Drei Bücher - Einleitender Exkurs

geschrieben von:  Drahbeck

Datum: 04. April 2009 01:59

Fangen wir mal den heutigen Buchbericht mit einem Exkurs an.
Wie man weis begann die WTG-Religion auf deutschen Boden, erst zur Jahrhundertwende (um 1900) Fuß zu fassen. Die Kreise wo ihr das gelang, waren im besonderen die sogenannt „Landeskirchlichen Gemeinschaften".
Ich für meine Person erlaube mir diesen Begriff „Landeskirchliche Gemeinschaften" etwas anders zu formulieren; nämlich als der „Sektenflügel" innerhalb der Grosskirchen.
Einen eigenen „Laden" machten sie ja noch nicht auf; bzw. wahrten eine gewisse „Nabelschnur" zu den „Grosskirchen".
Ideologisch indes handelte es sich nicht selten um „prächtige" Sektiererexemplare.

Nicht nur die WTG-Religion tat diesen Kreisen Abbruch, auch die um jene Zeit auch auftauchende „Pfingstbewegung" gleichermaßen.
Es gab in der Frühzeit durchaus eine mächtiges „Hin- und Her-Gewandere" zwischen „Landeskirchlichen Gemeinschaften", Pfingstlern, WTG-Anhänger. Hin und her, und zurück.
Der frühe WTG-Funktionäre Georg Rabe, hatte bereits eine „Karriere" als Pfingstler hinter sich, um ein Beispiel zu nennen.

Je näher man sich ideologisch stand, umso stärker waren auch gegenseitige Anfeindungen zu beobachten.
Zum Bereich der sogenannt „Landeskirchlichen Gemeinschaften, gehörte auch die sogenannte Zeitmission, begründet von einem gewissen Jakob Vetter.
Dort wiederum lässt sich eine polemische Schrift gegen die WTG-Religion, schon in der Frühzeit nachweisen. Die eines gewissen Otto Bommert, mit dem Titel:
Wider Millium-Tages-Anbruch. Oder:
Wie C. T. Russell das Kreuz Christi zunichte macht.
Verlagshaus der Deutschen Zeltmission, Geisweid i. Westf. 1920.

Daraus mal einige Zitate:

S. 5:
Die Lehre der hl. Schrift, dass durch wirkliches Blutvergießen nur Sühnung geschieht, 3. Mose 17,11; Hebr. 9,22 kennt Russell nicht.
S. 6:
Soviel ist jedenfalls sicher, Russells „korrekte Übersetzung" ist so vollkommen ungerecht und falsch nach dem Grundtext, er hat sie zugeschnitten auf seine Lehre.
S. 13:
In der letzten drei Jahrgängen seines Organs in Deutschland der Wachtturm besonders im Jahrgang 1909 hagelt es aber auf seine Gegner hernieder in Ausdrücken wie: ihr Mitternachtsgeheul, auf dem Wege zum zweiten Tode befindlich, häßliche, grausame Gefühle, unfreundlicher Verdacht sei im Herzen des Gegner, neuer Lichtträger, erstaunlicher Schriftausleger, wir können leicht vermuten, dass ziemlich viel Biegung und Verdrehung von Schriften vorgenommen werden muss, damit sie den Zwecken dieses Redakteurs dienen. Hiermit meint er einen Bruder, der öffentlich Stellung gegen ihn nahm bezüglich des Blutes Christi, der Verfasser (d. h. Bommert)
S. 13:
Und was macht Russell? Er selbst biegt und dreht die Schrift zu oft zugunsten seiner Theorie, und dabei wird von seinen Getreuen auf seine Treue dem Worte gegenüber hingewiesen.
S. 14:
Sein getreuer Diener hier in Deutschland, Herr O. A. Koetitz in Barmen, der seine Sache vertritt, folgt ihm hierdurch getreulich. Der Verfasser dieser, der öffentlich und frei die Fehler Russells ans Licht zog, suchte er in einer Durchschrift an seine Getreuen dadurch unschädlich zu machen, dass er ihn und anderen in Hinweis auf 2. Thessl. 3 gebot:
„Wir gebieten euch aber Brüder, im Namen unseres Herrn Jesu Christi, dass ihr euch zurückzieht von jedem Bruder, der unordentlich wandelt und nicht nach der Überlieferung, die er von uns empfangen hat. Auge in Auge, in Gegenwart eines Bruders darüber zur Beweisführung zu Rede gestellt, meinte er ja, was der Apostel dort meinte, das könne er ihm nicht beweisen, aber - ja aber - man könnte doch auch dieses oder jenes darunter verstehen.

S. 15:
Die von ihm herausgegebenen Chronologie braucht hier nicht berührt zu werden. Ist da ein Fehler, so zeigt sich's 1914 schon. Zudem halten fast alle christliche Gemeinschaften dafür, dass wir am Ende dieser Zeit angelangt sind. Vorgebaut hat Russell schon, falls es (das 1000jährige Reich) nicht pünktlich wie er vorher gelehrt, eintreffen sollte."

Als Gegenreaktion dann ein paar Sätze aus dem deutschen „Wachtturm" des Jahres 1911.
Da schreibt dessen damaliger Redakteur (Koetitz):

„Antwort
Lieber Bruder Bommert!
Deinen Briefe vom 5. September und die Drucksache habe ich erhalten. Ich bin davon zwar nicht überrascht, umso mehr aber betrübt worden. Du hast manche äußere Anzeichen von Liebenswürdigkeit, auch Kenntnis über Gottes Wort will ich Dir nicht abstreiten. und Dein Stillschweigen, vermeiden der Versammlung und der persönlichen Aussprache ist mir, hielt ich ursprünglich für eine Folge deiner kranken Kopfnerven.
Nachdem ich dich einige Male besucht, und Du, anstatt zu mir zukommen, dich indirekt durch Bruder Haltewig an mich wendest, befürchte ich sehr, dass meine briefliche Ermahnung zur Vorsicht nichts gefruchtet haben wird, was Bruder H. gesagt haben wird. Meine Befürchtung hat sich nun bestätigt.
Ein offener Angriff des Glaubensstandpunktes eines in gleicher Gemeinschaft stehenden Bruders ist immer eine Gegnerschaft und offene Gegnerschaft bedeutet Lieblosigkeit; sich gegen solche Angriffe zu wehren ist dagegen unter Umständen einige heilige Pflicht.
Im vorliegenden Fall haben die Brüder Henninges usw. zuerst das Band der Liebe und Brüderlichkeit verlassen, und gegen die Angriffe und drohende Verwirrung noch unbefestigter richtete sich Bruder Russells Verteidigungsartikel.
Du tadelst Bruder Russell wegen "sogenannter neuer Offenbarung" und übersiehst scheinbar, dass Bruder Russell sich nicht auf Gesichte, Träume oder unmittelbare Gedankeninspiration beruft, sondern nur auf die Verheißung des Vaters, dass der Geist der Wahrheit in aller Wahrheit leitet und Zukünftiges verkündet ...


Das Zitat mag dann ja reichen. Sicherlich verdeutlich es wohl. „Zimperlich" ging man miteinander wohl nicht um.

Da ja nun schon mal die „Zeltmission" mit genannt wurde, ist es vielleicht auch nicht uninteressant, sich eine Schrift dieses Jakob Vetters mal etwas näher anzusehen. Und zwar die mit dem Titel: „Ist die Seele unsterblich?"

Daraus wiederum einige Zitate:

S.3:
Man hat uns gelehrt: Die Seele ist bestimmt für ein ewiges Dasein
Die materialistische Philosophie bestreitet das.- sie bestreitet es mit aller Schärfe und mit der brutalsten Heftigkeit, Der Monistenpriester von Jena nennt das Dogma von der Unsterblichkeit der Seele eine Citadeile des Aberglaubens, die fallen müsse um jeden Preis. (Haeckels Welträtsel S.77)

S.6:
Endlich stellt der Materialist die Menschenseele auf die gleiche Stufe mit der Tierseele und sagt uns, wenn die Menschenseele unsterblich wäre, so müßte auch die Tierseele Unsterblichkeit besitzen. Aber der Gedanke an eine Fortdauer der Tierseele entbehrt tatsächlich jeder Berechtigung.
Warum sollte es anders sein? fragt der Ungläubige. "Ueberall im Universum herrscht dasselbe Gesetz. Die Zehntausende von Welten, die jetzt rasend dahinrollen, werden ersterben und vergehen. Unser Planet wird alt und todesmatt. Das blaue Meer wird zu Eis, die Kontinente versinken in die Tiefe, und alles wird wüst und leer. Der Tod hat dann wieder den Sieg errungen - alles ist vorbei und dahin."

S.7:
Was haben wir als denkende Menschen für Antwortungen zu den Behauptungen des Unglaubens? Nun, vor allem halten wir es für puren Unsinn, daß Gehirn und Seele ein und daselbe Ding sein sollen.
S.8:
Zerstöre ich die Orgel, dann muß der Organist aufhören zu spielen, aber er hört nicht auf zu leben. Geradeso ist es mit der Seele. Die Seele hört bei dem Tode des Leibes nicht auf zu arbeiten, aber deswegen hört sie nicht auf zu existieren. Damit wäre also „Tod des Leibes" nicht gleichbedeutend mit "Tod der Seele".
S.9:
Wenn auch die Tierseele sterblich wäre, so bewiese dies doch noch nicht, daß die Menschenseele auch sterblich sei; denn es ist dich ein großer Unterschied zwischen der Menschen- und der Tierseele.
S.13:
Der Glaube an eine Fortdauer der Seele nach dem Tode ist in der Bibel bewiesen. Sollte es kein ewiges Leben geben, so bleibt unser Lebenszweck ein Rätsel. Nur die Hoffnung, daß alle Ungleichheiten des Erdenlebens in einem zukünftigen Dasein völlig ausgeglichen sein werden, kann uns bewahren, Gott der Willkür und Ungerechtigkeit zu zeihen. Nur der Glaube an ein Endgericht, in der jeder empfangen wird, "nach dem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse", kann die menschliche Gesellschaft vor einem skrupellosen Kampf alle gegen alle, vor einer ins Unendliche anwachsenden Vermehrung der Zuchthäuser und Hinrichtungen bewähren. Die Unsterblichkeitshoffnung ist keine Phantasie sie stammt von Gott."

Damit wäre dann ja das Thema der Seelenlehre erst einmal angesprochen.
Im nachfolgenden Posting wird dieser Faden „noch etwas weiter gesponnen"

Re: Drei Bücher (1)

geschrieben von:  Drahbeck

Datum: 04. April 2009 02:10


Prolog:
Die Idee von der Seele ist und bleibt eine Hypothese
hugostamm.kaywa.ch/allgemeines/der-mythos-seele.html

Zwei Bücher, die der Tendenz nach, wie "Feuer und Wasser" zu einander stehen, sollen heute mal etwas näher vorgestellt werden.
Man weis, schon seit den Tagen der frühen Russellbewegung und Nachfolger, wird von diesen die Lehre einer unsterblichen Seele abgelehnt.
Man weis weiter, in breiten Kreisen des christlichen Hauptstromes hält man es diesen Punkt betreffend anders.

Endzeit-Naherwartungen (abgesehen von gewissen evangelikalen Kreisen) findet man im "Hauptstrom" des Christentums eher weniger.
Der Ersatz dafür dort lautet eben; eine unsterbliche Seele, die da vermeintlicherweise, bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen, dann mal in den Himmel gelangen könne.
Einige gehen dann gar soweit, sich den den Petrus als "Himmelspförtner" vorzustellen.

Etwas abweichend von dieser Linie des christlichen Hauptstromes, ist die Position der heutigen Religionsgemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten.

Der Katholik Max Heimbucher etwa, meinte in einer 1926 erschienenen Schrift,

diesbezüglich ausführen zu sollen (frühe Adventbewegung)

"Schon vorher ward indes durch George Storr, der zur Vorbereitung auf die erwartete Wiederkunft Christi "Sechs Predigten" veröffentlicht hatte, der Keim des Zwiespalts in die neue Adventkirche gesenkt. Storr lehrte nämlich, daß die Unsterblichkeit der Seele nicht zur natürlichen Ausstattung des Menschen gehöre."

Jenem George Storr begegnet man dann auch noch im Umfeld des Charles T. Russell.
Siehe dazu auch
Parsimony.6368

Da sich im Falle Russell auch adventistische Wurzeln nachweisen lassen, hat er seine diesbezügliche Position letztendlich von den Adventisten "abgekupfert". Ist also diesbezüglich keineswegs originell.

Etwa im Jahre 1957 wurde seitens der Siebenten-Tags-Adventisten auch eine Schrift publiziert mit dem Titel "Fragen um die Unsterblichkeit der Seele".
Selbige kann man als durchaus relevante Zusammenfassung der diesbezüglichen adventistischen Position ansehen.
Aus ihr sei nachstehend etwas zitiert.

Einleitend wird in ihr konstatiert:
"Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele ist eine der ältesten und verbreitesten Lehren. Sie wurde auf Erden schon verkündigt, ehe noch der Glaube an Christus, den Erlöser gepredigt wurde."

Dann meint man weiter:
"Der Standpunkt, den die Heilige Schrift in dieser Frage einnimmt, ist jedoch unvereinbar mit der Lehre, daß die Seele unsterblich sei.
Die Bibel lehrt deutlich, daß das zukünftige Leben des Menschen von einer Auferstehung der Toten oder von einer Verwandlung ohne Tod abhängig ist.

Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele hat die christliche Predigt so durchdrungen, daß für die von der Auferstehung der Toten wenig oder kein Raum übrig ist. Wenn die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele wahr wäre, dann wäre aber die von der Auferstehung tatsächlich wertlos; denn es wäre vergebliche Mühe, auf die evangelische Lehre von der Auferstehung der Toten so viel Gewicht zu legen.

Nach der Lehre von der Unsterblichkeit der Seele gibt es, wie oben gezeigt, folgerichtig keinen eigentlichen Tod und somit auch keine Auferstehung.
Verdrängt die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele nicht nur die Lehre von Christi Wiederkunft, sondern auch die Hoffnung der Christen. Wenn daher die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele die Menschen in den Himmel kommen läßt, ehe das Ende der Welt da ist und die letzte Posaune ertönt, ehe die Zeit da ist, da der Herr selbst vom Himmel herniederkommt, und die Toten auferweckt, ehe er noch in den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit erscheint und seine Engel sendet, seine Auserwählten zu sammeln, - wenn sie die Menschen in den Himmel versetzt, ehe diese Ereignisse stattfinden, so tut sie es entgegen den Worten Christi. Es ist daher klargestellt, daß der Glaube an die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele der Lehre von der Wiederkunft Christi und damit der göttlichen Wahrheit widerspricht."


Man glaubt auch:
"Wir haben durch wohlüberlegte Schlüsse aus biblischen Grundsätzen bewiesen, daß die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele der Lehre von der Auferstehung der Toten, der Wiederkunft Christi und dem Gerichte widerspricht, daß sie das Erlösungswerk Jesu unwirksam macht, indem sie ewiges Leben auch ohne Christus für möglich hält. Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele ist die Grundlage des Spiritismus. ..."

Diese Ausführungen dürften dann wohl über weite Strecken mit der, seitens der Zeugen Jehovas identisch sein.

Es war schon davon die Rede, dass dies nicht unbedingt die Position des "Hauptstromes" im Christentum ist, der ja die Himmel-Hölle-Philosophie kultiviert.

Der schon bereits genannte Katholik Heimbucher meinte auch vollmündig verkünden zu können:

"Kaum eine andere Glaubenslehre ist in der Heiligen Schrift so oft und so deutlich bezeugt als diese, daß es eine Hölle gibt und daß die Hölle ewig dauert. Mit der katholischen Kirche anerkennt deshalb auch der gläubige Protestant diese Lehren.

Herr Heimbucher hat übrigens in seiner "Die neuzeitlichen Sekten" betitelten Schrift, noch ein paar andere Highlights auf Lager. Etwa wenn er seine katholische Leserschaft schon einleitend mit der These vergattert:

"Du darfst eine verbotene Schrift - und alle Sektenschriften sind verboten - weder selbst lesen noch an andere ausleihen, verkaufen oder verschenken. Du darfst sie auch nicht in deinem Hause behalten. Es könnte sie jemand zufällig finden und durch ihre Lesung Schaden nehmen. Händige sie ohne Säumen deinem Seelsorger aus oder wirf sie gleich selbst ohne langes Besinnen ins Feuer!"

Und da die Inquisition auch zu den „Errungenschaften" seiner Kirche gehört; und da es Gestapo und Stasi zu dem Zeitpunkt zwar so noch nicht gab, fühlt sich Herr Heimbucher kraft seiner katholischen Wassersuppe, aber berufen, deren Credo schon mal vorab seinen katholischen Mannen einzubläuen. Etwa mit seinem sinnigen Vergleich:

„Aber bist du denn nicht ein "Denunziant", ein feiger Angeber, wenn du also gleich, sobald ein Sekten-Kolporteut in deinem Orte auftaucht, zum Pfarrer läufst? Nein, so wenig du ein Denunziant bist, wenn du bei den weltlichen Behörde Anzeige erstattest, daß jemand einen Mord begehen will."


Das schrieb er wie gesagt, im Jahre 1926. Und just letztere These hat dann wohl in der Sache überlebt; bzw. begierige Nachahmer gefunden, etwa bei den Zeugen Jehovas.


Noch eine „Kontrastmeldung".
Thun in der Schweiz ist derzeitiger Sitz des Schweizer Zweigbüros der WTG.
Schon in der Frühzeit der deutschsprachigen Bibelforscherkreise, spielte es eine gewisse Rolle.
Russell's Erwartungen bezüglich der Akzeptanz der deutschen Ausgabe des „Zion's Wachtturm" hatten sich nicht erfüllt. Er war nahe daran, diesen wieder einschlafen zu lassen.
An der Übersetzung seiner „Schriftsudien"-Bände aus dem Englischen ins Deutsche, waren auch einige seiner damaligen „Fan's" massgeblich beteiligt, die eben in Thun (Schweiz) wohnten.

In dieser Schwächephase des WT begannen jene im Herbst 1902 mit der der Herausgabe einer eigenen Zeitschrift mit dem Titel „Die Aussicht".
Jene Kreise verstanden sich zwar als massgeblich von Russell inspiriert, mit der Einschränkung jedoch, als „Papst" dem sie sich mit Haut und Haaren im Kadavergehorsam zu verschreiben hätten, wollten sie ihn doch nicht anerkennen. Sie wollten eben auch in der übrigen religiösen Szene, namentlich in den Geistesverwandten pietistischen Kreisen, fallweise auch mal Anleihen vornehmen können, wenn es ihnen sachlich nützlich erschien.

Just wie nun die „Aussicht" auf den Markt kam, begann Russell seine zeitweiligen Einschlafungspläne für den „Zion's Wachtturm" in deutschsprachige Ausgabe, wieder zu revidieren.
So schickte er als erstes mal seinen Schwiegersohn (Ehemann seiner Stieftochter Rose Ball) nach Deutschland, um die WTG-Tätigkeit dort zu aktivieren.
Für den hatte er zwar alsbald noch andere Verwendung, Henniges wurde dann als Russells Statthalter nach Australien beordert.

Aber immerhin ist zu registrieren, dass ab 1904 dann, die WTG-Tätigkeit mittels des deutschsprachigen „Zions Wachtturm", massiv ausgeweitet wurde, gegenüber der Zeit davor.
Das alles war (zwar nicht ausgesprochenerweise, aber faktisch dennoch so), als massive Konkurrenz zur „Aussicht" ausgestaltet. Diese sollte in „Grund und Boden" runtergedrückt werden, eben auf purer Konkurrenzbasis.

Erfahrungen wie man so was macht, hatte Russell ja bereits früher. Das hatte er mit Barbour's Zeitschrift, mit dem er ja in der Frühzeit auch einige Zeit zusammengearbeitet hatte, dann auch schon so praktiziert. Die Forcierung des WTG-Klinkenputzersystems bewirkte zudem, dass diese Kreise um die „Aussicht" in diesem Konkurrenzkampf zusehends ins Hintertreffen gerieten.

Im Bestand der Deutschen Bücherei Leipzig, gibt es auch ein Buch das in einem in einem in Thun ansässigen (gewesenen) „Wartverlag" mal erschien.

Eine direkte Verbindungslinie zu den frühen „Aussichtskreisen" lässt sich zwar dokumentarisch so nicht nachweisen. Ich unterstelle aber, das der Verfasser jenes Buches sehr wohl quasi zur „Enkelgeneration" der „Aussichts"kreise gehört.
Sein Buch gab er den Titel „Zuerst die Beerdigung - dann die Behimmlung". Inhaltlich liegt es sehr wohl auf der Linie jener, welche eine Seelenlehre im Stile der „Großkirchen" ablehnen.
Und diese Kreise sind ja, wie bereits festgestellt, eher in der Minderzahl.

In seinem Buch verwendet jener Verfasser auch einen bemerkenswerten Vergleich.
Der Verfasser heisst Hans Steinemann.

Übrigens in den 40er Jahren hiess der verantwortliche Redakteur der Schweizer Ausgabe des „Trost" Hugo Steinemann. Eine verwandtschaftliche Linie scheint nicht ausgeschlossen zu sein.
Der Steinemann des „Trost" verschwand wieder eines Tages sang- und klanglos aus den Impressumsangaben des „Trost", ohne dass dessen Leserschaft eine nähere Erläuterung über das warum und wieso erhielt.
Wird einer auf diese Art geschasst, lässt das schon mal tief blicken.

Eine Äußerlichkeit. Sie sei aber doch notiert. Bis zur "Trost-Ausgabe vom 15. 9. 1940 (einschließlich) zeichnete Franz Zürcher als deren Presserechtlich verantwortlicher Redakteur. Zürcher war inzwischen zugleich zum WTG-Zweigdiener (Aufseher, oder Koordinator in heutiger WTG- Terminologie) aufgestiegen.
Der vorherige WTG-Zweigdiener M. C. Harbeck war zu einem ZJ-Kongress im Jahre 1940 nach den USA abgereist. Auf seinen Posten konnte (oder durfte) er nicht mehr zurückkehren, wie man aus einem Bericht des Zürcher im "Wachtturm vom 1. 3. 1966 entnehmen kann.

Nun ab der "Trost-Ausgabe vom 1. 10. 1940, wird ohne nähere Erläuterung, der Name eines neuen Presserechtlich Verantwortlich, des Hugo Steinemann, genannt.
Es ist schon merkwürdig zu benennen. In der gesamten WTG-Literatur gibt es bis heute, keinerlei Auskunft über diesen Steinemann. Auch nicht in dem die Schweiz bezüglichen Geschichtsbericht im 1987er ZJ-Jahrbuch. Und dies trotz des Umstandes.
Als der "Wachtturm ab Oktober 1944 in der Schweiz wieder neu erscheinen konnte, zeichnete ebenfalls Steinemann anfänglich, Presserechtlich für ihn verantwortlich.
Der Name Steinemann tauchte schon früher im Impressum des "Goldenen Zeitalters mit auf. Bezeichnet als Lehrer H. Steinemann. Außerdem gab es von der Schweizer WTG herausgegeben, in den 1940er Jahren noch, einige auf seinen Namen lautende Broschüren.

In den Zeugen Jehovas bezüglichen Naziakten ist er auch aktenkundig geworden. Als Versandstelle (unter seinem Namen, Bern Meisenweg 27) von WTG-Schriften, adressiert an deutsche Zeugen Jehovas.
So etwa in der Tagesmeldung des Gestapa vom 8. 10. 1934 notiert:
H. Steinemann, Bern, Meisenweg 27 und J. Soller, Meisenweg 27, Bern,
als Versender von WTG-Schriften

Entweder war man damals noch so blauäugig in WTG-Kreisen, dass man hoffte, das ginge "gut." Es ging aber nicht gut. Postzensur war doch für das Naziregime eine seiner "leichtesten Übungen". Und so bekam denn selbiges, auch via des Herrn Steinemann, die Adressen von deutschen Zeugen Jehovas frei Haus geliefert!

Siehe auch:
Parsimony.20226

Nun also noch das Zitat von diesem Hans Steinemann. Selbiger schreibt:

„Einen alten ernsten Bibelforscher hörte ich begeistert vom Seelenschlaf erzählen, gerade so, wie wenn er ihn eben erlebt hätte. Es war rührend, zu hören, wie er die Sache darstellte. Nach seiner Meinung werden die Gläubigen alle, wenn sie gestorben sind, schlafen gelegt. Auch Paulus schläft nach seiner Meinung. Am meisten Freude empfand er ob dem Manöver, das Gott dann am Ende des Seelenschlafes mit den Schläfern durchführen werde. Damit sie nicht trauern über die allzulang verschlafene Zeit - bei Paulus wären es ja bis jetzt rund 1900 Jahre - werde Gott durch ein seltsames Experiment den Schläfern die Meinung beibringen, sie hätten nur ganz kurze Zeit, nur eine Nacht geschlafen. Das Erwachen nach diesem Blitzschlaf mit Überschallgeschwindigkeit sei großartig. Man merkte dem Manne an, daß er diese Platte vom Seelenschlaf schon oft hatte spielen lassen.

Ein lieber Freund und Glaubensbruder, der mich öfter zu Gast geladen hatte, kündigte mir Freundschaft und Bruderschaft und kam auch nicht mehr in meine Bibelstunden.
Warum? Einzig aus dem Grund, weil ich wiederholt bezeugt hatte der frohen Hoffnung zu sein, gleich nach meinem Sterben zum Herrn zu kommen. Das war für ihn Irrlehre genug, um sich von mir zu trennen. Er war früher ernster Bibelforscher und hielt fest an der Lehre vom Seelenschlaf."


Das geschilderte Faktum der Kündigung der Freundschaft, ist dann ja wohl wieder mal charakteristisch.
Wiedermal werden Dogmen, die man doch wohl auch anzweifeln kann, als „höherwertig" eingestuft in der Sicht der diesbezüglich Betörten, als eben andere Aspekte,
Für diese Dogmatiker ist also der Mensch f ü r die Dogmen da; nicht aber umgekehrt, die Dogmen für den Menschen!

Wer den denkt analoge Fälle gäbe es nicht auch in der Gegenwart, für den kann ich allerdings dann nur ein mitleidiges Lächeln empfinden, so traurig die Sache an sich ist!


Und es war weiter von einem zweiten Buch die Rede, dass dazu in gewisser Hinsicht wie im Verhältnis Feuer zu Wasser steht.
Jenes zweite Buch setzt erst mal den grob angedeuteten christlichen "Hauptstrom" voraus. Mit der gegenteiligen Auffassung wie zitiert der Adventisten/Zeugen Jehovas, setzt es sich nicht auseinander.
Gleichwohl hat sein Verfasser auch, wie ich meine, bedenkenswertes zu Papier gebracht.
Bevor darauf näher eingegangen wird, dann noch eine Vorbemerkung zu einigen "Äußerlichkeiten":
(Ein dritten Buch wird morgen vorgestellt)

Re: Drei Bücher (2)

geschrieben von:  Drahbeck

Datum: 04. April 2009 02:17

Da gibt es also eines (von mehreren) Büchern, dass ich mir immer mal selbst auch ansehen wollte, es aber in der Praxis nie geschafft habe.
Da waren immer einige ziemlich große Hürden davor.
Zwar sind mir wissenschaftliche Bibliotheken bekannt, die es auch in ihrem Bestand haben. Aber bekannt sind mir auch deren Konditionen dazu. Einsichtnahme nur an Ort und Stelle im dortigen Lesesaal.

Nun habe ich zwar etliches „Sitzefleisch" in Lesesälen wissenschaftlicher Bibliotheken „abgesessen" (eben bei solcher Literatur die nur zu vorgenannten Konditionen zugänglich ist). Und da war es eben so. Anderes war halt wichtiger; und das in Rede stehende Buch rutschte immer tiefer in die Kategorie „irgendwann - vielleicht".

Nun hat sich die Möglichkeit aufgetan, es zwischenzeitlich mal antiquarisch aufzugabeln; habe es somit auch als Privatexemplar vorzuliegen.
Aber, auch da wiederum Probleme. Sonderlich „lesefreundlich" ist es sicherlich nicht. Zweispaltig, in engen Zeilen gedruckt, noch dazu in Frakturschrift. Also wieder das alte Lied: Verschieben auf „irgendwann".

Nun bin ich neulich über etwas „gestolpert". Just jenes Buch (offenbar auch in einer amerikanischen Bibliothek vorhanden) wurde auch von Google eingescannt.
Und die „Wunder" dabei nahmen kein Ende. Sogar komplett herunterladen kann (oder konnte) man es bei Google.

Denkt man an das massive Störfeuer von interessierter Seite gegen Google's Bücher-Einscann-Programm, wirklich ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich.
Ansonsten bekommt man ja in der Google-Büchersuche mehr oder weniger nur Titeldaten. Eventuell (wenn man Glück hat), bei einigen auch ein paar unvollständige Seiten zu Gesicht. Aber nichts da mit „runterladen". Das kann man sich schon mal prinzipiell „abschminken".

Nun ja man kennt es ja auch andernorts. Es sind halt eben auch wirtschaftliche Interessen damit verbunden. Und insofern braucht man über die Störfeueraktionen auch nicht übermäßig verwundert zu sein.

Wie gesagt das in Rede stehende Buch, auch bei Google in Frakturschrift, ist [oder war, dazu noch weiter unten etwas] dort komplett herunterladbar.
Mehr noch, als Zugabe bietet Google auch eine Transformation in die heutige Maschinenlesbare Schrift mit an. Rechte „Freude" will bei letzterer zwar nicht aufkommen. Genutzt wurde ja dabei offenbar das Marktbeherrschende Programm von Abby. Aber das fallweise umfängliche Korrektur-Nachbearbeitungen dabei nötig sind, kennt man ja auch aus anderen Beispielen.
Man kommt also um den aufwendigen Vergleich mit der Fraktur-Vorlage nicht herum.
Selbige wurde hier allerdings nicht Hundertprozentig realisiert. Das ist alles auch eine Zeitfrage. Im wesentlichen geht es also um die Dokumentation des Sinnes, im Ursprungstext.

Bei soviel Wunder auf einmal bei einem Objekt, konnte ich es mir nun doch nicht versagen, das lange hinaus geschobene Buch, nun doch einmal im Detail anzusehen.

Ich würde dem Verfasser bescheinigen; er schreibt weitschweifig, zu weitschweifig. Nicht das rechte für den heutigen Geschmack.

Aber zu dem Verfasser gilt es eben auch zu bemerken. Zu seiner Zeit, wo er das erstmals publizierte, entfaltete das alles nahezu „revolutionäre" Wirkung. Namentlich etlichen Funktionären der Religionsindustrie blieb damals „fast die Luft weg".

Sie haben sich von dem Schlag wieder erholt und aufgerappelt. Auch das ist klar und unbestreitbar. Aber bei aller Weitschweifigkeit, kommt man nicht umhin, diesem Buch den Rang eines „Klassikers" zuzusprechen (auch wenn nur wenige von den heutigen Zeitgenossen) es je gelesen haben. Da ich ja nun auch einer dieser „wenigen" bin, sei es im nachfolgenden so gehalten (ohne Seitenverifizierung) kommentarlos einige Zitate aus dem Google-Exemplar vorzustellen.


[Vorab noch eine Anmerkung zu dem „ist oder war". Registriert habe ich beispielsweise folgendes. Da gab es eine Quellschrift zur sogenannten Katholisch-apostolischen Gemeinde, das „Testimonium"; Vorläufer der heutigen Neuapostolischen Kirche. Alt genug um in der Google-Buchsuche nach ihr zu suchen, schien sie ja. Allerdings ohne greifbares Ergebnis. Etwas anderes „spuckte" Google dafür aus. Unter anderem ihre Zitierung in einer (katholischen) Zeitschrift namens „Schlesisches Kirchenblatt" Jahrgang 1845. Und siehe da, aus dem Bestand der Harvard-Universität gibt es die auch bei Google. Etwa 90 MB, in Frakturschrift. Interessiert also das „Stück" mal heruntergeladen. Aus Zeitgründen dann beabsichtigt, die auch vorhandene Transformation in die heutige Schrift, dann am nächsten Tage zu nutzen.
Beim Aufruf ergab sich dann am nächsten Tag eine Überraschung. Es ist ja bekannt, das Sammlungswütige Google speichert alles erreichbare, eben dann auch meine IP.

Nun ergab sich der erstaunliche Umstand, der Tags zuvor komplett herunterladbare Jahrgang ist nicht mehr erreichbar. „Umgeschaltet" auf „Description". Da hat also Google mitbekommen. Da hat einer den Jahrgang mal heruntergeladen. Und just diese Möglichkeit dann anschließend blockiert.
Nun bin ich in Sachen „Testimonium" nicht auf Google angewiesen. Ich kenne es bereits aus Bibliotheksstudien.
Allein, der Umstand, wie da Google reagiert, erscheint mir doch bemerkenswert.
Also sollten andere auch die Erfahrung sammeln, bestimmte Sachen sind nur unter bestimmten Glücksumständen zeitweilig erreichbar. Siehe vorstehendes. ]

Nun noch die Zitate aus David Friedrich Strauss:
Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet
von David Friedrich Strauß.

erklärte ich ausdrücklich, das Werk sei nur für Theologen bestimmt, für Nichttheologen sei die Sache noch nicht gehörig vorbereitet, und daher das Buch absichtlich so eingerichtet worden, daß sie es nicht im Zusammenhang verstehen können. Dießmal habe ich umgekehrt für Nichttheologen geschrieben und mich bemüht, keinem Gebildeten und Denkfähigen darunter auch nur in einem Satze unverständlich zu bleiben: ob auch die Theologen (ich meine die zünftigen) mich lesen wollen oder nicht, gilt mir gleich.

Auf der andern Seite hat sich in der Zwischenzeit herausgestellt, daß gerade die Theologen am wenigsten diejenigen sind, von denen ein unbefangenes Urtheil in dieser Sache zu erwarten ist. Sie sind ja Richter und Partei zugleich. Mit der bisherigen Ansicht von den Gegenständen des christlichen Glaubens, insbesondere der Grundlage desselben, der evangelischen Geschichte, sehen sie ihre eigene bisherige Geltung als geistlicher Stand in Frage gestellt.

Und soviel ist jedenfalls sicher, wenn das Christenthum aufhört ein Wunder zu sein, so können auch die Geistlichen nicht mehr die Wundermänner bleiben, als die sie sich bis dahin so gerne gebärdeten.

Diesem höheren vereinigenden Standpunkt aber kann das deutsche Volk nicht anders entgegengehoben werden, als indem es in das Innere der Religion eingeführt und von dem äußern Beiwerke, worin auch die konfessionellen Unterscheidungslehren ihre Wurzeln haben, losgemacht wird. Dazu waren von katholischer Seite der Deutschkatholizismus, von protestantischer die Genossenschaft der Lichtfreunde, die sich beide bereits in freireligiösen Gemeinden zu verschmelzen anfangen, beachtenswerthe praktische Versuche; dazu soll das vorliegende Werk von wissenschaftlicher Seite her einen Beitrag geben.
In dieser Hinsicht reicht es dem französischen von Renan über dm Rhein hinüber die Hand.

Einer der ersten und, wenn man nach dem Beifall und der Geltung urtheilen darf, die er bald und für lange Zeit gewann, auch glücklichsten Versuche, die evangelische Geschichte unter den neuen biographischen Gesichtspunkt zu stellen, war des Zürichers J. Heß „Lebensgeschichte Jesu", die, seit 1768 bis in dieses Jahrhundert herein in einer Reihe von Auflagen erschienen, das Lieblingsbuch unserer Väter war. Heß stand noch in dem guten Glauben, daß durch ein wenig Nachgiebigkeit von Seiten der kirchlichen Vorstellung sich die in den Evangelien enthaltene Geschichte Jesu mit den Anforderungen des biographischen Pragmatismus in den schönsten Einklang bringen lasse.

Eine gewisse Kritik der evangelischen Quellen ist auch aus dem gläubigsten Standpunkt deßwegen nicht zu umgehen, weil wir über das Leben Jesu vier Berichte haben, die theils das Gleiche, doch nicht selten mit verschiedenen Umständen und in verschiedener Ordnung, erzählen; theils haben aber auch die einzelnen wieder manches für sich, und zwar so, daß, was der eine gibt, zuweilen mit dem, was der andere berichtet, unvereinbar scheint. Hier hält sich nun zwar Heß begreiflich so conservativ wie möglich.

Ganz besonders aber ist die Lehre vom Teufel und den Dämonen der Punkt, wo auch Heßens Supranaturalismus dem Andrang der Aufklärung nicht hat widerstehen können.

Nicht umsonst war der gewaltige Angriff auf Bibel und Christenthum in den sogenannten Wolfenbüttelschen Fragmenten, nicht umsonst die Lessing'schen Abhandlungen darüber, die den ganzen Streit auf einen höheren Boden erhoben, vorangegangen.

Jetzt galt es also, an den evangelischen Erzählungen der Reihe nach im Einzelnen nachzuweisen, daß einerseits alle Versuche, das Uebernatürliche aus ihnen wegzuerklären, oder seinen Widerspruch gegen die Naturgesetze zu bemänteln, vergeblich seien, daß sie aber dafür auch keinen Anspruch daraus machen können, als geschichtliche Berichte im strengen Sinne zu gelten.

Dieser Schluß des Deisten, daß, wenn in so hellen und kritischen Zeiten, wie die damaligen, eine Fälschung der Art möglich gewesen, Aehnliches in so dunkeln und unkritischen Zeiten, wie die der Entstehung des Christenthums waren, noch weit leichter habe vorkommen können, ist in der That vollkommen begründet. Gerade die nächsten Jahrhunderte vor und nach Christi Geburt waren die eigentliche Blüthezeit solcher Unterschiebungen, und gerade die ältesten Christen, und zwar nicht blos ungebildete, sondern die gelehrtesten Kirchenväter nicht ausgenommen, die leichtgläubigsten in Anerkennung solcher offenbar untergeschobenen Schriften. So beruft sich der Verfasser des in unserem Kanon befindlichen Briefs Judäa (V. 14) auf eine Weissagung des Henoch, des siebenten Erzvaters von Adam an, die wir in dem apokryphischen Buche Henoch lesen; er glaubte also, wie später Tertullian und andere Kirchenväter, in diesem Machwerke, das frühestens dem letzten vorchristlichen Jahrhundert angehört, einer schwachen Nachahmung insbesondere des Buchs Daniel, die wirklichen Weissagungen des Vaters von Methusalah und Urgroßvaters von Noah zu finden.

Schon Celsus sprach von Verfälschung der Sibyllenorakel, aber Origenes verlangte die Vorweisung der unverfälschten Exemplare, und Lactantius berief sich gegen den Vorwurf christlicher Unterschiebung aus Varro und Cicero, die, vor Christi Geburt schon gestorben, von der Erythräischen und anderen Sibyllen sprechen (aber freilich von den Weissagungeu aus Christus, um die es sich handelt, noch nichts wissen).

Von diesen angeblichen Pilatus-Acten nämlich, die wir jetzt umgearbeitet im Nivaulium Niocäemi lesen, wissen wir, daß sie das Machwerk eines Christen waren, der eine im Wesentlichen aus unseren Evangelien gezogene und mit allerhand Fabeln ausgeschmückte Erzählung von der Verurtheilung, dem Tod und der Auferstehung Jesu in das Gewand eines Berichts von Pilatus an den Kaiser Tiberius gekleidet hatte, um die Sache für die Widersacher desto glaublicher und aufdringlicher zu machen.

so steht soviel fest, daß wir gegen das Ende des zweiten Jahrhunderts nach Christus dieselben vier Evangelien, die wir noch jetzt haben, in der Kirche anerkannt und von den drei hervorragenden Kirchenlehrern Irenäus in Gallien, Clemens in Alexandrien und Tertullian in Karthago als Schriften der Apostel und Apostelschüler, deren Namen sie tragen, vielfach zitiert finden. Zwar war noch immer eine ziemliche Anzahl weiterer Evangelien in Umlauf, es gab ein Evangelium der Hebräer und der Aegyptier, des Petrus, des Bartholomäus, des Thomas, des Matthias, auch, der zwölf Apostel, die nicht blos ketzerische Parteien gebrauchten, sondern aus die sich mitunter auch rechtgläubige Kirchenlehrer noch beriefen; doch als die eigentlich zuverläßigen Grundlagen des Christenglanbens wurden um jene Zeit und fortan jene vier betrachtet.

Oder achten wir uns verbunden, alles das als wirkliche apostolische Ueberlieferung anzuerkennen, wofür sich Irenäus aus das Zeugniss derer, welche die Apostel noch gekannt hatten, beruft? „Die Alten", sagt er einmal, „welche den Johannes, den Schüler des Herrn, noch gesehen, erinnern sich, von ihm gehört zu haben, wie der Herr von jenen Zeiten lehrte und sagte: Tage werden kommen, da werden Reben wachsen, jede mit 10,000 Schößlingen, und an jedem Schößling 10,000 Aeste, und an jedem Ast 10,000 Zweige, und an jedem Zweig 10,000 Trauben, und an jeder Traube 10,000 Beeren, und jede Beere wird, ausgepreßt, 25 Metreten (etwa 6 Ohm) Wein geben. Und wenn einer von den Heiligen nach einer solchen Traube greifen wird, so wird eine andere rufen: ich bin eine bessere Traube, nimm mich, und preise durch mich den Herrn. Gleicherweise werde ein Weizenkorn 10,000 Aehren treiben, und jede Aehre 10,000 Körner geben, und jedes Korn 10 Pfund reines weißes Semmelmehl, und die übrigen Früchte, Samen und Kräuter nach Verhältniß. Dafür gibt auch Papias, der den Johannes noch gehört und mit Polykarp Umgang gehabt hat, ein alter Kirchenlehrer, schriftliches Zeugniß im vierten seiner Bücher, deren er fünf geschrieben hat (unter dem Titel „Auslegung der Herrnsprüche").

während doch diesem so bestimmten Zeugniß für die Rede Jesu von den paradiesischen Riesentrauben kein Mensch Glauben schenkt und schon Eusebius keinen geschenkt, sondern um dieser und ähnlicher Geschichten willen den Papias einen Mann von sehr wenig Verstande genannt hat.

Sind die bisherigen Beobachtungen richtig, so muß Lucas im Verhältniß zu Matthäus der spätere Evangelist sein; daß er es aber ist, läßt sich auch unabhängig von dem Bisherigen beweisen. Wenn im Eingang der großen eschatologischen Rede bei Matthäus (24, 3) die Frage der Jünger an Jesum lautet: „wann wird dieß geschehen, und welches ist das Zeichen deiner Wiederkunft und des Endes der Welt?" so sagen sie nach zwei Punkten, der Zerstörung des Tempels zu Jerusalem, von der Jesus so eben gesprochen hatte, und der Wiederkunft Christi zur Abschließung der gegenwärtigen Weltperiode, welche beide sie sich in unmittelbarem Zusammenhange denken. Statt dessen läßt Lucas (21, 7) sie tautologisch so fragen: „wann wird dieß sein, und was ist das Zeichen, wann dieß (nämlich die so eben von ihm vorhergesagte Zerstörung des Tempels) geschehen wird?" wobei also der Punkt von der Wiederkunft ganz fallen gelassen ist; offenbar weil der Verfasser durch den Erfolg belehrt war, daß die Zerstörung des Tempels und die Wiederkunft Christi sammt dem Weltende nicht so unmittelbar, wie noch der Verfasser des ersten Evangeliums geglaubt hatte, zusammenhingen.

Wollen wir nun erfahren, was, abgesehen von der nationalen Messiasidee, das eigenthümliche religiöse Bewußtsein Jesu gewesen ist, so werden wir nicht nur von der kirchlich hergebrachten Ansicht, sondern auch von der jetzt herrschenden theologischen Richtung vorzugsweise aus das johanneische Evangelium verwiesen, in welchem der Jünger, der an Jesu Brust gelegen, gleichsam die innersten Geheimnisse dieser Brust, die tiefsten Erlössungen Jesu über sein eigenes Wesen und sein Verhältniß zu Gott niedergelegt habe. Dabei ging die ältere Theologie ehrlich und unbefangen zu Werke, indem sie die Sache an ihrer Spitze faßte und alles, was Jesus im vierten Evangelium von sich als dem eingeborenen Sohn Gottes, dem Licht der Welt, dem, in dem Vater ist und in dem die Menschheit den Vater sieht, dem vom Himmel Stammenden und zum Himmel Zurückkehrenden aussagt, einfach daraus erklärte, was ja in demselben Evangelium theils als Lehre des Evangelisten, theils aber auch als Zeugniß Jesu von sich selbst vorliegt, daß er nämlich als das persönliche göttliche Schöpferwort von Ewigkeit her bei Gott gewesen, dann für eine Zeitlang zum Behufe der Erlösung der Menschheit Mensch geworden sei, um, wenn er diesem Zwecke genügt hätte, wieder zu Gott in den Himmel zurückzukehren ... Hienach wäre also das Selbstbewußtsein Jesu das eines göttlichen Wesens gewesen, das nur vorübergehend einen menschlichen Leib, vielleicht auch eine menschliche Seele angenommen, dabei aber die klare Erinnerung seines frühern Zustandes, das volle Bewußtsein seiner Göttlichkeit behalten hatte.

Mit einem solchen Jesus, der für die altgläubige Theologie eben derjenige war, den sie brauchte, weiß nun aber die moderngläubige nichts mehr anzufangen.

Von den Ebioniten sagt Epiphanius, in ihrem angeblichen Matthäus-Evangelium komme der Ausspruch Christi vor: „Ich bin gekommen, die Opfer abzuschaffen, und wenn ihr nicht ablasset zu opfern, wird der Zorn (Gottes) von euch nicht ablassen." Dieß ist der Abscheu vor blutigen Opfern, welchen die Ebioniten mit den Essenern gemein hatten, und der sammt der essenischen Enthaltung von Fleischspeisen in der ascetisch-dualistischen Welt- und Lebensansicht dieser Sekte seinen Grund hat. Von dieser Ansicht war Jesus weit entfernt; um so näher lag seiner Ueberzeugung, daß zur Versöhnung mit Gott nur aus rein innerlichem Wege zu gelangen sei, der Widerwille gegen den krassen Materialismus des Opferdienstes, der ihn, besonders wenn er diesen Viehmarkt im Tempel jetzt zum erstenmale sah, leicht zu jenem Acte prophetischen Eifers fortreißen konnte.

Daß Jesus den evangelischen Berichten zufolge ,seine Wiederkunst so nahe gedacht hätte, daß er seinen Jüngern sagte, es seien einige unter den um ihn Stehenden, die den Tod nicht schmecken werden, bis sie des Menschen Sohn in seinem Reiche kommen gesehen (Matth. 16, 28); diese Generation werde nicht vergehen, bis dieß alles geschehen, d. h. die Wiederkunft des Menschensohnes mit allen vorbereitenden und begleitenden Umständen eingetreten sein werde (Matth. 24, 34); daß er insbesondere sogleich nach der von ihm gleichfalls vorhergesagten Zerstörung Jerusalems diese letzte Katastrophe eintreten ließ (Matth. 24, 29); daß er sich also in Bezug aus den Zeitpunkt jedenfalls gewaltig geirrt hätte, indem nicht nur jene, sondern seit 1800 Jahren eine Generation um die andere vergangen ist, ohne daß seine vorausgesagte Wiederkunft eingetroffen wäre: dieß macht aus unserem Standpunkte die Sache nicht einmal schlimmer, da wir, um die Vorhersagung der Wiederkunft eines Menschen in den Wolken als etwas Leeres zu erkennen, nicht erst der Erfahrung bedürfen, daß sie aus den bestimmten Zeitpunkt nicht eingetroffen ist.

Um so weniger können wir uns zu einer der gewaltsamen Umdeutungen versucht fühlen, welche die Theologen hier in wahrem Wetteifer mit den Textesworten vorgenommen haben, indem sie unter dem „Geschlecht", das nicht vergehen sollte, bis das alles geschehen wäre, bald das Judenvolk, bald die christliche Kirche, oder unter dem „Allen", was vorher geschehen sollte, nur die Zerstörung Jerusalems, oder unter dem „Geschehen" nur den ersten Anfang der Ereignisse verstanden, in deren Fortgang wir noch heute mitten inne stehen.

Wenn aber Jesus in der Hauptstelle bei Matthäus (24, 30 sg. 25, 31 sg.) sagt, nach jenen Vorgängen an den Gestirnen werde das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheinen, dann werde man unter dem Wehklagen aller Völker der Erde des Menschen Sohn aus den Wolken kommen sehen mit großer Macht und Herrlichkeit, er werde seine Engel aussenden mit einer stark schallenden Trompete, um von allen vier Winden her seine Auserwählten zu versammeln, hieraus sich aus seinen Thron setzen, um alle Menschen zu richten, die einen in's ewige Feuer, die andern in's ewige Leben eingehen zu lassen: so widerstrebt eine solche Schilderung jeder Umdeutung in das blos Bildliche, und wie die christliche Kirche sie von jeher im Wortverstande genommen hat, so ist sie auch sicherlich von Jesu gemeint gewesen, wenn sie wirklich von ihm vorgetragen worden ist.

Das einemal sagt Jesus seinen Jüngern, des Menschen Sohn werde wiederkehren, ehe sie noch mit ihrer messianischen Verkündigung in allen Städten Israel's herumgekommen sein werden (Matth. 10, 23); das anderemal sagt er, diese Wiederkunft werde nicht eher eintreten, als bis das Evangelium in der ganzen Welt unter allen Völkern verkündigt sei (Matth. 24,14). Das ist doch sehr zweierlei; es müßte also von der einen dieser Vorhersagungen bis zur andern Jesus seine Ansicht wesentlich geändert haben, oder vielmehr es ist klar, daß man die eine Jesu zu einer Zeit und in einem Kreise in den Mund legte, wo man das Messiasreich nur für das Volk Israel bestimmt dachte, die andere von einem Standpunkt aus, dem die Berufung der Heiden in dasselbe bereits eine ausgemachte Sache war.

Allein davon abgesehen, daß Matthäus nicht von einer Gruppe mehrerer, sondern von Einem Sterne spricht, so wiederholt sich ein solches Zusammentreffen zweier, ja dreier Planeten nicht so selten (zwischen Jupiter und Saturn alle zwanzig Jahre), daß es sternkundigen Morgenländern als etwas so ganz Besonderes hätte erscheinen können, wie in der Erzählung des Matthäus vorausgesetzt wird; daher hat auch Kepler selbst die Planetenkonjunction für sich allein nicht genügend gefunden, sondern vermuthet, es möge zu derselben noch ein neuer außerordentlicher Stern hinzugetreten sein, wie zu seiner Zeit, im Jahre 1604, eben als gleichfalls jene drei Planeten beisammenstanden, als einmal ein solcher Stern erschienen, und nachdem er längere Zeit mit der Helle eines Fixsterns erster Größe geleuchtet hatte, allmählig erblaßt und zuletzt verschwunden war. Da jedoch zwischen dem Erscheinen eines solchen Sterns und der Conjunction jener Planeten schlechterdings kein innerer Zusammenhang stattfindet, so schwebte die Vermuthung, daß, wie im Jahre 1604 nach Christus, so auch zur Zeit seiner Geburt, mit der ordentlichen Planetenvereinignng ein außerordentlicher Stern zusammengestossen sein möge, so lange in der Luft, bis Professor Wieseler in Göttingen in chinesischen Zeittafeln fand, daß in der That im vierten Jahr vor dem Ausgang unserer Zeitrechnung (und just um so viel setze diese die Geburt Jesu zu spät) ein heller Stern erschienen und längere Zeit sichtbar gewesen sei.
Alle Achtung vor der Genauigkeit der Zeittafeln des himmlischen Reichs, alle auch vor einer Theologie, welche dererlei, Beweise für die Wahrheit des Christenthums (!) zusammenzusuchen, bis an die chinesische Mauer treibt: wir unseres Theils gestehen, daß uns die Reise zu weit ist, ja daß sie uns als einen Umweg erscheint, da wir das Gesuchte besser und genügender in der Nähe zu haben glauben.

Von Josephus bis zu Justin dem Märtyrer und Philostratus herunter sind jüdische, christliche und zum Theil auch griechisch-heidnische Schriften von Besessenen und deren Heilungen voll. Es hat demnach die Angabe der drei ersten Evangelisten, daß dergleichen Kranke Jesu häufig vorgekommen, alle historische Wahrscheinlichkeit für sich. Und vermöge der großen Rolle, welche in Krankheiten dieser Art die Einbildungskraft spielt, läßt sich, wie schon öfter von uns bemerkt worden, eine Heilung durch das bloße Wort Jesu bei keiner andern Krankheitsart eher denken, als bei dieser. Daß nun das vierte Evangelium gerade von solchen Kranken und Heilungen nichts meldet, das deutet gewiß nicht auf einen Verfasser, der dem Leben und Wirken Jesu als Augenzeuge, oder auch nur als bald nachher lebender Landsmann nahe stand.

Schlußbetrachtnng.
Diese Einsicht kommt uns eben an dieser Stelle um so gelegener, je gründlicher sich uns am Schlusse unseres kritischen Geschäfts die Ueberzeugung aufdringt, wie mangelhaft und unsicher unsere historische Kunde von Jesus ist. Nachdem wir die Masse von mythischen Schlinggewächsen verschiedener Art, die sich an dem Baume hinausgerankt, entfernt haben, sehen wir, daß, was wir bisher für Aeste, Belaubung, Farbe und Gestalt des Baumes selber hielten, großentheils vielmehr jenen Schlinggewächsen angehörte; und statt daß uns nun nach Wegräumung derselben der Baum in seinem wahren Bestand und Aussehen wiedergegeben wäre, finden wir vielmehr, wie die Schmarotzer ihm die eigenen Blätter abgetrieben, den Saft ausgesogen, Zweige und Aeste verkümmert haben, seine ursprüngliche Figur mithin gar nicht mehr vorhanden ist.

Diese Unterscheidung des historischen Christus von dem idealen, d. h. dem in der menschlichen Vernunft liegenden Urbilde des Menschen wie er sein soll, und die Uebertragung des seligmachenden Glaubens von dem ersteren aus das letzteren, ist das unabweisliche Ergebniß der neueren Geistesentwicklung; es ist die Fortbildung der Christusreligion zur Humanitätsreligion, woraus alle edleren Bestrebungen dieser Zeit gerichtet sind. Daß man darin so vielfach einen Abfall vom Christenthum, eine Verleugnung Christi sieht, beruht aus einem Mißverstand, an welchem die Ausdrucksweise, vielleicht auch die Denkart der Philosophen, die jene Unterscheidung gemacht haben, nicht ohne Schuld ist..

http://books.google.de/books?id=SJJAAAAAIAAJ&printsec=frontcover&dq=David+Friedrich+Strau%C3%9F

Weitere thematische Angebote bei Google (nicht ausgewertet). Unter anderem:

http://books.google.de/books?id=KjtMAAAAIAAJ&printsec=frontcover&dq=editions:0cPN5Gq4zKxTJM1BQtw#PPA1,M1

http://books.google.de/books?id=yz1MAAAAIAAJ&printsec=frontcover&dq=editions:0cPN5Gq4zKxTJM1BQtw

Siehe zu David Friedrich Strauss auch noch:
Parsimony.25710

Re: Drei Bücher (3)

geschrieben von:  Drahbeck

Datum: 05. April 2009 05:10

Thomas Paine

Nochmals eine Zitierung bereits früher ausgeführten:

Heutzutage ist der Karlheinz Deschner (als der relativ bekannteste seiner Zunft) vielleicht etwas ähnliches, was zur Zeit Russells, die Russell'schen Buhmänner Thomas Paine und Robert Ingersoll waren. Gegen beide (Paine und Ingersoll) hatte Russell schon in den Schriftstudien polemisiert: Seine Mission sieht Russell in einem biblizistisch orientierten Kampf gegen den Unglauben. [17] Besonders polemisiert er dabei auch gegen Thomas Paine und Robert Ingersoll denen er Gottesleugnung und Lästerung ankreidet. [18] Paine hatte beispielsweise erklärt:

"Sollen wir denn kein Wort Gottes - keine Offenbarung haben? Ich antworte mit Ja, es gibt ein Wort Gottes, es gibt eine Offenbarung. Das Wort Gottes ist die Schöpfung, welche wir vor Augen haben und nur in diesem Worte, welches keine menschliche Erfindung fälschen oder umgestalten kann spricht Gott zu dem ganzen Menschengeschlecht." [19]

Indem Russell also gegen Paine Stellung bezieht, offenbart er, dass ihm der Bibelglaube als unabdingbar erscheint. Ähnliches ist auch im Falle Ingersoll feststellbar.
Letzterer hatte einmal ausgeführt:

"Nehmen wir an, ich lese das Buch, dass man die Bibel nennt und wenn ich damit fertig bin, komme ich zu dem Schluss, dass es von Menschen geschrieben wurde. Ein Pfarrer fragt mich:
'Haben Sie die Bibel gelesen?' Und ich antworte, dass ich es getan habe.
'Sind Sie der Überzeugung, dass sie göttlich inspiriert wurde?'
Wenn ich die Inspiration der Heiligen Schrift leugne, würden die Leute mir nie ein Amt übertragen. Was hätte ich zu antworten?

Sollte ich nicht meine wirkliche Meinung kundtun? Oder sollte ich zum Heuchler werden und vorspiegeln, was ich nicht fühle und mich selbst für immer hassen, weil ich ein kriechender Feigling bin? Ich für meinen Teil, ich möchte lieber, dass ein Mensch mir aufrichtig sagt, was er denkt. Ich möchte lieber, dass er mannhaftig bliebe. Ich möchte tausendmal lieber ein mannhafter Ungläubiger als ein unmännlicher Gläubiger sein." [20]


Russell betrachtete sich als konträr dazu stehend. Für ihn waren das keine akzeptablen Positionen. [21] Er glaubte auf der Basis eines wörtlichen Bibelglaubens einen "lang verlorenen Schlüssel zur Schrifterkenntnis" gefunden zu haben. Auch die Zulassung des Bösen in Vergangenheit und Gegenwart sei damit erklärbar, weil damit "die Menschheit belehrt und erzogen werde für ihre Einführung in das Goldene Zeitalter der Prophezeiung." [22] ..."

In seinen im „Volksboten" (Strehlen, Schlesien) seinerzeit (gegen klingende Münze) veröffentlichten Predigten, erwähnt Russell ebenfalls den Paine. Etwa an einer Stelle (20. 6. 1914) mit der Aussage;

„Wir sind uns alle der betrübenden Tatsache bewußt, daß nicht viele Kinder Gottes die volle Gewißheit des Glaubens haben, von der die Schrift redet. Wir müssen vielmehr alle zugeben, daß die große Mehrzahl nicht nur ihren Glauben verliert, sondern auch die Grundlage des Glaubens. Seit Jahren haben die großen Universitäten und Bildungsstätten der Christenheit den Glauben untergraben, in dem sie die Bibel untergraben haben. Zwar richten sich ihre Angriffe nicht auf den Glauben selbst, denn sie geben alle zu, daß der Glaube als eine erhabene Charaktereigenschaft eine gewisse Berechtigung habe, und, daß die Bibel den Glauben lehre, und doch fahren sie fort, dieselbe Arbeit zu tun, die Robert Ingersoll und Thomas Paine zu vollbringen trachteten, nämlich das Vertrauen an die Bibel als das Wort Gottes zu untergraben.

Dieses Vertrauen ist die eigentliche Grundlage alles Glaubens. Was bleibt uns als Grundlage unseres Glaubens, nachdem wir unser Vertrauen verloren haben? Es bleibt uns lediglich die sogenannte höhere Textkritik und die Evolutionstheorie, und dies würde gleichbedeutend damit sein, daß viele nach einer kurzen Verfolgung solcher Gedankengänge zu dem Schlusse kommen würden, daß die Bibel lediglich eine Sammlung ausgewählter Stücke altjüdischer Literatur sei, deren Verfasser nicht auf der Höhe unseres heutigen Wissens gestanden hätten."


Diese Zitate machen dann wohl deutlich - dass sei wertfrei festgestellt - dass für Russell der Paine eine Art Vorzeige-Gegner darstellt, mit dessen Positionen er eben nicht übereinstimmt.

Aber eine sich in weitere Details vertiefende Auseinandersetzung mit Thomas Paine, im WTG-Schrifttum gibt es nicht.

Paine's Hauptwerk hatte den Titel „Das Zeitalter der Vernunft". Daneben hat er noch weiteres geschrieben, auch unter Bezugnahme auf die religiöse Szene.
Im Deutschsprachigen gibt es dazu schon seit dem Jahre 1848 eine Zusammenfassung in einem Buche mit dem Titel „Thomas Paine's Theologische Werke".
Schon vor Jahren hatte ich selbiges mal in einer wissenschaftlichen Bibliothek gesichtet.
Zwar in der damals üblichen Frakturschrift gedruckt. Immerhin eben eine relevante Zusammenfassung seiner Gedankengänge.

Erfreulicherweise ist nun der Umstand zu registrieren, dass just dieses Buch auch zu den von Google eingescannten gehört. Mehr noch. Man kann (oder konnte) es sich komplett herunterladen. Auch eine Variante in der heute üblichen Schrift ist möglich.


http://books.google.de/books?id=WBSz7eqjrHAC&dq=Thomas+Paine's+Theologische+Werke&printsec=frontcover&source=bl&ots=7U8iv1EhqM&sig=dH5pJnG1hs4VaEF4gJ-A-X-bRdA&hl=de&ei=zVyzSfv_EomM_gbh1-m-BA&sa=X&oi=book_result&resnum=1&ct=result

Dies wiederum mag der Anlass sein, einmal aus vorgenannten Buch, ein paar Auszüge mehr vorzustellen, als Russell dies getan hat. Man kann in selbigem unter anderem lesen:

„Man sollte sich wohl hüten, Dichtung mit Irrthum zu verwechseln. Dichtung ist der Schleier der Wahrheit, während Irrthum ihr Trugbild ist; und Erstere ist oft erfunden worden, um den letzteren zu zerstreuen. Allein so unschuldig dieselbe in ihrem Grundsatz sein mag, so wird sie gefährlich, sobald sie die Haupteigenschaft des Irrthums annimmt, das heißt, sobald sie zum besonderen Vortheil irgend einer Klasse von Menschen gebraucht wird.

Die christliche Religion entspricht genau dieser Bezeichnung des Irrthums in jedem Punkte. Dieselbe ist seit mehr als achtzehnhundert Jahren „unaufhörlich genährt" worden; Millionen auf Millionen sind an ihre Priester verschwendet worden, um dieselbe zu verbreiten, und doch ist sie noch immer weit entfernt, die allgemeine Religion zu sein."


Dann zitiert er einige Statistikzahlen, die selbstredend nicht den gegenwärtigen Stand darstellen:
„Nach Bellamy's Geschichte aller Religionen, gibt es unter den 800 Millionen Seelen, welche angeblich die Erde bewohnen „nur 183 Millionen Christen; 130 Millionen sind Muhamedaner; 3 Millionen sind Juden, und 487 Millionen sind Heiden."

Ist dieses nicht ein schlagender Beweis, daß das Christentum nicht wahr sein kann?
Wenn dasselbe eine göttliche Eingebung gewesen wäre, und Gott hätte wirklich diese Erde besucht, um dasselbe den Menschen zu lehren, würde es sich nicht schon lange vor dieser Zeit über die ganze Welt verbreitet haben?
Es ist das Werk von Menschen, und kann deshalb nicht allgemein werden.

Anstatt daß Prediger des Evangeliums die Grundsätze der Sittlichkeít und Tugend lehren sollten, was sie für ihre Nebenmenschen nützlich machen würde, prägen sie fast unaufhörlich ihre eigenthümlichen Lieblings-Dogmen ein; denn sie wünschen die Religion in das zu setzen, worin sie nicht zu suchen ist, in dem Glauben an unverständliche Sätze, um den Gegenstand verwirrt zu machen, damit man ihr Predigen für deren Erklärung um so nöthiger halten möchte.

Unter den Nebeln, die durch die Einführung einer Religion, welche die Verleugnung der Vernunft verlangt, über die Menschheit gebracht worden sind, nimmt die Heuchelei einen bedeutenden Platz ein, weil sie auf die Gesellschaft am verderblichsten wirkt.


Bezugnehmend auf zeitgenössische Geschehnisse kommentiert er dann:
„Der Umstand, daß in Frankreich gegenwärtig der ganze National - Priesterstand und, alles, was religiöse Zwangssysteme und Zwang in Glaubenssachen bezweckt, gänzlich abgeschafft worden ist, hat nicht allein meine Absicht beschleunigt, sondern auch ein derartiges Werk äußerst nöthig gemacht, damit nicht in dem allgemeinen Schiffbruch des Aberglaubens, falscher Regierungssysteme und falscher Theologie auch die Sittlichkeit, die Menschenliebe und die wahre Theologie (Gotteslehre) aus den Augen gesetzt werde.

Da mir mehre meiner Collegen und andere meiner Mitbürger in Frankreich mit dem Beispiel vorangegangen sind, aus freien Stücken ihr eigenes Glaubensbekenntniß abzulegen, so will auch ich das meinige ablegen, und zwar eben so aufrichtig und freimüthig wie der Mensch im Geiste mit sich selber verkehrt.

Ich glaube an Einen Gott, und nicht an mehr — und ich hoffe auf einen glücklichen Zustand nach diesem Leben.
Ich glaube an die Gleichheit der Menschennatur, und ich glaube, daß religiöse Pflichten darin bestehen, Gerechtigkeit zu lieben, Erbarmen zu üben und unsere Nebenmenschen glücklich zu machen.
Ich glaube nicht an die Artikel, welche die jüdische Kirche, die römische Kirche, die griechische Kirche, die türkische Kirche, die protestantische Kirche aufstellen, noch an das Bekenntniß irgend einer Kirche, welche ich kenne. Mein Geist ist meine Kirche.

Alle nationalen Kirchenanstalten, seien sie jüdisch, christlich oder türkisch, halte ich für nichts weiter als menschliche Erfindungen, welche man aufgestellt hat, um die Menschen einzuschüchtern und zu Sklaven zu machen und Macht und Gewinn an sich zu reißen.
Mit dieser Erklärung will ich nicht diejenigen verdammen, welche einen andern Glauben haben; sie haben dasselbe Recht zu ihrem Glauben, wie ich zu dem meinigen. Allein es ist zum Glücke des Menschen nothwendig, daß er sich im Geiste treu bleibe. Der Unglaube besteht nicht in dem Glauben oder Nichtglauben an gewisse Sätze, sondern derselbe besteht in dem äußerlichen Bekenntniß eines Glaubens, welchen man innerlich nicht hat.


Über die Resonanz auf seine Thesen äußert er dann:
„Bald nachdem ich die Schrift „Gesunder Menschenverstand" in Amerika herausgegeben hatte, hielt ich es für höchst wahrscheinlich, daß auf eine Revolution im Regierungssystem eine Revolution im Religionssystem folgen würde. Wo immer die unlautere (ehebrecherische) Verbindung zwischen Kirche und Staat zu Stande gekommen ist, sei es die jüdische, die christliche oder türkische, da hat sie jede Erörterung über die festgesetzten Glaubensartikel und über die ersten Grundsätze der Religion durch Martern und Strafen so nachdrücklich verboten, daß bis zu einer Veränderung des Regierungssystems jene Gegenstände nicht aufrichtig und offen vor die Welt gebracht werben konnten; allein nach einer solchen politischen Veränderung muß auch eine Umwälzung im Religionssystem eintreten.

Die menschlichen Erfindungen und die Ränke der Priester werden alsdann aufgedeckt und der Mensch wendet sich wieder zu dem reinen untermischten und unverfälschten Glauben an Einen Gott, und nicht mehr.

Jede Nationalkirche oder Religion hat sich dadurch gegründet, daß sie eine ausdrückliche Sendung von Gott, die gewissen Individuen mitgetheilt wurde, behauptete. Die Juden haben ihren Moses; die Christen ihren Jesus Christus, ihre Apostel und Heiligen, und die Türken ihren Muhamed — als ob der Weg zu Gott nicht jedermann auf gleiche Weise offen stünde.
Jede dieser Kirchen zeigt gewisse Bücher auf, welche sie Offenbarung über das Wort Gottes nennt. Die Juden sagen, ihr Wort Gottes sei von Gott an Moses von Angesicht zu Angesicht gegeben worden; die Christen sagen, ihr Wort Gottes sei durch göttliche Eingebung herabgekommen, und die Türken sagen, ihr Wort Gottes (der Koran) sei durch einen Engel vom Himmel gebracht worden. Jede dieser Kirchen klagt die andere des Unglaubens an — und ich meines Theils glaube ihnen allen nicht.

Wenn wir die unzüchtigen Geschichten, die wollüstigen Ausschweifungen, die grausamen und martervollen Hinrichtungen, von der unversöhnlichen Rachgier lesen, womit die Bibel mehr als zur Hälfte angefüllt ist, so würde es passender sein, dieselbe das Wort eines Dämons (bösen Geistes), als das Wort Gottes zu nennen. Sie ist eine Geschichte der Ruchlosigkeit, welche dazu gedient hat, die Menschen zu verderben und zum Vieh herabzuwürdigen, und ich, meines Theils, verabscheue dieselbe darum aufrichtig, so wie ich Alles verabscheue, was grausam ist.

Doch Mancher wird vielleicht sagen: Sollen wir denn kein Wort Gottes — keine Offenbarung haben! Ich antworte mit Ja; es gibt ein Wort Gottes, es gibt eine Offenbarung.
Das Wort Gottes ist die Schöpfung, welche wir vor Augen haben, und nur in diesem Worte, welches keine menschliche Erfindung fälschen oder umgestalten kann, spricht Gott zu dem ganzen Menschengeschlechte."


Über seine Biographie berichtet er dann:
„Da mein Vater zur Sekte der Quäker gehörte, so hatte ich das Glück, eine vorzüglich sittliche Erziehung und einen ziemlichen Vorrath nützlicher Kenntnisse zu erhalten. Obwohl ich in die Grammatik-Schule ging, so lernte ich doch kein Latein, nicht allein weil ich keine Neigung zur Erlernung von Sprachen hatte, sondern auch weil den Quäkern die Bücher mißfielen, worin jene Sprache gelehrt wird. Allein dieses verhinderte nicht, daß ich mit dem Inhalte aller in der Schule gebrauchten Bücher bekannt wurde.

Allein die christliche Fabel von Gott dem Vater, wie er seinen Sohn ums Leben bringt, oder Leute anstellt, um dieses zu thun (denn soviel besagt jene Fabel mit dürren Worten), kann nicht von Eltern ihren Kindern erzählt werden; und will man ihnen sagen, es sei geschehen, um die Menschheit glücklicher und besser zu machen, so macht man die Sache noch viel schlimmer, als ob die Menschheit durch das Beispiel eines Mordes gebessert werden könnte; und will man ihnen sagen, daß dieses Alles ein Mysterium oder unbegreifliches Geheimniß sei, so ist dies nur eine Entschuldigung für die Unglaublichkeit der Geschichte.
Wie verschieden ist dies Alles von dem reinen und einfachen Bekenntniß des Deismus (Glaubens an Einen Gott)! der wahre Deist hat nur Eine Gottheit, und seine Religion besteht in der Betrachtung der Macht, Weisheit und Güte Gottes in seinen Werken und in dem Bestreben, ihm in der Moral, in der Wissenschaft und der Kunst immer ähnlicher zu werden.
Die Religion, welche sich unter allen andern dem wahren Deismus in ihren moralischen und wohlthätigen Vorschriften am meisten nähert, ist das Glaubensbekenntniß der Quäker; allein sie haben sich zu sehr beschränkt, indem sie die Werke Gottes aus ihrem System wegließen, obwohl ich ihre Menschenliebe hochachte, kann ich doch nicht umhin, über die Grille zu lächeln, welche die ganze Natur lautlos gemacht und in trübe Farben gekleidet haben würde, wenn man den Geschmack der Quäker bei der Schöpfnng hätte zu Rathe ziehen können!

Nicht eine Blume hätte ihre Farbenpracht entfalten, nicht ein Vogel sein Lied trillern dürfen.
Man mag die sogenannten Wunder aus einem Gesichtspunkte betrachten, aus welchem man wolle, so ist deren Wahrheit unwahrscheinlich und deren Dasein unnöthig. Sie würden, wie zuvor bemerkt wurde, keinen nützlichen Zweck haben, selbst wenn sie wahr wären; denn es ist weit schwieriger, einem Wunder Glauben zu verschaffen, als einem offenbar sittlichen Grundsatz ohne ein Wunder. Ein sittlicher Grundsatz redet eine allgemeine Sprache an und für sich. Ein Wunder könnte nur etwas Augenblickliches sein und nur von Wenigen gesehen werben; nachher erfordert es eine Übertragung des Glaubens von Gott auf einen Menschen, wenn man ein Wunder auf die Erzählung eines Menschen glauben soll. Anstatt also die Berichte von Wunfern als Beweis für die Wahrheit irgend eines Religionssystems zuzulassen, sollten sie als Kennzeichen seiner Unglaubwürdigkeit betrachtet werben. Es ist zur Vollständigkeit und Aufrichtigkeit der Wahrheit nothwenbig, daß sie solche Krücken verschmähe, und es ist dem Charakter einer Fabel angemessen, die Hilfe zu suchen, welche die Wahrheit von sich weist. So viel über Geheimnisse und Wunder.


Als nächstes äußert er dann in einem „zweiten Teil" seiner Schrift:
Ich habe im ersten Theile des Zeitalters der Vernunft bemerkt, es sei schon längst meine Absicht gewesen, meine Gedanken über Religion der Öffentlichkeit zu übergeben; allein ich hätte dieses ursprünglich für eine spätere Lebenszeit aufgespart, in der Absicht, es das letzte Werk sein zu lassen, welches ich unternähme.
Die Umstände jedoch, welche in Frankreich gegen das Ende des Jahres 1793 obwalteten, bestimmten mich, dasselbe nicht länger hinauszuschieben.
Man war von den gerechten und menschlichen Grundsätzen der Revolution, welche die Philosophie anfänglich verbreitet hatte, abgewichen. Obwohl die der Gesellschaft eben so gefährliche, wie für den Allmächtigen beleidigende Vorstellung, daß die Priester Sünden vergeben könnten, nicht länger zu herrschen schien, so hatte sie doch die Gefühle der Menschlichkeit abgestumpft und die Menschen zur hartherzigen Verübung aller Arten von Verbrechen geschickt gemacht.

Der unduldsame Geist der Kirchenverfolgungen war in die Politik übergegangen; das sogenannte revolutionäre Tribunal nahm die Stelle der Inquisition ein und die Guillotine und der Pfahl überboten die Scheiterhaufen der Kirche.
Ich sah viele meiner vertrautesten Freunde fallen, andere täglich in's Gefängniß schleppen und ich hatte Grund zu glauben (es waren mir bereits Winke gegeben), daß dieselbe Gefahr mir selbst drohe.

Unter so ungünstigen Umständen begann ich den ersten Theil des Zeitalters der Vernunft; ich hatte überdies weder eine Bibel, noch ein Testament, worauf ich mich beziehen konnte, obwohl ich gegen Beides schrieb, noch konnte ich mir jene Bücher verschaffen. Demungeachtet habe ich ein Werk geliefert, welches kein Bibelgläubiger widerlegen kann, wenn er gleich nach seiner Bequemlichkeit und von einer ganzen Bibliothek von Kirchenbüchern umringt schreiben mag.

Sie werben jetzt finden, daß ich mich mit einem Alten und Neuen Testamente versehen habe; und ich kann hinzufügen, daß ich an denselben weit schlimmere Bücher fand, als ich mir gedacht hatte. Wenn ich in dem ersten Theile des „Zeitalters der Vernunft" irgend einen Irrthum begangen habe, so ist es der gewesen, daß ich von einigen Theilen jener Bücher besser gesprochen habe, als sie verdienten.

Ich sehe, daß alle meine Gegner mehr oder weniger zu sogenannten Schriftbeweisen und zur Bibel-Autorität ihre Zuflucht nehmen, um sich aus der Klemme zuziehen. Sie sind des Gegenstandes so wenig Meister, daß sie einen Streit über Glaubwürdigkeit mit einem Streit über Lehren verwechseln; ich will sie jedoch zurechtsetzen, damit sie, wenn sie die Lust haben sollten, weiter zu schreiben, lernen mögen, wo sie anzufangen haben.

Zufällig sind alle Antworten auf den ersten Theil des Zeitalters der Vernunft, welche ich gesehen habe, von Priestern geschrieben, und diese frommen Leute, wie ihre Vorgänger, streiten, zanken und behaupten, die Bibel zu verstehen; jeder versteht dieselbe auf eine andere Art — allein jeder versteht sie am besten, und sie stimmen in nichts weiter überein, als darin, daß sie ihren Lesern erzählen, Thomas Paine verstehe dieselbe nicht.

Anstatt mit den aus der Bibel gezogenen Lehrsätzen ihre Zeit zu vergeuden und sich darüber zu Parteistreitigkeiten zu ereifern, sollten diese Menschen wissen — und wenn sie dies nicht wissen, so erweist man ihnen eine Gefälligkeit, wenn man sie belehrt, daß vor allen Dingen die Frage zu untersuchen ist, ob sich hinlängliche Autorität vorfindet für den Glauben, daß die Bibel das Wort Gottes sei, oder ob dies nicht der Fall ist?

Ich komme nunmehr zu den historischen und chronologischen Beweisen. Die Chronologie oder Zeitrechnung, welche ich benutzen werde, ist die biblische Zeitrechnung; denn ich gedenke, Beweise für irgend etwas nicht außerhalb der Bibel zu suchen, sondern die Geschichte und Zeitrechnung selbst beweisen zu lassen, daß Moses nicht der Verfasser der ihm zugeschriebenen Bücher ist. Die Bemerkung ist demnach hier am rechten Orte (wenigstens für solche Leser, welche nicht die Gelegenheit haben mögen, dieses zu wissen), daß in den großeren Ausgaben der Bibel und ebenfalls in einigen kleineren, eine Reihenfolge von Jahrzahlen am Rande jeder Seite gedruckt steht, um anzugeben, wie lange vor Christi Geburt die auf jeder Seite erzählten Begebenheiten vorfielen oder vorgeallen sein sollen und folglich, welche Zeitlänge zwischen einem geschichtlichen Ereigniß und einem andern verflossen ist.

Ich habe nunmehr die Bibel durchgegangen, wie man mit einer Axt durch den Wald geht und Bäume fällt. Da liegen sie — und die Priester mögen sie wieder pflanzen, wenn sie können. Sie mögen sie vielleicht in den Boden stecken, allein sie werden dieselben nie wieder zum Wachsen bringen. — Ich gehe nunmehr zu den Büchern des Neuen Testaments über.

Das Neue Testament.
Das Neue Testament stützt sich, wie man uns sagt, auf die Prophezeihungen des Alten; in diesem Falle muß es das Schicksal seiner Grundlage theilen.
Ich bekümmere mich also nicht um die Existenz oder Nicht-Existenz jener Personen, sondern ich bekämpfe nur die Fabel von Jesus Christus, wie sie im Neuen Testamente erzählt wird und die ausschweifende und träumerische Lehre, welche man darauf gebaut hat.

Sollte die Bibel und das Neue Testament in Zukunft zusammenfallen, so bin ich nicht daran Schuld. Ich habe nichts weiter gethan, als die Beweise aus jener der worrenen Masse von Gegenständen, womit sie vermischt sind, ausgezogen, und jene Beweise in ein deutlich sichtbares und leicht verständliches Licht gestellt, und nunmehr überlasse ich dem Leser für sich selbst zu urtheilen, wie ich für mich selbst geurtheilt habe.


Erneut kommt er auf die Quäker zu sprechen, und zwar mit der Aussage:

„Die einzige Seele, welche nicht verfolgt hat, sind die Quäker, und der einzige Grund, welchen man dafür anführen kann, ist der, daß sie eher Deisten als Christen sind. Sie glauben nicht viel von Jesus Christus und sie nennen die Bibel einen todten Buchstaben. Hätten sie derselben einen schlimmern Namen gegeben, so wären sie der Wahrheit näher gekommen.
Es liegt jedem, der den Charakter des Schöpfers verehrt und der das Verzeichniß der selbstgeschaffenen Leiden zu vermindern und die Ursache der zahlreichen Verfolgungen unter den Menschen zu beseitigen wünscht, die Pflicht ob, alle Vorstellungen von einer offenbarten Religion als eine gefährliche Ketzerei und als einen gottlosen Betrug zu verdammen. Was haben wir aus dieser vorgeblichen offenbarten Religion gelernt? — Nichts, was für den Menschen nützlich und Alles, was für seinen Schöpfer beschimpfend ist. Was lehrt uns das Alte Testament? — Raub, Gräuelthaten und Mord. Was lehrt uns das Neue Testament? — Den Glauben, daß der Allmächtige mit einem versprochenen Frauenzimmer Unzucht trieb! und der Glaube an diese Unzucht ist zu einem Glaubensartikel erhoben.

Was die Bruchstücke von Sittenlehren betrifft, welche ohne Ordnung hier und da in jenen Büchern zerstreut sind, so bilden sie keinen Theil dieser vorgeblich offenbarten Religion. Es sind die natürlichen Vorschriften des Gewissens und die Bindemittel, wodurch die Staatsgesellschaft zusammengehalten wird und ohne welche dieselbe nicht bestehen kann, und sie sind fast in allen Religionen und in allen Staaten dieselben.
Das Neue Testament lehrt in dieser Hinsicht nichts Neues, und wo es sich hervorzuthun versucht, wird es gemein und lächerlich. Die Lehre von der Nichtvergeltung von Beleidigungen ist in den Sprüchen, welche eine Sammlung aus heidnischen wie jüdischen Schriften sind, weit besser ausgedrückt, als in dem Neuen Testament. Es heißt dort, Sprüche 25, V. 2l: „Hungert deinen Feind, so speise ihn mit Brod; dürstet ihn, so tränke ihn mit Wasser;") aber wenn es im Testament heißt: „So dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Nacken, dem biete den andern auch dar;" so ist dies ein Meuchelmord an der Würde der Persönlichkeit und erniedrigt den Menschen zu einem kriechenden Hunde.

Die Feinde zu lieben, ist ein anderer Grundsatz erheuchelter Moral und hat überdies keine Bedeutung. Es liegt dem Menschen, als einem sittlichen Wesen, die Pflicht ob, eine Beleidigung nicht zu rächen, und dies ist eben so gut in einem politischen Sinn, denn sonst gäbe es kein Ende der Wiedervergeltungen, Einer würde sich an dem Andern rächen und dieses Gerechtigkeit nennen; hingegen sollte man um so mehr lieben, je mehr man beleidigt würbe, so würde dies, wenn es möglich wäre, dem Verbrechen noch eine Belohnung darbieten. Ueberdies ist das Wort Feinde zu unbestimmt und allgemein, als daß es in einem moralischen Lehrsatz gebraucht werden könnte, welcher stets deutlich und bestimmt sein sollte, wie ein Sprüchwort. Wenn jemand aus Irrthum oder Vorurtheil der Feind eines Andern ist, wie wegen religiöser und manchmal wegen politischer Meinungen, so ist jener Mensch verschieben von einem Feinde, welcher in seinem Herzen eine verbrecherische Absicht hegt und es liegt uns die Pflicht ob und es trägt gleichfalls zu unserer Ruhe bei, einer Sache die bestmögliche Auslegung zu geben. Allein selbst dieser irrige Beweggrund in ihm liefert keinen Beweggrund zur Liebe von unserer Seite und zu behaupten, daß wir aus freiem Antriebe und ohne irgend einen Grund lieben sollen, ist eine moralische und Physische Unmöglichkeit.

Die Sittlichkeit wird beeinträchtigt, wenn man derselben Pflichten vorschreibt, deren Erfüllung erstlich unmöglich ist, und wenn sie möglich wäre, böse Folgen haben, oder, wie zuvor bemerkt wurde, für Verbrechen Belohnungen darbieten würde. Der Grundsatz, Andern zu thun, was wir wünschen, daß uns gethan werde, begreift nicht diese seltsame Lehre vom lieben der Feinde, denn Niemand erwartet Liebe von Andern für seine Verbrechen oder für seine Feindschaft.

Die Leute, welche diese Lehre von der Liebe gegen ihre Feinde predigen, sind im Allgemeinen selbst die größten Verfolger und sie handeln dabei folgerecht, denn jene Lehre ist eine Heuchelei und es ist natürlich, daß Heuchelei gerade das Gegentheil von dem thut, was sie predigt. Ich, meines Theils, mißbillige die Lehre und betrachte sie als eine erdichtete oder fabelhafte Moral; dennoch gibt es keinen Menschen, welcher sagen kann, ich hätte ihn, oder irgend jemanden sonst, oder irgend eine Partei verfolgt, sei es in der amerikanischen oder in der französischen Revolution, oder ich hätte in irgend einem Falle Böses mit Bösem vergolten.

Wenn wir die Beschaffenheit unseres Zustandes auf Erben betrachten, so müssen wir einsehn, daß wir keines solchen Dinges, wie einer offenbarten Religion, bedürfen. Was brauchen wir zu wissen? Predigt uns nicht die Schöpfung, das Weltall, welches wir vor Augen haben, das Dasein einer allmächtigen Kraft, welche das Ganze regiert und ordnet? Und ist nicht der Beweis, welchen diese Schöpfung unfern Sinnen vorstellt, unendlich stärker als irgend eine Schrift in einem Buche, das irgend ein Betrüger verfassen und das Wort Gottes nennen könnte? Was die Sittlichkeit anbelangt, so besteht die Kenntniß derselben in dem Gewissen jedes Menschen.
Dies ist also unsere Lage. Das Dasein einer allmächtigen Kraft ist uns hinlänglich bewiesen, obwohl wir die Art und Weise ihres Daseins nicht begreifen können, weil dies unmöglich ist. Wir können nicht begreifen, wie wir selbst hierher kamen und dennoch kennen wir es als eine Thatsache, daß wir hier sind. Wir müssen ferner wissen, daß die Kraft, welche uns in das Dasein rief, uns wegen der Art, wie wir hier gelebt haben, zur Rechenschaft ziehen kann, wenn es ihr gefällt und zu jeder Zeit, wann es ihr gefällt, und deshalb, ohne irgend einen andern Grund für diesen Glauben zu suchen, ist es vernünftig, zu glauben, daß der Allmächtige dies thun wird, weil wir im Voraus wissen, daß er es thun kann. Die Wahrscheinlichkeit, oder selbst nur die Möglichkeil der Sache, ist Alles, was wir wissen sollten, denn wenn wir es als eine Thatsache wüßten, so würden wir bloße Sklaven des Schreckens sein; unser Glaube würde keinen Werth haben und unsere besten Handlungen würden keine Tugend sein.

Der Deismus lehrt uns sonach, ohne die Möglichkeit einer Täuschung, Alles, was uns zu wissen Noth thut oder zweckmäßig ist. Die Schöpfung ist die Bibel des Deisten. Er liest darin, in der eigenen Handschrift des Schöpfers, die Gewißheit seines Daseins und die Unwandelbarkeit seiner Macht und alle andern heiligen Schriften und Testamente sind für ihn Fälschungen. Die Wahrscheinlichkeit, daß wir in Zukunft zur Rechenschaft gezogen werden mögen, wird für einen nachdenkenden Menschen den Einfluß des Glaubens ausüben; denn weder vermag unser Glaube die Thatsache hervorzurufen, noch vermag unser Unglaube dieselbe umzustoßen. Da wir uns in solcher Lage befinden und da es zweckmäßig ist, daß wir uns darin befinden sollten, um freithätige Wesen zu sein, so ist es nur der Thor und nicht der Weise, ja nicht einmal der kluge Mensch, welcher leben möchte, als ob es keinen Gott gäbe.
Allein der Glaube an Gott ist durch seine Vermischung mit den wunderlichen Fabeln des christlichen Glaubensbekenntnisses und mit den, in dem Alten Testament erzählten, tollen Abenteuern und mit dem verworrenen und unzüchtigen Unsinn des Neuen Testaments so geschwächt worden, daß der Geist der Menschen wie in einem Nebel befangen und verwirrt ist. Indem er alle diese Dinge in einer verworrenen Masse betrachtet, verwechselt er Thatsachen mit Fabeln, und da er nicht Alles glauben kann, so fühlt er eine Neigung, alles zu verwerfen.

Hingegen der Glaube an Gott ist ein von allen andern Dingen unterschiedener Glaube und sollte mit nichts Anderem vermengt werden. Die Vorstellung einer Dreifaltigkeit von Göttern hat den Glauben an Einen Gott geschwächt. Eine Vervielfältigung der Glaubensartikel wirkt wie eine Theilung des Glaubens, und in dem Maße, wie Etwas getheilt wird, wird es auch geschwächt.
Die Religion wird auf solche Weise eine Sache der Form, anstatt der Wahrheit, eine Sache der Einbildung, anstatt der Grundsätze, Sittlichkeit wirb verbannt, um einem eingebildeten Ding, welches man Glauben nennt, Platz zu machen und dieser Glauben hat seinen Ursprung in einer angeblichen Unzucht; ein Mensch wird gepredigt anstatt Gottes, eine Hinrichtung wirb zu einem Gegenstand der Dankbarkeit, die Priester beschmieren sich mit Blut, wie eine Mörderbande und brüsten sich mit der Herrlichkeit, welche ihnen dasselbe verleihe; sie halten eine alberne Predigt über das Verdienst der Hinrichtung, und darauf preisen sie Jesum Christum, weil er sich hinrichten ließ, und verdammen die Juden, weil sie dieses thaten.

Da die Türken denselben Grund anführen, warum Sie an den Koran glauben, so ist es offenbar, daß die Erziehung den ganzen Unterschied ausmacht und daß Vernunft und Wahrheit mit der Sache nichts zu thun haben. Sie glauben an die Bibel wegen des Zufalls der Geburt; die Türken glauben an den Koran wegen desselben Zufalls, und Einer nennt den Andern ungläubig. — Allein, wenn wir das Vorurtheil der Erziehung aus dem Spiele lassen, so stellt sich als vorurtheilslose Wahrheit heraus, daß Alle Ungläubige sind, welche einen falschen Glauben von Gott haben, mögen sie nun ihr Glaubensbekenntniß aus der Bibel oder aus dem Koran, aus dem Alten Testament oder aus dem Neuen ziehen.

Wenn es dem Einen beliebt, die sogenannte Bibel für das Wort Gottes zu halten, und wenn ein Anderer wegen seiner innigen Ueberzeugung von der Reinheit und Vollkommenheit Gottes, gegenüber den Widersprüchen jenes Buches, — wegen der Unzüchtigkeit mancher seiner Erzählungen, wie von Lot, welcher sich berauscht, und seine beiden Töchter schwängert, was nicht einmal ein Verbrechen genannt wird, und wofür die albernsten Entschuldigungen vorgebracht werden, — wegen der Unsittlichkeit mancher seiner Vorschriften, wie derjenigen, kein Erbarmen zu zeigen, — und wegen gänzlichen Mangels an Beweis in der Sache — wenn, sage ich, ein solchet Mann denkt, er sollte jenes Buch nicht für das Wort Gottes halten: so hat jeder derselben ein gleiches Recht zu seinem Glauben; und wenn der Eine das Recht hat, seine Gründe für seinen Glauben anzuführen, so hat auch der Andere ein gleiches Recht, seine Gründe für den entgegengesetzten Glauben anzuführen. Alles, was über diese Regel hinausgeht, ist eine Inquisition."

Re: Drei Bücher (3)

geschrieben von:  Frau von x

Datum: 06. April 2009 13:13

Zitat:

Drahbeck
In seinen im „Volksboten" (Strehlen, Schlesien) seinerzeit (gegen klingende Münze) veröffentlichten Predigten, erwähnt Russell ... . Etwa an einer Stelle (20. 6. 1914) mit der Aussage;

„Wir sind uns alle der betrübenden Tatsache bewußt, daß nicht viele Kinder Gottes die volle Gewißheit des Glaubens haben, von der die Schrift redet. Wir müssen vielmehr alle zugeben, daß die große Mehrzahl nicht nur ihren Glauben verliert, sondern auch die Grundlage des Glaubens. Seit Jahren haben die großen Universitäten und Bildungsstätten der Christenheit den Glauben untergraben, in dem sie die Bibel untergraben haben. Zwar richten sich ihre Angriffe nicht auf den Glauben selbst, denn sie geben alle zu, daß der Glaube als eine erhabene Charaktereigenschaft eine gewisse Berechtigung habe, und, daß die Bibel den Glauben lehre, und doch fahren sie fort, ... das Vertrauen an die Bibel als das Wort Gottes zu untergraben.

Und was macht die von Russell gegründete WTG?
Mit dem Finger auf sich selbst zeigend, müßte man zugeben:


Seit Jahrzehnten haben die Führer der ZJ Bildung verteufelt, da sie ihnen helfen könnte, die ganze Sache zu durchschauen.

Wie auch im Erwachet! für APRIL 2009 zu lesen:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,20308,20432#msg-20432

Zwischen den von "+" erwähnten Seiten 6 und 8 findet sich der Hinweis:

Das Beste, was du
für deine Bildung tun kannst,
ist Gott kennenzulernen

...
Es gibt viel Wichtigeres als Geld. Zum Beispiel, dass es einem körperlich und psychisch gut geht, dass man ein gutes Gewissen hat und dass man sich Gott, dem wir unser Leben verdanken, zum Freund macht. Das ist mit Geld nicht zu bezahlen. Doch wenn man reich oder berühmt werden möchte, könnten einem diese Geschenke von Gott verloren gehen - vielleicht sogar für immer. ...

Zitat:

Zusammenfassung in einem Buche mit dem Titel „Thomas Paine's Theologische Werke".
http://books.google.de/books?id=WBSz7eqjrHAC&dq=Thomas+Paine's+Theologische+Werke&printsec=frontcover&source=bl&ots=7U8iv1EhqM&sig=dH5pJnG1hs4VaEF4gJ-A-X-bRdA&hl=de&ei=zVyzSfv_EomM_gbh1-m-BA&sa=X&oi=book_result&resnum=1&ct=result
Man kann in selbigem unter anderem lesen:
Alle nationalen Kirchenanstalten, ..., halte ich für nichts weiter als menschliche Erfindungen, welche man aufgestellt hat, um die Menschen einzuschüchtern und zu Sklaven zu machen und Macht und Gewinn an sich zu reißen.

Heute würde er sicher Sekten noch mit erwähnen.

Zitat:

Jede Nationalkirche oder Religion hat sich dadurch gegründet, daß sie eine ausdrückliche Sendung von Gott, die gewissen Individuen mitgetheilt wurde, behauptete. Die Juden haben ihren Moses; die Christen ihren Jesus Christus, ihre Apostel und Heiligen, und die Türken ihren Muhamed — als ob der Weg zu Gott nicht jedermann auf gleiche Weise offen stünde.

Dann gibt es noch die, denen dieser Sendbote nicht reicht und die sich als Sprachrohr desjenigen dazwischen schieben müssen, wie der "treue und verständige Sklave" bei ZJ.

Zitat:

Wenn es dem Einen beliebt, die sogenannte Bibel für das Wort Gottes zu halten, und wenn ein Anderer wegen seiner innigen Ueberzeugung von der Reinheit und Vollkommenheit Gottes, gegenüber den Widersprüchen jenes Buches, — wegen der Unzüchtigkeit mancher seiner Erzählungen, wie von Lot, welcher sich berauscht, und seine beiden Töchter schwängert, was nicht einmal ein Verbrechen genannt wird, und wofür die albernsten Entschuldigungen vorgebracht werden, — wegen der Unsittlichkeit mancher seiner Vorschriften, wie derjenigen, kein Erbarmen zu zeigen, — und wegen gänzlichen Mangels an Beweis in der Sache — wenn, sage ich, ein solcher Mann denkt, er sollte jenes Buch nicht für das Wort Gottes halten: so hat jeder derselben ein gleiches Recht zu seinem Glauben; und wenn der Eine das Recht hat, seine Gründe für seinen Glauben anzuführen, so hat auch der Andere ein gleiches Recht, seine Gründe für den entgegengesetzten Glauben anzuführen. Alles, was über diese Regel hinausgeht, ist eine Inquisition."

Sehr gut formuliert.
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