Wer solche Freunde hat ...

geschrieben von: Drahbeck

Datum: 18. Februar 2013 02:46

Im Zeitspiegel
Eine Dissertation aus dem Jahre 1982 von Gottfried Herrmann („Die Geschichte der Evangelisch- Lutherischen Freikirche unter besonderer Berücksichtigung ihrer Anfänge") beschäftigt sich mit der Kirchengeschichte derjenigen Kreise, welche heute den Namen führen:
„Selbständige Evangelisch-Lutherischen Kirche".
Letztere beinhaltet im Verlaufe ihrer Geschichte, auch einige Zusammenschlüsse. Unter anderem von Kreisen, die sich mal „Altlutheraner" nannten.
Namentlich Sachsen ist dann wohl einer der Geburtsorte der heutigen SELK.
Dort entstand im Jahre 1876 die „Ev.-luth. Freikirche".
Vor jenem Jahre gab es im Jahre 1871 eine kirchliche Tagung (Synode), auf welcher ein gewisser Prof. Zarncke die Rolle des „roten Tuches" für die „Stiere der SELK" wahrnahm.
Laut Herrmann soll besagter Prof. Zarncke auf jener Tagung erklärt haben:

„Ich bin der Ansicht, daß Männer wie Reimarus, Lessing, David Strauß immer noch Christen sind und daß wir die Formen, in die wir unser Christentum umgrenzen wollen, nicht so fassen dürfen, daß sie außerhalb desselben zu stehen kommen. Es ist mir allerdings bei der Beratung des Ausschusses die Frage entgegengeworfen worden, ob ich denn David Strauß auch etwa als Geistlichen anstellen würde? Ich gestehe, das ist allerdings eine von den Fragen, die einen in Verlegenheit setzen können; (Heiterkeit) aber ich würde wohl doch eine Antwort darauf zu geben vermögen.
Ich würde zunächst wiederholen, was ich schon in der Ausschußsitzung sagte, daß ich es vor allem von seinem eigenen Willen würde abhängen lassen, und dann würde ich den genannten Gelehrten, wenn ich ihn anzustellen hätte, allerdings nicht in eine Dorfgemeinde unter die Bauern senden; aber kein Bedenken tragen, ihn etwa zu einem Universitätsprediger zu ernennen ... (Widerspruch in der Versammlung) ..."

Die „Stiere" der heutigen SELK befanden also, eine solche Position, wie die von Zarncke, können sie keineswegs mittragen. Ergo machten sie sich dann perspektivisch selbstständig.
Es gab wohl namentlich in Sachsen, weitere ähnlich gestimmte Kreise, die befanden, wenn es also Leute wie Zarncke in Deutschland gibt, dann kann unser verbleiben in diesem „verruchten" Lande nicht länger sein.
Gesagt getan - es wurde dergestalt umgesetzt, dass man sich zur Auswanderung nach den USA entschloss.
Namentlich jene sächsischen Auswanderer bildeten dann die Keimzelle der sogenannten Missouri-Synode in den USA. Heute dort noch ein relevanter Zweig der Religionsindustrie.

http://de.wikipedia.org/wiki/Lutheran_Church_–_Missouri_Synod

Es ist desweiteren der bemerkenswerte Umstand zu beobachten, dass lange Jahre lang, von jenen Kreisen in den USA, eine weiterhin Deutschsprachige Zeitschrift namens „Der Lutheraner" herausgegeben wurde.
Und dieweil Deutschsprachig, braucht man sich auch nicht zu verwundern, dass etliches davon, sich auch in wissenschaftliche Bibliotheken in Deutschland „verirrt" hat.
An und für sich, waren diese Kreise auf die Russelliten, die sie zwar notierten, aber eben nicht schätzten, keineswegs „gut" zu sprechen.
Und auch im Jahre 1913 wurden für sie die Russelliten wieder mal Thema.
Diesmal allerdings, mit einer eher unerwarteten Tendenz, welche auch die Motivation für die Überschrift dieses Beitrages bildet.

Einleitend meint jener Artikel im „Lutheraner" (S. 221)

„Von dem berüchtigten „Pastor" Russell, der den lieben Ungläubigen zu Gefallen die Hölle abgeschafft hat, der, wie wenig andere, es versteht, sein eigen Wort zu führen und zu sprechen. „Er hat gesagt", können wir auch einmal einen g u t e n Ausspruch anführen."

Als man kann es schon als bemerkenswert bezeichnen, dass diese Stockkonservative Haufen, nun wähnt von Russell auch mal etwas in seiner Sicht positives berichten zu können glaubt.
Was sei denn nun dieses positive?
Dazu führt der „Lutheraner" dann an:

„Den Predigern, die klagen, daß die Kanzel ihren Einfluß verloren habe, sagt er (Russell)."

Und dann folgt das eigentliche Russell-Zitat, das hier im nachfolgenden noch kommentarlos zitiert sei:

„Das hat ihre eigene Predigt getan. Ihre eigenen Colleges und Seminare lehren die Evolution, und die höhere Kritik hat die Glaubwürdigkeit der Heiligen Schrift untergraben, bis diese Dinge sich in den Sonntagsschullektionen und in den Büchern der öffentlichen Schulen finden. Die Leute finden darin keine Erbauung, wenn sie hören, daß Adam und Eva vom Affen abstammten oder selbst Affen waren, daß sie nie Gottes Ebenbild getragen haben und es deswegen auch nicht verlieren konnten und keiner Erlösung bedurften. Wenn die Evolution wahr ist, dann ist der Mensch nie gefallen und bedurfte deswegen keines Heilandes, keiner Rettung aus gefallenem Zustande, sondern nur, daß man ihn in seiner Entwicklung in Ruhe ließ. Nach der höheren Kritik hat Moses die Bücher nie geschrieben, die ihm zugeschrieben werden. Jesaias, Jeremias, Daniel und andere, auch nicht diejenigen, die ihren Namen tragen.
Wenn das wahr ist, dann waren Jesus und die Apostel betrogene Leute, die diese Schriften anführten als Gottes Wort und sich für ihre Echtheit verbürgten."

Aber so recht traut besagter „Lutheraner" dem Russell, trotz seiner positiven (wohl einmaligen) Erwähnung weiterhin nicht.
Das macht dann auch das redaktionelle Nachwort des „Lutheraners" zu diesem Bericht deutlich:

„Pastor" Russell ist eben schlauer als diese Prediger, die ihren Unglauben offen aussprechen.

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