Frühzeit in Wien
geschrieben von:  Drahbeck 
Datum: 06. März 2009 11:33
Einem Kardinaldokument zum Verständnis der von Russell gegründeten frühen Bibelforscherbewegung, kann man namentlich im Band 3 seiner „Schriftstudien" (S. 278 ff.) begegnen.(Seitenangabe bezieht sich auf die Ausgabe des deutschsprachigen Nachdruckes der "Dawn Bible Students Association", die ihrerseits die Auflage von 1925/26 zugrunde legten. In anderen Auflagen, namentlich den früheren Ausgaben, kann die Seitenverifizierung differieren. Dort auf anderen Seiten zuortbar).
Jenes Dokument indes wird weder erwähnt noch zitiert, in einer neueren Schrift, über die noch etwas zu sagen sein wird, wo es unbedingt hätte mit erwähnt werden müssen. Dann erwähnt werden müssen, wenn man vorausssetzt, dass ihr Autor die von ihm referierte Thematik wirklich in allen relevanten Aspekten ausleuchten will. Bedauerlicherweise aber, erwähnt er dieses Kardinaldokument nicht mit dem Bruchteil einer Silbe.

Nun, so sei hier erst mal der entsprechende Passus aus Band 3 der „Schriftstudien" zitiert.
Dort kann man auch lesen:


„Ein jüdisches Reich vorgeschlagen.
Washington, D.C., den 5. März 1891.
"William E. Blackstone von Chicago besuchte heute den Präsidenten der Vereinigten Staaten in Begleitung des Sekretär Blaine und überreichte folgende Denkschrift inbetreffs der russischen Juden. ...

"Er sagte, daß die Armut der türkischen Regierung der vorgeschlagenen Sicherstellung Nachdruck verleihe, daß ein Teil der türkischen Nationalschuld durch jüdische Kapitalisten fundiert würde, und daß nur um friedliche diplomatische Unterhandlungen nachgesucht werde, zu den Zwecke, daß jegliches Privateigentum sorgfältig respektiert und beschützt werde. Am Schlusse bemerkte er: Da wir mit Rußland auf so freundschaftlichem Fuße stehen und im Orient keinerlei Verwicklungen haben, so ist es am passendsten und hoffnungsvollsten, daß unsere Regierung diese freundschaftliche Bewegung, diesen wandernden Millionen Israels eine feste und bleibende Heimat zu geben, in den Gang bringe."

"Der Präsident horchte aufmerksam auf Mr. Blackstones Bemerkungen und versprach, der Sache ernstliche Überlegung zu schenken."

Die Denkschrift lautet: 
"Was soll für die russischen Juden getan werden? Es wäre sowohl unklug als auch nutzlos, Rußland inbezug auf seine inneren Angelegenheiten etwas diktieren zu wollen. Die Juden haben jahrhundertelang als Fremdlinge in Rußland gewohnt, und Rußland glaubt völlig, daß die Juden eine Last für die Bezugsquellen und dem Wohle seiner Landbevölkerung nachteilig sind, und man wird ihnen nicht gestatte zu bleiben. Rußland ist entschlossen, daß die Juden gehen müssen. Folglich müssen diese Aschkenasim (deutsche Juden) gleich wie die Sephardim (spanische Juden) auswandern. Doch wohin sollen 2 Millionen solcher armer Leute gehen? Sollen sie nach Amerika kommen? Das wäre eine ungeheure Aufgabe und würde Jahre in Anspruch nehmen.

"Warum ihnen nicht Palästina zurückgeben? Nach Gottes Verteilung der Völker ist es ihre Heimat -- ein unentreißbarer Besitz, aus welchem sie nur durch Gewalt vertrieben wurden. Unter ihrer Bebauung war es ein bemerkenswert fruchtbares Land, das Millionen Israeliten unterhielt, die seine Täler und Hügel emsig bestellten. Sie waren ebensowohl Ackerbauer und Produzenten wie ein Volk von großer kaufmännischer Bedeutung -- der Mittelpunkt von Zivilisation und Religion. Man sagt auch, daß sich der Regenfall vermehrt und viele Anzeichen vorhanden sind, daß das Land seine ursprüngliche Fruchtbarkeit wiedergewinnt.
"Warum sollten nicht die Mächte, welche unter dem Berliner Vertrage, im Jahre 1878, Bulgarien den Bulgaren und Serbien den Serben gaben, nun auch Palästina den Juden zurückgeben? Diese Provinzen wurden den Türken entrissen und ihren natürlichen Eigentümern gegeben, geradeso wie Rumänien, Montenegro und Griechenland. Gehört Palästina nicht geradeso rechtmäßig den Juden?

"Wenn sie eine eigene Regierung haben könnten, würden die Juden der Welt zusammentreten, um ihre leidenden Brüder nach ihrem durch Alter ehrbaren Wohnplatz zu bringen und dort festzusetzen. Denn seit über 17 Jahrhunderten haben sie auf solche gute Gelegenheit geduldig gewartet. Sie sind nirgends sonst Ackersleute geworden, weil sie glaubten, daß sie unter den verschiedenen Nationen nur Wanderer seien und einmal wieder nach Palästina zurückkehren und ihr eigenes Land bebauen sollten. Was für Besitzrechte der Türkei zukommen, kann leicht vergütet werden, möglicherweise, indem die Juden einen entsprechenden Teil der Nationalschuld übernehmen.

"Wir glauben, dies ist für alle Völker, und besonders für die christlichen Völker Europas, eine geeignete Zeit, Israel Freundschaft zu erweisen. Eine Million Verstoßener rufen durch ihr schreckliches, Mitleid erregendes Leiden unser Mitgefühl, unsere Gerechtigkeit und Menschlichkeit an. Laßt uns ihnen nun das Land wieder zurückerstatten, um welches sie durch unsere römischen Vorfahren so grausam beraubt wurden.

"Zu dem Zwecke ersuchen wir ehrfurchtsvoll Seine Exzellenz, Benjamin Harrison, Präsident der Vereinigten Staaten, und J. G. Blaine, Staatssekretär, ihre guten Ämter und ihren Einfluß bei den Regierungen ihrer kaiserlichen Majestäten Alexanders des Dritten, Zaren von Rußland, Viktoria, Königin von Groß-Britannien und Kaisern von Indien, Wilhelms des Zweiten, Kaisers von Deutschland, Franz Joseph, Kaisers von Österreich-Ungarn, Abdul Hamids des Zweiten, Sultans der Türkei, Ihrer königlichen Majestät Marie Christine von Spanien, bei der Republik Frankreich und den Regierungen Belgiens, Hollands, Dänemarks, Schwedens, Portugals, Rumäniens, Serbiens, Bulgariens und Griechenlands zu gebrauchen, um sobald wie möglich die Abhaltung einer internationalen Konferenz zu sichern, um die Lage der Israeliten und ihre Ansprüche auf Palästina als ihre alte Heimat zu betrachten und in jeder anderen gerechten und geeigneten Weise die Linderung ihres leidenden Zustandes zu fördern."

(Die Denkschrift ist von hervorragenden Männern aller Berufsarten und Glaubensbekenntnisse von Chicago, Boston, New-York, Philadelphia, Baltimore und Washington unterzeichnet.)"
 

Man beachte nochmals das Datum jener Denkschrift: 1891.
Seit Mitte der 1870er Jahre, war nun auch Russsell aktiv auf dem Felde der „Religionsindustrie" tätig; hatte sogar schon einige Bücher publiziert, hatte seine eigene Zeitschrift namens „Zion's Wachtturm".
Und nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und anderswo, mühte er sich seine „Firma" Fuss faßen zu lassen.
12 Europareisen unternahm er zu diesem Zwecke persönlich. Und auf einer davon, just jener des Jahres 1891, auf eine zweimonatige Dauer konzipiert, führte ihn sein Weg auch nach Wien, der damaligen Hauptstadt der Österreich-Ungarischen Monarchie. Aber, Wien war dabei nur eine Zwischenstation. Auch in England und Deutschland machte er bei diesem Anlass Station. Nach Österreich-Ungarn war auch noch, unter anderem Russland, und zwar Kischinew, damaliger Sammelpunkt einer vermeintlich Jüdisch-Christlichen Bewegung, auf seinem Programm. Auch dort war noch nicht Endstation. Auch Jerusalem und Kairo (letzteres auch wegen der dortigen weltberühmten Pyramiden), sollten seine „Sightseeing-Tour" „schmücken".

Namentlich Kischinew verdient noch besonders erwähnt zu werden. Dort besuchte er den Gründer jener vermeintlich Jüdisch-Christlichen Bewegung Joseph Rabinowtsch, und widmet selbigem auch eine paar belobigende Worte in den „Schriftstudien". Etwa diese:


„Die bemerkenswerte religiöse Bewegung unter den Juden im südlichen Rußland bringt Tausende jenes Volkes zur Anerkennung Jesu Christi als des lange verheißenen Messias und zum Zugeständnis ihrer Nationalsünde in seiner Verwerfung und Kreuzigung. Und dies ist in keinem Sinne das Resultat christlicher Missionstätigkeit. Es ist eine unabhängige Bewegung, gänzlich aus jüdischem Boden entspringend. Der Leiter der Bewegung ist ein Jude, Joseph Rabinowitsch, früher ein Kaufmann, und später ein Advokat, ein Mann von hohem Rufe unter seinem Volke. Rabinowitsch war kein jüdischer Rabbi, und weder er noch irgendeiner der leitenden Männer der Bewegung waren Geistliche irgendeiner Sekte. In bezug auf diese Bewegung führen wir einen Artikel in "Harpers Weekly" und aus anderen Berichten wie folgt an:

"Ihre Entwicklung ist eine solche gewesen, daß man zuversichtlich erklären kann, daß sie nicht mehr ein Experiment mit zweifelhafter Existenzberechtigung ist. Sie hat eine bemerkenswerte Lebensfähigkeit bewiesen. Ihr Wachstum ist ein beständiges und gesundes und von positivem Charakter, jedoch vermeidet sie jede unnatürliche Hast und gefährliche Extreme. Von den russischen Autoritäten als religio licta (erlaubte Religion) anerkannt, hat sie jetzt gesetzliche Existenz und Rechte. Ihr Wesen stempelt sie als eine der einzigartigsten Erscheinungen in dem verschiedenartigen Kaleidoskop nationaler, sozialer und religiöser Interessen, welche die Herzen und Gemüter der 116 Millionen Untertanen des Zaren von einander trennen.

"Der Glaube dieser neuen Gemeinschaft ist ferner darin eigentümlich, daß sie nicht vorhat, irgendwelche organische Verbindung mit irgendeiner der existierenden Formen der Christenheit zu bilden, daß sie im Gegenteil das bestimmte Ziel im Auge hat, die geschichtliche Lehrentwicklung seit dem apostolischen Zeitalter zu ignorieren und ihre Lehren direkt aus der neutestamentlichen Quelle zu ziehen, ohne auf die Lehrsätze der orthodoxen Kirchen unserer Zeit besondere Rücksicht zu nehmen. Sie behauptet, sich nach den jüdisch-christlichen Gemeinden aus den Tagen der Apostel zu bilden.

Energischen Charakters, und begierig, seine eigene Ausbildung sowie die politische, soziale und moralische Hebung seines Volkes zu fördern, war Rabinowitsch schon vor Jahren als ein eifriger Reformfreund unter den Juden des Ostens bekannt. Mit einer Erziehung und einem Unternehmungsgeist, seinen Brüdern weit voran, ausgerüstet, ersann er Mittel und Wege, seine Ideale und seinen Endzweck zu erreichen. Er tat, was in seiner Macht lag, für sie bessere politische Rechte zu sichern, war aber unfähig, die unglücklichen Israeliten Rußlands, Rumäniens und der benachbarten Länder vor den gegen sie ausbrechenden grimmigen Verfolgungen zu schützen. Er machte sich mit der fortgeschrittenen Denkungsart des Westens vertraut und hoffte, daß sein Volk durch Annahme derselben auf eine höhere Stufe emporgehoben werden und ihm so höhere Ideale und edlere Ziele vorschweben würden. Doch er sah bald ein, daß es unmöglich sei, solche Mittel bei einem Volke anzuwenden, das durch jahrhundertelange Verfolgung und strengsten Konservatismus hinsichtlich seiner Grundsätze verhärtet war, die seinen herkömmlichen Ideen so entgegen waren. Wiederum versuchte er, die Juden zu gewinnen, ihren Wuchergeist fahren zu lassen, der nächst ihren formalistischen, religiösen Übungen der alles beherrschende und alles erniedrigende Faktor in dem Geiste des orientalischen Juden ist. Doch seine Versuche, landwirtschaftliche Kolonien für sie zu Hause wie im Heiligen Lande zu gründen, erwiesen sich als verfrüht. Während er in Palästina war, reifte durch ein unabhängiges Studium des Neuen Testamentes in seinem Verhältnis zum Alten die Überzeugung in ihm, daß Israel durch die Verwerfung Jesu Christi betreffs seines nationalen Lebens einen Fehlgriff begangen und seiner historischen Aufgabe untreu geworden sei.

"Diese Überzeugung über Christum als Verkörperung und Erfüllung der alten Prophezeiungen und der Ideale und Ziele des Volkes Israel ist der Hauptgedanke, um den sich die ganze Bewegung dreht. Die von dem demütigen Nazarener verkündeten Grundsätze werden als diejenigen anerkannt, die allein die Bestimmung des Volkes erfüllen und es befähigen können, endlich das zu erreichen, wozu Israel als Volk auserwählt wurde. Man sieht es demnach als einen ernstlichen Bruch in der normalen und historischen Entwicklung Israels an, daß dieses Volk vor 1800 Jahren die Lehren und Grundsätze verwarf, die von allen Christen und nun auch von Rabinowitsch und seinen Anhängern festgehalten und als das einzig richtige Resultat der ganzen früheren historischen Entwicklung Israels betrachtet werden. Diesen Bruch zu heilen, ist das ideale Ziel des Kischinew Reformers, indem er da wieder aufs neue einsetzt, wo das erwählte Volk zuerst in einen irrtümlichen Pfad nationaler Entwicklung eingetreten ist. Im Jahre 1880 veröffentlichte er ein Programm, in dem er eine vollständige Reorganisation des rabbinischen Systems vertrat. Er war früher in der Arbeit einer Gesellschaft für die Förderung des Ackerbaues unter den Juden Südrußlands tätig; und während der Zeit der Verfolgung im Jahre 1882 trat er ernstlich für die Rückkehr seines Volkes nach Palästina ein. Während jener Zeit fand die Veränderung in seiner religiösen Überzeugung statt. Es war nicht das Resultat christlicher Missionstätigkeit, noch auch ist er ein Bekehrter im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Der Wechsel geschah allmählich, und nur nach langer Überlegung kam der Gedanke, christliche Gemeinden jüdischer Nationalität zu organisieren, in ihm zur Reife. Nach seiner Rückkehr von Palästina war seine Überzeugung: "Der Schlüssel zum Heiligen Lande liegt in der Hand unseres Bruders Jesus."

In den Worten "Jesus unser Bruder" liegt der Kern seiner religiösen Ansichten. Seine Arbeit ist erfolgreich gewesen, und viele nehmen seine Lehren an. ..."


Was letzteren Satz anbelangt "und viele nehmen seine Lehren an", gibt es allerdings andere - unabhängige - Urteile, die just das eben bestreiten.

Wie auch immer, Rabinowitsch erwies sich im Sinne der zitierten Chicago-Denkschrift als wesentlicher „Außenposten" zur Durchsetzung ihrer Intentionen.
Nun kann es keinen Zweifel darüber geben, das zu der Zeit der Antisemitismus (der "Sozialismus des dummen Kerls" um August Bebel dazu zu zitieren) in Russland massiv wütete. Und wie ja die Chicago-Denkschrift auch ausführt, bestand die Befürchtung, die dadurch losgelöste Emigrantenwelle könne massiv auf die USA überschwappen.
Und man meinte sich mit einer Umkanalisierung nach Palästina einen Gefallen zu tun. Wobei Politiker, weniger Religionsvertreter, beim Wort Palästina eine Übersetzung des Wortes dann vornahmen. Und diese übersetzte Vokabel lautete kurz aber knapp: Erdöl. Und an selbigem haben auch US-amerikanische Konzerne ein massives Interesse.

Probleme jener Art, dürften ja auch in der Neuzeit nicht unbekannt sein.
Die Schweiz etwa verkündete zu Zeiten des zweiten Weltkrieges ostentativ: 
„Das Boot sei voll".

Und auch das heutige Europa, wird ja nicht selten von buchstäblichen Bootsflüchtlingen heimgesucht, denen ebenso nicht selten der Ruf entgegenschallt.
Wenn sie denn uneingeladen ankommen, Europa sei bereits voll.

Auch, um nochmals das Stichwort Kischinew aufzunehmen. Auch die in den „Schriftstudien" nachweisbaren Aspekte bezüglich Kischinew, hätten es verdient, in einer neueren Schrift (die immer noch nicht genannt wurde, aber noch genannt wird), mit erwähnt zu werden.

Denn Russell machte sich ganz offensichtlich zum Katalysator, zum Umsetzer jener Chicago-Denkschrift, die wie man vernahm, das wohlwollende Interesse des damaligen USA-Präsidenten fand. Auch das nicht erwähnen dieses Aspektes, muss als ein gravierender Mangel jener (immer noch nicht genannten) neueren Schrift bezeichnet werden.

Nun machen wir also mal „Nägel mit Köpfen" und erwähnen. Da gäbe es datiert aus dem Jahre 2008, eine Schrift
(etwa im „Wachtturm"-Format) mit dem Titel:
„Charles T. Russell. Besuche in Wien". 
Angereichert mit etlichen Bildern, und auch zeitgenössischen Presse-Ausschnitten, macht diese von Bernhard J. Brabenec herausgegebene Schrift, optisch sicherlich einen gediegenen Eindruck. Und als eine seiner Vertriebsschienen hat er da offenbar auch die Schiene ebay in Betracht gezogen.
Im Besitz selbiger, war nun die nächste Frage, (die ich zumindest stelle) die.
Und, lässt sich selbige auch im wissenschaftlichen Bibliothekswesen nachweisen?
Antwort 
(ausgehend vom derzeitigen Stand) Nein.

Dem Herausgeber sei aber gesagt, er hätte die Pflicht, sie auch der Österreichischen Nationalbibliothek, unaufgefordert, zugänglich zu machen. Will er mehr tun, wäre es nicht verkehrt, auch die Deutsche Bibliothek (Frankfurt/Main, als Minimum) diesbezüglich zu bedenken.

Nun kann es ja sein, genannte Schrift, befindet sich noch im „Geschäftsgang" genannter Bibliotheken. Aufgrund anderer Erfahrungen, tendiere ich allerdings zu der Einschätzung, dass genannte Bibliotheken, ihre Neuzugänge relativ schnell bibliographisch anzeigen. Da solche Anzeigen nicht nachweisbar sind, verdichtet sich das zu der These, wo nichts vorliegt, kann auch nichts angezeigt werden.

Brabenec kommt dann auch noch auf die beiden weiteren Russell-Reisen der Jahre 1910, 1911 zu sprechen, wo er ebenfalls Wien (mit) besuchte.
Und man erfährt, auch anhand entsprechender Zeitschriften/Zeitungs-Repros, wie denn jüdische Kreise seine Aktivitäten aufnahmen. Nicht unbedingt positiv. Er wurde eben als ungebetener Judenmissionar angesehen. Und an nicht bestellten „Missionaren" hatten halt auch jüdische Kreise keinen sonderlichen Bedarf.

Man muss ja sehen. Die Position des Rabinowitsch und die der Zionisten, klaffen halt auseinander. Erheblich auseinander.

Russell wird dann auf seiner 1891er Reise auch dahingehend zitiert, dass er im Eisenbahnzug sitzend, auch ein Gespräch mit einem „waschechten" Juden hatte.
Zitat:

„Wir (d. h. Russell) versicherten ihm, dass diese Dinge so geschehen müssen, und Gott dies durch seine Propheten klar vorausgesagt hatte, und die heiligen Schriften zeigen, dass jetzt die Zeit dafür gekommen ist dass er Verfolgung zulassen wird und die Juden aus allen Ländern vertrieben werden und nirgends Ruhe finden würden."

Just jener These kann man ja noch heute in einschlägigen Kreisen begegnen. Etwa wenn einige, in Vergangenheit und auch Gegenwart sich gar dazu entblöden, denn Holocaust des Naziregimes, vermeintlicherweise in der Bibelstelle Jes. 16:16 „vorhergesagt" zu sehen. Die darin erwähnten „Jäger" seien halt die Nazis, und ihre Todesfabriken „göttlicher Wille", um die verbliebenen Juden nach Palästina zu „treiben".

So krass formulierte Russell dass ja noch nicht; dass blieb erst einigen seiner Nachfolger, auch aus dem heutigen WTG-Splittergruppen-Milieu vorbehalten. Aber die Weichen dazu stellte sicherlich schon Russell, auch wenn er sich in seinem eigenen Selbstverständnis sicherlich als „Gutmensch" sah.

Was die 1911er Russell-Reise anbelangt, ist es sicherlich pikant zu vernehmen, dass auf selbiger der Rutherford-Sohn Malcom C. Rutherford (auch bei Brabenec im Bild gezeigt) als Sekretär Russells (damals) fungierte.
Und dann suche man mal im heutigen offiziellen WTG-Schrifttum nach irgendwelchen zusätzlichen Erläuterungen über diesen Malcom C. Rutherford.
Man wird als Ergebnis bei dem sich dann auttuendem WTG-Schweigen, förmlich „erschlagen".
So kann man offenbar auch Geschichte „bewältigen", durch Schweigen. Wer das auch besonders gut kann, ist offenbar die WTG!

Zu seinen Zeitschriften/Zeitungs-Repros, die ohne Zweifel eine Stärke der Brabenec'schen Schrift darstellen, gehören auch einige aus dem von Theodor Herzl gegründeten zionistischen Organ „Die Welt".
Der Verfasser sollte sich aber sagen lassen (er sagt es jedenfalls nicht), dass just bei der „Die Welt" inzwischen der Glücksfall besteht (eher die Ausnahme von der Regel), selbige auch Online sichten zu können. Eben auch die dort vorhandenen Aspekte bezüglich Russells Aktivitäten.

Als Beispiele (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) seien genannt:
1910
Die Welt. Zentralorgan der zionistischen Bewegung 1910. Nr. 29 S. 718: Ein Fälscherstück der amerikanischen Judenmission http://www.compactmemory.de/library/seiten.aspx?context=pages&ID_0=2&ID_1=24&ID_2=2311&ID_3=1000000000&ID_4=z_welt_140354l.tif
daselbst Nr. 40 S. 979: Zionistische Geistliche http://www.compactmemory.de/library/seiten.aspx?context=pages&ID_0=2&ID_1=24&ID_2=2321&ID_3=1000000000&ID_4=z_welt_140479r.tif
daselbst Nr. 48 S. 1268: Die Rede des Pastor Russell http://www.compactmemory.de/library/seiten.aspx?context=pages&ID_0=2&ID_1=24&ID_2=2329&ID_3=1000000000&ID_4=z_welt_140613l.tif

1911
Die Welt. Zentralorgan der zionistischen Bewegung 1910 Nr. 12 S. 274: Ein gestörter Missionarhttp://www.compactmemory.de/library/seiten.aspx?context=pages&ID_0=2&ID_1=25&ID_2=2344&ID_3=1000000000&ID_4=z_welt_150116l.tif
daselbst Nr. 14 S. 315: Die verunglückte Missionsreise des Pastor Russellhttp://www.compactmemory.de/library/seiten.aspx?context=pages&ID_0=2&ID_1=25&ID_2=2346&ID_3=1000000000&ID_4=z_welt_150132r.tif
daselbst Nr. Nr. 19 S. 444: Die Tätigkeit des Pastor Russell http://www.compactmemory.de/library/seiten.aspx?context=pages&ID_0=2&ID_1=25&ID_2=2351&ID_3=1000000000&ID_4=z_welt_150187l.tif
daselbst Nr. 22 S. 518: Gegen die Missionäre http://www.compactmemory.de/library/seiten.aspx?context=pages&ID_0=2&ID_1=25&ID_2=2353&ID_3=1000000000&ID_4=z_welt_150218r.tif

Besonders übel nahm man Russell in Zionistischen Kreisen, dass er eine sogenannte Fälschung der Herzl-Marke vorgenommen hatte (deutsche Ausgabe des „Wachtturms" vom Januar-Februar 1911), indem ein Herzl-Bild aus der entsprechenden Grafik durch Russell's Konterfei ersetzt wurde.
Selbiges deuteten Zionistische Kreise eben auch als ungebetene Vereinnahmung, und reagierten entsprechend sauer darauf.

Ach ja, dann gäbe es ja noch einen wichtigen Aspekt.
Die Russell-Schrift „Die nahe Wiederherstellung Israels"
Oder die Rutherford-Schrift „Trost für die Juden" sind ja für die heutige WTG „Schnee von gestern".
Die Stafette der Zionismus-Begünstigung ist mittlerweile auf andere Narren übergegangen. Ich rede bewusst von Narren. Was anderes sind die nicht in meiner Sicht. In Vergangenheit und Gegenwart.
Die heutige WTG hat also mit diesen Thesen nichts mehr zu tun.

Auch dieser „Kulturbruch" blieb dann dem Rutherford vorbehalten, beginnend mit seinen Büchern „Rechtfertigung".
Und so wie die Narren vordem dem Zionismus zujubelten, so nach Tisch eben dem Gegenteil davon, selbst noch in dem Buch nach 1945 „Gott bleibt wahrhaftig", macht man sich eine grundlegende Antisemitenthese zu eigen.

Es gäbe eigentlich zu dieser Thematik noch einiges mehr zu sagen. Es kann hier nur ein grober Umriss gezeichnet werden. Dazu würde dann auch gehören, dass es namentlich Antisemitenkreise in Deutschland waren, die als erste und am allerlautesten, nach dem ersten Weltkrieg gegen die Bibelforscher hetzten.
„Herausragendes" Exemplar der „In-dieSchützengräben-hinein-predigende" Schuldirektor August Fetz. Oder sein Berufskollege Karl Weinländer unter seinen vielen Pseudonymen, die er da für seine Schrifttums-ergüsse zu benutzen beliebte (das im Kontext relevanteste „Hans Lienhardt").
Sie alle fanden ja im Philosemitismus der Russell-Bewegung das geeignete „Kanonenfutter".

Und Fetz etwa rühmte sich, dass es der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund" sein werde, der die „entscheidenden Schlachten" in Sachen des Kulturbruches schlagen werde.
Kulturbruch deshalb, weil das was sich damals (und heute) Christentum nannte und nennt, in erster Linie „Kulturchristentum", aber kein Bibelchristentum Marke Narrentum hoch zehn mal hoch zehn war und ist.

Die „Kulturchristen" fühlten sich also durch diese Bibelchristen gestört, dieweil sie eben nicht für sich bereit waren, auch zum Narrentum zurückzukehren. bzw. weil ihnen die "Spiriualisierung", Verkultierung (Sakramentalismus), der geeignete "Königsweg" erscheint. Ergo machten sie entsprechende Front gegen die, welche sich dazu eben nicht bekennen können.

Wenn Fetz also die entscheidenden Schlachten, von seinesgleichen geschlagen sieht, hat er vielleicht so unrecht nicht.
Mit dem Rathenau-Mord hatte sich ja der „Deutschvölkische Schutz- und Trutzbund" zu Zeiten der Weimarer Republik, selbst ins politische „Aus" manövriert.
Ist dem Drachen ein Kopf abgeschlagen, wachsen indes an anderer Stelle neue nach. So auch in diesem Falle.
Und so erwies sich denn der Nazismus als sein Nachfolger.
Wer auch nur eine Andeutung diesbezüglich in der Brabenec-Schrift sucht, sucht wieder mal vergebens! 


Zur Thematik siehe auch noch:

Theologische Israelverklärung

Auftritt im Hippodrom

Was in Wien so passierte

Zionismusbegünstigung

Der liebe Bruder Russell

Man höre und staune. 
Vom gleichen Herausgeber gibt es noch eine zweite Broschüre, der man ebenfalls bescheinigen muss. Optisch gut aufgemacht. Angereichert mit Bildmaterial und auch relevanten Zeitungs-Repros.
Die Optische Sache wäre das eine. Der Inhalt eine andere.
Kommt man schon der der bereits genannten Russell-Broschüre um das Urteil "Hofberichterstattung" devoster Art, nicht herum, gilt dieses Urteil um einiges mehr von für die Broschüre desgleichen Herausgebers mit dem Titel: "Joseph F. Rutherfords Besuche in Wien".

Bereits auf der genannten Russell-Reise des Jahres 1910, gehörte auch J. F. Rutherford zu dessen Gefolge. Inzwischen zum WTG-Präsidenten avanciert, besucht er auf einer Europareise, von München kommend, als nächste Station auch Wien.
Zu seinen Besuchern der Münchener Veranstaltung, gehörte übrigens auch der spätere Chefredakteur des „Völkischen Beobachters", Alfred Rosenberg (damals eben noch Redakteur selbigen) der ihm in diesem Blatt auch einen „gesalzenen Kommentar" zubilligte.
Siehe dazu: Rosenbergs Kommentar zu Rutherford's Auftritt in München

Bemerkenswert auch, zum Gefolge der 1922er Rutherford-Reise gehörte auch der Robert J. Martin (bei Brabenec abgebildet).
Jener Martin der später dann noch unrühmlich in die Geschichte eingegangen ist, durch Einfädelung des auf seinen Namen laufenden Beth Sarim-Coups.
Wer allerdings bei Brabenec einen diesbezüglichen Hinweis sucht, der sucht halt wieder mal vergebens. Solche Details sind bei den „Hofberichterstattern", halt nicht mitteilenswert.

Die 1922er Veranstaltung in Wien nahm allerdings Tumultartige Ausmaße an.
Da hätten die Nazis 1922 in München liebend gerne auch solch einen Tumult veranstaltet, (fühlten sich aber damals noch nicht stark genug dazu).
So bestand in Wien eine andere Situation. Rutherford bekam den Tumult frei haus geliefert.

Sein Auftreten war ja großspurig in der Tagespresse angekündigt. 
Und so befanden sich unter den kleinen Häuflein, der eigentlich WTG-Getreuen, womöglich noch mehr Getreue einer anderen Richtung. Der Richtung der „Roten". 
Selbige mühten sich nun nach Kräften dem Rutherford zu zeigen, „was eine Harke ist".
Offenbar konnte die Roten auch nicht besänftigen dass Rutherford ja laut Ankündigung darüber sprechen wollte, „dass Millionen jetzt Lebender niemals sterben werden".
Irgendwie hatten die Roten zu dieser Botschaft keinerlei Vertrauen.
Wäre es anders, hätten sie sicherlich nicht alles (erfolgreich) daran gesetzt, Rutherford am sprechen zu hindern, ihn vielleicht gar tätlich anzugreifen.

Zwar hatte Rutherford, seine damaligen Getreuen aus halb Europa zusammengetrommelt, konnte somit mit ihnen konferieren, Direktiven erteilen ect. Aber die „Krönung" einer erfolgreichen massenwirksamen Veranstaltung blieb ihm, aus vorgenannten Gründen versagt.

Das sollte sich dem Rutherford dann wohl noch traumatisch ins Gedächtnis festsetzen.
Eigentlich wollte er dann im Jahre 1933 auch die Wiener durch seinen Besuch erneut „beehren". In Europa war er ja schon, besonders in Deutschland. Was er von seinen dortigen Getreuen zu hören bekam, war allerdings - für seine Interessenlage - nicht sonderlich erfreulich. Und so mussten seine deutschen Getreuen eigens, mit Rutherfords Absegnung, eine Sonderveranstaltung für den 25. Juni 1933 in Berlin einberufen.
Traumatisiert, zog es aber Rutherford vor, an jener Veranstaltung vom 25. 6. 33 schon mal nicht mehr persönlich teilzunehmen. 

Und sein „Glück" erneut in Wien auf die Probe zu stellen. Das wollte der „Held" Rutherford doch nicht riskieren. Ergo sagte er zu seinem damaligen Adlatus: Knorr, übernehmen sie den Part Wien.,
Und Knorr, befolgen sie auch das noch. Diesmal keine öffentliche Reklame für ihr dortiges Erscheinen.

Zitat bei Brabenec: 


„... Da sie Bruder Rutherford meinten ... zog ich (der WTG-Getreue Georg Bär) Bruder Rutherford schnell in eine Ecke neben einem großen Schrank und deutete ihm an, sich klein zu machen, damit er sich hinter diesem verstecken konnte. ... Sie gingen glücklicherweise an uns vorüber ..." 

So „heldenhaft" können auch WTG-"Helden" sein! 

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