Henryk Dornik  
Datum: 07. Juni 2010 00:50
geschrieben von:  Drahbeck
Im Frühjahr 1992 bei einem Besuch in Wien, wo er als Vortragsredner für die Zeugen Jehovas agierte, wurde er - nach eigener Angabe - auf einer öffentlichen U-Bahn-Station, von zwei Banditen Krankenhausreif zusammengeschlagen.
"Als ich auf dem Weg vom Dienst zu meiner Unterkunft bei Brüdern war, wurde ich von Banditen überfallen, wobei sie mich mit eisernen Schlagringen auf den Kopf und die Brust schlugen.
Ich schaffte es noch, laut auszurufen: 'Jehova!, Jehova!' und ich fiel auf den Boden. Ich wurde in einer Blutlache mit einer Gehirnerschütterung aufgefunden; Schlüsselbein, Nase und Gesichtsknochen waren gebrochen. Ich wurde in einer Wiener Klinik behandelt, danach kam ich zurück ins Bethel nach Nadarzyn (Polen), in dem ich bereits gearbeitet hatte.

Weitere Details dazu teilt er aber nicht mit. Unterstellt, es gab Zeugen jenes Vorfalles, fragt man sich doch. Und gab es noch eine justiziable Auswertung dieses Vorfalles?
Sollte es sie gegeben haben, hätte man sich doch ein paar nähere Erläuterungen dazu gewünscht.
Man kann sich schwerlich vorstellen.
Da wird einer in einer öffentlichen U-Bahn-Station Krankenhausreif zusammengeschlagen. Und die Justiz soll all das "nicht interessiert" haben???
Unfraglich war das ein weiteres traumatisches Erlebnis des am 25. 12. 1926 geborenen Henryk Dornik.
Davor gab es schon einige von ähnlicher "Güte"

Geboren in einer Geschichtsbewegten Gegend (Oberschlesien) von der nur drei Namen größerer Städte (deutsche Variante) genannt seien.
Kattowitz
Gleiwitz
Oppeln.
Die Wikipedia notiert dazu:
"Gaben 53% der Oberschlesier Polnisch als Erstsprache an."

Der erste Weltkrieg, und der im folgende Versailler Vertrag, hatte für jene Gegend auch Auswirkungen von geschichtlicher Dimension.
Dazu wieder die Wikipedia:
"Am Abstimmungstag, dem 20. März 1921, stimmten - bei einer Wahlbeteiligung von 97,5 Prozent, die das Ausmaß der Polarisierung in der Bevölkerung widerspiegelt - 707.045 Oberschlesier (59,4 Prozent) für Deutschland und 479.232 (40,6 Prozent) für Polen. ...
Aufgrund der angespannten Situation in Oberschlesien, sowie zwischen deutschem und polnischem Staat trug das Ergebnis zunächst mehr zur Verschärfung der Fronten als zur Klärung der Lage bei. Auf deutschsprachiger Seite wurde es zumeist propagandistisch als deutscher "Sieg" und "Rettung Oberschlesiens" gefeiert ...
Von polnischer Seite her kam es als Reaktion auf das als ungünstig erachtete Abstimmungsergebnis und auf den englisch-italienischen Teilungsvorschlag hin im Mai zum dritten Aufstand in Oberschlesien und damit zur militärischen Eroberung derjenigen Gebietsteile, die einen hohen Stimmenanteil für Polen aufzuweisen hatten."

Faktisch entwickelte sich damit eine Teilungssituation, in einer geschichtlich zusammen hängenden Gegend.
Etwa vergleichbar der Teilung zwischen Ostberlin und Westberlin zu kommunistischen Zeiten (als Beispiel).
Die nächste relevante Zäsur war dann der Einmarsch der Nazis ab September 1939.
Über deren Konsequenzen an dieser Stelle viel Worte zu verlieren, ist wohl müßig.
Dann sei noch kurz die Zeit nach 1945 gestreift, und dazu der Satz aus der Wikipedia:
"Die restliche zurückgebliebene Bevölkerung Oberschlesiens, sowohl die Deutsch- wie die Polnischsprachige, musste ab 1945 Diskriminierungen von Seiten des polnischen Staates erdulden. Der polnische Staat machte es sich zum Ziel die Oberschlesier, die er zu "germanisierten Polen" erklärte, zu "repolonisieren". So wurde der Gebrauch der deutschen Sprache sowohl im öffentlichen Leben, in Kirchen und Schulen, als auch im Privatleben verboten. ..."

Damit wäre wohl ausreichend die politische Gemengelage jener Gegend verdeutlicht, wo denn Herr Dornik geboren wurde.
In religiöser Beziehung war jene Gegend stark katholisch geprägt. Sie wird mit 95 % der Gesamtreligiösen Szene dort, beziffert.

Im Zuge der Politik "am amerikanischen Wesen soll die Welt genesen", erfolgte dann auch der "Einfall" der WTG-Missionare in jene Gegend.
Vor der Annexion durch Nazideutschland, hielten sich aber deren Erfolge in Grenzen.
Dafür mag die Zahl stehen:
Vor dem Krieg betrug ihre Zahl 1.039 (ohne die Freie Stadt Danzig).
Allerdings, stieg ihre Zahl dort, während der Naziherrschaft auf 2.880 noch an.
Und nach deren Ende, konnte die WTG dort im Jahre 1947 schon rund 7.700 Hörige für sich verzeichnen.

Im Januar 1937 erhielten nun die Eltern des Henry Dornik, erstmals missionarischen Besuch von seiten der Zeugen Jehovas. Und sie fanden offenbar einen relativ aufnahmebereiten Boden vor.

Als ein Schlaglicht diesbezüglich mag der Satz aus dem Dornik-Bericht gelten:
"Als ein schwer arbeitender Bergmann sah er (der Vater) mit Trauer, dass die Geistlichkeit mit den Kohlegrubenbesitzern zuungunsten der Bergleute zusammenarbeitete. Die Kohlegrubeneigner waren die größten Machthaber in Oberschlesien.

Die Geistlichen sammelten Informationen und beobachteten, wer die Kirche besuchte, wer zur Beichte ging und wer das nicht tat. Die 'Nicht-Linientreuen' ließen sie dann, auf Grund dieser Informationen, von der Arbeit entlassen. Es war eine harte Strafe für die Bergleute, denn es war sehr schwierig, Arbeit zu finden."

Dornik wirft diesen katholischen Geistlichen - nach der Naziinvasion - dann noch vor:
"Früher - vor dem Ausbruch des Krieges - hatten dieselben Priester für Polen und den Feldmarschall Rydz Smigly gebetet. Es wurden von ihnen auch die Gewehre geweiht, die von der polnischen Nation gespendet wurden. So taten es auch die Geistlichen der örtlichen Pfarrgemeinde."

Die Zeugen hatten Erfolg bei der Familie Dornik, denn der Vater lies sich schon 1938 taufen.
Seine Frau war zwar Anfangs entschieden gegnerisch eingestellt, gab dann aber in späteren Jahren auch diese Gegnerschaft noch auf.
Und auch ihre Kinder, unter ihnen eben der Berichterstattende Henryk, folgten im Jahre 1940 dann noch, indem sie sich ebenfalls taufen ließen.

Das wiederum sollte nicht folgenlos bleiben, wofür dann die Sätze stehen:
"Wir alle wurden einer Feuerprobe der Verfolgung unterzogen, die 1942 zunahm. Ich war damals etwas über 15 Jahre alt. Es fing damit an, dass meine Eltern das Angebot abschlugen, die Volksliste zu unterschreiben, was den Anfang der Verfolgung nach sich zog. Für die NS-Behörden waren meine Eltern deutschstämmig, denn beide hatten deutsche Schulen besucht und Schlesien war übrigens bis 1921 deutsch.
Sie wollten die Liste nicht unterschreiben, denn damit hing eine Loyalitätserklärung Hitler und dem Dritten Reich gegenüber zusammen

Diese Liste, obwohl für viele unzugänglich, war unter den Einwohnern Schlesiens sehr begehrt. Doch die Bemühungen, uns zum Unterzeichnen zu bewegen, blieben ohne Erfolg. Nationalsozialisten waren insbesondere an uns jungen Leuten interessiert."

Der Nazistaat fackelte dann auch nicht lange angesichts dieser Verweigerungshaltung:
"Ende 1943 wurde die Verfolgung zur frontalen Attacke. Von der Gestapo wurde ein Antrag gestellt, nach dem meinen Eltern das Sorgerecht entzogen werden sollte. In Folge dessen wurden ihnen alle Kinder weggenommen."

Einige Details der Torturen, die auch diese Familie erleiden musste, seien jetzt übersprungen. Sie sind ja nicht untypisch und lassen sich vielfach auch in anderen Zeugen Jehovas-Biographien aus dieser Zeit nachweisen.
Jedenfalls landete Henryk Dornik selbst, nach Zwischenstationen im Nazi-Konzentrationslager Groß-Rosen.
Dafür steht der Satz:
"Am 31. August 1944 griff die Gestapo Kattowitz steuernd in das Geschehen ein und forderte uns letztmalig zur Abkehr von unserem Glauben und zum Aufnahmeantrag in die "Deutsche Volksliste" auf. Wir lehnten das ausdrücklich ab, woraufhin die Gestapo die Einweisung nach Moringen verwarf - die Gründe sind aufgrund der Quellenlage nicht verifizierbar - und die Deportation in andere Konzentrationslager verfügte."

Auf das leidvolle Schicksal das solche ins KZ eingewiesene erwartete, muss nicht unbedingt im Detail eingegangen werden. Aber doch noch ein Zitat aus dem Dornik-Bericht:
"Ein paar Tage später, genau am 1. und 2. April 1945 bombardiert eine ganze Anzahl von Staffeln der Bombenflugzeuge der Alliierten die Kasernen der Waffen-SS und - zu unserem Schrecken - auch unsere Lager.
Ohne Antwort bleibt die Frage: Warum? Wie konnte es zu solch einem Missverständnis kommen, in Folge dessen über 90% der 16.000 Lagerhäftlinge ums Leben kamen? Wie konnte es zu solch eine Tragödie kommen und das durch die Hände der vermeintlichen Retter am Vortag der Befreiung? ..."

Dornik selbst - allen auch reichlich mit erlebten Widrigkeiten zum Trotz, hatte wohl noch Glück im Unglück, dass er nicht auch zu den genannten 90% mit gehörte.

Aber "ungeschoren" kam auch er sicherlich nicht davon. Dafür steht dann auch der Satz:
"Die Wucht der Explosion ließ mein Trommelfell platzen. Drei Monate lang blieb ich völlig taub. Die Welt, in der ich lebte, war vollkommen still, obwohl der Krieg weiter ging, denn es wurde geschossen, und fielen Bomben. In den Ohrgängen steckten viele scharfe Steinsplitter. Erst drei Monate später wurden sie im Krankenhaus entfernt. Noch Jahre danach litt ich an Ohrenentzündungen. Ich bin jedoch froh, das ich mich doch so gut erholte, was ich wahrscheinlich meinem damals jungen Alter verdanke. ...
Ich kurierte mich lange von den Wunden und Verletzungen aus. Meine Rippen waren gebrochen und ich trug innere Verletzungen davon. Der bestialische Überfall hatte sich erst vor wenigen Tagen zugetragen, und nach dem Typhus war ich sowieso geschwächt....
Endlich kam ich nach langem Kampf mit dem Tod langsam zu Kräften."

Das wäre also der Biographieteil die Nazizeit betreffend.
Selbige wurde noch von einer kommunistischen Phase abgelöst.
Im Sog der WTG war er allemal auch nach 1945.
Das hatte dann schon im Jahre 1948 erste Konsequenzen für ihn:
Dazu schreibt er:
"Ich war auch zwei Jahre lang, vom Januar 1948 bis Januar 1950, im Gefängnis, weil ich mich weigert, in die Armee einzutreten."

Damit war aber noch keineswegs das "Ende der Fahnenstange" auf seinem Leidensweg erreicht. Es folgte dann noch diese Episode:
"Im Januar 1952 wurde ich von der Sicherheitsbehörde in Kattowitz vernommen. Man klagte mich der Spionage zugunsten der Vereinigten Staaten an. Man schloss meinen Fall dem im Land berühmten Fall tatsächlicher Spione an, die in Polen ein Agentennetz aufbauten. Meine Lage war äußerst schwierig, denn an der Spitze dieses Netzes stand mein direkter Vorgesetzter der Firma, bei der ich soeben angefangen hatte zu arbeiten. Es zeigte sich, dass er amerikanischer Resident war, ein Offizier des Geheimdienstes."

Einen Satz aus dem Dornik-Bericht möchte ich dann meinerseits unkommentiert lassen. Würde ich ihn kommentieren wollen, könnte ich einfach nicht der Versuchung widerstehen, da in der Tendenz mit gnadenlosem Zynismus zu kommentieren.
Ich mag dem Mann das lieber ersparen. Ergo zitiere ich diesen Satz nur unkommentiert.
"Eine große Hilfe waren mir (Dornik) die Publikationen der Gesellschaft. Außer den Artikeln aus dem Wachtturm waren mir auch folgende Bücher eine Hilfe: Die Harfe Gottes, Die Regierung, Das Leben, Die Schöpfung, Die Rettung, Die Rechtfertigung (wir haben dieses Buch in deutscher Sprache bekommen); später auch das Buch Kinder...."

Auf einen direkten Kommentar verzichte ich ja. Auf einen indirekten allerdings nicht.
Und zwar den: Da fällt mir fast wieder jenes Bild ein:

Oder auch dieses:

Nun denn, die schweren Jahre sollten auch für Dornik mal ein Ende haben. Und so findet man in seinem mit diversen Bildern angereicherten Buch, auch eines, dass ihn zusammen mit seiner Frau, in Wien des Jahres 1981 zeigt (Besuch eines ZJ-Kongresses) (S. 119).
1981 war aber noch die kommunistische Phase in Polen.
Indes die erwähnte Reise zeigt, welche Liberalisierungen der Zeugen Jehovas-Politik dort zu jenem Zeitpunkt es schon gab (ein Umstand, von dem die Ostdeutschen Zeugen Jehovas zu der Zeit, bestenfalls nur träumen konnten).
Wie bereits erwähnt, verschlug es dann Herrn Dornik, nach der Legalisierung in Polen, noch in's dortige WTG-Zweigbüro.
Und betrachtet man sein Bildmaterial dann näher, kann man wohl auch sagen.
Über mangelndes herumreichen auf WTG-"Standhaft"-Veranstaltungen, brauchte er sich wohl auch nicht zu beklagen.
Selbstredend hat seine Biographie einen Marktwert für die WTG. Und das lässt sie sich auch schon mal was kosten, indem sie Herrn Dornik zum halben Weltreisenden auf der letzten Etappe seiner Lebensreise (auf WTG-Kosten) noch befördert.

Für meine Person indes kann ich dazu nur sagen.
Auf diese Art von Gnadenbrot gerne zu verzichten.
Herr Dornik gab seinem 2007 zuerst in Polnisch (und nun auch in deutscher Sprache vorliegendem Buch) den Titel: "Gerettet durch Gottes Gnade".
Für meine Person indes kann ich zum Abschluss doch nicht auf den zynischen Kommentar verzichten..
Diesen Buchtitel zu variieren.
Und zwar so.
Ein Einfaltspinsel berichtet wie er noch Glück im Unglück hatte!

Siehe zum Thema auch:
Parsimony.24379

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