"Gras" oder Money fressende Löwen (Esther Fieber)

geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 15. Juli 2014 13:48
"Im Paradies der grasfressenden Löwen" betitelt Esther Fieber ihr jetzt erschienenes Buch.
Und als Untertitel wählte sie dazu:
"Meine Jugend bei bei den Zeugen Jehovas".
So wie es in der Wirklichkeit keine "grasfressenden" Löwen gibt - außer in den Märchenerzählungen der Zeugen Jehovas - so musste das auch noch Esther auf ziemlich handgreifliche Art und Weise erfahren. Zwar nicht mit "grasfressenden" Löwen, dafür um so mehr mit Money fressenden, bekam sie es in der Praxis zu tun. Dafür steht unter anderem ihre Aussage:
"Wir erhielten einen eingeschriebenen Brief, wonach eine Anwältin uns die Interessenvertretung unserer Mutter und unserer Schwester anzeigte. Es war eine Anwältin, die ebenfalls Glaubensschwester der Zeugen Jehovas war. Angesprochen auf ihre Zugehörigkeit, ließ sie lapidar verlauten, ihr Mandat sei eine Familienstreitigkeit in einer Erbsache, ihre Glaubenszugehörigkeit in diesem Zusammenhang irrelevant."

Und weiter:
"Die Anwältin wurde nicht müde, seitenlange Abhandlungen zu schreiben, wie viel die Familie G... an Geld für die Pflege der Mutter benötige. Intimste Dinge wurden in Zahlen aufgelistet, jede Zahnpasta und jeder Inkontinenzschutz wurde von der emsigen Anwältin, die auch die Finanzverwalterin der Mutter wurde, akribisch aufgelistet."

Und weiter in der Wertung der Sachlage aus der Sicht der fraglichen Buchautorin:
" Diese Anwältin war die Handlangerin der Schwester und deren Interesse, an das ganze Geld zu kommen, das nicht viel war, aber doch einer Familie, die sich einer Sekte verschrieben hatte, Geld sicherte, um sich in Fronarbeit für diese aufzuopfern. Meine Schwester hatte die Mutter zu sich geholt, damit wir keinen Zugang mehr zu ihr hatten. Die Mutter hatte keinen eigenen Willen und war manipulierbar, sie war somit in höchster Gefahr."

Redaktionell Einfügung. Man vergleiche dazu auch die Ausführungen in der
Freital-Datei
Dort insbesondere auch der Aspekt, wie ein vormaliger Hausbesitzer, in einer Ehekrise, durch Vermachen des Hauses an die WTG, in die Obdachlosigkeit getrieben wurde. Ende der Einfügung.


Vorstehend zitierte Aspekte beschreiben eher einiges aus der Endphase des Dramas. Zu der Vorgeschichte dann auch noch dieses.
Einleitend erfährt man etwas über den "Familienstammbaum" der Autorin. Danach verschlug es gebürtige Schweizer, in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg, nach Deutschland, aus wirtschaftlichen Gründen. Das war dann auch keineswegs ein erhofftes "Paradies" und sei es auch nur wegen des Faktors Gesundheit. Die Großmutter der Autorin musste es erleben, das zwei ihrer Ehemänner, hintereinander wegstarben und das bei bereits vier Kindern.
Noch ein drittes Mal heiratete die Großmutter und bekam in Folge zwei weitere Kinder. Eines davon dann die Mutter der Autorin.
Die Furcht vor dem sich anbahnenden zweiten Weltkrieg bewirkte eine Rückkehr jener Familie in die Schweiz. Namentlich der dritte Mann der Oma der Autorin sollte dann eine entscheidende Weichenstellung einleiten. In Kontakt gekommen mit dem WTG-Schriftum fand dieser dritte Mann der Oma, in besagtem Schrifttum seine "Erleuchtung".
Dazu wird über diesen dritten Mann notiert:
"Gottfried hatte sein Dorf nie verlassen, kannte weder Fernsehen noch Kino, die „Wahrheit", die er in der Schiffstruhe seiner Frau gefunden hatte, musste ihn extrem beeinflusst haben."

Und die WTG-Indoktrinierung zeitigte bei ihm besonders starke Ergebnisse.
Und weiter:
"Meine Mutter war die einzige von Omas sechs Töchtern, die sich den Dogmen der Sekte absolut linientreu verschrieb."

Auch in der Schweiz war das Thema Wehrdienst akut, und sei es nur in der Form der Wiederholung periodischer Wehrübungen. Unter dem Einfluss der WTG kamen dann entsprechende Verweigrungsentscheidungen zustande. Namentlich der Vater der Autorin, inzwischen auch im WTG-Sog, handelte sich in der Folge davon Gefängnisstrafen ein. Die hatten dann unter anderem auch noch als "Nebenwirkung" eine wirtschaftliche Komponente. Auch das schweizerische Staatswesen, hatte nicht die Absicht, die Unbotmäßigen dafür gar noch zu belohnen. Ging es also in Folge der Haftstrafe auch noch wirtschaftlich abwärts, so interessierte das Schweizerische Staatswesen dieser Umstand nicht sonderlich. Die Betroffenen hätten also selber zuzusehen, wie sie mit den Folgewirkungen ihres unbotmäßigen Handelns "klar" kämen, was auch in diesem Falle mehr schlecht als recht gelang.

Sicher waren infolge des WTG-Einflusses auch die Eltern der Autorin, massiv Endzeitverblendet. Dafür steht auch die Aussage:
„In immer wiederkehrenden Gesprächen behaupteten meine Eltern und andere Mitglieder der Religionsgemeinschaft, die bei uns regelmäßig vorbeikamen, dass es jetzt so weit sei - die Zeichen stünden auf Sturm, das Ende sei nahe. Wie ich dieses Ende zu verstehen hatte, war in den Zeitschriften abgebildet. Immer wieder blätterten meine kleinen Hände die Seiten um und ich starrte auf die fürchterlichen Bilder von schreienden Menschen, die Blitzen, Feuern, Felsbrocken und Wasserfluten auszuweichen versuchten, die aber nicht entkommen konnten. Die abgebildeten Menschen waren eingekesselt im Inferno, das meine kindlichen Augen wahrnahmen.
Die Fratzen dieser Menschen gruben sich tief in meinen kleinen Kopf ein."

Als Kind lernt Esther Fieber dann auch noch den Umstand kennen, dass diverse Wohnungsumzüge ihrer Eltern angesagt sind:
„Als Kündigungsgrund hatten sie Eigenbedarf der Wohnung geltend gemacht."

In rückblickender Analyse dieses Umstandes stellt sich dann heraus, den jeweiligen Vermietern ging die WTG-Propagandatätigkeit, „zu sehr auf den Keks".
Und weiter:
„Der bevorstehende Umzug war geplant und so entschieden die Eltern, dass ich in der Zeit bei der Oma und Gottfried abgeliefert werden sollte. In dem Alter war ich für die Familie eher ein Hindernis als eine Hilfe beim Umzug."

Auch das erfährt man in weiteren Verlauf des Berichtes noch. Die bei etlichen Zeugen Jehovas grassierende Bevorzugung der Heilpraktikerszene bei gesundheitlichen Fragen, wirkte auch bei ihren Eltern, die gleichfalls jeden „neuen Schrei" jener Szene mitmachten. Mehr noch, der Vater lies sich in Folge auch als aktiver Verkäufer der Pulverchen und Tropfen der Heilpraktikerszene einspannen, kombinierte WTG-Verkündigungstätigkeit mit Verkaufsambitionen der Heilpraktikerszene!
Auch das bekommt sie dann schon als Kind mit. Suizide aus dem Bereich Zeugen Jehovas, und wie ihre Eltern, diese Opfer im nachhinein nur verächtlich zu kommentieren vermeinten.
Ein wesentlicher Satz ihrer rückblickenden Kindheitserfahrungen, auf die hier nicht alle eingegangen werden kann, besteht in der Feststellung:
„Es war ganz offensichtlich, dass die Sekte, in der meine Eltern waren, nur forderte und nichts gab, keine menschliche Hilfe bot sondern die Leute, die dringend eine rettende Hand gebraucht hätten, einfach fallen ließ."

Auch der Esther Fieber in eine Zeugen Jehovas-Familie hineingewachsen, blieb der Druck nicht erspart, zum ZJ-typischen Treppenterrierdienst (wenn es in jener Gegend der Schweiz mehr eine ländliche Gegend war, dann eben als „Kilometerläuferin" von Haus zu Haus). Auch sie bekam WTG-seitig, besonders eifrige ZJ zugeteilt, die sie in die Feinheiten des „Treppenterrierdienstes" einführen sollten. Da sie im voraus nicht wussten, was sie bei den erstbesuchten Leuten erwarten würde, sei noch jene Erfahrung zitiert, die sie da auch so sammelte:
„Die Frau an der Tür wurde blass, sie starrte uns aus hasserfüllten Augen an.
„Wissen Sie, was die Sekte mit meinem Bruder gemacht hat?", sagte sie in einem unangenehmen, zischenden Ton.
Das wusste ich nicht, meine Lehrerin schien aber zu ahnen, was die erzürnte Frau so aufregte.
Sie erzählte aufgebracht, was mit ihrem Bruder passiert war.
Er arbeitete in der Länderzentrale in Thun bei der Sekte im Druckzentrum.
Er lebte dort und hatte sein Zimmer sowie die Verpflegung frei. Er arbeitete fast vierzig Jahre für Gottes Lohn. Als er die Diagnose erhielt, dass er Krebs habe, wurde sein Zimmer geräumt, während er im Spital war.
Es kam noch schlimmer. Keiner von den zahlreichen Glaubensbrüdern besuchte ihn im Spital, er wurde hängen gelassen. Das Sozialamt sei für die Kosten aufgekommen, sagte uns die sichtlich erzürnte Frau.
Sie sei von der Sekte nicht verständigt worden, dass ihr Bruder im Spital sei und Krebs habe. Sie hörte vom Tod ihres Bruders, als dieser schon längst verschieden war.
Man hatte in der Länderzentrale in Thun dem Mann eingebläut, wie allen Mitgliedern der Sekte, keinen Kontakt mit „Weltmenschen" zu pflegen."

Ihre weitere Lebensphase gestaltete sich, wie auch aus anderen ZJ-Fällen zur Genüge bekannt, zunehmend zum „Doppelleben". Formal der WTG heuchelnd, das allernotwendigste in der Richtung absolvierend, zunehmend jedoch auch Elemente in die eigene Lebensführung einfließend lassen, die diametral im Gegensatz dazu standen.
Was nun die leibliche Schwester der Esther Fieber anbelangt, geriet diese im Gegensatz zu der Esther verstärkt in den WTG Indoktrinierungssog. Die Frauen nun inzwischen im Heiratsfähigen Alter, da mag folgende Episode als Zeichen der zunehmenden Entfremdung zwischen den beiden charakteristisch sein:
„Mein Mann und ich wurden zu der Hochzeitsfeier der beiden nicht eingeladen.
Das hatte sich bereits bei unserer Eheschließung abgezeichnet. Meine Schwester ließ ausrichten, dass sie nicht an unserer Feier teilnehmen werde. Ihr Gewissen und ihr Glaube würden ihr das verbieten."

Die familiären Zerwürfnisse unter dem Zeugeneinfluss verstärken sich. Auch als der Vater schwer erkrankt, mit schließlicher Todesfolge, gab es alles andere als ein Happyend. Die Ruth (ihre Schwester) und deren Ehemann reißen, unter anwaltlicher Einschaltung, von der eingangs dieses Berichtes schon die Rede war, zunehmend das Heft des Handelns an sich.
Gegenüber ihrem besagten Schwager (den ZJ zuortbar) macht die Autorin, mehr zum Schlusse ihres Buches diesem dann noch den Vorhalt:
„Beim Steueramt hatte ich mehr Glück, über die Steuerverhältnisse der Mutter und ihrer Gastfamilie erhielt ich ohne Probleme die jeweiligen Steuerausweise.
Das Resultat war ganz offensichtlich. Das Vermögen der Familie G ... hatte sich in drei Jahren verfünffacht, obschon der Schwager keinen Aufstieg in seiner Karriereleiter vorweisen konnte, im Gegenteil!
Das Vermögen von unserer Mutter war genau in dem Umfang entsprechend geschmolzen."

Zum Schluss der Geschichte vernimmt man auch noch von einigen weiteren Wohnungsumzügen der inzwischen verwitweten Mutter, zusammen mit dem Schwager der Buchautorin.
Bemerkenswert in diesem Kontext auch die Aussage:
„Zusammen mit der Mutter bewohnten sie eine kleine Wohnung in Samedan. In
dieser Wohnung waren sie nur kurze Zeit, sie zogen bald wieder um, diesmal in das Haus des B. Spatz, dem bekannten Naturarzt und Zeugen Jehovas. Der Königreichsaal der Sekte war einen Steinwurf entfernt und stand auf dem Gelände des Wohnhauses, in dem nun meine Mutter zusammen mit meiner Schwester und deren Familie lebte."

Noch der Hinweis:
Wenn auch in Schwyzerdeutsch gehalten, gibt es im Internet auch noch ein Video der Autorin.
http://www.joiz.ch/show/joizonesocial/zeugen-jehovas-aussteigerin-erzhlt

http://27093.foren.mysnip.de/read.php?27094,188034,188034#msg-188034

Erfahrungen von Esther Fieber, mit der Zeugen Jehovas gestylten Heilpraktikerszene
Als Kind beobachtete Esther auch, wie ihre Eltern sich im Sog diese Szene befanden. Wie bereits ausgeführt, in der Endphase ihres Berichtes vernimmt man auch von einem Immobilienbesitzer, auf dessen Grundstück ein Königreichssaal der Zeugen Jehovas sich befindet. Den betreffenden Besitzer ereilte zwar auch mal der Umstand, zeitweilig von den Zeugen Jehovas ausgeschlosssen worden zu sein (Stichwort rigide Sexualmoral). Indes bekam er alsbald die Vorzugsbehandlung, dass in seinem Falle „beide Augen, nebst Hühneraugen" zugedrückt wurden. Der Königreichssaal auf seinem Grundstück spricht auch für die Nutznießung der WTG durch solche Typen. Sein Geschäft florierte offenbar. Mitnutznießer dieses Umstandes, wie auch aus anderen ähnlichen Fällen bekannt ist, war halt die WTG-Religion.

Für die sogenannten „Chiropraktiker" wurde WTG-seitig verschiedentlich schon mal die Werbetrommel gerührt.
Siehe etwa Mysnip.128884
wo in der zweiten Hälfte der Datei auch dieses Thema mit angesprochen wird.
Insoweit braucht man nicht verwundert zu sein, auch in Schweizer ZJ-Kreisen solchen „Künstlern" zu begegnen. Es mag Fälle geben, wo deren Massagetechnologie sinnvoll sein mag. Indes in der Praxis werden solche Typen nicht selten als „Allheilkünstler" gehandelt, auch dann, wenn auf Grund der Krankheitsbilder sie fehl am Platze sind.
Jedenfalls bekam der Vater der Esther es auch mit einem solchen „Künstler" zu tun. Dazu vernimmt man in ihrem Bericht:
„Ein Glaubensbruder, der regelmäßig und unangemeldet immer wieder den Weg zu uns fand, bestritt seinen Lebensunterhalt als Chiropraktiker. Mein Vater war im Fokus dieses Bruders. Jedes Mal verband er seinen Besuch mit einer Behandlung. Mein Vater versuchte mit allen möglichen Ausreden, diesen Behandlungen zu entgehen. Das nützte ihm nicht viel, selbst in den Stall folgte ihm Bruder Oman hartnäckig.
Bruder Oman stellte fest, dass er das Innenleben meines Vaters in den Senkel bringen müsse. Ausreden meines Vaters, dass sein Wohlbefinden sehr gut sei und seine Knochen überall dort, wo sie hingehörten, nützten ihm gar nichts. Mein Vater entkam den Behandlungen nicht. Im Schlafzimmer der Eltern, wohin sich Oman und der Vater verzogen hatten, hörten wir mehrmals laute Schmerzensschreie des Vaters.
Nach einer dieser Behandlungen hinkte mein Vater und er beklagte sich am Mittagstisch, Bruder Oman habe dafür, dass er ihn geklopft habe, so nannte mein Vater diese Behandlung, einen enorm großen Betrag verlangt. Natürlich ohne Quittung oder sonstigen Aufzeichnungen seiner Behandlung, was doch auch unüblich sei. Nun tue ihm alles weh und er habe Schmerzen, klagte mein Vater, vorher sei das nicht so gewesen. Mein Vater schien mir ehrlich und tief verärgert. Die Mutter war flink zur Stelle und legte ihm Pflaster mit Franzbranntwein und sonstigen Hausmittelchen und Seelentröstern auf.
Ein Glaubensbruder, der in unserer Nähe wohnte, wurde ebenfalls vom Chiropraktiker Oman regelmäßig behandelt. Als dieser etwa ein Jahr später an Rückenmarkkrebs erkrankte ... behandelte ihn Oman trotzdem weiter. Selbst im letzten Stadium, wenige Tage vor seinem Tod, berichtete meine Mutter, dass der arme kranke Mann fürchterliche Schmerzen bei der finalen Behandlung durch den Chiropraktiker hatte."

Offenbar gab es noch mehr Typen, auf der Ebene „Hilfskräfte" der Heilpraktikerszene, mit der die Familie der Esther es zu tun bekam. Wenn schon die Stars der Heilpraktikerszene „erfolgreich" agierten, dann wollten einige weibliche Jüngerinnen selbiger, denen nicht nachstehen. Auch mit solchen Typen bekam jene Familie es noch zu tun.
Jene Jüngerin aqurierte in der Folge dann auch noch den Vater als Verkäufer ihrer Wundermittel.
Bevor es soweit war dann noch dieser Bericht:
„Sie kam eines Tages mit einer Flasche an, deren Inhalt etwas Besonderes
enthalten müsste. Geheimnisvoll erklärte sie, dass diese Tropfen nur
an speziellen Testpersonen abgegeben würden. Sie nannte die wässrige Flüssigkeit Weckamin-Tropfen.
Dieses Mittel verhalf unserem Vater tatsächlich zu Flügeln. Jeden Morgen schluckte er diese Medizin zusammen mit etwas Wasser in den nüchternen
Magen.
Mich hatte die säuerliche Schwester unglücklicherweise auch im Visier. Schwester Scherer stellte die Diagnose, dass ich ein komisches Kind sei. Obschon sie keine Kinder hatte, war sie in meinem Fall überzeugt, dass ich unbedingt medikamentös behandelt werden müsste. Sie sprach von einem sehr komischen Geruch, der bei einem so kleinen Kind ungewöhnlich sei, mich umwabere ständig der Geruch von Urin.
Im Gegensatz zu meinem Vater, der nach Meinung von Schwester Scherer mehr Power benötigte, müsste ich ruhiggestellt werden, sie sprach im Zusammenhang mit meinem Gestank, den ich unglücklicherweise verströmte, von frühreif und abartig. Mir ging es ähnlich wie hyperaktiven Kindern, denen man heute ein Medikament verabreicht, das sie ruhigstellen soll. Obschon ich noch klein war, begriff ich, dass die Mutter ihr widersprach. Sie sagte, dass ich im Gegenteil sehr ruhig sei, auch als Baby nie geweint hätte. Ein so ruhiges Kind wie ich sei selten, meinte sie. Die anderen beiden seien komplett anders gewesen. Mir wurden, trotz des Einwandes meiner Mutter, Tropfen zwangseingeflößt. Sie hielt meinen Kopf und zwängte mir das Zeug rein. Nach Einnahme dieses Medikamentes müsste ich auf Anweisung der resoluten Schwester ins Bett. Dort starrte ich stundenlang an die Decke, beobachtete die Fliegen, die dort herumflogen und bei jeder Gelegenheit die Vorderbeine aneinander rieben. Das fiel mir möglicherweise nur auf, weil ich am helllichten Tag ins Bett verbannt wurde und nicht schlafen konnte."

Auch dieses noch:
„Auch unser Ernährungsplan wurde durch die Schwester nachhaltig beeinflusst. Zum Beispiel riet sie, dass wir unbedingt Löwenzahnsalat essen
sollten. Unsere Mutter war sofort hellauf begeistert von diesem Vorschlag, doch unser Vater grummelte, er wolle nichts essen was Kühe fressen. Er meinte, es gäbe doch so viele gesunde und zivilisierte Salatsorten, dass man nicht Kuhfutter auftischen müsste.
Trotzdem, Schwester Scherer schaffte den Salat heran und setzte sich durch.
Mit dem Hinweis, dass dieser Löwenzahnsalat die Eigenschaft habe zu entschlacken und den Blutkreislauf zu beleben, landete das Zeug auf unseren Tellern.
So richtig entschlackt hatte uns dieser Löwenzahnsalat aber nicht.
Im Gegenteil, die Wiese, auf der das Kraut geerntet wurde, war kurz zuvor
mit Gülle gedüngt worden. Das Resultat war, dass wir uns Fadenwürmer einhandelten.
Unsere Fadenwürmer wiederum wurden, auf Verschreibung von Schwester Scherer, mit Knoblauchmilch bekämpft. Dazu legte man Knoblauchzehen in Milch ein und müsste diese dann schluckweise trinken!
So würden die Würmer das Weite suchen, versicherte uns Schwester Scherer.
Das taten die Würmer aber nicht sofort und die Knoblauchmilch verhalf mir
auch nicht gerade zu einem besseren Duft."

Ein weiterer Kommentar der Autorin zu diesen Aspekten:
„Unsere Mutter machte jeden Blödsinn mit, den diese Frau befahl, ein klarer Hinweis darauf, wie manipulierbar und somit verletzlich sie war und wie wenig Widerstand sie gegen Dinge bot, die sie selbst nicht wirklich wollte. Sie war ein ideales Opfer, um von einer Sekte vereinnahmt zu werden."

Mehr noch:
„Eine weitere Empfehlung unserer Ratgeberin befolgte meine Mutter ebenfalls. Meine Mutter trank ihren eigenen Urin! Schwester Scherer nannte das die Eigentherapie. ... Schwester Scherer kannte nichts, was nicht hätte geheilt werden können mit dieser Methode...."

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