Wehrdienstverweigerung sei vor 1933 keine "positive Lehre" der Zeugen Jehovas gewesen

Gegenüber nazistischen Gerichten, wurde seitens der Zeugen Jehovas verlautbart. Wehrdienstverweigerung gehöre nicht zu ihren "positiven Lehren" worauf ein Artikel im "Reichsverwaltungsblatt" mit hinweist.

Eine Aussage der Rubrik "theokratischer Kriegslist" zuzuordnen???

Dagegen spricht, das in der Schweizer Ausgabe der Zeugen Jehovas-Zeitschrift "Das Goldene Zeitalter" aus dem Zeitraum von vor 1933, ähnliche Aussagen belegbar sind.

Auch die Löschung von Wehrdienstgegnerischen Aussagen in dem WTG-Buch "Die Harfe Gottes" die dort in dessen erster Auflage noch vorhanden waren, in späteren Auflagen dann aber klammheimlich entfielen, liegt auf ähnlicher Linie.

Bei dem vom "Reichsverwaltungsblatt" aufgegriffenen Fall, handelte es sich um einen, wo hochrangige WTG-Funktionäre eine "Norddeutsche Bibelforschervereinigung" gründen wollten, in der nur "arische Deutsche Sitz und Stimme haben" sollten, um so das Verbot des Hitlerregimes zu umgehen. Der Bericht des "Reichsverwaltungsblattes" muß auch vermerken, das in jenem Verfahren, jenen WTG-Funktionären deren Behauptung es sei ihre persönliche Praxis und Überzeugung, nicht zu den Wehrdienstgegner zu gehören, nicht wiederlegt werden konnte, jedenfalls nicht anhand der WTG-Literatur, die vor 1933 erschienen war.

Ein Präzedenzfall
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 15. März 2015 23:20
Im Zeitspiegel
Über einen bemerkenswerten Schlagabtausch zwischen von der WTG beauftragten Rechtsanwälten und dem Naziregime, berichtet das Blatt „Reichsverwaltungsblatt" in seiner Ausgabe vom 31. 8. 1935.
Zugrunde lag ein Gerichtsverfahren in Sachen Zeugen Jehovas, welches vor dem Hanseatischen Sondergericht am 15. 3. 1935 zur Verhandlung kam.
Seitens der Hamburger Polizeibehörde, wurde die hastig gegründete „Norddeutsche Bibelforschervereinigung e. V." (in welcher nur „arische Deutsche" Sitz und Stimme hätten) bereits am 15. 7. 1933 für verboten erklärt. Ein weiteres regionales Verbot wurde zuvor am 6. 6. 1933 vom Polizeiamt in Lübeck ausgesprochen, während das Preussische Zeugen Jehovas-Verbot auf den 24. 6. 1933 terminiert war.
Nun fanden die WTG beauftragten Rechtsanwälte ein „Haar in der Suppe". Ihre Argumentation, weder das Lübecker Verbot, noch das Verbot der „Norddeutschen Bibelforschervereinigung" sei sonderlich öffentlich bekannt gemacht worden. Und weil diese öffentliche Bekanntmachung unterblieb, wähnten sie in ihrer vorgeschützten „heiligen Einfalt" argumentieren zu können. Wenn man etwas nicht kennt, braucht man es auch nicht zu beachten. Lediglich bezüglich des Preussischen Verbotes mussten sie einräumen, dass sei tatsächlich bekannt gemacht worden. Aber sie begehrten halt „nur" eine Verhandlung über das Lübecker Verbot und ebenfalls das Verbot der „Norddeutschen Bibelforscherverinigung".
Ein weiteres „Haar in der Suppe" das sie wahrzunehmen wähnten, bestand in der Begründung des Preussischen Verbotes. Letzteres setzte auf der Grundlage der Reichtagsbrandverordnung, diverse bürgerliche Freiheitsrechte außer Kraft. Aber so fanden sie weiter, der Artikel 137 der Weimarer Verfassung, der die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften gewährleiste sei damit nicht auch gleichzeitig außer Kraft gesetzt worden.
Verwiesen wird dann auf einige juristische Präzedenzfälle, deren Tenor besagt, einzelne Teile der Weimarer Verfassung seien zwar außer Kraft gesetzt worden, aber die Weimarer Verfassung in Gesamtheit, würde fortbestehen, einschließlich ihres bereits genannten Artikel 137. Namentlich der Artikel 137 sollte im Sinne der Argumentation der von der WTG beauftragten Rechtsanwälte der Strohhalm sein, an den sie sich klammerten um zu sagen, die bereits ausgesprochenen Verbote könnten aber nicht Rechtsgültig sein.
Das war nun die Ausgangslage, mit der sich das genannte Gericht im besonderen auseinander zusetzen hatte.
Indes, so wie jene Rechtsanwälte sich das gewünscht hätten, auf deren Argumentationsschiene ging das urteilende Gericht dann doch nicht ein.
Es konterte dergestalt:
„Nach dem Siege der Regierung der nationalsozialistischen Revolution am 5. März 1933 war aber auch die Weimarer Verfassung als Verfassung erledigt.
Auch nach nationalsozialistischer Auffassung ist an und für sich den religiösen Bekenntnissen die freie Ausübung zugesichert, aber mit der Einschränkung des Punktes 24: "soweit sie nicht den Bestand des Staates gefährden oder gegen das Sittlichkeits- oder Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen".

Und weiter:
„Das Gericht ist der Auffassung, daß beide Voraussetzungen, unter denen nach dem Punkt 24 die Freiheit der religiösen Bekenntnisse eingeschränkt ist, vorliegen, nämlich einmal gefährden die Bibelforscher durch ihre Lehre und Betätigung den Bestand des Staates und zum anderen verstoßen sie gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse."

Von diesem Leitsatz ausgehend bestand nun die nächste Schwierigkeit für das Gericht darin, den Angeklagten „individuelle Schuld" nachzuweisen.
Das erwies sich dann für die Nazi-Richter schwieriger als sie gedacht hatten.
Sie meinten zwar die Bibelforscher/Zeugen Jehovas müssen generell als „Wehrdienstverweigerer" angesehen werden. Dazu formulierte das Gericht dann die Sätze:
„Maßgebend ist lediglich, daß die ganz allgemein von den Bibelforschern vertretene Tendenz gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstößt. Das Gericht ist der Auffassung, daß eine solche Einstellung der deutschen Ehre, die eine der allerersten Grundlagen des nationalsozialistischen Denkens ist, kraß zuwiderläuft. Das germanische Rassegefühl ist untrennbar mit dem Heldischen verbunden, der Deutsche hat niemals ein Knechtsvolk sein wollen. Gegen diese grundlegenden Erkenntnisse verstoßen die von den Bibelforschern vertretenen Lehren."

Also die Tendenz war erst mal klar. Die Bibelforscher/Zeugen Jehovas, werden Gerichtlicherseits in die Schublade der „Wehrdienstverweigerer" abgelegt. Nur das Handicap für dass Gericht bestand darin, dass die Angeklagten für sich, diesen Vorhalt als nicht zutreffend bezeichneten.
Dazu dann das Gericht:
„Unerheblich ist, ob jeder einzelne Angeklagte selbst etwa die deutsche Wehrhaftigkeit untergräbt oder den Kriegsdienst verweigert."

Wenn das also „Unerheblich" sei, wie sieht es dann mit der sonstigen Beweislage für genannte Anklagethese aus?
Da kamen die Nazijuristen aber arg ins Schwitzen. Trotz all ihrer Bemühungen konnten sie keine Belegstelle aus der WTG-Literatur vor 1933 benennen, die diese ihre These gestützt hätten. Mit dieser mißlichen Lage gibt aber ein zünftiger Nazijurist sich nicht zufrieden.
Wenn also in der WTG-Literatur von vor 1933 keine geeignete Belegstelle auftreibbar sei, dann ist damit aber noch nicht „aller Tage abend".
Es gäbe ja auch noch die ausländische Zeitschriftenliteratur der Zeugen Jehovas, aus der Zeit nach 1933.
Und aus der meinte man durchaus eine Wehrdienstgegnerische Einstellung herauslesen zu können.
Daraufhin konterten die Angeklagten, gestützt von ihren Rechtsanwälten:
„Übrigens könne auch nicht das, was in den ausländischen Zeitschriften stehe, ihnen zur Last gelegt werden. Es sei nicht positive Lehre der Bibelforscher, den Kriegsdienst zu verweigern.
Das Gericht ist aber demgegenüber der Auffassung, daß gerade diese Zeitschriften zur Grundlage der Beurteilung der Bibelforscherlehren genommen werden müssen."

Ergo die Angeklagten sahen sich als „unschuldig". Indes das Gericht erklärt sie auf der Grundlage der ausländischen WTG-Zeitschriften als „schuldig".
Da stehen nun zwei unversöhnbare Positionen gegenüber, die unter anderen Verhältnisse vielleicht zu dem Status „Freispruch mangels Beweisen" geführt hätten.
Nichts da mit „Freispruch" befand das urteilende Gericht. Die Angeklagten müssen auch in Gesamtheit bewertet werden.
Und dann wird den Angeklagten in der Folge auch noch dieses vorgehalten:
„Der Preuß. Minister des Innern hatte das Verbot damit begründet, daß unter dem Deckmantel angeblich wissenschaftlicher Bibelforschung eine Hetze gegen die staatlichen und kirchlichen Einrichtungen betrieben würde, die beide als Organe des Satans bezeichnet würden. Die Anhänger der Vereinigung betrieben eine Kulturbolschewistische Zersetzungsarbeit, ihre Tendenzen standen im Gegensatz zum heutigen Staat und seiner kulturellen und sittlichen Struktur. Der jetzige Staat sei verschiedentlich in Wort und Schrift von den Funktionären der Vereinigung gehässig angegriffen worden."

In seiner weiteren Argumentation schrieb dann das Gericht den Angeklagten noch mit ins Stammbuch:
„Es kommt aber noch hinzu, daß die Anschauungen dieser Religionsgesellschaften auch den Bestand des Staates gefährden. Das Gericht hat von den Angeklagten zwar den Eindruck gewonnen, daß es sich bei ihnen nicht etwa um getarnte Marxisten oder Kommunisten handelt.
...Was in den Zeitschriften steht, verstößt jedenfalls ganz gröblich gegen die Wehrauffassung des deutschen Volkes.
Indessen ergeben die Proben aus den Zeitschriften zur Genüge, daß die Anhänger dieser Lehren dem Staat und ganz besonders dem nationalsozialistischen Staat feindlich gegenüberstehen. Sie betätigen und bestärken diese Feindschaft vor allem dadurch, daß sie sich den staatlichen Gesetzen nicht fügen, sondern auf Grund des Befehls eines Amerikaners, den sie als ihr Haupt ansehen, in kleinen Zirkeln zusammenkommen, Druckschriften mit hetzerischem Inhalt aus dem Ausland beziehen und in ihren Kreisen zum Gegenstand von Studien machen. Die Bibelforscher verwerfen den Staat überhaupt und bezeichnen ihn sogar als Teufelswerk."

Weiter im Gerichtsurteil:
„Die feindselige Einstellung zum heutigen Staat, die nicht nur aus den Zeitschriften spricht, sondern mehr oder minder deutlich auch aus den Erklärungen, die die Angeklagten vor Gericht abgegeben haben, ist nicht wegzuleugnen. Besonders bedenklich ist auch, daß die Angeklagten fanatisch eingestellt sind und daß sie sich noch einbilden, Märtyrer für ihren Glauben zu sein. Nicht nur Kommunisten können der neuen Volksgemeinschaft gefährlich werden, sondern auch Leute wie die Angeklagten, die fanatische Anhänger einer für normale Begriffe abwegigen Glaubensrichtung sind."

Besagtes „Reichsverwaltungsblatt" sah nun das vorstehend referierte Gerichtsverfahren als eine Art Präzedenzfall in Sachen Zeugen Jehovas an, der auch für weitere, ähnliche Gerichtsverfahren Bedeutung hätte. Daher seine Entscheidung zur Publizierung jenes Falles, auf das andere Gerichte zu Nazizeiten, sich fallweise auf diesen Fall berufen könnten.

Wehrpflicht
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 18. März 2015 03:31
Im Zeitspiegel
Einführung der Allgemeinen Wehrpflicht in Hitlerdeutschland.
Meldung der „Freiburger Zeitung" vom 18. 3. 1935

„Passend" dazu - im Vorgriff auf Zukünftiges, in der vorgenannten Entscheidung schon mit angelegt, die Meldung vom 19. 3. 1935:
„Berlin im Dunkel.
Heute Verdunkelungsübungen in Berlin".
Den Nazis konnte es also mit ihrem „frisch-fröhlichen" Krieg, nicht schnell genug gehen.

Wie titelte eine Partei zu Weimarer Republikzeiten:
„Wer Hitler wählt - der wählt den Krieg!" Und zu den Hitlerwählern gehörten auch kirchliche Kreise. Nicht das die kriegerischen Ambitionen des Hitlerismus sie besonders angesprochen hätten. Das dürfte wohl weniger der Fall gewesen sein. Den saß eher der Schreckgespenst Sowjetunion im Nacken. Gleichwohl müssen diese Hitlerwähler sich auch im Nachhinein, ihre Einäugigkeit vorhalten lassen. Sie konnten im voraus wissen, was kommen würde, wollten es aber nicht so genau wissen. Und dem Hitlerismus die Stimme zu versagen, hätte nicht zwangsläufig mit dem votieren für sowjetische Verhältnisse identisch sein müssen. Man hätte auch die Kräfte zwischen diesen Polen stark machen können; hat es aber nicht getan.

„Passenderweise" hatte die katholische Kirche bei Abschluss ihres Konkordats, mit Hitlerdeutschland, das Thema Militärseelsorge, schon mal iim Detail geregelt, zu einem Zeitpunkt, wo - das aber nur als Formalie -, die Wehrpflicht noch nicht beschlossene Sache war.
„Artikel 27 gab den Nazis Einfluß auf die Ernennung des katholischen Armeebischofs und der katholischen Militärgeistlichen".
https://www.ibka.org/artikel/ag97/reichskonkordat.html

Der „Vorgeschmack" wurde nun sichtbar.
http://az.ub.uni-freiburg.de/show/fz.cgi?cmd=showpic&ausgabe=01&day=18a&year=1935&month=03&project=3&anzahl=8

http://az.ub.uni-freiburg.de/show/fz.cgi?cmd=showpic&ausgabe=02&day=19b&year=1935&month=03&project=3&anzahl=10

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