Er war Täter und Opfer
geschrieben von:  Drahbeck
Datum: 21. Februar 2014 01:31
Er habe, um noch im Sog der WTG befindliche nähere Angehörige zu schützen, einige Namen in seinem Bericht verändert, bezeuge aber die Authentizität seines Berichtes insgesamt, teilt der Autor eines weiter unten genannten Buches noch mit. Sein „Damaskuserlebnis" ist etwa dem Jahre 1997 zuortbar. Just in jenem Jahre hatte der damals in der WTG-Hierarchie auch als öffentlicher Vortragsredner eingesetzte, einen solchen zu halten, der dann arg seine seelischen Kräfte überstieg. Er absolvierte zwar noch einmal jenes ihm da verpasste Pflichtprogramm. Indes nach dessen Ende beschreibt er sich selbst so, als er dann in einer Toilette anschließend in den Spiegel schaute, sah er nur noch eine kreidebleiche Gestalt. Damit war für ihn klar, so könne es nicht mit ihm weitergehen, wolle er nicht seelisch und gesundheitlich zu Grunde gehen.
Bemerkenswert auch der Umstand, auch dieser Autor berichtet, irgendwelche relevanten Änderungen an den von der WTG zur Verfügung gestellten Vortragstexten, seien nicht zulässig.
„Es gibt hinter der Bühne stets jemand, der dies kontrolliert und das Manuskript mitliest."

Dabei fing die Sache mal ganz anders an. In einer bereits zu den Zeugen Jehovas gehörenden Familie wurde er geboren. Seine Eltern beschreibt er so, sie seien zwar WTG-hörig im strengen Sinne, mit standardmäßiger Absolvierung des vollen WTG-Programmes. Indes doch auch ein gewisses Maß an „Liberalität" bewahrend, was für Zeugen Jehovas-Verhältnisse eher untypisch ist. Jedenfalls hatte er als Kind doch gewisse Freiheiten (etwa aktives Fußballspielen und anderes mehr) die durchaus nicht bei allen Zeugen Jehovas-Familien, namentlich denen vom Typus Hardliner, selbstverständlich sind.
Jedenfalls beschritt auch er dann den vorgezeichneten WTG-Weg.
Seine Stationen dabei waren.
Mit 13 Jahren getauft, ab seinem 16. Lebensjahr, Pionier, ab dem 19. Lebensjahr Sonderpionier, im Frühjahr 1974 dann Absolvierung der WTG-Giledadschule, perspektivisch bringt er es dann auch noch zum Vorsitzenden eines der WTG-Krankenhausverbindungskomitees.
Da er nun Gilead-Absolvent war, folgte auch eine fünfjährige Tätigkeit für eines der WTG-Büros. Er lässt durchblicken, dass eine seiner Aufgaben auch im Schmuggeln von Mikrofilmen in andere Verbotsländer, für die WTG-Interessen bestand. Vielleicht wäre er weiter im WTG-Büro tätig geblieben, hätte er nicht 1977 die Eheschliessung mit einer Sonderpionierin ins Auge gefasst. Und namentlich einsetzender Familienzuwachs, beendete dann diese Phase seine WTG-Karriere.
Da versteht die Manchesterkapitalistische WTG keinen Spass. Wer sich Familienzuwachs zulegt, hat den „Betheldienst" zu quittieren.

Zu seinen vorangegangenen Kindheitserinnerungen gehörte auch, dass seine Eltern relative Gastfreundschaft praktizierten. So lernte er dann auch einige kennen, die KZ-Erfahrungen erdulden mussten. Er lernte aber dabei auch solche kennen, die ihre eigenen dortigen Leiden, durch ihr eigenes Verhalten, noch verschärften. Zwar nennt er nicht das Beispiel, der andernorts belegten, Verweigerung, etwa in der Angorakaninchenpflege tätig sein zu wollen, dieweil deren Fälle dann später mal in Militäruniformen Verwendung finden könnten. Aber das Beispiel das er nennt, liegt dann wohl auf ähnlicher Ebene, wenn er schreibt:
„Zum Beispiel: Durfte man einen Wagen mit täglichen Verbrauchsgütern beladen, die für Soldaten bestimmt waren? Sollte man sein Leben dafür einsetzen, Literatur unserer Religion zu schmuggeln oder abzuschreiben?"

Auch solche Verweigerungshaltungen gab es ja, und auch die Folgen, einer Verschärfung des ohnehin schon gegebenen Leidensdruckes.
Was seine weitere persönliche Biographie anbelangte, so war ein weiterer Meilenstein in ihr die „Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 11. 1995.
Zu ihr kommentiert er dann:
„Ich konnte es nicht fassen, was ich da las. Die „Generation", die nicht vergehen sollte bis das Ende der Welt kam, gab es nicht mehr. Die Art und Weise der Argumentation war unfassbar. Ich fühlte mich betrogen."

Das war dann ja keine rein abstrakte Feststellung nur, sondern sie beinhaltet auch praktische Konsequenzen. Bezogen auf sich selbst fasst er diese so zusammen:
„Mein Schulabbruch nach dem 9. Schuljahr, keine solide Berufsausbildung, keinerlei Planung und Vorkehrungen für das Alter - all das geschah mit der Überzeugung, daß wir in den „letzten Tagen" lebten und das Kommen Christi nahe sei.
Ich fühlte mich betrogen."

Zu seinen weiteren „Damaskuserlebnissen" gehörte auch der Fall der WTG-Broschüre
„Jehovas Zeugen und die Schule" aus dem Jahre 1983, welche danach noch WTG-seitig eingezogen und eingestampft wurde. Sie atmet durchaus den Geist des WTG-Hardlinertums. Im Zuge des Gierens nach den KdöR-Ambitionen, wurde auch den WTG-Kreisen dann klar, jene Broschüre „passt nicht mehr in die Landschaft" und wurde dann durch eine etwas vermeintlich „harmloser" klingende Fassung ersetzt.
Wie bereits notiert, entstammte der Autor einer für Zeugen Jehovas-Verhältnisse ungewöhnlich liberalen Familie. Nun nachdem die neue Broschüre herausgekommen war, jubelte auch er dann. Dann braucht man die Hardliner-Position, das Kinder an keinen Klassensprecherwahlen teilnehmen sollen, so ja nicht weiter aufrecht erhalten. Er lies es nicht dabei bewenden, und praktizierte dann bei seinen eigenen Kindern ebenfalls entsprechende Liberalität.
Da allerdings, hatte er die „Rechnung ohne den Wirt" gemacht. In der Folge wurde er auch von seinen Mitältesten diesbezüglich bei der WTG schriftlich angeschwärzt. Er wähnt zwar die Situation, aufgrund seiner WTG-Rhetorik-Schulung beherrscht zu haben. Das indes dürfte wohl nur die halbe von der ganzen Wahrheit sein.
„Die Antwort kam in einem Schreiben an die gesamte Ältestenschaft unserer Gemeinde mit der Drohung, daß wenn ich meine Einstellung und Meinung nicht ändern würde, ich meine Vorrechte innerhalb der Organisation verlieren würde."

Noch eine analoge Feststellung hatte er zu sammeln. Seine eigene Tochter, der er etwa in Sachen Klassensprecherwahlen ein liberales Verhalten zugestand, die sollte dann durch unvorsichtige Äußerungen, die sofort weiter kolportiert wurden, sich als eine erweisen, die mit zu dem „hineinrammen eines Dolches in seinen Rücken" beitrugen.
„Als ich mich schliesslich von meiner Religion trennte stellte sie sich gegen mich. Gehorsam und Treue gegenüber der Organisation waren ihr wichtiger geworden als das Verhältnis zu ihrem Vater."

Die weitere „Nagelprobe" war dann die, dass auch seine Ehe WTG-bedingt, nach zwanzig Jahren in die Brüche ging.
Zu seinen späteren Gesamteinsichten gehört auch die:
„Daß ich 45 Jahre alt werden musste, bis ich mich endlich von meiner Religion trennen konnte? Warum hat es nochmals mehr als fünfzehn Jahre bis zum Schreiben dieses Buches gedauert?
Sie (die ZJ) leben fremdgesteuert in einer paradiesischen „Glasglocke".

Und weiter:
„Man will gewisse Dinge einfach nicht wahrhaben
Es ist eine Furcht vor den Konsequenzen die es hat, falls „die Wahrheit" doch nicht die Wahrheit ist."

Dem 7. Kapitel seines Buches gab er die Überschrift:
„Ich war Opfer und Täter"  , was dann wohl auch als zutreffend zu bezeichnen ist.
 

Gelesen in:
Peter Porjohn
„Befreiung von religiöser Bevormundung
Warum und wie ich mich nach vierzig Jahren von fundamentalistischer Denkweise befreite"

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Hinweis, der Besitz eines kindle-Gerätes dazu ist zwar eine Option, aber nicht zwingend. Man kann jenen Text auch auf den eigenen Rechner, als kindle-Datei herunterladen. Man ist aber auch dort dann auf den in der Folge bestehenden kindle-Ordner angewiesen.
Etwa anderweitige Optionen in Sachen elektronischer Bücher (etwa pdf-Dateien) sind nicht gegeben.

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Erinnerungen von Jehovas Zeugen

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