Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise
"... Die folgende kurze Lebensgeschichte
möchte dem lieben Leser in eindringlicher Weise zeigen wie .... (eine)
einfache Methode zur Rettung aus furchtbarer Verzweiflung und Qual führte.
Die erste Impfung im frühesten Kindesalter war erfolglos und mußte zweimal
widerholt werden, um überhaupt wenigstens eine Andeutung jener 'bekannten'
Pusteln hervorzurufen. Als dann - eine kleine Zeit später -, das vorher so
liebe und ruhige Kindchen furchtbar unruhig und schreiend wurde, zeigte
sich bald an der linken Fußsohle ein großes und größer werdendes Geschwür.
Während der Operation hörte der Arzt bei der Arbeit auf, und sagte: 'Ich
kann nicht weiterschneiden, denn das Kind ist ja blutvergiftet, und muß in
die Klinik!' 'Also Blutvergiftung vom Impfen?' 'Nein', sagte der Arzt und
gab der Krankheit einen lateinischen Namen! -
Auf die erste Operation folgte die zweite und so fort. Die Krankheit ging
über den Rücken, Arme, bis zu den Fingerspitzen. Im Laufe der Jahre wurde
das Kind ein richtiges 'Versuchs-Kaninchen', weil diese Krankheit mehr und
mehr verwickelter und fachärztlich interessanter wurde. Im vierzehnten
Lebensjahr hieß es: 'Unheilbar', und im vierundzwanstigsten schien das
Ende da. Das war 1914! Das einzige Linderungsmittel: Morphium oder die
Kugel.
Dieser Zustand war nun Gottes Gelegenheit. Psalm 50:15 erfüllte sich und
brachte die Rettung und Erhörung.
Dem viele Jahre lang eifrigen und aufrichtigen Katholiken wurde kein
anderer Trostz gegeben, als: 'Wen Gott lieb hat, den züchtigt er.
Obwohl dann gleich die verzweifelt berechtigte Frage kam: 'ja, hat denn
gott nur mich lieb? Weil die Anderen alle so gesund sind und bleiben?' -
Doch dann kam die Rettung. Ein Buch wurde gebracht; betitelt: 'Die neue
Heilweise. Operations- und arzneilose Behandlung aller Krankheiten', von
Louis Kuhne. Diese 'neue Heilweise' wurde sofort unter Anweisung des
Buches begonnen. Und siehe. Als im Jahre 1914 der Weltkrieg ausbrach,
konnte der vor kurzem noch völlig zusammengebrochene und verzweifelte
Kranke wieder seinen Arbeitsplatz einnehmen in der Werkstatt; sehr zur
Freude des Meisters, da alle Angestellten im Kriege waren
.Als Detail wird dann beschrieben:
Die neue Heilweise ist die: Ein gewisses
Quantum (wenigstens 40 Liter) Brunnen oder Leitungswasser wird in eine
ovale oder runde Wanne gefüllt. In dieser Wanne wird eine Sitzgelegenheit,
ein Bänkchen oder Stühlchen so gestellt, daß die Sitzfläche hart über dem
Wasser ist, also noch völlig trocken. Der Badende setzt sich darauf. -
Füße und Oberkörper sind außerhalb des Wassers und können eingehüllt
bleiben. Der Badende nimmt ein etwa 20 mal 20 cm großes rauhes Tuch (Jute)
und reibt damit unter dem Wasser nach der besonders wichtigen Anleitung
des Buches, den Geschlechtsteil, zehn bis sechzig Minuten; je nach der
Krankheit.
Frauen holen das Wasser mit dem Tuche herauf. Im Geschlechtsteil endet der
'Nervus Sympathicus' - der stärkste Nerv des Körpers. Nerven sind die
Alarmglocken des Körpers. Durch dieses Reibesitzbad wird der Hauptnerv
abgekühlt. Diese Kühlung dringt allmählich - im Verlaufe der Kur - vor bis
ins kleinste Nervenendchen. Im Unterleib sind die meisten Nerven. Der
Großteil des Unterleibes - der Magen - wird durch dieses Reibesitzbad
zuerst behandelt. Wenn bei der Uhr die Feder schlecht ist oder bricht,
dann ist Schluß. Der menschliche Magen ist die Triebfeder für das ganze
lebendige Wesen; bildlich gesprochen. Das beispiellos einfache
Reibesitzbad bringt dieses so wichtige Organ allmählich wieder in seine
richtige Ordnung und normale Tätigkeit, so daß es im Stande ist, alle im
Körper befindlichen Fremdstoffe nach und nach anzusaugen und durch den
natürlichen Ausgang auszuscheiden
.Nach dieser dubios anmutenden Geschichte geht es weiter mit der Aussage:
Aus Gründen des Urheber-Rechtes kann hier nicht mehr und Genaueres gebracht werden über die neue Heilweise. Es ist durchaus empfehlenswert, das Buch zu besitzen. Der Leser bekommt einen genauen Eindruck in die unglaublich einfache Wesensart aller Krankheiten und deren Heilung auf einheitlicher Basis. Preis des Buches z. Zt. 8.- M. Eine kleinere, gekürzte Ausgabe: "Bin ich gesund oder krank?" 1.- M.!"
Nicht genug damit, dass seitens des "Goldenen Zeitalters" diese Geschichte abgedruckt wurde. Man legt noch eigens nach mit der folgenden:
"Nachschrift der Schriftleitung:
Der verehrte Einsender dieser Zeilen ist uns persönlich bekannt und auch
das von ihm genannte Werk, welches wir unseren Lesern nur bestens
empfehlen können. Es ist zu beziehen durch den Sternverlag in Leipzig,
Eilenburgerstr. 53, wo auch weitere Auskünfte erteilt werden können, die
heute noch bestehende "Louis Kühnsche Heilanstalt" betreffend.
Anfragen ist Rückporto beizufügen.
Die Schriftleitung."
"Die Jahreswende gab den Propheten auf beiden Seiten des Rheins die Gelegenheit, Franzosen und Deutschen pro 1926 den starken Mann oder wenigstens das diktatorische Regiment vorauszusagen. Man weiß, daß die Bereitschaft dazu in den vergangenen Monaten auch in Frankreich größer wurde. In Paris wie in Berlin ist die Regierungskrisis permanent, die Parlamente aber sprechen, intrigieren, sind ein großes Hindernis, statt eine Hilfe und stehen außerhalb der Nationen, "Wir erleben eine Krisis der Demokratie. Das Bürgertum verzweifelt immer mehr am Parlamentarismus und wendet sich faschistischen Gedankengängen zu-"
so klagen radikale französischen Politiker.
Frankreichs kranke Finanzen sind in der "National-Zeitung" oft genug
dargestellt worden.
Das Land hat 330 Milliarden zum bedeutenden Teil kurzfristige Schulden.
Schon setzt der gewaltige Wirbel der Inflation ein, der allen Wohlstand im
gelobten Land der Kleinrentner verschlingen möchte. In Deutschland hat der
Papiergeldrausch eine Minderheit, wenn auch eine sehr erhebliche,
enteignet und ruiniert. In Frankreich droht die Expropriation der Mehrheit
des Volkes. Die materiellen Voraussetzungen, daß unser von der Natur reich
bedachtes westliches Nachbarland seine Krisis überwände, sind durchaus da.
Aber das Volk mißtraut dem gegenwärtigen politischen Regime und glaubt
nicht mehr, daß dieses Regime und dessen Symbol, das Parlament, der
Parlamentarismus, die Kraft hätten, entscheidend zum Rechten zu sehen. Den
Parlamentarismus ganz überwunden hat besonders die geistige Jugend, deren
Einfluß auf das Leben der Nation sehr viel bedeutender ist, als etwa in
Deutschland, weil diese Jugend ihre Kraft überwiegend aus einer
lebendigen, großen und zwar katholischen Tradition schöpft. Diese
Tradition lehrt die unbedingte Notwendigkeit und Autorität und die Pflicht
zur Disziplin. ...
In Deutschland liegen Millionen hungernd auf der Straße, die
Arbeitslosenziffern übertreffen die Zahlen der vergangenen Woche um
hundert Prozent, aber niemand regiert, der Kanzler kommt von einem beinahe
vierzehntägigem Weihnachtsurlaub aus der Schweiz heim, und die Parteien
des Reichstages beraten immer noch, was für eine Regierung ihren
Sonderwünschen und Spezialisten eventuell genehm wäre. Hier steht das
Parlament erst recht außerhalb der Zeit und der Nation, und die
Entscheidung über das Schicksal dieser Nation wird bestimmt nicht am
Königsplatz zu Berlin getroffen.
Doch wo trifft man sie, wo steht sie wenigstens in Vorbereitung ? Alle
namentlich privaten Berichte aus dem Norden durch Briete und Reisende
melden wieder die "Katastrophmstimmung" und die Beobachtung; "Daß es so
unmöglich weitergehen kann."
Aus den Kreisen rechts erschallt abermals der Ruf nach dem
"Wirtschaftsdiktator" oder dem Diktator schlechthin.
Mächtige Arbeitgeberverbände verlangen vom Reichspräsidenten die Anwendung
des Paragraphen 48 der Verfassung, die Proklamation eines
Ausnahmezustandes, welche im gegenwärtigen Moment von den verzweifelnden
Massen - und zu diesen Massen gehören nicht nur die Arbeiter, sondern bald
das gesamte, noch viel ärger als die Arbeiter drangsalierte Kleinbürgertum
- als schwerste Provokation, als brutalen Schutz der Besitzenden gegen die
Besitzlosen aufgefaßt werden müßte.
Es ist immerhin bemerkenswert, daß sehr entschieden Rechtsgerichte gerade
in Anerkennung dieser Gefahr einer revolutionären Verhetzung nichts vom
Paragraphen 48 wissen wollen. So wendet sich z. B. die "Politische
Wochenschrift" energisch gegen den Versuch, alle Lasten einfach auf die
Arbeiterschaft abzuwälzen und eine Maßregel, welche unter Umständen zum
Wohle des ganzen Volkes, auch der Arbeiter, notwendig werden könne, als
Interessenschutz der Arbeitgeber bei den Arbeitern zu diskreditieren.
Die Sehnsucht der Verzweifelnden nach dem Diktator ist groß, aber auch in
Deutschland fehlt der Mann wahrhaft diktatorischer Art, weil die Gegenwart
nicht am großen und starken Einzigen, sondern nur an der entschlossenen
freiwilligen Vereinbarung zwischen möglichst vielen freien Bürgern
gesunden kann. Den einzig sichtbaren Gewinn an der deutschen Not hat bis
jetzt nur der Kommunismus, der die Taktik der Verunglimpfung und
Beschimpfung aller Andersdenkenden aufgegeben hat und angesichts des
absoluten Versagens der Sozialdemokraten immer mehr Sozialdemokraten, ja
sogar, wie die "Köln. Volkszeitung" beklagt, Christlichsoziale in seine
Kreise zieht. In den Augen der enttäuschten deutschen Massen ist die
kommunistische die einzige bis jetzt noch nicht kompromittierte Partei."
Und als eigenen Kommentar fügt das GZ dann noch ergänzend an:
"Das ist eine richtige Darstellung der Tatsachen, aber ..."
Dieser "aber" mündet dann in die sattsam bekannten eigenen Endzeittheorien ein.