerste bei weitem besser ist als gar keine.'

All die vorangegangenen veröffentlichten Aufzeichnung eh sprechen für sich.

Nach diesem geschichtlichen Rückblick geht der WT wieder zur Gegenwart über:

"In Russland sind Jehovas Zeugen und die Watch Tower Bible & Tract Society weder eingetragen noch gesetzlich anerkannt. Sie sind dort geächtet und verbannt. Wegen ihrer biblischen Art, Gott den Höchsten anzubeten, sind sie grausam verfolgt und von den Kommunisten nach Sibirien verbannt worden. Dem ist nicht etwa so, weil sie Titoisten wären, denn im Jahre 1947 hat Titos Jugoslawien alle Beamten, welche die Watch Tower Bible & Tract Society und Jehovas Zeugen in Zagreb vertraten, eingesteckt und sowohl die Gesellschaft wie die Zeugen verboten. Elf jener Beamten wurden gerichtlich eingeklagt und auf Grund von Urteilen, die auf die lange Zeit von drei bis zwanzig Jahren lauteten, gefangengenommen.

Die Regierung von Albanien hat Jehovas Zeugen ebenfalls ins Gefängnis gesteckt und ihre Organisation verboten. Die Tschechosslowakei hat alle Beamten der Watch Tower Society und der Zeugen Jehovas, die das Werk dort betrieben, in Arbeitslager verbracht, nachdem ihnen Gerichtsverhandlungen versagt worden waren.
Rumänien hat die Beamten der Watch Tower Society ins Gefängnis geworfen, das Eigentum der Gesellschaft beschlagnahmt und Jehovas Zeugen verboten.
Auch Bulgarien hat sie verboten.
Ferner werden sie in Ungarn und Polen verfolgt.
In Ostdeutschland, das nun vom kommunistischen Russland beherrscht wird, geht dieselbe Verfolgung wider sie vor sich. Dies noch mehr seit dem 30. Juli 1949, als 18.000 Zeugen Jehovas, die in Berlin, in der Waldbühne, zu einem Kongress versammelt waren, eine Resolution annahmen, worin die Verfolgung durch die Kommunistenmächte in Ostdeutschland blossgestellt und ein lebhafter Protest dagegen erhoben wurde.

In den oben erwähnten Ländern haben es die kommunistischen Regierungen illegal erklärt, die Publikationen der Watch Tower Bible & Tract Society zu drucken oder zu verbreiten, wiewohl diese in den Vereinigten Staaten und in andern Ländern des Westblocks frei in Umlauf sind. Wir fragen daher: Wenn Jehovas Zeugen kommunistisch wären, wie unsere religiösen Feinde in der Christenheit es behaupten, warum haben dann die Kommunistenmächte diese Zeugen, die den Namen Gottes Jehovas tragen, geächtet und ihr Besitztum beschlagnahmt und ihnen mit fanatischer Verfolgung nachgestellt?…"

Um das ganze noch wirkungsvoller zu machen, druckt der "Wachtturm" dann noch das zitierte Antwortschreiben des Marinekorps in Faksimile ab:

Mehr noch. Auf dem New Yorker Kongress 1950 der Zeugen Jehovas, liess WTG-Präsident N. H. Knorr eigens eine "kraftvolle" Resolution gegen den Kommunismus annehmen. Datiert vom 1. August 1950. Zur Erinnerung nochmal. Das offizielle DDR-Verbot datiert dreißig Tage später.

In dieser Resolution liest man endzeitlich verbrämt, unter anderem:

" … da wir für Gott und sein durch Christus regiertes Königreich sind, könnten wir niemals kommunistisch sein. Wir weisen die falsche Anklage unserer Feinde, Kommunisten zu sein, öffentlich zurück. Wir bestreiten, irgendwelche Verbindung mit Kommunismus zu haben oder ihn oder irgendein anderes politisches Element dieser alten Welt zu unterstützen, vielmehr erheben wir vereint Protest gegen die Verfolgung von Jehovas Zeugen durch die Kommunisten und andere Regierungsmächte; und wir erklären die Verfolgung irgendeiner religiösen Minderheit durch politische Regierungen und mächtige religiöse Hierarchien als unrecht und wir werden uns an solche nicht beteiligen. …"

Zusammenfassend kann man sagen:
Sollte die USA-Falken in jenen Tagen mal eine Bilanz in Sachen Zeugen Jehovas gezogen haben, so werden sie wohl vor stolz geschwellter Brust, kaum noch geradeaus laufen gekonnt haben. Ihr Ziel die Zeugen als scharfe Speerspitze im kalten Krieg einzusetzen, haben sie mit Sicherheit auf der ganzen Linie erreicht!

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