„Freimaurerei und Sozialdemokratie"
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 03. April 2012 02:19
Auch im Naziregime gehörte die Freimaurerei zu den Geächteten. Um sich in
diesem Regime diesen Status einzuhandeln, gehörte wahrlich nicht viel dazu.
Insoweit erwischte es auch die Freimaurer.
Ein Herr Göring beliebte allerdings, denen noch die "Gnade" zu erweisen, sie
können und müssen sich selbst auflösen.
Ging diese Selbstauflösung dann nicht schnell genug vonstatten, dann halfen
auch in diesem Falle, die Nazis mit ihrer bekannten Unsensibilität kräftigst
nach.
Man kann den Disput vielleicht dergestalt zusammen fassen.
Demokratie war auch etwas, was die Nazis ohne viel Federlesen in die
Rumpelkammer beförderten.
Gab es in den Jahrzehnten davor noch Monarchien "von Gottes Gnaden" und trat
dann der "Betriebsunfall" einer Demokratie ein, so wähnten die Nazis zwar mit
einer formalen Monarchie nicht mehr viel am Hut zu haben. In ihren Parteinamen
befindet sich ja als - Etikettenschwindel - auch der Begriff "Arbeiter". So
wurde für die Nazivariante einer autokratischen Herrschaft halt der
"Mischbegriff" "Führerstaat" kreiert.
Auch die katholische Kirche stand in der Zeit um den ersten Weltkrieg herum,
in Europa noch auf deutlichem Kriegsfuß zur Demokratie.
Namentlich ihre Anti-demokratische Gesinnung, ist auch als wesentliches
Element ihrer Gegnerschaft (auch) zur Freimaurerei anzusprechen.
Ein Führerstaat der Nazis suchte auch nach Anleihen, die er dem unbedarften
Publikum als seine "Ahnen" vorstellen konnte. Viel an positiven Beispielen
ließen sich nicht auffinden. Dafür aber um so mehr in Nazisicht negative
Beispiele. Zu denen gehörten dann halt auch die Freimaurer.
Fast ganze Bibliotheken an Anti-Freimaurer-Schrifttum, die da als Folge davon
zusammengeschrieben wurden, lassen sich nachweisen.
Eine solche Schrift, die da zumindest in Nazisicht (weitaus weniger in
objektiver Betrachtung) einen gewissen "Qualitätsstandard" repräsentieren
wollte, war die eines gewissen Engelbert Huber mit dem Titel:
"Freimaurerei. Die Weltmacht hinter den Kulissen".
Aus ihr sei dann mal der nachstehende Passus zitiert:
"Aber die Gegensätzlichkeit
zwischen der katholischen Kirche und der Freimaurerei hat in den
vorzugsweise katholischen Ländern Weltanschauungskämpfe ausgelöst, die an
die Erbitterung und an den Fanatismus der Religionskämpfe früherer
Jahrhunderte erinnern. Die katholische Kirche sah in der Freimaurerei
geradezu die antikirchliche Weltbewegung, die „Gegenkirche", die
Ausschaltung ihres Einflusses aus allen Gebieten des öffentlichen Lebens,
die „Laisierung" der katholischen Völker für ihr unmittelbares Ziel, für
das Gebot der Stunde im Interesse der Kultur und des Fortschritts der
Menschheit."
Nun ist zwar einerseits das Schrifttum in Sachen Freimaurerei fast
unübersichtlich groß. Andererseits ist der befremdliche Umstand zu
registrieren, dass heutige Wiederkäuer einschlägiger Hetzthesen davon kaum,
bis nichts, auch wirklich mal selbst gelesen haben.
Dabei mag sicherlich der Erreichbarkeitsfaktor eine gewisse Rolle spielen.
Vieles ist eben nur mit einigem Aufwand erreichbar. Gibt es Ausnahmen von
dieser Sachlage, so verdienen sie durchaus erwähnt zu werden.
Eine erwähnenswerte Ausnahme ist dann sicherlich auch das nachgenannte Buch.
„Freimaurerei und Sozialdemokratie" so lautet auch der Titel eines 1891
erschienenen Buches.
Da bekanntermaßen das
Thema Freimaurer
- in unseriöser Weise - bei einigen Halbgebildeten mit in ihre Interpretation
der Zeugen Jehovas-Geschichte hineinspielt, ist man geneigt, vorgenannter
Spezies auch die eigene Lektüre des genannten Buches einmal anzuempfehlen.
Bezüglich einer Referierung zu ihm siehe auch:
Parsimony.24535
Die darin enthaltene Referierung bezieht sich allerdings auf die Dritte
verbesserte Auflage jenes Buches.
Nun würde ich meinen, dass die Unterschiede zwischen den einzelnen Auflagen,
für die hiesige Interessenlage nicht so sonderlich relevant sind. Es geht ja
nur darum einen Gesamtüberblick zu gewinnen.
Unter dieser Einschränkung bin ich der Meinung, kann man auch mit der zweiten
verbesserten Auflage davon vorlieb nehmen.
Es ist ja immer noch die Ausnahme von der Regel, solche Bücher im Kompletttext
auch im Internet einsehen zu können.
Da offenbar eine Digitalisierung seitens der Sächsischen Landesbibliothek in
Dresden jetzt vorliegt, sei mal ausdrücklich auf dieses Angebot hingewiesen.
http://www.slub-dresden.de/sammlungen/digitale-sammlungen/werkansicht/cache.off?tx_dlf%5Bid%5D=7692&tx_dlf%5Bpage%5D=3&Seiten=&cHash=ba714f939ac97485ee1b803985f8d091
Viel „Hoffnung", das diejenigen die es am dringendsten nötig hätten, solche
Textangebote auch mal tatsächlich lesen werden, habe ich allerdings nicht.
Die abschreckenden Beispiele an die ich da denken muss, sind von ihrem
geistigen Level „Bildzeitungsgebildet" (oder halt „Wachtturm"/"Erwachet!"-gebildet,
was wohl kein großer Unterschied ist).
Lesen die etwa von einem adventistischen Hetzer aus Australien oder noch
schlimmer von katholischen Ewiggestrigen, Anti-Freimaurrerische Hetzthesen,
ist deren Antwort:
„Aahhh" das ist doch die Wahrheit, nach der wir so lange suchten.
Es ist nur ein minimal kleiner Schritt für diese Herrschaften, in der Folge
auch die
Verblödungsthesen eines Jan Helsing und Co, gleichfalls in den Rang
eines nunmehrigen Ersatz-Evangeliums zu stellen.
Wäre es nicht so traurig, könnte man in der Tat über diese Art von
Bildungsniveau eher in Richtung Verzweiflung tendieren.
Technischer Nachtrag:
Ein „Gewähr" für die Erreichbarkeit des Links kann ich nicht übernehmen.
In Vorbereitung dieses Beitrages musste ich registrieren. Den Link den ich mir
dazu abgespeichert hatte, der funktioniert aber nicht mehr. Obwohl wenige Tage
vorher, ich mir das Buch selbst noch herunterladen konnte.
Man weis ja die Verwendung von Cookies ist durchaus üblich. Damit können
Anbieter auch nachrecherchieren, welche IP was genutzt hat.
In der Folge bekommt dann so mancher sehr schnell wieder „kalte Füße".
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Also dass kann schon mal gesagt werden. Wer etwa Cookies-Zulassung nicht
automatisch zustimmt, sondern individuell entscheiden will, und dann gar die
Variante wählt keine Cookies zuzulassen. Der dürfte im Fall der SLUB Dresden,
schon mal schlechte Karten haben.
Noch abschreckendere Beispiele für diese These ist für mich zum Beispiel der
Umstand.
Den Aufsatz aus der Nazizeit des Rolf Stoedter:
„Verfassungsproblematik und Rechtspraxis. Die Rechtsprechung zum
Bibelforscherverbot"
In: „Archiv des öffentlichen Rechts" 1936 (Heft 2).
Den gab es in mikroskopisch kurzer Zeit auch mal Online.
Dann wurde besagte Zeitschrift für die Öffentlichkeit wieder gesperrt.
Der Aufsatz existiert zwar in der Online-Variante weiter. Nur die
Öffentlichkeit hat keinen Zugriff mehr auf ihn.
Zugriff haben nur noch wissenschaftliche Bibliotheken und ähnliches. Dann aber
eben an Ort und Stelle, in jenen Bibliotheken.
Ein Schildbürgerstreich. Nicht selten haben besagte größere wissenschaftliche
Bibliotheken, auch noch das Print-Exemplar jener Zeitschrift, die sie nunmehr
„schonen" können.
Das ist nur ein abschreckendes Beispiel; weitere der Art sind mir durchaus
bekannt.
Sollte also im Falle der vorgenannten Einscannung auch noch nicht das letzte
Wort gesprochen sein. Kommentar siehe vorstehend.
Zumindest sei dann ersatzweise auf die vorgenannte Parsimony-Referierung
verwiesen.
Exkurs:
Zum thematischen Weiterlesen unter anderem empfohlen:
Freimaurer und Juden,
Kapitalisten und Kommunisten als Feindbilder rechtsextremistischer
Verschwörungsideologien vom Kaiserreich bis zur Gegenwart.
Von Armin Pfahl-Traughber
In: Uwe Backes (Hrsg.)
„Rechtsextreme Ideologien in Geschichte und Gegenwart" (2003)
Einleitend vermerkt der Autor:
„Verschwörungstheorien sind in
keinem anderen Lager mit solcher Inbrunst durchexerziert worden wie auf
der Rechten."
(S. 194)
In seiner Detailreferierung konstatiert er dann bezüglich der Freimaurer,
ihnen würden immer wieder revolutionäre Absichten unterstellt.
„Sie seien für die Zerstörung
der Sozialordnung von 'Thron und Altar' verantwortlich gewesen, hätten
darauf bezogene Umstürze und Unruhen wie insbesondere die Französische
Revolution initiiert, strebten die Errichtung von republikanischen
Gesellschaftsordnungen und letztendlich sogar die Errichtung der
Weltrepublik über eine Weltrevolution an." (S. 199)
Pfahl-Trauhber wertet weiter, das in der Französischen Revolution zwar auch
Freimaurer aktiv involviert waren:
„Sie handelten aber aus
politischer Überzeugung, nicht aufgrund von Anweisungen der
Freimaurerlogen".
Die politisch rechte Szene nimmt nun eine typische Verschiebung der
Ursachen, der von ihr nicht geschätzten Entwicklung vor.
Die Freimaurer werden von ihr gebrandmarkt, als Buhmänner aufgebaut, die
politischen und ökonomischen Ursachen der Entwicklung heruntergespielt, eben
bis zum Aufbau von „Prügelknaben", die in deren Sicht „allein verantwortlich"
seien.
In seiner Einschätzung finden sich auch die Sätze, Engelbert Huber mit seinem
Buch „Freimaurerei. Die Weltmacht hinter den Kulissen", sei als
„Freimaurerexperte" des faschistischen Propagandaministeriums anzusehen (S.
214)
Dem Johannes Rothkranz vom Verlag „Pro fide Catholica" ordnet er den
christlich-fundamentalistischen Schleppenträgern der Neonazis zu, was dann nur
zu bestätigen wäre (S. 223).
Rothkranz (und in dessen Gefolge auch Robin de Ruiter) wird in dieser
Überblicksdarstellung zwar nur gestreift, was eben der Konzeption einer nur
Überblicksdarstellung zuzuschreiben ist, welche vom Umfange her, nicht bis in
die Tiefen der jeweiligen Verästelung vorstößt.
http://books.google.de/books?id=lySItoAi_CsC&pg=PA193&dq=Freimaurer+und+Juden,+Kapitalisten+und+Kommunisten+als+Feindbilder+rechtsextremistischer+Verschw%C3%B6rungsideologien+vom+Kaiserreich+bis+zur+Gegenwart&hl=de&sa=X&ei=2WB5T7SoM47GtAa1nsWlBA&ved=0CDIQ6AEwAA#v=onepage&q=Freimaurer%20und%20Juden%2C%20Kapitalisten%20und%20Kommunisten%20als%20Feindbilder%20rechtsextremistischer%20Verschw%C3%B6rungsideologien%20vom%20Kaiserreich%20bis%20zur%20Gegenwart&f=false
Leider nur Englischsprachig vorliegend die Publikation aus dem Jahre 2011 mit
dem Titel:
"The Extreme Right in Europe"
herausgegeben von Uwe Backes,Patrick Moreau
Darin auch ein Abschnitt über den de Ruiter
http://books.google.de/books?id=RBnmachN8vkC&pg=PA400&dq=Robin+de+Ruiter&hl=de&sa=X&ei=4GV5T5mhGImxtAaHh8C8BA&ved=0CFMQ6AEwBA#v=onepage&q=Robin%20de%20Ruiter&f=false
Aber auch diese Publikation verlässst nicht den Rahmen, einer nur knappen
Überblicksdarstellung. Einzig erwähnenswert in ihrem Falle eben der Umstand,
dass in ihr namentlich im Kontext der extremen Rechten in Europa, ausdrücklich
der de Ruiter, namentlich mit erwähnt wird.
Mit alledem ist ja nun keineswegs gesagt, die großbürgerlichen Freimaurer,
wären "die Engel an sich."
Meines Erachtens hat die "Realenzyklopädie für protestantische Theologie und
Kirche" (3. verbesserte und vermehrte Auflage), durchaus einen wesentlichen
Aspekt in ihrem die Freimaurer betreffenden Artikel mit einfliessen laßen
(Band 6), wenn sie darin auch wertet:
"Die Zukunft (im Jahre 1899
geschrieben) drängt auf Öffentlichkeit; die Zeiten der Geheimthurerei sind
vorbei."
Insoweit ist auch ein prinzipieller Bedeutungsverlust der Freimaurerei in
der Gegenwart, im Vergleich zu früheren Zeiten zu konstatieren.
Und weiter im Zitat aus letztgenannten Votum:
"Aber während die
protestantische Christenheit den Gegensatz zwischen Kirche und
Freimaurerei nicht anders auffaßt, wie zwischen geschichtlichem
Christentum und moderner Aufklärung, sieht sich die katholische Kirche
gegenüber dem Freimaurertum zu einer ganz anderen Stellung veranlaßt."
Weiter in der Wertung der Realenzyklopädie:
"In den Kreisen der katholischen
Geistlichen und Laien macht man sich von dem Thun und Treiben der
Freimaurer die ungeheuerlichsten Vorstellungen. Man glaubt dort in weiten
Kreisen, daß der Teufel mit ihnen im Bunde steht, leibhaftig ihnen
erscheint und durch sie die Pforten der Hölle gegen den Stuhl Petri
ankämpfen läßt.
Im Jahre 1896 wurde sogar ein internationaler Anti-Freimaurerkongreß in
Trient gehalten.
Um den ungeheuerlichen Aberglauben der römischen Kirche vor aller Welt
lächerlich zu machen, veröffentlichte ein raffinierter Freidenker Leo
Taxil zu Paris improvizierte Mitteilungen einer amerikanischen Miß
Vaughan, die selbst Mitglied der Loge gewesen sein sollte, also alle
Geheimnisse des Satanskultes verraten könne. Die Katholiken verschlangen
gläubig die Enthüllungen der Miß Vaughan ...
Taxil fabrizierte ein Buch über das andere z. B. „Der Meuchelmord in der
Freimaurerei" Salzburg 1891. Jahr um Jahr hat er die Katholiken ... am
Narrenseil herumgeführt, bis er, um zu verhindern, daß andere das
Gaunerspiel entdeckten, es in einer öffentlichen Versammlung zu Paris zum
Entsetzen der anwesenden Priester - selbst aufdeckte."
Umso befremdlicher, wenn etwa evangelikale Kreise (und andere) nach wie
vor, die Freimaurerei als Buhmann aufzubauen sich mühen.
Noch ein ergänzender Exkurs:
Re: Zeitgeschichte vor siebzig Jahren
geschrieben von:
Drahbeck
Datum: 30. Oktober 2009 07:07
Ein weiterer durchaus beachtlich zu nennender Beitrag der "Trost"-Ausgabe
vom 15. 10. 1939, stellt auch das abgehandelte Thema sogenannter "Freimautrerbrief"
dar, ein zeitgenössischer "Schlager" der Anti-Bibelforscher-Apologeten, mit
Auswirkungen bis in die Gegenwart. Vorab zum Einstieg erst mal eine
Zusammenfassung dazu, wie sie schon seit geraumer Zeit vorliegt:
Jüdisch-freimaurerische Finanzierung?
Großes Aufsehen erregte in den zwanziger Jahren ein Prozess in dem es um die
Behauptung ging, die Bibelforscher würden durch jüdisch-freimaurerische Gelder
finanziert. Viele Gegner der Bibelforscher stürzten sich gierig auf diesen
Punkt. Auch die Apologetische Centrale versuchte Klarheit in diesem Wust von
Behauptungen zu bekommen. Veranlassung gab, dass sie gerade diesen Punkt
betreffend immer wieder mit Anfragen bestürmt wurde. So antwortete sie
beispielsweise einem Fragesteller am 18. 9. 1930:
"Da nicht eine ganz zuverlässige Quelle über die Finanzierung anzuführen
ist, raten wir Ihnen zu großer Vorsicht in der Öffentlichkeit davon zu
sprechen. Wir haben es selbst früher auch getan, sind aber von dieser Taktik
abgegangen, weil man eben nicht bis zum letzten die Beweise herbei schaffen
kann. Das wir aber trotzdem überzeugt sind, dass finanzielle Zusammenhänge
zwischen dem jüdisch-kommunistischen Kapital und den Bibelforschern bestehen,
möchten wir Ihnen noch sagen, aber es fehlen wie gesagt die tatsächlichen
Unterlagen dafür." [68]
Ein anderer Anfrager wollte wissen, dass es von den Prozeßakten
Vervielfältigungen geben sollte und bat um deren Einsichtnahme, sofern sie
auch der Apologetischen Centrale vorlegen sollten. Man musste ihn abschlägig
bescheiden fügte aber noch hinzu: Wir werden aber versuchen sie zu beschaffen
und ihnen dann sobald wie möglich zuschicken. [69]
Was aus diesem Vorhaben wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich. Dieses
Antwortschreiben war vom 19. 5. 1931 datiert. Falls es der Apologetischen
Centrale danach noch möglich gewesen wäre, neue Erkenntnisse zu gewinnen,
hätte sie das sicherlich bekannt gegeben. Aber weder in den Akten noch in den
Veröffentlichungen gibt es entsprechende Hinweise.
Die Stimmen, die differenziert und mit Skepsis der Unterstellung einer
jüdisch-freimaurerischen Bibelforscherfinanzierung gegenüberstanden, waren in
der Regel auf nichtkirchliche Kreise beschränkt. Seitens der proletarischen
Freidenker etwa, erklärte Efferoth:
"Außerdem behaupten die Antisemiten - ob mit Recht oder Unrecht sei
dahingestellt -, dass das jüdische Bankhaus Hirsch in New York die
Dollar-Millionen für die ungeheuerliche Propaganda der 'Bibelforscher'
aufbringen, wobei man allerdings, wenn man nicht gerade ein blonder
Rassenphantast und Zionistenriecher ist, nicht gerade den Grund einsieht, was
einen modernen Bankier veranlassen sollte, in Religion zu spekulieren.
Tatsache ist, dass die Traktätchen der 'Bibelforscher' … entweder
unentgeltlich oder doch weit unter dem Herstellungspreis an den Mann gebracht
werden, so das die unbedingte Notwendigkeit besteht, anzunehmen, dass recht
kapitalkräftige Kreise im Interesse der Sekte ziemlich tief in ihren
Brustbeutel zu greifen pflegen." [70]
Der Name des "Jüdischen Bankhauses Hirsch in New York" taucht noch in etlichen
Veröffentlichungen über die Bibelforscher auf. Beispielsweise behauptet
Schlegel: "Diese Spur führt zum Jüdischen Bankhaus Hirsch in New York. Von
diesem Bankhaus wird die ganze I.V.E.B. (Internationale Vereinigung Ernster
Bibelforscher) mit den reichsten Geldmitteln versorgt." [71]
Wenn man dieser, so ohne jegliche Detailbegründung in den Raum gestellten
Behauptung näher auf den Grund geht, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die
(nicht genannte) Quelle dafür in der 2. Auflage des Pamphletes des Antisemiten
Fetz, "Der große Volks und Weltbetrug durch die 'Ernsten Bibelforscher'" zu
sehen ist. Darin schreibt er: "Und noch geheimnisvoller wird die Frage,
wenn man erfährt, dass durch das jüdische Bankhaus Hirsch in New York die
ganze IVEB mit den reichsten Geldmitteln versorgt wird (Nornen Nr. 133)."
[72]
Fetz, Mitglied des "Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes", sollte noch
etliche Nachbeter finden. So wird denn in einer anderen Schrift des gleichen
Verbandes die Publizistik von Fetz über alle Maßen gelobt. [73] Es kam in der
von Fetz aufgeworfenen Frage der Finanzierung der Bibelforscher noch zu
gerichtlichen Auseinandersetzungen. Sie endeten aber aus vielerlei Gründen wie
das sprichwörtliche "Hornberger Schießen".
In vollmundigen Thesen plakatierten die Antisemiten, der
"Bibelforscherschwindel sei von der jüdischen Hochfinanz bezahlt." [74]
Man redete aneinander vorbei, setzte unterschiedliche Schwerpunkte. Jedenfalls
ist in keinem dieser Prozesse, sofern sie denn überhaupt bis zum Ende
durchgeführt wurden, ein speziell die Finanzierungsfrage betreffendes
greifbares Ergebnis nachweisbar. Darauf beriefen sich wieder die
Bibelforschergegner, indem sie anführten, die Bibelforscher hätten
letztendlich in entscheidenden Momenten gekniffen.
In ihrer Verteidigungsschrift "Wahr oder nicht wahr?" schrieben die
Bibelforscher: "Die im 'Wachtturm' genannte 'Hilfe aus Amerika' war eine
Unterstützung durch das Brooklyner Bibelhaus in der schlimmsten Zeit der
Inflation Deutschlands, die den Kauf eines Grundstückes und einiger Maschinen
zum Drucken ermöglichte." [75]
In einer weiteren Verteidigungsschrift namens "Kulturfragen" wird ausgeführt:
"Es sei hier noch mitgeteilt, dass der Abschluss des Jahres 1924 dem
Bibelhaus (in Deutschland) als der Zentralstelle eine Unterbilanz von Mark 498
366,06 und des Jahres 1925 eine Unterbilanz von Mark 725 405,69 buchmäßig
nachweisbar erbrachte. Diese durch die billige Literatur, Freiliteratur und
Tausende veranstalteter religiösen Volksbelehrungsabende entstandenen
Fehlbeträge wurden durch freiwillige Beiträge gedeckt." [76]
Somit wurde durch Bibelforscherangaben bestätigt, dass in Deutschland
beispielsweise für die Jahre 1924/25 circa 1,2 Millionen Mark mehr von ihrer
Organisation ausgegeben wurde, als durch reguläre Eingaben gedeckt wurde. Man
versuchte den Eindruck zu erwecken, die zu jenem Zeitpunkt nicht einmal 10 000
deutschen Bibelforscher hätten das Defizit durch Spenden gedeckt. Man wird der
Wahrheit näher kommen, wenn man unterstellt, dass der Mammutbetrag dabei von
der US-Zentrale der Bibelforscher zugeschossen wurde. Die wiederum
veröffentlichte keine Bilanzen ihrer tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben.
Damit ist Raum für die Spekulation gegeben, dass es dabei auch Spender gegeben
habe, deren Namen man in der Öffentlichkeit lieber nicht nennen wollte. [77]
Es ist aber auch festzuhalten, dass außerhalb der Gerichtlich-juristischen
Ebene die Bibelforscher durchaus eindeutig diesen Unterstellungen
wiedersprochen haben. Ein Beispiel wird von Stokes zitiert. Unter Bezugnahme
auf die Anwürfe von Fetz hatten die Bibelforscher z. B. in etlichen Zeitungen
verkündet: "Wir zahlen jedem, der den Beweis bringt, dass die V(ereinigung)
E(ernster) B(ibelforscher) jemals Geld oder ähnliches von Juden empfangen hat,
eine Belohnung von 10 000 Mark." [78]
Der ausgelobte Betrag wurde nicht eingefordert. Dennoch gab es keine Ruhe in
dieser Angelegenheit. Das Lieblingsthemen der Antisemiten, die Behauptung der
jüdisch-freimaurerischen Bibelforscherfinanzierung, stützte sich besonders auf
den Brief eines amerikanischen Freimaurers der davon sprach, dass die
Bibelforscher auf indirektem Wege größere Geldbeträge erhielten. Adressiert
war das Schreiben an einen deutschen Freimaurer der seine "Erkenntnisse" in
verschiedener Form vermarktet hat. Vollmundig verkündet dieser "Christian
Kreuz" (alias Herbert von Bomsdorff-Bergen) seine Grundsatzauffassung:
"Christliche Staaten können nur nach christlichen Grundsätzen regiert werden.
Das unserem Wesen Fremde darf höchstens Gastrecht genießen, aber niemals
bestimmenden Einfluss in den Volksorganismus gewinnen, wie z. B. das Judentum
und die politische Weltfreimaurerei." [79]
Ausgehend von seiner These wusste er einen konkreten "Störenfried" zu
benennen: "Alle Bewegungen die geeignet sind, den menschlichen Geist zu
verwirren, Aberglauben zu verbreiten (siehe die 'Ernsten Bibelforscher')
Unfrieden zu stiften werden - indirekt und absolut unauffällig von der
Weltfreimaurerei unterstützt." Und er geht noch weiter und erklärt:
"Ich konnte den Gedanken nicht los werden, dass hier das internationale
Judentum seine unsauberen Hände im Spiel haben müsse. Meine Vermutungen wurden
zur Gewissheit. Ich erhielt volle Bestätigung durch Briefe aus Amerika;
bereits im Jahre 1911 wird von namhaften Unterstützungen gesprochen, die die
'Ernsten Bibelforscher' durch jüdische Freimaurer direkt oder indirekt
erhalten."
Bomsdorff-Bergen zitiert dann den Brief eines amerikanischen Freimaurers vom
27. 12. 1922 der ihm aus Boston, Massachusetts schrieb. [80] Der amerikanische
Freimaurer bezog sich auf eine Anfrage von Bomsdorff-Bergen auch bezüglich der
Bibelforscher, um darauf zu antworten: "Gewiss sind uns diese Leute
nützlich, sogar von sehr großem Nutzen. Wir geben ihnen viel Geld durch eine
Anzahl Brüder (die sehr viel Geld gemacht haben, während des Krieges, es tut
ihrem dicken Portefeuille nicht weh!) Sie gehören zu den Juden. … Wir haben
diese Leute sehr nötig. Sie müssen uns Pioniere sein! Was soll ich ihnen mehr
sagen! Sie wissen ja selbst genügend!"
In seinen weiteren Ausführungen setzt sich Bomsdorff-Bergen dann mit den
Bibelforschern in den Worten auseinander: "Die 'Ernsten Bibelforscher'
halten in allen Städten Vorträge, ein beliebtes Thema ist: 'Satans Reich
fällt!' Unter dem Satansreich verstehen sie die heutigen Staaten, die
religiösen und wirtschaftlichen Zustände. Die Bibelforscher haben den allein
richtigen Glauben, so lassen sie in ihrer rührenden Bescheidenheit
durchblicken."
Weiter kommentiert er: "Natürlich wollen die frommen Leute im trüben fischen.
Den Hauptfischzug macht aber jene Organisation, deren bewusste und unbewusste
Pioniere sie sind. Damit ist nicht gesagt, dass es unter den 'Ernsten
Bibelforschern' anständige und ehrliche Leute nicht geben kann." [81]
Bevor Bomsdorff-Bergen seine Broschüre herausbrachte, hatte er den
wesentlichen Sachverhalt schon in der in Olten (Schweiz) erscheinenden
katholischen Tageszeitung "Der Morgen" publiziert. [82] Die dort gewählte
Artikelüberschrift lautete: "Sind die Ernsten Bibelforscher wirklich so
'harmlos'?" In der redaktionellen Einleitung wird vermerkt: "Wir erhalten
von einer durchaus eingeweihten Seite, die wir aber aus besonderen Gründen
heute noch nicht nennen können, einen Artikel, der auf obige Frage eine ganz
neue Antwort gibt."
Diese Antwort fiel denn auch entsprechend tendenziös aus. Unter Bezugnahme auf
das Bibelforscherschlagwort von den "Millionen jetzt Lebender die niemals
sterben würden" hieß es dann: "Gewiss, man hat nur vergessen, ein paar
Worte einzuschieben: eines natürlichen Todes! Das ist richtig, denn die
Machtgier gewisser Staaten und die heimlichen Wühlereien der Weltfreimaurerei,
die doch die Triebfeder von allem Unheil sind, werden dafür sorgen, dass die
Menschheit von den Kriegsschrecken nicht so bald erlöst wird."
Bomsdorff-Bergen äußert dann weiter: "Zufällig gelangten nun Originalbriefe
aus Freimaurerkreisen in unsere Hände, die die 'Harmlosigkeit' der Ernsten
Bibelforscher in einem völlig neuen Lichte zeigen. Sie werden darin von
kompetenter Seite als die Pioniere der Weltmaurerei bezeichnet, die auch aufs
reichlichste durch stets bereite Brüder mit Geldmitteln versorgt werden."
Er zitiert dann einen solchen Brief vom 27. 12. 1922 [83] Einleitend heißt es
darin: "Ihre zweite Anfrage, die betrifft die Internationale Gesellschaft
der Ernsten Bibelforscher." Diese Formulierung verdeutlicht, dass
Bomsdorff-Bergen selbst somit der Anstoßgeber der von ihm zitierten Äußerung
war.
Er, der ehemalige Freimaurer, sucht sich nun nach dem Vorbilde von Leo Taxil
ein katholisches Presseorgan aus, im Bewusstsein dessen, dass man dort für
Antifreimaurerisches sicherlich ein offenes Ohr hat. Wenn es gar noch mit
Anti-Bibelforscherischem vermengt ist, um so besser. So "streng katholisch",
kann Bomsdorff-Bergen jedenfalls nicht gewesen sein; denn einige Jahre später
beehrte sich auch eine andere Religionsgemeinschaft noch, einen Artikel aus
der Feder von Herbert v. Bomsdorff-Bergen abzudrucken. Auch wenn der sich "Die
Religion und der gesunde Menschenverstand" nennende Artikel nichts
spezifisches enthält, was man als auf die Bahai-Religionsgemeinschaft
zugeschnitten interpretieren muss, so ist es doch sehr die Frage, ob ein
"gläubiger Katholik" sich unbedingt ein Presseorgan der Bahai aussucht. [84]
Aber es ist offensichtlich, dass Bomsdorff-Bergen meinte noch mehrere solcher
Briefe zur Verfügung zu haben. In seiner Broschüre äußert er dazu: "Meine
Vermutungen wurden zur Gewissheit, ich erhielt volle Bestätigung durch Briefe
aus Amerika. Bereits im Jahre 1911 wird von namhaften Unterstützungen
gesprochen, die die 'Ernsten Bibelforscher' durch jüdische Freimaurer direkt
oder indirekt erhalten. Das die politische Weltmaurerei ebenfalls an der
'Arbeit' der 'Ernsten Bibelforscher' interessiert sein müsse, war mir von
Anfang an klar.
So verschiedene Punkte, die dem Laien nicht auffallen, sprachen ganz
entschieden dafür. Auch in dieser Hinsicht täusche ich mich nicht. Ich erfuhr
noch mehr. Ich erhielt Nachricht, dass amerikanische Brüder im Verein mit den
'Ernsten Bibelforschern' vor Kriegsausbruch in Deutschland eine emsige
Tätigkeit entfalteten, um das deutsche Volk, dass damals noch an keinen Krieg
dachte, jedem Kriegsgedanken abhold zu machen; aber nicht um des
Völkerfriedens willen, sondern um Deutschland bequem überrumpeln zu können.
Das amerikanische Großkapital, in Sonderheit Freimaurerei und Judenschaft,
wussten ganz genau, dass es in Kürze zu einem Krieg in Europa kommen müsse, an
dem Amerika sich entscheiden so oder so beteiligen würde. Es kam so. Das
Amerika in dem Augenblick eingreifen musste, als die Sache für Frankreich und
England sich bedenklich gestaltete, war jedem verständlich, dem das Spiel der
internationalen Politik, an dem die Weltfreimaurerei hervorragenden Anteil
hat, nicht fremd ist. An der Art von Börsenspekulationen ist auch mancherlei
zu erkennen. ... 1919 bestätigten mir Briefe aus England und Amerika, dass man
in Freimaurerkreisen ein Interesse an der Arbeit der 'Ernsten Bibelforscher'
habe. Ein großes sogar!" [85]
Bestätigt sah sich Bomsdorff-Bergen auch durch jenen Passus in den
Freimaurerbriefen wo man äußerte: "Im nächsten Frühjahr wird ein
bedeutender Jurist ... nach Europa kommen. Er war schon mehrere Male in
Europa. Mr. Rutherford, der wird Propaganda machen durch Vorträge. Ich habe
Gelegenheit jetzt zu einer Bitte an Sie. ... Wollen Sie bitte bemüht sein,
dass die Journale der Schweiz keine Artikel bringen, die gegen diese Vorträge
gerichtet sind!" [86]
Der weitere Ablauf wird von ihm mit den Worten umrissen: "Anfang Juni
erhielt die Redaktion des 'Morgen' einen Einschreibebrief von den
Rechtsanwälten der sogenannten 'Ernsten Bibelforscher', der Autor des Artikels
solle unter Klageandrohung Widerruf leisten. … Sie klagten aber nicht. Auf
Veranlassung des 'Morgen' brachte ich am 16. Juni 1923 einen Artikel, der
alles andere als ein Widerruf und nur eine Bekräftigung der erhobenen Anklagen
war." [87]
Darin schrieb er: "Ich habe nicht gesagt, dass die 'ernsten Bibelforscher'
soweit die Schweizer Gesellschaft in Frage kommt, ein Bündnis mit der
Weltfreimaurerei geschlossen hat, auch nicht, dass sie sich von diesem
Geheimbund bezahlen lässt. - Es ist sogar möglich, dass die 'ernsten
Bibelforscher' den Grund der Freigebigkeit mancher Freunde ihrer Tätigkeit
nicht kennen, sie glauben, uneigennützige Freunde zu haben und verteidigen
diese." [88]
Die Reaktion darauf wird mit den Worten beschrieben: "Die Bibelforscher
schwiegen bis Mitte September, also volle drei Monate. Da erhielt ich wieder
einen Einschreibebrief der Rechtsanwälte in welchem nochmals mit Klage gedroht
wird. ... Wiederum ließ ich die Frist von acht Tagen, die mir für den Widerruf
eingeräumt wurde, verstreichen, und brachte am 3. Oktober 1923 einen
Zeitungsartikel, den jeder, selbst mit einem einfachen Denkvermögen Bedachte
als eine direkte Herausforderung zur Klage ansehen muss. Man klagte nicht."
[89]
In dem genannten Artikel schrieb er: "Am 21. September lassen die 'Ernsten
Bibelforscher' die Redaktion des Morgen durch ihren Rechtsanwalt mitteilen,
dass sie den in Frage kommenden Brief zu sehen wünschen, im Weigerungsfalle
sie Ehrverletzungsklage anstrengen würden. Die Herrschaften haben die
Kühnheit, zu behaupten, der Brief könne nicht echt sein. Wir weisen diese
dreiste Behauptung mit der Bemerkung zurück, dass wir es gewissen anderen
Leuten überlassen, mit unehrlichen Waffen zu kämpfen und sehen allen weiteren
Schritten der 'ernsten Bibelforscher' mit der Ruhe entgegen, die ein ehrliches
Gewissen als Fundament hat." [90]
Dieses eindeutige Auftreten ließ die Bibelforscherleitung zurückstecken. Sie
wagte es nicht gegen Bomsdorff-Bergen gerichtliche Klage zu erheben. Wohl aber
klagte sie gegen Kolporteure dieser Behauptungen, von denen sie annehmen
konnte, dass sie nicht allzu tief mit der Materie vertraut sind. Immerhin
unternahmen sie eine Klage gegen den Verleger der Broschüre, Keller-Zoller,
die mit einem Vergleich endete.
Jonak, der diese Vorgänge ausführlich referiert hat, merkt an, dass der
eingeschüchterte Keller-Zoller weder vor noch nach dem Vergleich seinen Autor
Bomsdorff-Bergen darüber informiert hatte: "Diesen Vergleich schloss der
gefügige E. Keller-Zoller, … ohne hierzu die Ermächtigung des Verfassers
Christian Kreuz (Bomsdorff-Bergen) eingeholt zu haben. Er verständigte
Bomsdorff weder vor noch nach der Vergleichsverhandlung, so das dieser von dem
Vergleich nichts wusste und erst nachträglich davon erfuhr. Man verhandelte
hinter dem Rücken des Verfassers, um diesen nicht zu Wort kommen zu lassen."
[91]
Eine weitere Bibelforscherklage wurde gegen den Arzt Dr. Fehrmann erhoben und
erreichte nahezu sensationelles Aufsehen. Da auch bei dieser Klage
Bomsdorff-Bergen nicht direkt tangiert ist, war auch in diesem Fall sein
Auftreten vor Gericht nicht vorgesehen. Jonak kommentiert:
"Schon während des St. Gallener Prozesses war den Bibelforschern der Name
Bomsdorff-Bergens bekannt. Es wäre das einzig richtige gewesen, dass sie ihn,
der den Brief im 'Morgen' und in einer Broschüre veröffentlichte und die darin
enthaltenen Behauptungen für wahr erklärt hatte, wegen Verleumdungen angeklagt
hätten. Sie unterließen dies aber. Sie protestierten sogar gegen seine
Vorladung als Zeuge. Und auch als Bomsdorff-Bergen den Brief in der 'Münchener
Katholischen Kirchenzeitung' Nr. 19 vom 10. Mai 1925, mit der die
Bibelforscher korrespondierten, neuerdings erscheinen ließ und dabei seinen
Namen nannte, sahen sie von einem Vorgehen gegen ihn ab." [92]
Publizistisch nahm Bomsdorff-Bergen weiterhin jede sich bietende Gelegenheit
wahr, seine These zu bestätigen. So auch in der von Fritz Schlegel
herausgegebenen Zeitschrift "Abwehr". Schlegel selbst war ebenfalls als ein
dezidierter Bibelforschergegner hervorgetreten, unter anderem durch zwei
einschlägige Bücher. [93] In diesem Zusammenhang ist ein beiläufiger Satz in
dem "Handbuch der Judenfrage" interessant der besagt: "Natürlich haben sie
gelegentlich die Behauptung aufgestellt, der Freimaurerbrief sei eine
Fälschung. Aber da trat nun der Empfänger (Herbert von Bomsdorff-Bergen aus
Ludwigshafen am Bodensee) selber an die Öffentlichkeit und bewies die Echtheit
in der 'Abwehr' Nr. 2 vom August 1925." [94]
Sieht man sich den von Jonak zitierten Artikel der "Münchner Katholischen
Kirchenzeitung" näher an, dann kann man bestätigen, dass er in der Aussage
eindeutig ist. Einige Passagen daraus: [95] "Der Adressat, Herbert von
Bomsdorff-Bergen, ermächtigt uns, seinen Namen zu nennen. ... In dem Protokoll
jener Vereinbarung ist die Stelle enthalten, dass ich (Keller-Zoller) zu dem
Vergleich nur die Hand biete, weil durch Unterschlagung des sog.
Freimaurerbriefes mir die Möglichkeit einer richtigen Beweisführung genommen
ist, was für mich den Grund bildet zur Verständigung mit den Ernsten
Bibelforschern. Die Ernsten Bibelforscher haben auch die Kosten des gegen mich
eingeleiteten Verfahrens übernommen. Die Ernsten Bibelforscher, so konstatiert
der Verleger weiter, machten nachher breitspurige Veröffentlichungen, ließen
aber jene Protokollstelle mit Absicht stets unerwähnt." [96]
Über eines kann jedoch kein Zweifel sein. Bomsdorff-Bergen wollte zum Ausdruck
bringen, dass amerikanische Freimaurerkreise den Bibelforschern beträchtliche
Finanzspritzen zukommen ließen, dass die amerikanischen Freimaurer die
Bibelforscher als "Zersetzungswerkzeug" dogmatischer Kirchen einschätzten und
aus dieser Motivation heraus handelten. Zweierlei wird man dazu sagen können:
Diesen Vorwurf pauschal auf das gesamte amerikanische Freimaurertum zu
erheben, dürfte unzulässig sein. Aber man wird auch feststellen können, dass
historisch betrachtet, eine Situation der Feindschaft speziell zwischen der
katholischen Kirche und der Freimaurerei bestand. So gesehen kann man die
Vorwürfe Bomsdorff-Bergens, bezogen auf Teile des amerikanischen
Freimaurertums, als durchaus berechtigt akzeptieren.
Zweitens, ist die relative Finanzstärke der frühen Bibelforscherbewegung nicht
"nur" durch Mitgliedsbeiträge erklärbar. Dies wird auch dadurch erhärtet, dass
die Bibelforscherführung bis in die Gegenwart hinein, keinerlei detaillierte
Einblicke in ihren Finanzhaushalt gewährt. Wenn also unterstellt wird,
amerikanische Freimaurerkreise, die finanziell dazu in der Lage waren, haben
der Bibelforscherbewegung auf indirektem Wege namhafte Spendenbeträge zukommen
lassen, dann wird man auch das - bis zum Beweis des Gegenteils - als
Gegebenheit zu akzeptieren haben.
Damit ist nicht gesagt, dass es sich um eine "ständige" Subvention handelte.
Aber als zumindest zeitweilig (speziell in der Phase der internationalen
Ausdehnung der Bibelforscher), ist dieser Vorwurf als berechtigt zu
registrieren.
Schon bei Bomsdorff-Bergen klingt es in "Zwischentönen" an. Man kann es aber
noch gezielter auf den Punkt bringen. Es geht hierbei nicht um das
Selbstverständnis der Bibelforscher. Wohl aber geht es darum, welche Zwecke,
politischer Natur jene Förderer verfolgen, die für sich persönlich die
Entscheidung getroffen haben, kein Bibelforscher zu werden, die aber
andererseits dennoch diese Organisation finanziell förderten. Die Antwort auf
diese Frage erhält man, wenn man das politische Gesamtumfeld dabei mit
berücksichtigt. Es wurde mal mit den Worten umrissen:
"Auf das Konto der Vereinigten Staaten geht schließlich der erste
imperialistische Krieg zur Neuaufteilung der Welt. 1898 nutzte die
US-Regierung den … Untergang eines ihrer Kriegsschiffe im Hafen von Havanna
dazu, um der finanziell bankrotten und militärisch so gut wie wehrlosen
spanischen Monarchie in wenigen Wochen die Reste ihres Kolonialreiches
abzunehmen. Puerto Rico annektierte man einfach, die Philippinen wurden nach
der blutigen Unterdrückung der nationalen Unabhängigkeitsbewegung in eine
Kolonie verwandelt; Kuba wurde formell ein selbständiger Staat. ... 1898
erfolgte auch die Annexion von Hawaii. 1903 inszenierte die US-Regierung, um
sich die ausschließliche Kontrolle des Verbindungsweges zwischen Atlantik und
Pazifik zu sichern, in Kolumbien eine separatistische Bewegung. Der neuen
Republik Panama wurde die Kanalzone buchstäblich abgepresst. Mit der
Fertigstellung des Panama-Kanals 1914 verfügten die Vereinigten Staaten dann
über eine hervorragende Ausgangsposition für die Expansion sowohl in
westlicher (atlantischer) als auch in östlicher (pazifischer) Richtung."
Über die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg recherchierten die Autoren weiter:
"Mit dem 1. Weltkrieg gelang den Vereinigten Staaten endgültig der Durchbruch
zu einer Weltmachtposition. Während die europäischen Länder allesamt
geschwächt aus dem Krieg hervorgingen, vergrößerte sich das nordamerikanische
Machtpotential bedeutend. Nur wenig mehr als 1% der Kriegsverluste entfiel auf
die USA, ihr Territorium blieb von allen Kriegshandlungen verschont. Ihr
ökonomisches Potential wuchs aufgrund der Kriegskonjunktur gewaltig an."
[97]
In diese Gesamtsituation ordnen sich auch die Expansionsbestrebungen der
Russellorganisation ein. Hatten in früheren Jahrhunderten europäische
Kolonisationsbestrebungen in den christlichen Missionen ihre Vorboten, so
bestand nun eine ähnliche Situation unter US-amerikanischer Hegemonie. Der
politische Gehalt ihrer Lehren, hat denn ja auch noch nachfolgend, einigen
Regierungen, namentlich in Deutschland, einiges zu schaffen gemacht. Freie
Konkurrenz bis aufs "Messer". Arbeiten zu Dumping"löhnen", dass sind so einige
"Errungenschaften" der US-Kolonisatoren, wo die europäischen Konkurrenzkirchen
in der Tat nicht "mithalten" können!
Die Vorwürfe von Bomsdorff-Bergen wurden in weitem Umfang kolportiert. Der
Bibelforscherbewegung waren sie nicht "angenehm". Zeitweilig versuchte sie auf
gerichtlichem Wege einen Stop zu erreichen. Allein es zeigte sich, dass sie in
entscheidenden Momenten die Sache auf sich beruhen ließ, bzw. nicht konsequent
genug handelte. Auch ein indirektes Eingeständnis.
Wer ist nun Herbert von Bomsdorff-Bergen? Es ist ein Autor, dem es primär
nicht um die Bibelforscher geht, der sie eher am Rande behandelte. Den Anstoß
für seine Aktivitäten fand er in der Korrespondenz, die er mit amerikanischen
Freimaurern pflegte. Bomsdorff-Bergen hatte mit den Freimaurern gebrochen und
wollte ihnen daher eins "auswischen". [98]
Neben einigen weiteren Schriften, nicht ganz so dubioser Art, kann man ihn
dann 1935 noch als Autor in der Zeitschrift "Der Weltkampf" begegnen.
Inzwischen war auch die Freimaurerei in Hitlerdeutschland verboten worden.
Bomsdorff-Bergen war es vorbehalten dazu im "Weltkampf" einen Kommentar zu
veröffentlichen. [99]
Der Antisemit Jonak, meinte noch ein weiteres "Mosaiksteinchen" zu der heiß
diskutierten Finanzierungsfrage der Bibelforscher beitragen zu können. Unter
Bezugnahme auf Rutherford's Buch "Trost für die Juden" kommentiert er es mit
den Worten: "Besonders interessant ist, dass Rutherford in diesem Buch
einen an ihn von Nathan Strauß gerichteten Brief vom 14. August 1925
veröffentlicht. ... Dieser Nathan Strauß ist ein in der Rheinpfalz geborener,
nach Amerika ausgewanderter Jude, Teilhaber an großen Warenhäusern und war
wiederholt Ehrenpräsident des American Jewish Congresses. Strauß spendet
alljährlich größere Summen für zionistische, jüdische und philanthropische
Zwecke. So schreibt das 'Jüdische Lexikon.' Er dürfte hernach wohl zu
denjenigen zählen, die die Bibelforscher subventionieren, zu den Männern, 'die
Gott und seine Sache lieben.'" [100]
St. Galler Bibelforscherprozess
Es wurde schon angedeutet, dass die Bibelforscher im Falle Bomsdorff-Bergen es
nicht wagten konsequent zu handeln. Aber die von ihm angestoßene Diskussion
lag ihnen nichts desto weniger "schwer im Magen." Bei "passender" Gelegenheit
versuchten sie daher ihren Frust auf Nebenkriegsschauplätzen loszuwerden.
Die Sache fing damit an, dass am 21. 1. 1924 von dem Zürcher
Theologieprofessor Ludwig Köhler ein öffentlicher Vortrag über die
Bibelforscher gehalten wurde. Köhler hatte sich auch dadurch ausgewiesen, dass
er gleichfalls im Jahre 1924 eine Schrift veröffentlicht hatte mit dem Titel:
"Die Offenbarung des Johannes und ihre heutige Deutung." Auch wenn sie nicht
primär im Hinblick auf die Bibelforscher konzipiert war, so konnte jedoch kein
Zweifel darüber bestehen, dass er den Endzeitthesen der Bibelforscher - nicht
zuletzt aufgrund seiner historischen Kenntnisse, dezidiert kritisch
gegenüberstand.
Allerdings war dies eine sachliche Gegnerschaft. [101] Eine Gegnerschaft der
Art "mit Schaum vorm Maul" gegen die Bibelforscher zu agitieren, war nicht
seine Sache. Letzteres war jedoch für viele zeitgenössische
Bibelforschergegner zutreffend. Zu ihnen ist ganz offensichtlich auch der
Fritz Schlegel zuzurechnen.
Und so ereiferte sich denn auch Schlegel über Köhler mit den Worten:
"In diesem Vortrage hat der Herr Professor bewiesen, dass er die
Bibelforscherlehre entweder nicht kennt oder nicht kennen will, sonst hätte er
nicht die Behauptung über die Lippen bringen dürfen, die E(rnsten)
B(ibelforscher) seien gar nicht so schlimm, wie sie oft mitunter hingestellt
würden. Sonst hätte er den Gottesleugnern und Religionsfeinden als
christlich-protestantischer Professor nicht in verschiedenen Dingen wieder
Recht geben dürfen. Sonst hätte er es nicht als Verleumdung bezeichnen dürfen,
dass man die E. B. mit jüdischem Einflüssen in Verbindung bringe.
Der nämliche Gelehrte hat auch in jenem Vortrag es für nötig gefunden, sich zu
äußern, Russell könne nichts schlimmes nachgesagt werden, er sei ein 'rechter
Mann' gewesen. Dann darf man also in Zukunft jemand, der öffentlich zum
Kirchenaustritt auffordert, zum Kampfe gegen die Geistlichkeit aufreizt, die
christlichen Regierungen verlacht nichts nachsagen. Dann ist ein solcher wie
jeder untadelige Bürger ein Ehrenmann! Das verstehe, wer das wolle!" [102]
In jener öffentlichen Veranstaltung trat im Anschluss daran als
Diskussionsredner auch der Arzt Dr. Fehrmann auf, der danach auch noch in
Leserbriefen an Zeitungsredaktionen Front gegen Köhler machte. Insbesondere
erregte es ihn, dass Köhler faktisch dem antisemitischen Pamphlet "Protokolle
der Weisen von Zion" und ihrer Ausdeutung auf die Bibelforscher, eine Absage
erteilt hatte. Fehrmann, Schlegel und andere waren jedoch gläubige Anhänger
jenes Elaborates. Fehrmann war die von Bomsdorff-Bergen angestoßene
Finanzierungsdebatte bekannt, die er dann auch selbstredend in sein Statement
mit einbaute.
So entstand nun in einer zwischenzeitlich für die Bibelforscherfrage
sensibilisierten Öffentlichkeit erneut der Eindruck, es handele sich bei den
Bibelforschern um ein (von Juden und Freimaurern) "fremdfinanziertes Gewächs".
Die nicht zu übersehende Öffentlichkeitswirksamkeit dieser These lies der
Bibelforscherleitung es angezeigt erscheinen, dagegen Stellung zu beziehen.
In einer dazu speziell entworfenen Flugschrift mit dem Titel "Die Antwort der
Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher auf tendenziöse Entstellung
ihrer Botschaft und ihrer Absichten" [103] wurde die Unterstellung
zurückgewiesen, dass die Bibelforscher von den Juden finanziert würden.
Bemerkenswerterweise wird in jener Flugschrift aber nicht auch auf den Vorwurf
eingegangen, dass amerikanische Freimaurer indirekt zur
Bibelforscherfinanzierung beigetragen hätten! Gerade dies war jedoch die These
von Bomsdorff-Bergen! Aber immerhin wird man konzedieren können, dass - soweit
Juden der Bibelforscherfinanzierung bezichtigt wurden -, dies von der
Bibelforscherleitung eindeutig zurückgewiesen wurde.
In jener Flugschrift konnte man lesen: "Unsere Aufmerksamkeit wurde auf ein
im Februar 1922 veröffentlichtes und unter dem Namen Fritz Schlegel
herausgegebenes Buch von 250 Seiten gelenkt, dass zahlreiche verleumderische
Angaben über die Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher enthält. …
Als Beweis seiner leichtfertigen Darlegungen zitieren wir folgende von
Schlegel aufgestellte, leere Behauptung:
'Wo haben diese Leute (die Bibelforscher) die Millionensummen der Gelder her?
Weil wir die Wahrheit lieben, sind wir der Sache ein klein wenig auf die Spur
gegangen, und - wohin führte uns die Spur? Diese Spur führte zum jüdischen
Bankhaus Hirsch in New York. Von da aus wird die gesamte I.V.E.B.
(Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher) mit den reichsten
Geldmitteln versehen.'"
Die Schweizer Bibelforscherleitung kommentierte dazu: "Entweder stützt sich
Fritz Schlegel (und die übrigen Verbreiter dieser Verleumdung die
deutschvölkischen Antisemitenführer Fritsch, Fetz, Lienhardt und Konsorten)
bei dieser Behauptung auf falsche Informationen oder - er lügt mit Vorbedacht.
Ist er aber im Besitz irgend eines diesbezüglichen Nachweises, so fordern wir
ihn auf, denselben der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Für jeden einzelnen
Dollar, für den Herr Schlegel den Nachweis zu erbringen vermag, dass er der
Internationalen Vereinigung Ernster Bibelforscher aus dem jüdischen Bankhaus
Hirsch in New York oder irgend einer jüdischen Bank der Welt zugeflossen ist,
zahlen wir irgend einer Wohltätigkeitsanstalt der Schweiz, Deutschlands,
Frankreichs oder Österreichs die Summe von je 1000 (tausend) Dollars.
Hier hat nun Fritz Schlegel Gelegenheit, vor aller Welt zu beweisen, dass
seine sensationelle Behauptung auf Wahrheit beruht oder er muss durch sein
Stillschweigen zugeben, dass er absichtlich verleumdet hat."
Diesen Vorgang kommentiert die Bibelforscherleitung mit den Worten: "Der
Öffentlichkeit aber geben wir die Erklärung, dass der Internationalen
Vereinigung Ernster Bibelforscher auf der ganzen Erde niemals Geld von Juden
zugeflossen ist. … Schlegel ist im letzten Jahre wiederholt in der Presse
aufgefordert worden, der Öffentlichkeit den Wahrheitsbeweis für seine
sensationelle Behauptung bekannt zu geben. Wir stellen hiermit fest, dass er
bis heute auch nicht den Schatten eines Beweises hat erbringen können, sondern
mit der heuchlerischen Ausflucht ausgekniffen ist: 'Wir Christen wollen kein
Judasgeld!' Damit hat er sich selbst als gewöhnlicher Ehrabschneider
gerichtet."
Abgeschlossen wurde diese Stellungnahme mit der Eidlichen Versicherung:
"Ich William E. van Amburgh ... (Sekretär und Kassierer der Wachtturm-, Bibel-
Traktat-Gesellschaft) erkläre unter Eid, dass, solange ich Kassierer genannter
Wachtturm-, Bibel- Traktat-Gesellschaft war, dieser Korporation nicht ein
einziger Dollar - weder direkt noch indirekt - von einem Juden, einer
jüdischen Bank oder einem jüdischen Unternehmen zugeflossen ist." [104]
Es verdient Beachtung, dass jüdischerseits gleichfalls eindeutig, die
Unterstellung einer jüdischen Finanzierung der Bibelforscher zurückgewiesen
wurde. Der Rabbiner M. Salomonski schrieb dazu in der jüdischen C(entral)
V(ereins) Zeitung: "Und nun setzt noch eine merkwürdige Kampfgemeinschaft
gegen uns ein, zu der kirchliche und kirchenfeindliche deutsche Kreise
deutschvölkischer Prägung sich treffen. Beiden ist anscheinend auffällig und
unerwünscht, dass die Vereinigung Ernster Bibelforscher sich ziemlich abseits
von dem großen Kesseltreiben gegen die Juden hält und auf ihre in Palästina
schneller erhoffte Bekehrung zum Christentum vertraut. Darin wittern die
sonderbaren Verbündeten eine große Gefahr." [105]
Weiter kommentiert er zu dieser Sachlage: "Es sei erwähnt, dass Hans
Lienhardt in seiner Broschüre: 'Ein Riesenverbrechen usw.' auch den
katholischen Jesuitenorden als ein von jüdischer Seite gespieltes Instrument
bei der Durchführung der Bibelforscher-Ideen bezeichnet. Um so verwunderlicher
wirkt dann, wenn der katholische Geistliche Fritz Schlegel für sein
umfangreiches Buch 'Die Wahrheit über die Ernsten Bibelforscher' das
Imprimatur erhalten hat. Denn auch er behauptet, dass wir Juden hinter den
Bibelforschern stehen und enthüllt zwar keinerlei Wissenschaft, aber einen
bösen Hass, dem die zum segnen berufene Hand das Siegel der Billigung
aufdrückte.
'Nur tief erschrocken', um Schlegel zu zitieren, kann man diesen wütenden Hass
betrachten, der nicht zu überbietenden Oberflächlichkeit, die ihm und allen
anderen judenfeindlichen Gegnern dieser Sekte diktierte. Mit Entrüstung weisen
wir Juden den verwerflichen Versuch zurück, unbequeme Irrlehren uns in die
Schuhe zu schieben und ihre rein christlichen Verfechter uns aufzuhalsen."
[106]
Auch in Deutschland wurden analog der Schweizer Verteidigungsschrift "Antwort
…" ähnliche Verteidigungsschriften seitens der Bibelforscher verbreitet. Sie
waren offenbar unabhängig von der Schweizer Schrift konzipiert. Auffallend
ist, dass (im Vergleich zur Schweizer Verteidigungsschrift) erheblich
zurückhaltender formuliert wird. Die Schlegel'schen Anwürfe werden nicht
zitiert. Gleichfalls auch nicht die Eidesstattliche Erklärung des van Amburgh.
Und selbst der ausgesetzte Preis für den Nachweis jüdischer Finanzierung,
wurde erheblich reduziert. Ist in der Schweizer Erklärung noch davon die Rede,
für jeden nachgewiesenen Dollar jüdischer Finanzierung 1000 Dollar zu zahlen,
so beschränkt man in der deutschen Verteidigungsschrift dieses Angebot auf
lediglich insgesamt 1000,- M.
In der diesbezüglichen Passage wird bei "Gehrhard" ausgeführt: "Noch heute
stehen auf dem Amtsgericht in Magdeburg 1000,- M. die ausgesetzt sind als
Belohnung für denjenigen, der irgend etwas zum Beweis für diese Verleumdung
nachzuweisen vermöchte. Bis heute vermochte niemand, diesen Betrag sich zu
verdienen." [107]
An anderer Stelle schreibt der gleiche Verfasser: "Immer wieder publiziert
man die Lüge, wir würden von den Juden bezahlt, trotzdem wir immer wieder
versicherten, dass dies absolute Unwahrheit ist, weil wir noch nie einen
Pfennig vom Judentum erhielten. … Wir sind zu jeder Zeit bereit, jeder
deutschen zuständigen Behörde unsere dies beweisenden Bücher vorzulegen, wie
auch hier auf dem Amtsgericht in Magdeburg von uns seit langer Zeit 1000
Goldmark deponiert und öffentlich ausgeboten sind, demjenigen zufallend, der
auch nur ein Jota Beweismaterial bringt dafür, dass wir vom Judentum bezahlt
werden. Niemand vermochte dies bis zur Stunde, dennoch verleumdet die
kirchliche Presse aller Schattierungen ohne Ehrgefühl in derselben schamlosen
Weise weiter." [108]
Es gab keine Ruhe in dieser Angelegenheit. Bomsdorff-Bergen wagte die
Bibelforscherleitung nicht gerichtlich zu belangen. Ihr war sehr wohl bewusst,
dass Bomsdorff-Bergen auf vorangegangene Einschüchterungsversuche stets
eindeutig reagiert hatte, indem er von seinen Vorwürfen nichts zurück nahm,
sie aber stets aufs neue bekräftigte. Die Bibelforscherleitung zog ihm
gegenüber "den Schwanz ein" um es mal etwas drastisch zu formulieren.
Aber da war ja noch jener Arzt Dr. Fehrmann, der ebenfalls die Thesen des
Bomsdorff-Bergen in seinem Streit mit dem Theologieprofessor Köhler
wiederholte. Von einem Mediziner konnte man erwarten, dass er nicht sonderlich
tief in der zur Diskussion stehenden Problematik verwurzelt war. Und so trat
das ein was mit der drastischen Formulierung von Schlegel so formuliert wurde:
"Juden und Bibelforscher waren empört, versteht sich. Letztere reichten
Klage ein und 'verpassten' diesmal ausnahmsweise den Termin nicht. Die
Gerichtsverhandlung dauerte 1 ½ Tage." [109]
Es fand also nun doch noch eine Gerichtsverhandlung in dieser sensiblen Sache
statt. Wie nicht anders zu erwarten, stützten beide Seiten sich dabei auf die
Ratschläge ihrer dazu engagierten Rechtsanwälte. Und deren Spezialität ist es,
möglichst alle taktischen Möglichkeiten genau auszuloten und entsprechend zur
Anwendung zu bringen. So mussten denn die Bibelforscher erfahren, dass ihre
Klage von dem Anwalt des Beklagten zugleich auf die formaljuristische Ebene
umdirigiert wurde.
Der Anwalt Dr. Duft argumentierte: "Die I.V.E.B. sei keine juristische
Person nach geltendem Schweizerischen und St. Gallischem Rechte, da sie keine
Mitgliederverzeichnisse führe, keine Beiträge erhebe, keine An- und
Abmeldungspflicht kenne usw. Sie auch in unserem Handelsregister nicht
eingetragen sei, obgleich sie mehr wirtschaftlichen als ideellen Interessen
diene. Das Grundkapital der Vereinigung betrage nach der englischen
Handelsregistereintragung ganze 100 Pfund Sterling, und jedes reguläre
Mitglied der Vereinigung müsse mindestens einen dieser Anteilscheine besitzen.
Es handelt sich demnach um einen ganz kleinen Mìtgliederkreis. Der Kreis der
übrigen Angehörigen der I.V.E.B. bilde nicht eine regelrechte Mitgliedschaft,
sondern sie werden lediglich als sog. 'Mitarbeiter' betrachtet, ohne Pflichten
und Rechte." [110]
Damit waren die Bibelforscher erstmal auf der formaljuristischen Ebene
ausmanövriert. Das Gericht war zwar bereit dem Bibelforscherklagevertreter
Binkele zu konzedieren, dass er durch die Anwürfe auch persönlich betroffen
sei und somit ein Klagerecht habe. Aber der Anwalt Dr. Duft lies nicht locker
und argumentierte weiter:
"Das der Beklagte nichts anderes behauptet habe, als was zuvor von anderer
Seite bereits Dutzendmal geschrieben wurde, ohne das die I.V.E.B. deshalb zum
Kadi gelaufen wäre. Er mache sich nun aber anheischig, auch noch einen
direkten Beweis anzutreten und durch einen in Konstanz lebenden Schriftsteller
beweisen zu lassen, dass nicht bloß der im 'Morgen' abgedruckte Brief auch
authentisch sei, sondern auch die darin enthaltenen Behauptungen der Wahrheit
entsprechen." [111]
Die Berichterstattung der "Thurgauer Zeitung" schließt mit der Ausführung:
"Das Gericht fand aber, dass der offerierte Zeuge gar nicht notwendig sei.
Nachdem die I.V.E.B. jahrelang sich nicht habe dazu aufraffen können, die von
Dr. Fehrmann gemachten Behauptungen vorher schon einer gerichtlichen
Beurteilung zu unterstellen, obschon sie Binkele und Konsorten doch schon
längst bekannt sein müssen, müsse der vom Beklagten anerbotene Beweis auch so
als erbracht angenommen werden. Das Gericht wies deshalb die Klage unter
Kostenfolge ab und sprach dem Beklagten zudem eine außerordentliche
Entschädigung von 450 Fr. zu." [112] Zuzüglich der Gerichtskosten von 150
Franken. [113]
Im Nachgang des St. Galler Urteiles versuchten die Bibelforscher
verschiedentlich den Eindruck zu erwecken, als hätten sie gegen dieses Urteil
eine Revisionsklage eingereicht. Letztere ging aber für die Bibelforscher
gleichfalls negativ aus. Dazu stellte der Rechtsanwalt Dr. Duft in einer
Presseerklärung triumphierend fest:
"Nachdem in der bekannten Ehrverletzungsklage der Internationalen
Vereinigung Ernster Bibelforscher ... das staatliche gallische Kantonsgericht
am 13. März 1925 die Klage zurückgewiesen hatte, ließen sie durch ihre Agenten
und die Presse in der Schweiz und fast ganz Europa verkünden, sie hätten diese
Angelegenheit an das schweizerische Bundesgericht weiter gezogen. Diese
Behauptung widerspricht der Wahrheit. Die Kanzlei des Schweizerischen
Bundesgerichtes hat dem Unterzeichneten Anwalte auf Anfrage hin bestätigt,
dass die Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher … das Bundesgericht
innerhalb der gesetzlichen Frist nicht angerufen haben. … St. Gallen, 13. Juni
1925. Dr. J. Duft, Advokat." [114]
Der St. Galler Bibelforscherprozeß vom November 1924 war so ein Anlass für die
Antisemiten um ihren Frust loszuwerden. Charakteristisch dafür ist der Artikel
in der "Deutschen Tageszeitung" vom 3. 11. 1924 mit dem Titel: "Die 'ernsten
Bibelforscher' und das Judentum", denn die Zeitschrift "Studierstube" für so
"bedeutungsvoll" hielt, ihn auch noch nachzudrucken. [115]
Darin konnte man lesen: "Die Propaganda dieser sogenannten 'ernsten
Bibelforscher' richtet sich mit fanatischer Schärfe und in brutalster Weise
gegen die christlichen Bekenntnisse. ... Dagegen kann sich die Propaganda der
'ernsthaften Bibelforscher' in der Verherrlichung des Judentums und des
Zionismus … nicht genug tun. Gleichzeitig wirkt die 'Internationale
Vereinigung der ernsten Bibelforscher' im jüdisch-internationalem Sinne
staatszerstörend und predigt, dass die heutigen Staaten verschwinden müssen,
um einem alt-testamentarisch-paradiesischen 'Friedensreiche der tausend Jahre'
Platz zu machen."
Die "Krone" setzt sich jedoch die "Deutsche Tageszeitung" mit den
nachfolgenden Auslassungen auf: "Wir möchten dieses bemerkenswerte Urteil (Bibelforscherprozeß
St. Gallen) welches hoffentlich dazu hilft, auch bei uns den 'ernsthaft
biblischen' Verjudungsagenten endlich etwas mehr auf die hurtigen Finger zu
sehen, mit einem notwendigen Hinweis versehen. In einem leider in christlichen
Kreisen bisher nicht genügend beachteten jüdischen Buche: 'Die Stadt ohne
Juden' von dem Wiener Schreibjuden Hugo Bettauer verfasst, finden sich sehr
wertvolle Hinweise auf die Naturgeschichte der 'ernsthaften Bibelforscher.'
Dieses Buch ist das wertvollste Zeugnis für die maßlos gewordene Überhebung
des nachrevolutionären Judentums. In diesem Buche, der schamlosesten
Beschimpfung des christlichen Europas, die sich das zur Vergeltung überreif
gewordene Ostjudentum jemals herausgenommen hat."
Die "Deutsche Tageszeitung" behauptet dann: "So wird darin mit
Hohngelächter geschildert, wie ein einziger Jude, der sich selbst mit der
jüdischen Frechheit rühmt, ein ganzes christliches Land in Verwirrung und
Selbstzerfleischung zu stürzen, indem er, nach dem Vorbilde der 'ernsthaften
Bibelforscher' einen 'Bund der wahrhaften Christen' gründet, der in
Wirklichkeit nur aus ihm, dem zerstörungslüsternen Juden, und einer Anzahl
dummer Christen besteht." Soweit die "Deutsche Tageszeitung".
Wenn man sich jedoch den fraglichen Roman einmal selbst ansieht, dann gewinnt
man einen ganz anderen Eindruck! [116] Bettauer schildert darin, wie die
fiktive Entwicklung in Österreich nach einem faschistischen Sieg und der
Ausweisung aller Juden aus Österreich weiter gehen würde:
152
"Um ein Uhr mittags verkündeten Sirenentöne, dass der letzte Zug mit Juden
Wien verlassen, um sechs Uhr abends läuteten sämtliche Kirchenglocken zum
Zeichen, dass in Österreich kein Jude mehr weilte. In diesem Augenblick begann
Wien sein großes Befreiungsfest zu feiern. [117] Sehr bald zeigte es
sich, dass alle diese Parteien, die Christlichsozialen wie die
Nationalsozialisten, nur darauf aufgebaut waren, dass man den Massen die Juden
als bösen Geist, als Wauwau und Prügelknaben darbot. Nun, wo es weder Juden
noch Judenstämmlinge in Österreich gab, verfing das nicht mehr, wurde die
Parteipolitik noch öder und langweiliger, als sie es vorher gewesen war.
Elend, Teuerung, Arbeitslosigkeit wuchsen, und die Führer waren in
Verlegenheit, weil sie nicht wussten, wem sie die Schuld daran geben sollten.
Die reichen Leute waren ja jetzt brave Christen, die Ausbeuter und Wucherer
auch, dass heißt, man durfte von solchen Menschen gar nicht sprechen, weil man
sonst hätte zugeben müssen, dass es christliche Wucherer und Ausbeuter genau
so gibt wie jüdische. Früher hatten die Hakenkreuzler mit ihren Plakaten
Aufsehen erregt, die Massen aufgehetzt. ... Die Plakate der Hakenkreuzler
waren nun so sinnlos geworden, dass sie niemand mehr las." [118]
Offensichtlich konnten die Antisemiten diese Demaskierung nicht verkraften;
sodass sie dazu zu einem Rundumschlag ausholten. Auch wenn die "Deutsche
Tageszeitung" eine Antwort auf die Frage, was das ganze denn nun mit den
Bibelforschern zu tun hätte, in schlüssiger Weise schuldig geblieben ist. So
offenbart es andererseits doch sehr viel über die Seelenverfassung jener, die
sich da als "Christen" bezeichneten und nicht in der Lage waren, das Anliegen
der Bibelforscher wirklich zu verstehen.
Auch Katholischerseits wurde die Zionsmusbegünstigung der Bibelforscher
missdeutet. Ein mit kirchlicher Imprimatur vom 15. 1. 1925 erschienenes
Flugblatt warf den Bibelforschern vor: "Nach Ausrottung der christlichen
Religion, nach dem Sturz von Kirche und Staat bricht das tausendjährige Reich
an, dass ist der Sieg des Judentums, die Herrschaft des Zionismus. Das ist das
Ziel der E(rnsten) B(ibelforscher). Darum bezieht es von den Juden seine
Gelder, unter anderem von dem jüdischen Bankhaus Hirsch in New York."
[119]
Diese "Hirtenworte" beziehen sich des weiteren auf den Bibelforscherprozeß in
St. Gallen um daran die These anzuhängen, dass dort der "Nachweis" erbracht
worden sei, dass die Bibelforscher "schwere Geldunterstützung aus den
Taschen des amerikanisch-freimaurerischen Judentums beziehen." Eine
Behauptung, die in dieser kategorischen Form nicht haltbar ist.
Selbst der in seinem Urteil, im Vergleich zu anderen, als bedächtig und
kenntnisreich einzuschätzende Dr. Algermissen, fiel auf die Propagandathesen
des St. Galler Bibelforscherprozesses herein, da sie eine einfache (man muss
aus heutiger Sicht sagen: zu einfache) Erklärung plausibel erscheinen ließen.
Zudem fügten sich die "Ergebnisse" dieses Prozesses sehr harmonisch in das
bereits seit Jahrzehnten bestehende katholische Weltbild, die Freimaurerei
betreffend, ein.
Algermissen schrieb damals: "Die Europäische Zentrale (der Bibelforscher)
erhält reichliche Unterstützung von Amerika, eigenartigerweise aber nicht nur
von der dortigen Hauptstelle der 'Ernsten Bibelforscher', sondern auch von der
jüdisch-amerikanischen Freimaurerei. Ein Prozess, der vor einigen Monaten in
St. Gallen in der Schweiz sich abspielte, gab noch interessante Enthüllungen
über die intimen Beziehungen zwischen diesen angeblich christlichen
Bibelforschern und der widerchristlichen, jüdisch-amerikanischen Freimaurerei.
Es stellte sich bei dem Prozess heraus, dass die sogenannten 'Ernsten
Bibelforscher' in dem Dienste jüdisch-amerikanischen Freimaurertums stehen und
von dort besoldet werden. Damit sollte für jeden denkenden Menschen diese
Gesellschaft gerichtet sein, die vorgibt, das Christentum reinigen und
veredeln zu wollen, in Wirklichkeit aber im Dienste des ungläubigen
Freimaurertums, der stärksten Feindin des Christentums steht." [120]
Ein weiteres übles Beispiel, dieser an Oberflächlichkeiten hängenbleibenden
katholischen Apologetik, liefert auch Karrer in seinem 1942 in der Schweiz
erschienenen Buch über moderne Sekten. Karrer, der darin völlig unkritisch die
Freimaurerbriefaffäre unter Hinweis auf das einschlägige Buch von Jonak wieder
aufwärmt [121] versteigt sich dann zu der Behauptung:
"Das Interessanteste kommt erst, wenn wir die geheime politische Ideologie
der Sekte ins Auge fassen. Das nun in Erscheinung tretende tausendjährige
Reich heißt bei den Bibelforschern nicht zufällig 'Königreich Jehovas'; der
altjüdische Name ist für die Sache bezeichnend. [122] Der Höhepunkt aber im
Aufstieg der jüdischen Allherrschaft wird bezeichnet durch die große Schlacht
von Harmagedon. … Der Name bezeichnet in der altjüdischen Geschichte den Ort
einer Niederlage; er hatte deshalb einst für die Juden eine unangenehme
Bedeutung und dementsprechend ist er in der Geh. Offenbarung noch als Symbol
für die versammelten dämonischen Mächte gebraucht (Geh. Offenbarung 16, 16).
Für die Zeugen Jehovas ist es umgekehrt: da bezeichnet Harmagedon die
Vernichtungsschlacht der jüdischen Welt gegenüber der christlichen und den mit
ihnen verbundenen Systemen. Unterdessen haben die Gläubigen der Sekte die
moralische Vorbereitung auf die Schlacht von Harmagedon zu treffen, d. h. den
Hass zu schüren. Im übrigen ist es aus dem Weltmachtsideal der Zeugen Jehovas
nur selbstverständlich, dass gegen jede Staatsordnung ähnlich gehetzt wird wie
gegen das Christentum." [123]
Von den vorzitierten Text zugehörigen Anmerkungsnummern sei noch die [91]
und die [96] noch zitiert:
[91] Vgl. Jonak, Zeugen S. 43.
Vgl. dazu auch "Der Morgen" (Olten) 16. 4. 1925. Artikel: "Eine
skrupellose Unterstellung". In diesem Artikel bestätigt der Verlagsdirektor
des "Morgen" den fraglichen Freimaurerbrief seinerzeit selbst in den Händen
gehabt zu haben. Er verwahrt sich weiter gegen die Unterstellung, dieses
Schreiben in seiner Aussage selbst lächerlich gemacht zu haben, wie dies die
Bibelforscher und mit ihnen (in dieser Frage) liierte Presseorgane noch
unterstellten. Charakteristisch dabei ist auch der folgende Satz: "Das im
'Morgen' veröffentlichte Schreiben des amerikanischen Freimaurers lag der
Redaktion des 'Morgen' im Original vor. Es besteht nicht der geringste Zweifel
in der Echtheit dieses handschriftlichen Dokuments. Dasselbe liegt heute
nicht, wie der Leitartikler des 'Oltener Tageblattes' lächerlicherweise
vermutet, auf der Nuntiatur in Bern, sondern es befindet sich bei den
Prozeßakten in St. Gallen, wo die 'Ernsten Bibelforscher' vor kurzem einen
Aufsehen erregenden Prozess verloren haben."
[96] Schwartz-Bostunitsch kommentiert unter Hinweis auf die Veröffentlichung
von Jonak und der Nichtauffindbarkeit des Originalbriefes, mit der ohne
Beweise vorgetragenen Behauptung: "Vermutlich haben sich die 'Ernsten
Bibelforscher' auf Schleichwegen seiner doch bemächtigt, um die belastende
Urkunde aus der Welt zu schaffen." Vgl.. Schwartz-Bostunitsch, Gregor
"Jüdischer Imperialismus", Berlin 1939 S. 631.
Jonak hingegen zitiert Bomsdorff-Bergen mit der Vermutung, dass der
Originalbrief den Bibelforschern in der Vergleichsverhandlung übergeben wurde.
Auch die Zeugen Jehovas argumentierten dabei mit Unterstellungen ohne
Faktenbeweis. In der Ausgabe des "Trost" vom 15. 9. 1945 S. 15, nahmen
sie (nach 1945) in dieser Angelegenheit nochmals Stellung. Ihre These, die
Katholiken hätten diesen Brief selbst vernichtet.
Zu dem Vorwurf von Jonak, dass sie Bomsdorff-Bergen merkwürdig geschont haben
und ihn nicht in eine direkte gerichtliche Auseinandersetzung verwickelten,
nehmen sie bezeichnenderweise nicht Stellung. Dagegen zitieren sie einen
Kommentar von Jonak als gleichzeitiges Alibi für ihre entscheidende
Inaktivität. Das "Trost" schreibt: "Dagegen betont er (Jonak)
nachdem er Gewißheit hat, dass der Originalbief nicht mehr existiert, dass es
'ein in der Rechtswissenschaft anerkannter Grundsatz ist, dass die Unechtheit
einer Urkunde von ihrem Angreifer und nicht die Echtheit von ihrem Verteidiger
zu beweisen ist."
Der Kommentar des "Trost" dazu betont, dass dieses Dokument sicherlich niemals
ohne Quittung den Zeugen Jehovas ausgehändigt worden sei. Weil letzteres aber
nicht der Fall ist, unterstellt man, die katholischen Kreise hätten jenen
Freimaurerbrief selbst vernichtet. Die wehleidige Klage des "Trost": "Haben
sie uns durch ihre Wegschaffung des Briefes die Möglichkeit genommen, nach dem
oben von Jonak zitierten Rechtsgrundsatz die Unechtheit zu beweisen." Auch
diese Argumentation gleicht dem werfen von Nebelbomben. Verleumdet (aus ihrer
Sicht) wurden die Zeugen Jehovas primär durch Bomsdorff-Bergen als Urheber.
Alle danach genannten Namen sind lediglich als "Kommentatoren" einzustufen.
Aber gerade Bomsdorff-Bergen haben sie eben nicht vor Gericht gezogen!
Wie schon früher ausgeführt, war insbesondere nach dem in der Schweiz
erfolgtem Verbot der Rutherford-Broschüre "Faschismus oder Freiheit", das
Thema der SPK (die man mit als Drahtzieher outete) wieder für die WTG auf der
Tagesordnung. Und so nahm selbige nach jahrelangem Schweigen, in der "Trost"-Ausgabe
vom 15. 10. 1939 erstmals ausführlich zum Thema sogenannter Freimaurerbrief
Stellung, weil man wähnte, das sei wohl so eine Art "Kassenschlager" der SPK,
den es nun zu zerstören gälte.
In den diesbezüglichen "Trost"-Ausführungen liest man unter anderem:
"Im Jahre 1924 hatte dieser Brief in
einem Prozeß vor dem Bezirksgericht Zürich beweisen sollen; daß das Werk der
Bibelforscher vom Ausland her mit Geldern der Juden und Freimaurer ausgehalten
werde. Als es dann an der Zeit gewesen wäre, den Beweis dafür vor Gericht
anzutreten, hatten jene Gegner der Bibelforscher den Brief plötzlich
"verloren" oder "verlegt".
Der Verlag L. Keller-Zoller, Zürich, der den Brief in einer Broschüre
veröffentlicht hatte, mußte diese Veröffentlichung widerrufen.
Im seinerzeitigen Gerichtsprotokoll hieß es: "Dieser Widerruf und die
Erklärung erfolgt mit der Begründung, weil Otto Walter, Direktor des
gleichnamigen Verlages und des katholischen Zeitungsuntemehmens ,Der Morgen'
in Olten, das Original des auf Seite 142-143 der genannten Broschüre
publizierten ,Bibelforscher- oder Freimaurerbriefes' unterschlagen und
nachher als unauffindbar verlegt angegeben hat, wodurch dem Verlag die
Möglichkeit genommen ist, den im vorliegenden Prozesse erforderlichen Beweis
antreten zu können."
Dir. Walter bestreitet die Unterschlagung und behauptet, den Brief an Frau L.
Keller-Zoller zurückgeschickt zu haben, so daß dann sie ihn unterschlagen
haben müßte (obwohl doch gerade sie ihn vor Gericht gebraucht hätte, um nicht
in der Tinte zu sitzen!). Mögen sie ihren Streit untereinander ausmachen. Ihr
schwindelhafter Freimaurerbrief blieb jedenfalls verschwunden bis auf den
heutigen Tag.
Was in diesem Brief behauptet wird, trägt den Stempel der Lüge an sich selbst.
Ob er überhaupt je existierte, oder ob er eine Fälschung war oder nicht, macht
letzten Endes wenig aus. Auf jeden Fall dient das, was als sein Wortlaut
abgedruckt wird, der Lügenverbreitung. Es wäre eine Kleinigkeit, einen Brief
zu schreiben, um irgendwelche Märchen auszustreuen.
Angeblich haben sich Brown aus Boston, der als Briefschreiber figuriert und
1926 gestorben sein soll, und der "Briefempfänger" Bomsdorff-Bergen aus
Konstanz vom Freimaurertum abgewendet und wohl zum Katholizismus bekehrt. So
ähnlich lief schon früher einmal eine Affäre, und das Ende vom Lied war - der
Taxilschwindel! Haben die römisch-katholischen Kleriker diese Blamage von 1897
schon vergessen?
Wenn diese Leute hoffen, Jehovas Zeugen würden Zeit, Kraft und Geld darauf
verschwenden, sich mit diesem "Freimaurerbrief'-Mummenschanz herumzuschlagen,
dann irren sie sich.
Die Tatsachen sind:
In den Kreisen der Zeugen Jehovas gibt es nirgendwo in der Welt Freimaurer.
Jehovas Zeugen bekommen weder von den Juden noch von den Freimaurern
finanzielle Unterstützung, noch war dies je der Fall. ...
Obiger Sachverhalt wurde durch die von der Behörde angeordnete Bücherrevision
des Herrn Kantonsbuchhalters Emil Jung, Bern, für das zentraleuropäische Büro
dieser Gesellschaft in Bern am 13. Nov. 1922 eindeutig festgestellt.
Daß Juden und Freimaurer auch die "Wachtturm"- Zentrale in Brooklyn niemals
finanziert haben, ist bei verschiedenen Gelegenheiten in eidesstattlichen
Versicherungen des Schatzmeisters der Gesellschaft, W. E. Van Amburgh,
niedergelegt worden.
Jeder vorurteilslose Betrachter dessen, was Jehovas Zeugen sagen und tun, weiß
von selbst, daß ihr Werk auch keinerlei inneren Zusammenhang mit den
Freimaurern hat. ...
Die Zeugen Jehovas machen keine Propaganda, weder für sich noch für die Juden,
noch für die Freimaurer oder für sonstwen. ..."
Die "Münchner
katholische Kirchenzeitung" trumpft auf
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