Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Zum Thema Luftschutz

Gemäß der Thematik dieser Webseite, soll einmal ein geschichtlicher Vorgang etwas näher beleuchtet werden, der zeitgenössisch sehr wohl mit einer der Problemverursacher war.

Noch in Friedenszeiten, so etwa in der Schweiz, machte sich das bemerkbar. Josy Doyon etwa, berichtet in ihrem Buch "Hirten ohne Erbarmen", wie es diesbezüglich ihrem Ehemann erging. Letzterer hatte sehr zum Missfallen der WTG-Funktionäre es lange Zeit vermieden, eine kategorische Erklärung gegenüber den Behörden abzugeben, dass er auch Luftschutzdienste prinzipiell verweigern würde. Daraufhin setzten die WTG-Funktionäre der Familie Doyon die Pistole auf die Brust:

"In ein arges Dilemma brachte Hans seine Verpflichtung zum Militärdienst. Längst hätte er den Dienst verweigern sollen, schob es aber immer wieder hinaus. Er konnte einfach nicht einsehen, warum ihm dies von der Gesellschaft zugemutet wurde, war er doch einer Luftschutztruppe zugeteilt … Aber schliesslich begann die Gesellschaft immer heftiger zu dringen, dass jeder Zeuge den Dienst verweigern müsse … "

Im "Wachtturm" vom 1. 2. 1972 kann man einen Bericht von Richard S. Cotterill aus Großbritannien lesen. Dieser äußert zu der in Frage stehenden Thematik:

"Während des Krieges wurde man zum Luftschutzhilfsdienst eingeteilt. Ich wurde als Luftschutzwart der Kathedrale von Carlisle eingesetzt! Da ich keiner Kirche mehr angehörte, weigerte ich mich, diese Aufgabe zu übernehmen, um so mehr, als ich bereits die Verpflichtung übernommen hatte, Luftschutzwart des Gebäudes zu sein, in dem sich der Königreichssaal befand. Ich kam vor Gericht und wurde zu einer Geldstrafe oder einem Monat Gefängnis verurteilt. Da ich mich weigerte, die Strafe zu bezahlen, räumte man mir einen Monat Zeit ein, in dem ich bezahlen könnte oder dann ins Gefängnis müßte. Ich landete im Gefängnis von Durham, wo es kärgliche Kriegsrationen gab. "

Es verwundert daher nicht, dass auch in Hitlerdeutschland sich das als ein relevanter Konfliktpunkt entpuppte.

Die SS-Zeitschrift "Das Schwarze Korps" bewertete das als "tollstes Stück", dass die Zeugen Jehovas die Beteiligung am Luftschutz ablehnten, "denn - 'wir stehen in Gottes Hand', und wenn Gott es will, dass eine Bombe einschlägt, so dürfen wir es nicht verhindern."

So erwähnt die Gestapo in ihren "Lageberichten" verschiedentlich:

"Bei Vernehmungen geben sie (die Bibelforscher) auf Befragen unumwunden zu, dass sie den Kriegsdienst verweigern würden. Auch haben sich einzelne Anhänger dieser Sekte geweigert, Ämter im Reichsluftschutzbund zu übernehmen. Hieraus geht hervor, dass im Ernstfall ein großer Teil der Bevölkerung ausscheidet, womit die außerordentliche Gefahr dieser religiösen Gruppe eindeutig bewiesen sein dürfte."

Ein weiterer Lagebericht notiert im gleichen Sinne:

„Zum Teil lehnen sie unter Hinweis auf die Bibel ihren Beitritt zum Reichsluftschutzbund und zur Arbeitsfront ab. Ein anderer Bibelforscher erklärte, der Dienst als Luftschutzwart und andere Dienstleistungen, die das Allgemeinwohl betreffen, versehen zu wollen. Die Ableistung eines Eides in politischen Angelegenheiten verbiete ihm aber sein Glaube und sein Gewissen."

In den Gestapo-Vernehmungen der Zeugen Jehovas, kommt dieser Punkt mit ziemlicher Regelmäßigkeit, immer wieder mit zur Sprache. Das soll mal an drei Vernehmungsprotokollen der etwas "prominenteren" Art verdeutlicht werden.

Im Vernehmungsprotokoll des Fritz Winkler liest man dazu:

"Der Deutschen Arbeitsfront treten verschiedene Glaubensgeschwister nicht bei, weil die Deutsche Arbeitsfront eine politische Gliederung der Partei ist und die Bibel von uns erwartet, dass wir uns von den Dingen der Welt, wozu auch die politischen Angelegenheiten zählen, freihalten sollen. Ich erkläre ausdrücklich, dass keinerlei Anweisung gegeben ist, wie sich die einzelnen Glaubensgeschwister der DAF gegenüber verhalten sollen. Über den Reichsluftschutzbund trifft das gleiche zu, was ich über die DAF angegeben habe."

In den Protokollen des Erich Frost liest man dazu:

Über unsere Stellung zur Wehrpflicht, sowie über die Leistung des Beamteneides sind von Seiten der Wachtturm und Bibel und Traktat Gesellschaft Informationen nicht ergangen. … Ich selbst lehne jedenfalls jegliche Leistung zur Wehrpflicht ab und werde auch zukünftig danach handeln. Dasselbe gilt für die Leistung des Eides auf den Führer. Ein Zeuge Jehovas, der als Beamter den Eid leistet, wird aufgehört haben, ein Zeuge Jehovas zu sein. Wir werden ihn für die Zukunft mit Sorge betrachten, da wir erfahrungsgemäß wissen, dass sich solche Leute allmählich von uns zurückgezogen haben. Solche Fragen sind auf dem Luzerner Kongress nicht besprochen worden. Ein Zeuge Jehovas, der als Beamter den Eid auf den Führer leistet begibt sich in die Gefahr, seinem Eid Jehova gegenüber untreu zu werden, wenn er die Folgerungen des Führereides auf sich zu nehmen hat. Ich für meinen Teil lehne daher ab, Arbeitsdienst zu verrichten, Untergliederungen der NSDAP beizutreten (Luftschutzbund, NSV) den deutschen Gruß anzuwenden und überhaupt mich an solchen Verbänden zu beteiligen, die der Wehrhaftmachung des deutschen Volkes dienen."

Auch in den Presseberichten über den von den Nazis einen Kopf kürzer gemachte Ludwig Cyranek, kommt dieser Aspekt, an herausgehobener Stelle mit zum Vorschein. Etwa, wenn man dazu liest:

"In gleichlautenden Texten, aber mit verschiedenen Balkenüberschriften berichtet die nationalsozialistische Presse über dieses Terrorurteil und versuchte, es propagandistisch auszuschlachten.

'Bibelforscher als Saboteure des Luftschutzes' - 'Haupträdelsführer mit dem Tode bestraft' schrieb die Rheinische Landeszeitung vom 21. März 1941, und der im Siegkreis erscheinende 'Westdeutsche Beobachter' vom 22. März 1941 setzte als Schlagzeile: 'Saboteure des Luftschutzes - Zuchthaus für Ernste Bibelforscher.'

Abschließend hieß es in beiden Artikeln: 'Die verbotene Vereinigung verneint nicht nur den Wehrdienst, sondern hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Maßnahmen von Organisationen der Volksgemeinschaft, darunter auch des Reichsluftschutzbundes, zu sabotieren. Sie bringt damit Gut und Leben deutscher Volksgenossen in größte Gefahr. Das darum der Haupträdelsführer Cyranek mit dem Tode bestraft wurde, entspricht voll und ganz dem Empfinden des Volkes, das vor solchem frevelhaftem Treiben geschützt werden muss.'"

Frost führte es in seiner Vernehmung schon mit aus. Die WTG vermied und vermeidet es, sich selbst in aktenkundiger Form dazu festzulegen. Es wird da nur intern agiert und zwar so, dass es im Ernstfall immer als "individuelle Gewissensentscheidung" verkauft wird. Das dieses "Gewissen" sich kollektiv um 180 Grad zu wenden vermag, hat man zuletzt beim 1996er Wehrersatzdienstschwenk registrieren können.

Insofern verwundert es nicht, dass man in den Lehrbüchern der Zeugen Jehovas, keine Detailausführungen zum Thema Luftschutz und seiner Verweigerung, vorfindet. Einmal ist dabei allerdings der WTG wohl eine Panne unterlaufen. So findet man doch tatsächlich in der Zeugen Jehovas-Zeitschrift "Das Goldene Zeitalter" vom 15. 8. 1936 eine Stellungnahme dazu. Die ist mit dem Kürzel M.C.H. absigniert (was für Martin C. Harbeck steht; jener WTG-Funktionär, der höchstpersönlich noch mit Nazibehörden verhandelte). Harbeck, dessen letzter Verhandlungsversuch dann scheiterte, und der sich darüber aufregt, dass die Nazibehörden auch ihn zweitweise inhaftierten, meint sich darauf berufen zu können, dass die Nazibehörden keine stichhaltigen Anklagepunkte gegen ihn vorbringen konnten; und sie ihn daher auf Druck der USA wieder freilassen mußten.

Nun mag die gescheiterte Verhandlungsmission vor dem 15. 8. 36 gewesen sein. Es ist auch fraglich, ob das Zeugen Jehovas-Referat der Gestapo, das "Goldene Zeitalter" aktuell auswerten konnte oder nur mit Zeitverzug. Wie auch immer, hier lieferte Harbeck aus eigener Feder jene Argumentation, die im Naziregime ausreichte, um selbst Ausländer längerfristig inhaftieren zu können.

In der Form einer Fragebeantwortung schrieb Harbeck dazu (und sein Text sei nachstehend ungekürzt zitiert):

Frage: Darf sich ein Zeuge Jehovas an der Organisation des Luftschutzes beteiligen?

Antwort: Wenn sich jemand Gott völlig geweiht hat und ein Nachfolger Jesu Christi geworden ist, so ist er aus allen Nationen der Erde abgesondert worden und wird nun sein ganzes Vertrauen auf Jehova Gott und auf Christus Jesus und auf das Königreich setzen. Er wird bemüht sein, in allen Dingen den Willen Gottes zu tun, und Gott sagt in seinem Wort, daß er sich in allen Dingen von der Welt Satans, d. h. von der Politik, dem Handel und der Religion dieser Welt, fernhalten soll.

Vom menschlichen Standpunkt betrachtet mag es gut und recht sein, daß ein Mensch oder ein Staat Maßnahmen trifft und sich organisiert, um sich gegen ungerechtfertigte Angriffe anderer Menschen oder anderer Nationen zu schützen und zu verteidigen. Mit dieser Frage aber hat ein Christ nichts zu tun.

In vielen Fällen wird es überhaupt unmöglich sein, festzustellen, wer den Angriffskrieg und wer den Verteidigungskrieg führt. Ein Christ vertraut auf Jehova und seinen Schutz allein. Er wird keinem Menschen oder keiner Organisation von Menschen Rettung und Heil zu schreiben. Ein Christ erwartet von keiner menschlichen Organisation Schutz und Rettung, sondern vertraut darauf, daß Jehova weitgehende Maßnahmen zu seiner Sicherheit und zu seinem Schutz getroffen hat. Ein Christ wird daher auch keinen Anteil nehmen an einer Luftschutz-Organisation für den Fall eines Krieges, weil eine solche Organisation mehr oder weniger mit militärischen Einrichtungen verbunden ist, und weil er dadurch stillschweigend zugeben würde, daß er von einer solchen Organisation Heil und Rettung erwartet.

In einigen Ländern wird in letzter Zeit verlangt, daß die Fahne als Symbol der Nation besonders gegrüßt wird und daß Menschen ebenfalls in besonderer Weise als Führer und Retter der Nation geehrt werden. Die politischen Spannungen werden immer größer, und der Teufel versucht durch Furcht die Menschen unter seine Botmäßigkeit zu bringen, indem er sie dazu bringt, auf Menschen und auf menschliche Einrichtungen ihre Hoffnung zu setzen. Wir glauben, daß diese Bestrebungen mit der Aufrichtung des Standbildes der teuflischen Organisation, wie s. Zt. in der Ebene Dura, in Verbindung stehen, und dass wir uns von allen diesen Dingen fernhalten sollen, soweit dies in unserer Kraft steht; ferner sollten wir durch unsere Stellungnahme ein Zeugnis dafür geben, daß Jehova Gott ist und daß sein Königreich die einzige Hoffnung der Welt ist.

Andererseits haben wir nicht das Recht, andern Menschen vorzuschreiben, was sie tun sollen oder wie sie sich in einer solchen Lage verhalten sollen. Auch dürfen wir uns nicht einmischen in die Angelegenheiten des Staates, und es soll dem Staate überlassen bleiben, zu tun, was ihm zu tun recht erscheint. Wir sind keine Pazifisten Im landläufigen Sinne des Wortes, denn wir wissen, daß Jehova in der Schlacht von Harmagedon kämpfen und alle seine Feinde vernichten wird. Durch seine unsichtbaren Heerscharen wird er seine Gesalbten zu schützen wissen und auch alle Menschen guten Willens, die sich auf die Seite seines Königreiches gestellt haben. M. C. H."

Eine Frage wäre eigentlich in diesem Zusammenhang noch mit zu klären. In diversen Veröffentlichungen über die Geschichte der Zeugen Jehovas wird sie mit erwähnt: die Gertrud Pötzinger, deren Ehemann es gar bis zum Mitglied der Leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas brachte. Pötzinger ist auch dahingehend in die Analen eingegangen, dass sie in der Endphase ihrer eigenen KZ-Haft als Kindermädchen und Haushaltshilfe bei einem SS-Offizier tätig war. Dieser konnte so entlastet, sich um so unbeschwerter seinen beruflichen Obliegenheiten widmen, die wohl nicht unbedingt der philanthropischen Art zuzuordnen sind.

Die Frage die dabei nach wie vor offen bleibt ist die. Weshalb wurde Luftschutz verweigert. Aber nicht die Dienstleistungen für SS-Schergen?

Hitlerzeit

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