"Gutachtliche Stellungnahme" / Erster Weltkrieg und die Bibelforscher
geschrieben von: X ~ mysnip
Datum: 12. März 2010 18:15
DER WACHTTURM 1916
,,Die Österreicher
hören den ungeheuren Aufschrei der Opfer, das Seufzen der Verstümmelten und Sterbenden,
aber sie können ihrem Elend nicht zu Hilfe kommen; sie müssen ununterbrochen
weiterschießen ... wenn sie zu schießen aufhören, dann werden sie ... überrannt
und die Schlacht ist verloren."
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,18787,18830#msg-18830
WTG-Buch 1993 JEHOVAS ZEUGEN - VERKÜNDIGER DES
KÖNIGREICHES GOTTES S. 191, 192
,Bibelforscher ...
schossen ... in die Luft ... "
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,18787,19112#msg-19112
Ist es plausibel, daß Bibelforscher im Krieg "keine Waffen auf andere
Menschen" richteten?
Ein Prof. Dr. theol. Dr. phil. und eine Dipl.-Psych., Dipl.-Päd. schließen
sich der offiziellen Darstellung der WTG an.
,,ZEUGEN JEHOVAS/WACHTTURM-GESELLSCHAFT: EINE ,VOR-MODERNE' RELIGIÖSE
GEMEINSCHAFT IN DER ,MODERNEN' GESELLSCHAFT? - GUTACHTLICHE STELLUNGNAHME" (Teil 1
... ) von Prof. Dr. theol. Dr.phil. Gerhard Besier und Dipl.-Psych. Renate-Maria Besier
vom 22.12.1998 (Anlage 1 zum Schreiben an das Bundesverfassungsgericht vom 28.01.1999
,Während des Ersten
Weltkriegs verhielten sich die "Bibelfoscher" - so ihre Selbstbezeichnung -
entsprechend ihrem persönlichen Verständnis von christlicher Neutralität und von
christlicher Gehorsamspflicht gegenüber der Obrigkeit bei der Einberufung zum Wehrdienst
uneinheitlich. Einige nahmen eine streng neutrale Stellung ein und verweigerten völlig
jeden Militärdienst, andere entschieden sich, in Sanitätsabteilungen oder in Lazaretten
zu dienen, und wieder andere folgten den Dienstbefehlen, richteten jedoch keine Waffen
auf andere Menschen."
S. 7
www.jehovaszeugen.de/0/pdf/rec/ues/1998/1998/-12-22-a.pdf
Re: "Gutachtliche Stellungnahme" / Erster Weltkrieg und die Bibelforscher
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 13. März 2010 01:35
Die Vokabel "einige" ist dann wohl ein verfälschender - dehnbarer Begriff.
Es kann als gesicherte Erkenntnis gelten, dass zu Zeiten von Russells Lebenszeit (und der
verstarb bekanntlich erst Ende Oktober 1916). bezogen auf Kontinentaleuropa, es keinen
Nachweis einer tatsächlichen Wehrdienstverweigerung gab.
Wer das Gegenteil behauptet ist Beweispflichtig.
Er muss seine These belegen. Aktengestützt.
Das hat weder Herrberger noch sonst ein WTG-Apologet in der veröffentlichten Publizistik
getan.
Das Thema Wehrdienstverweigerung im ersten Weltkrieg, kam bezogen auf Deutschland, soweit
in einschlägiger Publizistik nachweisbar, nur bei den Adventisten auf die Tagesordnung.
Und da auch nur dergestalt, dass einige aus ihren Reihen sagten. Am "Sabbath"
(Sonnabend) können wir keinen Wehrdienst leisten (an den anderen Tagen aber sehr wohl).
Nur, die verantwortliche Leitung der deutschen Adventisten, unter Conradi, schloss sich
dieser Linie nicht an. Es kam dieserhalb auch zum Schisma, in den adventistischen Reihen.
Konrad Algermissen etwa zitiert in seinem Buch
"Christliche Sekten und Kirche Christi
II. und III. neu bearb. und stark vermehrte Auflage
III. bis VIII. Tausend"
Verlag u. Druck Joseph Giesel
Hannover 1925 (S. 255f.)
bezüglich des adventistischen Schismas:
"Der Krieg selber brachte eine schwere Krise über den deutschen Adventismus.
die "Kölnische Zeitung" vom 21. September 1915 schreibt darüber.
"Unter den Anhängern des Adventismus trat nach Ausbruch des Krieges eine Spaltung
ein. Die Mehrzahl wollte für die Dauer des Krieges die bestehende Lehre außer Kraft
gesetzt sehen, der übrige Teil verlangt dagegen Heilighaltung des Samstag auch während
dieser schweren Zeit. Die Gegensätze führte schließlich zum Anschluss des alten
Glaubens aus der Gemeinschaft" -
Vor allen aber war es die Stellung zum Kriegsdienst überhaupt, die diese Spaltung
verursachte. Bereits am 4. August 1914 hatte die große Mehrzahl der deutschen Adventisten
in einer sehr devoten Zuschrift an das Kriegsministerium zu Berlin erklärt:
"Wir halten uns in diesen gegenwärtigen ernsten Kriegszeit dazu verpflichtet, für
die Verteidigung des Vaterlandes einzustehen und auch am Sonnabend (Sabbat) unter diesen
Umständen die Waffe zu führen."
Eine ähnliche Erklärung erging am 5. März 1915 an das Generalkommando, des von VII
Armeekorps.
Unterzeichnet war diese Erklärung von L. A. Conradi, den Vorsteher der europäischen
Abteilung der Adventisten, von Schubert dem Vorsteher der ostdeutschen Adventisten-Union,
und Drinhaus dem Vorsteher der sächsischen Vereinigung. Das war also eine offizielle
Stellungnahme die im Widerspruch stand mit dem auf amerikanischen Konferenzen festgelegten
pazifistischen Lehren.
Ein Teil der deutschen Adventisten widerstand deshalb diesen offiziellen Beschluss.
Dadurch kam es zu erbitterten Streit. Für die Kriegsadventisten, die den alten
Grundsätzen untreu geworden waren, wandten sich in heftigster Weise gegen die Anhänger
der alten Lehre.
In einem in den "Dresdner neuesten Nachrichten" unter dem 12. April 1918
veröffentlichen Aufsatz nennen sie dieselben
"unnüchterne Elemente mit törichten Ideen"
und fahren recht lieblos fort:
"Wenn solche Elemente ihr verdientes Schicksal finden, so tut man uns in der Tat
einen Gefallen."
Dann zählen sie im Fortgangs des Artikels die eigenen Verdienste ums Vaterland auf. Diese
Kampfesart berührt sehr unsympathisch."
Zuletzt auch (wieder) dokumentiert ist dieses Thema auch in einem im Jahre 2008
erschienenen Buch von Johannes Hartlapp
Hartlapp referiert die Nazizeit; die Zeit des ersten Weltkrieges kommt bei ihm nur
"am Rande mit vor". Zwar kann man Teile des Buches auch via des Google
Bucheinscann-Programmes sichten, gleichwohl wird derjenige, der diesen Weg verfolgt, nicht
von sonderlichem "Glück" verfolgt sein.
Ich hatte es erst auch auf diesem Wege versucht; alsbald aber erfahren müssen.
Erstens gibt es nur Teile aus dem Buch.
Zweitens ist die IP des Interessenten dann auch von Google registriert.
Werden in der Sicht von Google "zuviele" Seiten aus dem Buch aufgerufen, setzt
der Sperrmechanismus ein, dass selbst Seiten, die zu den zugänglichen gehören, für
diesen Interessenten dann eben nicht mehr zugänglich sind (eine Erfahrung die auch ich
machen "durfte").
Da mir die 76 Euro regulärer Buchhandelspreis, für dieses Buch dann doch etwas zu happig
sind, und mir das Buch doch wichtig genug ist, habe ich mich dann für den Weg der
Ausleihe aus einer wissenschaftlichen Bibliothek entschieden, was ich nur allen weiteren
Interessenten gleichfalls empfehlen kann.
Wie gesagt, Hartlapp referiert vorrangig die Nazizeit.
Zu letzterer eine charakteristische "Kostprobe" daraus:
http://books.google.de/books?id=IwD9eN4oJ9gC&pg=PA459&dq=Adventisten+Wehrdienst&cd=1#v=onepage&q=Adventisten%20Wehrdienst&f=false
Es muss allerdings auch gesagt werden. Mit Rutherfords Machtantritt, begann sich das
Verhalten - dann buchstäblich einzelner - Bibelforscher in der Wehrdienstfrage zu
verändern.
Es sind in der Tat für diesen Zeitraum, in der zeitgenössischen einschlägigen
Zeitschriftenliteratur, zu nennen ist besonders ein Aufsatz in der "Zeitschrift für
die gesamte Neurologie und Psychatrie, Originalien", buchstäblich einzelne Fälle,
diesbezüglich dokumentiert.
Aber das galt eben ausdrücklich nicht für den Zeitraum von Russell's Lebenszeit
Man vergleiche zum Thema auch zuletzt auch den Disput:
http://forum.sektenausstieg.net/showthread.php?t=11590&page=4
(und weitere Detailpostings in diesem Thread).
„Nichts in der Bibel läßt
darauf schließen, daß unsere Zivilisation eine christliche ist, oder daß Gott
je erwartete, daß sie eine christliche sein würde. Gottes Zeit zur Errettung
der Welt aus ihrer Sünde und Schwachheit ist noch nicht gekommen. Die
gegenwärtige Zeit dient lediglich dazu, die Auserwählten zu berufen, sie zu
finden, zu erproben und zu befreien. Die Auserwählten werden nach ihrer
Verherrlichung das Messianische Königreich ausmachen, und sie werden mit
Christo mit Machtvollkommenheit ausgestattet werden, eine geistige Herrschaft
über die ganze Welt auszuüben."
Jedoch hat er dann in dergleichen Predigt auch noch die wörtlichen Sätze
mit eingebaut:
„Ein Christ, der
seiner Dienstpflicht im Heere oder in der Marine genügt, unterwirft sich damit
den obrigkeitlichen Gewalten (Röm. 13:1) und befolgt die Worte des Meisters in
Matth. 5,41: „Wer irgend dich zwingen wird, zu gehen."
Möglicherweise könnte es Gott so fügen, daß seinem Gesuch nicht mit der Waffe
dienen zu brauchen, sondern als Nichtkämpfer im Lazarettdienst verwendet zu
werden, entsprechen würde."
Zu nennen ist auch noch Russells Predigt in der „Volksboten"-Ausgabe vom
31. Oktober 1914. Letztere hatte er unter das Motto gestellt:
„Bedrängnis der Nationen in
Ratlosigkeit.
„Eine Zeit der Drangsal, desgleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation
besteht."
Nach einer Ansprache von C. T. Russell über den Text: „Auf der Erde Bedrängnis
der Nationen in Ratlosigkeit, bei brausendem Meer und Wasserwogen, in dem die
Menschen verschmachten vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den
Erdkreis kommen." (Lukas 21, 25-26)."
Und selbige äußert schon in den ersten Sätzen:
„Zu keiner Zeit hat es einen
Krieg gleich dem jetzigen gegeben. Es haben sich eigentümliche Verhältnisse
gebildet, so wie sie die Weltgeschichte bisher noch nicht gekannt hat."
Er lässt es nicht bei dieser eher allgemeinen Feststellung bewenden, denn
nachfolgend betont er ausdrücklich:
„Indem ich meine Bibel mit
klarerem Blick denn früher lese, und alles mit so ganz anderen Augen denn
ehedem ansehe, empfinde ich große Teilnahme für alle Menschen, die über diesen
Gegenstand sich in Verwirrung befinden.
Indem ich die Bibel lese, finde ich, daß Gott eben diesen Krieg vorhergesagt
hat, und er hat auf gerade das hingewiesen, was sich heute ereignet.
Wenn Gott diesen Völkerkrieg vorausgesagt hat, so ist es zwecklos, daß wir ihn
darum bitten, einem Kriege Einhalt zu tun, von dem er vorhergesagt hat, daß er
kommen werde."
Bat nach seiner Entlassung sofort seinen Hauptmann mündlich und schriftlich,
ihn im Sanitätsdienst zu verwenden. Der Hauptmann übergab die Sache dem
Gericht. Auf dessen Anordnung vom 26. VIII bis 16. X. 18 zur Beobachtung in
der pschiatrischen Klinik".
Nach dieser Sachstandsbeschreibung beginnt also erst der eigentliche
Part des Hoppe. Immerhin macht diese Schilderung deutlich.
Erst nach dem Tode des Bibelforschergründers Russell, wurde die
Wehrdienstverweigerung ernsthaftes "Thema".
Auslöser in diesem Fall wohl ein Urlaub im Jahre 1917; und während dieser
Zeit wohl eben auch der engere Kontakt zur WTG-Orgnisation.
Über seinen eigenen Part schreibt Hoppe dann:
"Hier völlig geordnet, keine
Defekte, weder Sinnestäuschungen noch Wahnideen nachweisbar. Sondert sich
von anderen Kranken ab, liest seine religiösen Schriften. Sehr bereit,
jedem, der es hören will, die Lehren seiner Gemeinschaft zu entwickeln.
Russell habe schon 1886 den Zusammenbruch der Welt für den Oktober 1914
vorhergesagt. Die Menschheit stehe, nachdem sie 6000 Jahre durch die
Berührung mit dem Bösen hindurchgegangen sei, am Anfang des siebenten
(Sabbats-) Jahrtausend, in dem sie in den adamitischen Urzustand
zurückkehren werde.
Gegenwärtig sei eine Zeit der Drangsal, wie sie nie gewesen sei und nie
wieder kommen werde. Die Zeiten der Nationen (=Heiden) seien abgelaufen,
Gott habe vor, sein Reich aufzurichten, Christus werde in der nächsten Zeit
wieder erscheinen. Die Nationen gingen zugrunde, Gott lasse sie zu ihrer
eigenen Belehrung sich gegenseitig zerfleischen, damit sie erkennen, wie
unsinnig ihr Tun ist; später werde er die Völker segnen.
Seine "Vereinigung" lasse jedem freie Hand, wie er sich zum Kriege stellen
wolle.
Trotzdem seien viele der Anhänger ("unsere Angehörigen") im Gefängnis.
Zum Kriegsdienst eingezogen, folgt er dem Rufe, versucht es erst mit einem
Kompromiss zwischen seinen militärischen Pflichten und den sich ihm
aufdrängenden Gewissensbedenken, bis dieses an neuen Skrupeln scheitert und
er eines Tages offen den Dienst verweigert. Die ihm auferlegte Strafe
verbüßt er, kaum aber ist er aus dem Festungsgefängnis entlassen, als er
seine Weigerung beharrlich fortsetzt. Ist er hier unbelehrbar und
unbekehrbar, so ist doch von Wahnideen und Sinnestäuschungen nichts zu
spüren. Daß er sich für einen Auserwählten hält, bleibt im Rahmen dessen,
was wir bei frommen Leuten, zumal bei Sektierern, gewohnt sind; auch sonst
gibt sein Glaube, so wunderlich manche seiner Reden klingen mögen, doch nur
das aus Büchern Angezeigte wider und läßt, wenn schon eine Verarbeitung, so
doch sicherlich keine wahnhafte erkennen.
B. ist ein Psychopath, wie Lebenslauf, Charakter und Verhalten beweisen,
aber kein Geisteskranker. Demgemäß wurde die Anwendbarkeit des § 51 StGB
abgelehnt; zu einer Verhandlung ist es wegen der inzwischen ausgebrochenen
Revolution nicht mehr gekommen."
Und als eigene Eindrücke notiert Hoppe noch:
"Ich habe auch in den
Schriften ihres Begründers Russell, soweit sie mir B. zugänglich macht,
nichts staatsgefährliches gefunden.
Die Hartnäckigkeit, mit der unsere Patienten an ihren Überzeugungen
festhalten, ihre Unbelehrbarkeit, ihre offen ausgesprochene Sucht nach
Aufsehen und Märtyrertum legten den Gedanken nahe, ob man bei ihnen nicht
mit Paranoikern zu tun habe, und dementsprechend ihr Glaube als ein
religiöses Wahnsystem aufzufassen sei.
Nach meiner (Hoppe's) Ansicht liegt die eigentliche Wurzel der
Gehorsamsverweigerung nicht in der so oder so begründeten Stellung zur
Religion, sondern im Überdruß am Kriege.
Nicht als ob die In Kolpaten die religiösen Bedenken heuchelten, sie
vorschützten oder auch nur übertrieben, um sich dem Dienst im Schützengraben
zu entziehen, davon ist keine Rede, aber die Kampfesmüdigkeit liefert den
Nährboden, aus dem die Kriegsfeindliche Weltanschauung aufsprießt.
Dafür spricht einmal, daß sich die bekannt gewordenen Fälle mit der Länge
der Kriegsdauer häuften, insbesondere aber auch, daß der überwiegende Teil
von ihnen sich zunächst ohne irgendwelchen Widerstand hatte einstellen
lassen, selbst dann, wenn sie schon vorher Beziehungen zu adventistischen
Sekten gehabt hatten; erst während des Dienstes erwacht das Gewissen, setzen
die "schweren inneren religiösen Kämpfe" ein."
In dergleichen Zeitschrift, in deren 49. Band (S. 218f.)
publizierte ein anderer Verfasser (W. Horstmann) unter der Überschrift
"Religiosität oder Wahn?" dann noch einen ähnlichen Artikel. In selbigem
nimmt er einleitend schon mal auf die vorzitierten Ausführungen Bezug, um
sie offenbar durch einen Fall aus seiner eigenen Praxis zu ergänzen. Zu
letzterem (S. 223f.) liest man dann:
"Aus den Akten verdient noch
Erwähnung eine Äußerung des S., die er am 6. III d. J.s vor dem
Oberkriegsgericht machte dahingehend;
"Ob die Vereinigung der ernsten Bibelforscher auf dem Standpunkt der
Verweigerung des Heeresdienstes steht, weiß ich nicht; ich habe mir meine
Anschauungen aus eigenen Überzeugungen gegründet";
und ferner die Aussagen des Zeugen S. des Inhaltes:
Er (S.) gehöre seit 5 Jahren der Vereinigung ernster Bibelforscher an. Zu
dieser Vereinigung in St. gehörten mehrere Soldaten, die als solche ihre
Pflicht tun."
Noch 1933 (oder wenn man so will besonders 1933), meinte "ein" Kirchenvertreter der staatlich besoldeten Art (Theologie-Fakultät, Universität Marburg) nachfolgenden Erguss von sich geben zu sollen:
Dito auch die Bibelforscher zu Zeiten des ersten Weltkrieges.
Der zweite ist insofern anders zu werten, als die Untergrundfunktionäre in
Hitlerdeutschland "gehetztes Wild" waren. Ideologisch zudem stark
Endzeitlich geprägt. Die glaubten im Stile eines Konrad Franke noch
tatsächlich, an die Endzeitthesen.
http://www.metacafe.com/watch/7850012/tagebuch_eines_toten/
Die heutigen Zeugen Jehovas kann man da schon eher ambivalent sehen.
Wie auch in der übrigen Gesellschaft, beobachtet man bei ihnen zwei
entgegengesetzte Pole.
Jene, die es eher zum Mittelstand gebracht haben (nicht selten die 2. und 3
Generationen). Und die daher am ehesten in Richtung "Kulturchristentum"
tendieren.
Gott ist für die "ein guter Mann". Dieweil sie in diesem Milieu groß
geworden, den Wechsel prinzipiell scheuen, suchen sie sich zu arrangieren,
mit dem "Wasser nach beiden Seiten tragend".
Endzeitthesen plappern sie zwar wie auch andere "Kulturchristen" treudoof
nach.
Wirklich existenziell indes wirken die bei der Mittelstandsklientel kaum.
Anders die "ersten Generationen", nicht selten Personengleich auch "weltlich
Gestrandeten" (was ja nicht zwangsläufig Dauerzustand bleiben muss, es aber
doch - zunehmend - in einer "Hartz IV-Gesellschaft" ist).
Da ist man doch geneigt an den Schriftsteller Fallada zu erinnern, mit
seinem flotten Spruch:
"Wer einmal au dem Blechnapp frass ..."
In dieser skizierten Klientel der "Gescheiterten" kann man in der Tat auch
heute noch denjenigen begegnen, für die Endzeitthesen keineswegs nur ein
"Lippenbekenntnis" sind.
Sieht man indes zur gleichen Zeit hin was in der Schweiz ablief, kommt man
nicht umhin zu konstatieren.
Es ist wohl auch eine Frage, wieweit die staatliche Druckschraube angezogen
wird.
KdöR-Kirchen (ohne relevante Ausnahmen) dürfen sich getrost in die Reihe
jener einordnen, deren Nagelprobe sich in dem Satz offenbart:
Sie haben etwas zu verlieren, und ob es dabei zu Zuspitzungen kommt (so
selten ja nicht), hängt eben vom staatlichen Druck ab. Der mag in den USA
und Großbritannien nicht so stark ausgeprägt gewesen sein, wie etwa in
Hitlerdeutschland. Man kann also durchaus verschiedene Stufen dieses Druckes
registrieren. Und demzufolge auch, verschiedene Stufen des reagierens.
.
Selbst die Mennoniten, vor dem ersten Weltkrieg Sonderrechte in Sachen
Wehrdienst sich erkämpft habend, knickten in der Belastungsprobe des ersten,
noch mehr des zweiten Weltkrieges, ruhmlos ein.
Soweit es die WTG-Hörigen anbelangt, ist verschiedentlich dokumentiert
worden, dass sie im Ersten Weltkrieg den Wehrdienst absolvierten.
Gleiches gilt übrigens auch für die Splittergruppen.
Die in der Schweiz erscheinende "Aussicht" berichtete verschiedentlich
davon, dass ihr Redakteur zu (zeitlich befristeten) Wehrübungen eingezogen
sei (nicht nur einmal sondern mehrmals). Also auch an der Schweiz ging das
kriegerische Geschehen in den Nachbarländern nicht spurlos vorbei.
In Deutschland etwa, hatte Friedrich Bösenberg, einstmals WTG-Hörig ab Juli
1915
eine eigene Zeitschrift gegründet ("Botschafter für den Haushalt des
Glaubens").
Sie wurde anfänglich übrigens von demselben Drucker gedruckt (Maximilian
Mevius in Strehlen (Schlesien)), welche auch den "Volkboten" herausgab, der
zu der Zeit (gegen Money) Russells wöchentliche Predigten in Deutschland
publizierte.
In der Ausgabe des "Botschafters" vom 15. November 1916 findet sich auch die
nachfolgende Mitteilung:
Laut "Botschafter" Ausgabe Dezember 1916, teilt Bösenberg darin weiter
mit, er sei 47 Jahre alt und ein nicht allzu kräftiger Mann. Die
Widrigkeiten des Krieges belasteten auch ihn bis an die Grenze seiner Kraft.
Immerhin habe er dahingehend doch noch Glück gehabt, als Offiziersordonanz
verwendet zu werden, müsse also nicht aktiv kämpfen. Dieses aber schließt er
nicht prinzipiell aus, sofern ein diesbezüglicher "Kelch" auch an ihm nicht
vorübergehen würde.
In der Januar-Ausgabe 1917 liest man dann, Bösenberg befinde sich nunmehr
als "Leichtkranker" in einem deutschen Lazarett. Seine Erkrankung deutet er
als "vom Herrn geleitet ... da ihm dadurch vermehrte Gelegenheit zum
Forschen in der Schrift und zum Gebet gegeben ist."
Die Ausgabe des "Botschafters" vom 15. Juni 1917 druckte dann eine ganze
Reihe von Voten solcher ab, die mit dem Zusatz gezeichnet sind.
"z(ur) Zeit) im Felde".
Von einem F. Kliegel liest man da beispielsweise auch das Votum:
"Was die Quartiere anbelangt, so geht es mir ebenfalls wie Bruder B(ösenberg).
Sogar Granatlöcher haben schon als Lagerstätte dienen müssen."
Solcherlei Angaben sprechen dann wohl für aktive Involvierung in das
Kriegsgeschehen (und keinesfalls nur "in Einzelfällen").
Insofern wirkt die WTG-Angabe im 1974 ZJ-Jahrbuch von einem aus dem
WTG-Zweigbüro Barmen, der als Soldat zum "Akten sortieren" Verwendung fand,
als bewusst bagatelisierend, den tatsächlichen Sachverhalt verfälschend!
Hinweis den 2 und 3. Jg. des "Botschafter für den Haushalt des Glaubens" im
Zeitungsformat gedruckt, namentlich an den Falzstellen damit heutzutage
äußerst desolat. Das wiederum hätte zur Folge, in wissenschaftlichen
Bibliotheken für die Benutzung prinzipiell gesperrt. Dieses Problem stellt
sich aber nicht, da auch die Deutsche Bücherei Leipzig über genannte
Jahrgänge nicht verfügt. Und selbige ist bezüglich der anderen Jahrgänge so
ziemlich der einzigste Bestandsnachweis.
Genannte beiden Jahrgänge - stelle ich zu einem späteren Zeitpunkt noch,
Online.soweit technisch möglich.
"Otto Normalverbraucher" wird diese vergilbten Texte eher weniger bis nicht,
auch tatsächlich lesen. Wirklich "vom Hocker reißendes" bieten sie ohnehin
nicht. Es gilt halt die zerfallenden Papierfetzen wenigstens so noch, soweit
möglich zu "konservieren".
Davor möchte ich aber den Fall Bösenberg noch in weiteren Details erst mal
selber aufgearbeitet haben. Ein Nachlass-Detail-Erwerb (nicht gerade
"billiger" Art) liegt dem dann zugrunde.
Aber es vergeht noch einige Zeit, bis es soweit ist.
Eine weitere dem Splittergruppenbereich zuortbare Zeitschrift war die von
Friedrich Kunkel mit dem Titel "Beiträge zum Schriftverständnis" (in
späteren Jahren dann noch mit der "Aussicht" zusammengelegt). Auch Kunkel
hatte mal eine WTG-Karriere, die er aber alsbald wieder zu beenden vorzog.
In deren Ausgabe vom April 1917 war beispielsweise nachfolgendes zu lesen:
"Der Krieg als Erlebnis
Jesaias 26, 9-21
Diejenigen, welche praktisch am Kriege beteiligt sind, können unendlich viel
erleben. Schon oft bin ich von Brüdern im Felde gefragt worden, wie ich zur
praktischen Beteiligung der Gottgeweihten am Kriege stehe. Zumeist antworte
ich folgendes:
Falls ich Soldat werde, hege ich keine Gewissensbedenken, mich im Gebrauch
scharfer Waffen zu üben und sie auch zu gebrauchen, und zwar aus folgenden
Gründen:
Mein ganzes Leben habe ich Gott geweiht, ich gehöre Ihm auf Leben und Tod
Der Weg in die Kaserne oder in den Schützengraben ist bei einem
Gottgeweihten wohl kein selbstgewählter, wenn ich ihn gehen muß, dann gehe
ich ihn mit Gott, ebenso wie jeden anderen Weg. Jesus, unser Vorbild, hat
wohlweislich verschwiegen, ob wir den Weg gehen sollen oder nicht, folglich
hänge ich da vollkommen von den Umständen ab. Die Tatsache, daß ich ihn
gehen muß, daß Gott es nicht verhühet, zeigt mir, daß es für mich eben
Gottes Wille ist. Wäre es sein Wille nicht, dann würde Er mich davor
bewahren; in Seiner Macht steht solches doch. Tut er es nicht, dann
übernimmt Er aber auch die volle Verantwortung für alles, was ich auf diesem
Wege tun muß. Und wenn ich beim Gebrauch scharfer Waffen jemand töte, ist er
für mich verantwortlich. Für mich ist dann das Töten absolut kein Mord,
sondern eine notwendige Pflicht, an der mein eigenes Empfinden gar keinen
Teil hat, da ich meistens ja gar nicht weiß, auf wen ich schieße. Für mich
ist weder der einzelne Franzose noch Russe ein Feind, ich handele, weil ich
muß, weil Gott es nicht verhührte, daß ich den Weg gehen mußte. Außerdem
steht im Kriege Volk gegen Volk, der Einzelne gilt da nicht. ..."
Siehe auch die Kommentare zur Herrberger-Schrift
Exkurs:
Der Mennoniten-Funktionär Ernst Crous, hielt auf dem fünften Deutschen
Mennonitentag einen Vortrag am 18. Juni 1939 zu Krefeld, welcher sowohl in
den "Mennonitischen Geschichtsblätter" als auch zusätzlich als
Separat-Abdruck publiziert wurde. Letzterer hatte den Titel: "Wie die
Mennoniten in die deutsche Volksgemeinschaft hineinwuchsen."
In selbigem führte Herr Crous unter anderem aus
"Im Grenzgebiet des Staatlichen hatten sie über Eid, öffentliche Ämter und
namentlich den Wehrdienst eine eigene Lehre.
Immerhin gab es Beispiele für einen Verzicht auf ursprüngliche Auffassungen.
Wie sehr dieser Rechtsentwicklung eine seelische Umstellung zur Seite
gegangen war, mag die Tatsache zeigen, daß derselbe Wilhelm Mannhardt, der
1863 die Wehrfreiheit der altpreußischen Mennoniten nach außen hin
geschichtlich begründet hatte, 1868 - 70 in einer Aufsatzreihe zur Wehrfrage
nach innen hin die neue Ordnung seinen Glaubensgenossen gerade um ihres
geistlichen Lebens willen empfahl. Wie sehr dann zwei Menschenalter später
die Gleichstellung nach Pflicht und Recht den Mennoniten in Fleisch und Blut
übergegangen war, erwies sich im Jahre 1933, als die Vereinigung der
Mennonitengemeinden im Deutschen Reich von sich aus erklärte, im Falle der
Wiedereinführung der Wehrpflicht keine besonderen Vorrechte mehr
beanspruchen zu wollen.
Und wenn die Mennoniten dankbar ihrer im Weltkrieg gefallenen Brüder
gedenken, so verdient es in gegenwärtigem Zusammenhang hervorgehoben zu
werden, daß unter diesen der Anteil an Offizieren etwa dreimal so groß ist
wie im Reichsdurchschnitt."