Kölbel & Levy
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 30. September 2008 10:12
Derzeit machen ja gewisse Meldungen über Turbulenzen an den Finanzmärkten in den USA (aber wohl auch andernorts) die Runde.
Da bietet sich vielleicht ein kleiner Rückblick an. Nicht auf die Problemlage insgesamt. Aber gezielt heraus-selektiert, auf einen Detailaspekt.

Die deutsche „Wachtturm"-Ausgabe vom 15. Juni 1930 (S. 190f.) berichtet in der Form eines namentlich gezeichneten und auch abgedruckten Leserbriefes, dass nachfolgende:


Wenn auch der Inf. Brief Nr 14 uns tröstet:
„Der Verlust ist eingetreten, aber nicht zu beklagen, so fühlt doch jedes geweihte Herz tiefen Schmerz über den schweren Verlust der das Bibelhaus betroffen war. Aus diesen Wunden, die der Feind uns schlagen durfte, ist deutlich ersichtlich, dass eben Krieg ist .... War die Organisation des Teufels schon gezwungen, mit gebundenen Händen zuzusehen, dass uns gerechter Weise Zugeständnisse gemacht wurden ... (finanzieller Art) so können wir uns lebhaft seine Wut und das Indianergeheul seiner Söhne angesichts dieses Erlasses vorstellen.

Satan musste im Laufe der Zeit erkennen, dass seine Macht von außen gegen die Organisation Gottes nichts auszurichten vermag, und so versuchte er sicherlich die Zersetzung des Werkes von innen heraus, indem er seit langen Uneinigkeit und Zwietracht unter die Brüder säte. Auch das hat ihm nicht viel Vorteil gebracht, - es war im Gegenteil nur von Nutzen für die völlig Gottergebenen und das Werk, wenn so die Mehrzahl der Nörgler, der Drohnen und Spötter und Unreinen sich selbst absonderten.

Nun versucht der Verruchte einen tödlichen Schlag - das Werk finanziell zu zerstören! Das soll ihm aber nicht gelingen! ...
Wo bekommen bloß die Bibelforscher das Geld her, diese Riesensummen, so jammern die Söhne des Teufels von jeher. Die Legende Juden - Freimaurer - Bolschewiken - ist nicht mehr zugkräftig und einleuchtend
Karl Kipper

Die Pfingstversammlung fällt aus, mein Reisegeld ist dafür eingesetzt gewesen, und ich werde dieses zu diesem Zweck Euch überweisen. ... Die durch Wegfall der Pfingsthauptversammlung Berlin ersparten Gelder an Fahrtkosten usw. wollen wir dem Herrn zur Verfügung stellen."


Dem Nichteingeweihten erscheinen vorstehende Ausführungen vielleicht etwas nebulös. Da der „Wachtturm" auch in anderen Kreisen gelesen wurde, braucht man sich nicht zu wundern, dass auch in besagten „anderen Kreisen", dieses Gefühl des Nebulösen vorherrschte.

Einer davon wollte es aber dabei nicht bewenden lassen, sondern mühte sich um weitere Informationen dazu.
Selbiger von Beruf Pfarrer. Was also tut ein Pfarrer, der sich um weitere Informationen bemüht? Genau, man ahnt es schon. Er setzt einen Fragebrief an eine dafür in Frage kommende Stelle in seiner Kirche auf. Und so ist es denn auch abgelaufen. Die in Frage kommende Stelle nannte sich „Apologetische Centrale".

Selbige auch eine wechselvolle Geschichte aufweisend. Unter anderem sollte sie denn auch mal den Nazis „auf die Nerven gehen".
Und wenn selbiger Umstand besteht, dann verstanden auch die Nazis „keinen Spass".

In etwas andere Worte übersetzt. Eines Tages machten die Nazis dann den „Laden" der „Apologetischen Centrale" dicht. Es war für die Nazis „Ehrensache", gleich bei der Gelegenheit, ihren gesamten Aktenbestand mit zu beschlagnahmen.

Selbigem Aktenbestand sollte dann insbesondere nach 1945, noch eine Odyssee bevorstehen. Jahrelang galt er als „verschollen". Und siehe da, nach dem, Ende der DDR tauchte er doch wieder auf. Zeitweilig sich dann auch in der Trägerschaft des Bundesarchivs befindend.

Und eben aus dieser Phase seiner Odyssee sei denn man etwas thematisches daraus zitiert.

Ein Pfarrer G. Richter in Leipzig wollte es etwas genauer wissen und wandte sich dazu mit einer Anfrage an die Apologetische Centrale. In ihrer Antwort vom 21. 7. 1930, müsste selbige dem Fragesteller aber dahingehend bescheiden. Der mit zitierte „Informationsbrief Nr. 14" sei auch ihr nicht zugänglich.

Aber die Apologetische Centrale streckte ihrerseits ihre Fühler aus. Unter anderem kontaktierte sie einen weiteren Pfarrer in Leipzig mit Namen Gerhard Riester. Selbiger Herr Riester teilte ihr nun in seinem Antwort-Schreiben mit:


Nach Mitteilungen der Leipziger Geschäftsstelle der Internationalen Bibelforschervereinigung handelt es sich bei dem im "Wachtturm" Nr. 12 und im "Informationsbrief Nr. 14" der Bibelforscher mitgeteilten Verlust um einen Bankkrach der Firma Kölbel & Levy in Leipzig - C1, Nikolaistr. 39/45, deren beiden Inhaber "Brüder" der Bibelforscher waren. [Hervorbung redaktionell. Nicht im Original]
Das Magdeburger Bibelhaus der Bibelforscher und deren Finanzzentrale hatte bei der erwähnten Bankfirma ein größeres Finanzdepot stehen, das wohl restlos verloren gegangen ist.
Aus "Sparsamkeitsgründen" ist deshalb das Berliner Haupttreffen abgesagt worden.

Wie wir in Erfahrung bringen konnten, ist die verloren gegangene Summe für eine Neuauflage der "Prophezeiungen", die mit etwa 90 - 100.000 Mark veranschlagt war, bestimmt gewesen. Die Berliner Haupttagung der Bibelforscher mußte aus Sparsamkeitsgründen abgesagt werden, da das Bibelhaus den in Aussicht gestellten Zuschuß von etwa 12 - 45.000 Mk. nicht geben konnte. Ein in Angriff genommener Neubau in Magdeburg soll weitergeführt werden."

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