Ein kirchliches Votum aus dem Jahre 1923
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 27. Januar 2013 01:05
entnommen dem „Kirchliches Jahrbuch für die evangelischen Landeskirchen Deutschlands 1923."
Im Zeitspiegel
Querbeet werden in ihm die zeitgenössischen Bauchschmerzen der Kirchen beschrieben. Ein besonders großer Posten dabei betrifft die organisierte Kirchenaustrittsbewegung, wie sie namentlich vom Freidenkertum forciert wurde. Aber auch die „Sekten" gelangen in den mißbilligenden Blick der Kirchen, und hierbei besonders auch die Bibelforscher.
Über letztere meint man konstatieren zu sollen:

„Die "ernsten Bibelforscher" mit ihren konfusen Aufstellungen machen rege Propaganda und sammeln mit ihrer phantastischen Eschatologie viele religiös ratlos Gewordene aus den unteren Ständen um ihr Panier, ohne daß diese sofort den Entschluß zum Austritt aus der Kirche fassen."

Weiter wertet man:

„Die sogenannte "Internationale Vereinigung ernster Bibelforscher" treiben ihr flaches, aufreizendes Unwesen bis zur Zerrüttung des Volkes. Mit der Bibel und den Schriften Ihres konfusen Sektenbegründers Russell gehen ihre Sendboten von Dorf zu Dorf. Mit marktschreierischen Plakaten sammeln sie die ziellosen Haufen der Großstädte. Die naive Frömmigkeit vieler unter dem Druck der Zeit direktionslos gewordenen Menschen, wissen sie für ihre Ideen zu entflammen, besonders aber dadurch, das sie der kommunistischen Vorstellungswelt sehr entgegenkommen. Neuerdings empfehlen sie sogar kurzerhand Zertrümmerung der bestehenden Weltordnung, Lehrer und Geistliche sollen einfach totgeschlagen werden (biblische Begründung: Elias und die Baalspfaffen). Da das 1000jährige Reich im Anbruch sei, lohne sich die Erhaltung des Bestehenden schon längst nicht mehr.
Das gefällt der robusten Art des Kommunismus sehr wohl. Diese Agitation, die zu völlig bolschewistischen Zuständen zu führen geeignet ist, wird leider von Amerika mit großen Geldsummen finanziert. Sie verwirrt religiös, sie unterbindet den Rest nationaler Kraft."

Bemerkenswert die mit verwandte Vokabel „Direktionslos". Das kann man auch etwas anders umformulieren. Etwa von den Kirchen nicht mehr beherrschbar.
Auch beachtlich das stellen der Bibelforscher in die kommunistische Ecke, und die Klage, der letzte Rest an „nationaler Kraft" wurde damit unterbunden.
Damit wird zugleich belegt, wo die zeitgenössischen Kirchen standen. Auf Seiten der Hurrapatrioten. Da war es dann nicht mehr allzuweit, um sich etwa zehn Jahre später auch im Gefolge eines anderen „Hurrapatrioten" aus Braunau am Inn heimisch zu fühlen.
Ob man in diesen Kontroversen wirklich für die Kirchen Stellung beziehen sollte? Ich gehöre zu denen, die es vorziehen, das eher zu verneinen.

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