Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Ein KdöR-Kommentar
Prolog
(Zitat aus der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 5. 1933)
Die Presse berichtet:
"Der deutsche Vizekanzler von Papen hatte eine lange Unterredung mit Kardinal Staatssekretär Pacelli über die Stellungnahme des Vatikans zum Hitlertum. Der Papst scheint geneigt zu sein, auch dem deutschen Fascismus den Segen zu erteilen, unter der Bedingung, dass die Judenverfolgungen etwas weniger öffentlich durchgeführt werden."
Nicht umsonst wird die Staatskirche die "Prostituierte" des Staates genannt. Darum ist derselben das ,,Konkordat" überaus wichtig, wogegen aber auch der Staat alles Interesse an der Untertänigkeit und Willfährigkeit der von ihm bezahlten Kirche hat. Das Konkordat bildet im biblischen Bilde gesprochen den Ehekontrakt dieses von ihr verurteilten ungöttlichen Verhältnisses.
KdöR = Körperschaft des öffentlichen Rechts, dass ist bekanntlich auch der von der Zeugen Jehovas-Führung heiß begehrte Status, denn sie mittlerweile durch diverse Instanzen hindurch einzuklagen versucht, und zu dessen Erringung sie alle nur möglichen Hilfstruppen, wie zum Beispiel den Theologieprofesor B., bemüht.
Zum Zeitpunkt des Schreibens dieser Zeilen, ist dieser "Dauerstreit" immer noch nicht definitiv geklärt. Aber möglicherweise rückt sein endgültiger (gerichtlicher) Entscheidungstermin nun doch in greifbare Nähe.
Nachstehend dazu ein dem Infolink-Forum entnommener Kommentar. Er spricht für sich, so dass sich ein weiterer Kommentar dazu meinerseits derzeit erübrigt. Was nicht heißen soll, bei Bedarf auch noch selbst dazu kommentierend tätig zu werden.
Von M. Bibleres am Montag, den 9. September, 2002 - 15:43:
Prof. Dr. Horst Sendler (BVerwG) kritisiert Verfassungsurteil zu den Zeugen Jehovas!
Einleitung von M. Bibleres:
In diesem Jahr werden mindestens 160 000
Wahlberechtigte ihre Stimme (wie gewohnt!) nicht abgeben. Nicht Pessimismus
veranlasst mich zu dieser Äußerung, denn diese habe ich mit Blick auf einen
bestimmten Adressatenkreis von mir gegeben, den Zeugen Jehovas. Diese religiöse
Gemeinschaft verdankt ihre Religionsfreiheit, wie viele andere Bekenntnis- und
Weltanschauungsgemeinschaften auch, einem Demokratieprinzip, welches aus der
ständigen geistigen Auseinandersetzung zwischen den sich begegnenden sozialen
Kräften hervorgegangen ist. Jede abgegebene Stimme festigt sogleich die
unantastbaren Fundamente des Verfassungsstaates, wovon auch die
Religionsfreiheit - und auch die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas! - profitiert.
Die Besonderheit liegt indes nicht in ihrer Wahlenthaltung sondern in dem Motiv.
Wer ein Zeuge Jehovas werden möchte, muss seine demokratische Mündigkeit
leugnen, d. h., er darf keinen Beitrag (z. B. durch Wahlen) zur Ausgestaltung
der Demokratie leisten, weil „wir kein Teil der Welt sind" und „uns politisch
neutral verhalten". Eine Verletzung der politischen Neutralität (Wählen gehen)
wird als strafbare Handlung gewertet und zieht den Verlust der Mitgliedschaft
mit sich, mit allen sozialen Konsequenzen, da Zeugen Jehovas mit solchen
Personen nicht verkehren dürfen. Insofern entspricht es durchaus der Tatsache,
dass sie (die Zeugen Jehovas) andere nicht daran hindern, „sich an
politischen Wahlen zu beteiligen, für politische Ämter zu kandidieren, sich
nichtneutralen Organisationen anzuschließen, politische Schlagworte zu rufen
usw. (Gebt Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, Teil 5c). Wie
wollte etwa die Wachtturm Gesellschaft das Mitglied daran hindern, außer durch
physische Maßnahmen und somit Wählernötigung im Sinne von § 108 STGB laut
Auffassung von Prof. Dr. Weber, Prozessbevollmächtigter der Zeugen Jehovas,
angeblich nicht vorliegt (Rechtsgutachten 28. Januar 2000).
Weber sieht in
der Sanktionierung keine „Nötigung" sondern eine „sozialadäquate Beeinflussung"
(ebd., Gutachten), die die „Verwerflichkeitszone" noch nicht überschritten hat.
Das Regelwerk der Zeugen Jehovas sieht
aber vor, dass das Mitglied nur unter Verlust der Gemeinschaft, seines guten
Rufes und in Unehre, an der politischen Willensbildung teilnehmen kann bzw. von
der Freiheit der Ausübung (siehe auch das Gutachten von Dr. Südhoff 12.
Oktober 1999). Weber betreibt in seinem Gutachten reine
Begriffsjurisprudenz bei sich gleichzeitigem Entfernen von der
Wertungsjurisprudenz; Letztere lässt nämlich die „Verwerflichkeitszone" in das
soziale Umfeld mit hineinragen.
Südhoff hat in seinem Gutachten
noch mal herausgestellt, dass der Verweis der Zeugen Jehovas, es gäbe keine
Wahlpflicht, nicht zur Disposition steht, sondern die „Freiheit zur
Ausübung des Wahlrechts" (ebd., Südhoff, Unterstreichung von mir) Und so
verhält es sich bei den Zeugen Jehovas. Da das Wahlverhalten zentralistisch
angeordnet ist, handelt es sich um ein Merkmal der Kollektiventscheidung und
nicht um die Freiheit des einzelnen.
Das BVerfG hat selber betont, dass
eine Beeinträchtigung der Wahlbeteiligung „nur durch die Verfassung selbst
geregelt werden kann" (BVerfG, sinngemäße Wiedergabe von mir), und nicht durch
irgendeine Religionsgemeinschaft „Niemand darf gehindert werden, das Amt
eines Abgeordneten zu übernehmen und auszuüben. Eine Kündigung oder eine
Entlassung aus diesem Grunde ist unzulässig. … Für die parlamentarisch
repräsentative Demokratie sind das allgemeine aktive und passive Wahlrecht und
die Freiheit und Unabhängigkeit des gewählten Abgeordneten wesentlich
(Unterstreichung von mir). Aus dem im Grundgesetz konkretisierten
Demokratieprinzip folgt, dass Einschränkungen der Allgemeinheit der Wahl und
Behinderungen im Zugang zum Mandat und in der Ausübung des Mandates
grundsätzlich verfassungswidrig sind" (Südhoff im Gutachten
bezugnehmend auf: BVerfG, NJW 1976, 2123, 2124; Brem-KirchG, Unterstreichung von
mir).
Um so mehr verwundert es mich nun auch,
dass das BVerfG in seinem Urteil bezüglich dieser Thematik, einen zu Gunsten der
Zeugen Jehovas eher moderateren Ton anschlägt, wenn es sich plötzlich in die
Äußerung versteigt, die Enthaltsamkeit der Beschwerdeführerin gegenüber
staatlichen Wahlen betreffe „deswegen das Demokratieprinzip nicht in seinen
normativen Gehalten, sondern in seinen tatsächlichen Voraussetzungen" (Urteil
vom 19.12.2000 - 2 BvR 1500/97 - = ZevKR Juni 2001 Band 46), während es aber wie
oben zitiert, die „Einschränkungen der Allgemeinheit der Wahl" (ebd.) für
verfassungswidrig erklärt. Damit wird sich nun Prof. Dr. Horst Sendler
befassen und ich „übergebe ihm hiermit das Wort".
M. Bibleres
Verwendete Abkürzungen:
BVerfG = Bundesverfassungsgericht;
BVerfGE = Bundesverfassungsgericht Entscheidungen; BVerwG =
Bundesverwaltungsgericht; NJW = Neue Juristische Wochenschrift; NVwZ
= Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht; ZevKR = Zeitschrift für
evangelisches Kirchenrecht
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Auf jede Stimme kommt
es an!
Das BverfG und der Schutz der Wahlbeteiligungsfreiheit
von Präsident des BVerwG Prof. Dr. Horst Sendler, Berlin
1. Vor jeder
Wahl heißt es, es komme auf die Stimme an. Das soll die Wahlmüden oder gar
-faulen an ihre Wahlpflicht erinnern. Diese besteht zwar bekanntlich nicht als
durchsetzbare Rechtspflicht; aber dennoch wird man wohl von einer Art
demokratisch-moralischer Pflicht ausgehen dürfen. Das BverfG scheint dies
allerdings nicht so wörtlich und ernst zu nehmen. In diesem Sinne lässt sich
wohl sein Urteil zu den Zeugen Jehovas (BverfGE 102, 370 = NJW 2001, 429)
deuten. Die zuständige Behörde hatte den Zeugen Jehovas die erstrebte
Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach Art. 140 i. V. mit
Art. 137 V 2 GG vor allem deswegen verweigert, weil die Religionsgemeinschaft
der Zeugen Jehovas das aktive wie das passive Wahlrecht ablehnt; ein strikt zu
befolgendes Glaubensgebot verbiete nämlich die Teilnahme an staatlichen Wahlen,
so dass ein Zeuge Jehovas, der auf der Teilnahme an staatlichen Wahlen beharrt,
nicht Mitglied der Religionsgemeinschaft bleiben kann. Das BverwG hatte
die behördliche Auffassung entgegen dem VG und dem OVG Berlin (NVwZ
1994, 609, und NVwZ 1996, 478) bestätigt (BVerwGE 105, 117 = NJW 1997,
2396). Für das BVerfG, das dem \BVerwG} nicht gefolgt ist, kommt es „auf
jede Stimme" offenbar nicht an, obschon es sich bei der vermutlichen Zahl der
Angehörigen der Glaubensgemeinschaft in ganz Deutschland wohl um Zehntausende,
jedenfalls um etliche mehr als nur wenige handeln dürfte; das BVerfG
spricht von einer mitgliederstarken Religionsgemeinschaft. Für das BVerfG
jedenfalls ist dieses „Wahlverbot" ersichtlich kein Hindernis für die
Religionsgemeinschaft, die Qualität einer Körperschaft des öffentlichen Rechts
zu erlangen.
2. Allerdings befasst sich auch das
BVerfG mit den Auswirkungen jenes Verbots auf die Wahlbeteiligung. Dies
geschieht im Zusammenhang mit der Prüfung, ob die Glaubensgemeinschaft der
Zeugen Jehovas trotz des von ihr verhängten Wahlverbots die - auch vom BVerfG
verlangte, im Gegensatz zum BVerwG bejahte - Gewähr dafür bietet, die in
Art. 79 III GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien nicht zu
beeinträchtigen oder zu gefährden. Die Enthaltsamkeit der Religionsgemeinschaft
gegenüber staatlichen Wahlen betreffe „das Demokratieprinzip nicht in seinem
normativen Gehalt, sondern in seinen tatsächlichen Voraussetzungen" und sei
„weder politisch begründet noch intentional auf eine Schwächung der Demokratie
gerichtet" (BVerfG 102, 370 [398] = NJW 2001, 429 [433]); diese Aussage
verwundert angesichts der mehrfach in jenem Urteil verlautbarten Meinung des
BVerfG, es komme nicht auf die religiöse Motivation und damit auf die
Intention an, sondern auf das (objektive) Verhalten; das aber kommt hier in dem
Verbot zum Ausdruck, eine für den demokratischen Staat zentrale und elementare
Regelung, nämlich die Wahlfreiheit seiner Bürger, zu respektieren.. Auch die
tatsächliche Entwicklung bestätigt nach Meinung des BVerfG jene Deutung
von Programm und Ziel der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas. Man müsste
nämlich erwarten, dass sich deren Haltung „in ihren praktischen Folgen negativ
auf die vom Demokratieprinzip geforderte demokratische Legitimation der
Staatsgewalt durch Wahlen auswirkt, wenn es ihr gelänge, erhebliche Teile der
wahlberechtigten Bevölkerung von einer Teilnahme an staatlichen Wahlen
abzuhalten.". „Offenbar" übe aber die Religionsgemeinschaft „keinen spürbaren
Einfluss auf Nichtmitglieder aus". Diese Überlegungen des Gerichts sind in
mehrfacher Hinsicht bedenkenswert und erstaunlich, aber auch fragwürdig. Denn es
kann wohl nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass es der Religionsgemeinschaft
gelungen ist, erhebliche Teile der wahlberechtigten Bevölkerung - auch ihre
eigenen zahlreichen Mitglieder gehören zur wahlberechtigten Bevölkerung! - von
einer Teilnahme an staatlichen Wahlen abzuhalten. Erstaunlich ist die
Argumentation des BVerfG aber auch deswegen, weil sie es auf jenen -
allerdings verneinten - „spürbaren Einfluss auf Nichtmitglieder" überhaupt
ankommen lässt; denn andernfalls hätte es eines Hinweises auf jenen Einfluss
nicht bedurft. Zum einen dürfte es schwierig, wenn nicht unmöglich sein, einen
spürbaren Einfluss auf Nichtmitglieder überhaupt festzustellen und nachzuweisen
- die derzeitige Wahlverdrossenheit geht gewiss nicht auf einen Einfluss der
Zeugen Jehovas auf Nichtmitglieder, sondern eher auf das Verhalten der sich zur
Wahl stellenden Parteien selbst zurück. Vor allem aber: Dürfte man denn die
Religionsgemeinschaft durch Verweigerung des Körperschaftsstatus dafür
„bestrafen" dass ihr „Wahlverbot" nicht nur - wie das BVerfG meint:
zulässigerweise - zielgerichtet ihre Mitglieder zur Wahlverweigerung bestimmt,
sondern unbeabsichtigt auch „dank" des negativen „Vorbildes" auch
Nichtmitglieder zu gleichem Verhalten veranlasst? Denn Nichtmitglieder täten
dies - anders als die Mitglieder - aus eigener freier Entscheidung. Lässt sich
gar sagen, das vom BVerfG „angedachte" Problem sei kaum folgerichtig zu
Ende gedacht worden?
3. Freilich ließe sich denken, dass
das BVerfG zu den von ihm ohne Einschränkung angesprochenen „Teilen der
wahlberechtigten Bevölkerung" die Mitglieder der Zeugen Jehovas selbst nicht
zählt. Dafür könnte sprechen, dass das BVerfG von einer
Religionsgemeinschaft unter anderem nur die Gewähr verlangt, die staatlichem
Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter (Hervorhebung nicht im Original)
nicht zu beeinträchtigen oder zu gefährden. Man könnte sagen, wer sich
freiwillig in Knechtschaft begebe, sei selbst schuld daran und verdiene keinen
staatlichen Schutz. Aber auch diese Überlegung wäre vordergründig. Es ließe sich
nicht rechtfertigen, den Mitgliedern der Zeugen Jehovas Grundrechtschutz zu
verweigern, weil sie jederzeit die Möglichkeit hätten, die Religionsgemeinschaft
zu verlassen. Wenn sie nämlich den Glaubensüberzeugungen der
Religionsgemeinschaft grundsätzlich anhängen, dann kann man nicht von ihnen
erwarten, oder ihnen gar zumuten, die Religionsgemeinschaft nur wegen des ihnen
dort verweigerten Rechts zur Teilnahme an staatlichen Wahlen zu verlassen.
Grundrechtsschutz muss also unabhängig von der Möglichkeit bestehen, die
Religionsgemeinschaft zu verlassen.
So ist denn auch der Sprachgebrauch des
BVerfG nicht einheitlich. Es spricht keineswegs nur von den zu
gewährleistenden Grundrechten Dritter, sondern schlechthin von „dem in
Art. 1 I GG verankerten Grundsatz der Menschenwürde und von dem von ihm
umfassten Kerngehalt der nachfolgenden Grundrechte"; weiter stellt es
uneingeschränkt fest, dass „das Grundgesetz die Menschenwürde und andere
Grundrechte dem Schutz der Verfassung (unterstellt)"; dementsprechend hat das
BVerfG bei seiner Zurückweisung den Fachgerichten aufgegeben zu prüfen, ob
die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas „dem staatlichen Schutz anvertraute
Grundrechte beeinträchtigt", und zwar auch Grundrechte ihrer Mitglieder.
Dies entspricht der ganz herrschenden
Meinung und auch der Rechtsprechung des BVerfG. Danach muss eine
Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will,
rechtstreu sein. „Sie muss die Gewähr dafür bieten, dass sie das geltende Recht
beachten … wird". Sie hat die „staatsbürgerliche Pflicht zur Beachtung
der Gesetze". Zu diesen auch von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu
beachtenden Rechten gehört das Grundrecht des wahlberechtigten Bürgers, an
Wahlen teilzunehmen, das als „politisches Grundrecht" ein „höchstpersönliches
(unveräußerliches, unverzichtbares und unübertragbares) Recht" (Magiera,
in: Sachs [Hrsg.], GG, 2. Aufl. [1999], Art. 38 Rdnr. 100) und also ein
Recht ist, das grundsätzlich nur unter bestimmten mit der Verfassung
vereinbarten gesetzlichen Voraussetzungen entzogen oder verkürzt werden kann
(vgl. BVerfGE 13, 54 [91] = NJW 1961, 1453). Wenn die
Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas des Status einer Körperschaft des
öffentlichen Rechts erlangen will, muss sie auch dieses Recht respektieren. Gäbe
es eine gesetzlich festgelegte (zulässige) Wahlpflicht, so könnte kein Zweifel
bestehen, dass das „Wahlverbot" gegen das Gesetz verstieße. Das Gleiche gilt und
muss erst recht gelten, wenn durch dieses „Wahlverbot" das grundrechtlich
gewährleistete Recht zur Teilnahme an Wahlen negiert wird. Die Pflicht zur
Beachtung dieses Rechts wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass aus guten
Gründen davon abgesehen worden ist eine Rechtspflicht zur Wahlbeteiligung
vorzusehen. Unsere Demokratie will es vielmehr dem mündigen in Wahrnehmung
grundrechtlicher Freiheit überlassen, von seinem Wahlrecht gebrauch zu machen,
und damit seiner uneingeschränkten Entscheidungsmacht anheim geben; dem
entspricht Art. 38 I 1 GG, der die Freiwilligkeit, an einer Wahl teilzunehmen,
durch den Grundsatz der freien Wahl garantiert. Eine Verletzung der
Freiwilligkeit einer Wahlteilnahme durch ein „Wahlverbot" ist ebenso ein
Rechtsbruch, wie es ein Verstoß gegen eine gesetzlich festgelegte (zulässige)
Wahlpflicht wäre. „Das Lebenselement der Demokratie ist die freie geistige
Auseinandersetzung" (BVerfGE 102, 370 [398] = NJW 2001, 429 [433]); diese
Freiheit darf nicht durch Verbote behindert und entzogen werden. Auch gegenüber
den Grundrechten anderer - seien es Mitglieder oder Nichtmitglieder einer
Religionsgemeinschaft - gilt die allgemeine Pflicht zur Gesetzesbefolgung (vgl.
Hillgruber, JZ 2001, 1347 [1352]).
Diese Pflicht, das „politische Grundrecht"
als ein grundrechtsgleiches Recht des wahlberechtigten Bürgers zu achten,
entfällt nicht dadurch, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht
jeder einzelne Verstoß gegen Recht und Gesetz die Gewähr rechtstreuen Verhaltens
in Frage stellt. Um einen einzelnen Verstoß würde es sich hier ohnehin nicht
handeln. Es mag zwar sein, dass die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas
hier einen wesentlichen, unausweichlichen Konfliktfall mit den staatlichen
Geboten sieht und deswegen den Glaubensgeboten, wie sie sie versteht, mehr
gehorchen zu müssen glaubt als der vom Staat gewährleisteten Freiheit zur
Wahlbeteiligung; dabei mag hier offen bleiben, ob ein solcher - vom BVerfG
für möglich gehaltener - Vorbehalt überhaupt tolerabel ist (vgl. Hillgruber,
JZ 2001, 1350 [1351]). Jedenfalls steht dem die verfassungsrechtlich garantierte
Freiheit auch der Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas
gegenüber, von ihrem Wahlrecht als dem „vornehmsten Recht des Bürgers im
demokratischen Staat" (BVerfGE 1, 14 [33] = NJW 1951, 877) Gebrauch zu
machen und damit das vom BVerfG mit Recht berufene „Lebenselement der
Demokratie" wahrzunehmen; mit dem Verzicht darauf beraubte sich unsere
Demokratie selbst ihrer Grundlage. Man kann es der Religionsgemeinschaft der
Zeugen Jehovas zwar nicht verbieten, ihren Mitgliedern die Teilnahme an
staatlichen Wahlen zu untersagen und sie dadurch wahl- und staatsbürgerrechtlich
zu „entmündigen". Aber unsere Demokratie würde unglaubwürdig und stellte sich
selbst in Frage, wenn sie diese Verneinung des Lebenselements der Demokratie mit
der Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts und dem
damit verbundenen Privilegienbündel honorierte, dadurch dem Wahlverbot ihren
Segen erteilte und letztlich die Charakterisierung der Verfassungsordnung des
Grundgesetzes durch die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas als
„Bestandteil der Welt Satans" (BVerfGE 102, 370 [397] = NJW 2001, 429
[433]) hinnähme. Das lässt sich auch nicht mit der Überlegung widerlegen, da die
Mitglieder der Zeugen Jehovas sich im Zweifel ohnehin nicht an den Wahlen
beteiligen, spielt es keine Rolle, ob sie sich als Mitglieder einer Körperschaft
des öffentlichen Rechts oder lediglich einer „schlichten" Religionsgemeinschaft
in dieser Weise verhielten.
Das eben Gesagte hat nichts mit der vom
BVerfG wohl zu Recht beanstandeten Meinung des BVerwG zu tun, man
könne von einer Religionsgemeinschaft eine Loyalität gegenüber dem Staat und
eine - ohnehin Missverständnissen ausgesetzte - „Nähe zum Staat" verlangen, wenn
sie der Körperschaftsehre gewürdigt werden wolle. Um es auf eine kurze, freilich
gegen Missverständnisse ebenfalls nicht gefeite Formel zu bringen: Man kann zwar
keine Staatsloyalität verlangen, wohl aber das Unterlassen von Illoyalitäten
gegenüber dem Staat und seinen Grundlagen. Unsere Demokratie lebt davon, dass
jeder freiwillig zur Wahl geht; das Wahlbeteiligungsrecht ist für unsere
Demokratie „schlechthin konstituierend". Dieses Recht zusammen mit der damit
verbundenen vom Staat geforderten und garantierten Freiwilligkeit der
Beteiligung an einer Wahl wird unterminiert, wenn man die Teilnahme an der Wahl
verbietet. Mit einem solchen Verbot werden die Grundlagen der staatlichen
Existenz prinzipiell in Frage gestellt und elementare Verfassungsgüter
gefährdet. Von der erforderlichen Einfügung der Religionsgemeinschaft in die
verfassungsmäßige Ordnung kann unter diesen Umständen nicht mehr gesprochen
werden.
4. Das BVerfG hat in dem
Verhalten der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas gegenüber staatlichen
Wahlen einen Gesichtspunkt gesehen, der bei der gebotenen typisierenden
Gesamtbetrachtung Berücksichtigung finden kann, ohne freilich näher zu sagen,
wie die gebotene typisierende Gesamtbetrachtung im Einzelnen vorzunehmen sei und
wie und in welchem Umfang jenes Verhalten berücksichtigt werden könne und müsse;
allein trage jenes Verhalten jedenfalls nicht die Annahme einer Gefährdung der
unantastbaren Gehalte des Demokratieprinzips. Das BVerfG hat dabei nicht
die hier erörterten eigenen, vom Staat zu schützenden Grundrechte der
wahlberechtigten Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in den
Blick genommen und brauchte dies nicht zu tun, da diese Problematik auch vom
BVerwG nicht angesprochen worden war. Die Einbeziehung dieses wesentlichen
Gesichtspunkts sollte dazu führen, die Verleihung des Status einer Körperschaft
des öffentlichen Rechts an die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas mit
Skepsis zu betrachten, zu überdenken und schließlich zu verweigern. Wenn das
„Wahlverbot" als glaubensmäßig abgesichert dem Anspruch der Deutschen Christen
unseligen Angedenkens aus den Jahren nach 1933 überzeugend, und ohne in
Widerspruch zu geraten, entgegentreten könnte, wenn diese „auf biblische
Grundlage" - und selbstverständlich ohne antisemitischen Hintergedanken! - heute
den Glauben verträten, die Juden hätten „unseren Heiland" ermordet; der Hinweis
darauf, dass sie noch keine 30 Jahre bestünden und damit nicht die Gewähr der
Dauer böten, wiche dem eigentlichen Problem aus.
Außer Betracht gelassen werden kann dabei
wohl auch nicht, dass das BVerfG das Wohl der Kinder durch die von der
Religionsgemeinschaft empfohlenen Erziehungspraktiken als möglicherweise
beeinträchtigt ansieht, obwohl gerade fromme Gläubigkeit dafür sprechen kann,
die Erziehungspraktiken unserer öffentlichen Schulen abzulehnen und durch
bessere zu ersetzen, weil diese Praktiken oft wenig erfolgreich oder gar
kontraproduktiv sind, die Blamage der Pisa-Studie verursachten oder zu roher
Gewalt führten. Auch die Freiheitsrechte austrittswilliger Mitglieder der
Religionsgemeinschaft sieht das BVerfG als durch die Grundrechte
geschützt an. Erst recht müsse dieser Schutz gelten, wenn etwa eine
Religionsgemeinschaft auf die Idee verfiele - auf dem Glaubensmarkt kann man
leider nichts für ausgeschlossen halten -, die Eheschließung ihrer Mitglieder
nach alter Gutsherrenart von der Erlaubnis der Gemeinschaftsleitung abhängig zu
machen oder gar für diese - wie es in einer amerikanischen Sekte praktiziert
worden sein soll - das ius primae noctis zu beanspruchen. Es kann wohl kein
Zweifel bestehen, dass insoweit der Staat zum Schutz der betroffenen Grundrechte
verpflichtet wäre und in solchen Fällen - erst recht - keinen Anspruch auf
Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zubilligen dürfte. Was
solchen Freiheitsrechten recht ist, sollte aber doch wohl dem die Demokratie
konstituierenden Freiheitsrecht, sich an Wahlen zu beteiligen, billig sein.
Vielleicht kommt es gerade auf die dabei gewonnenen Wählerstimmen an, wie es
eben nach dem eingangs Gesagten auf jede Stimme ankommt!
(Abschrift aus der NJW = Neue
Juristische Wochenschrift 2. September 2002, S. 2611)
Die "Schlange am Busen"
Die derzeit beiden letzten relevanten Gerichtsentscheide im "Endlosstreit" KdöR-Ansprüche der Zeugen Jehovas datieren aus dem Jahre 1997 und dem Jahre 2000 (Fortsetzung in Aussicht gestellt). 1997 war dieser Streit bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen worden, welches am 26. 6. 1997 in einer Weise entschied, über welche die juristischen Körperschaften der Zeugen Jehovas nicht sonderlich "erfreut" waren. Und so legten sie denn prompt auch das Rechtsmittel der Verfassungsbeschwerde ein, welche im Jahre 2000 vor dem Karlsruher Bundesverfassungsgericht zur Verhandlung kam. Zweigeteilt in eine mündliche Anhörung vom September 2000 und in der anschließenden Urteilsverkündung am 19. 12. 2000; sozusagen als "Weihnachtsgeschenk".
Es soll ja Leute geben, die kein Weihnachten feiern. Auch das ist bekannt. Genau wie der Termin der Urteilsverkündigung (in vorgenanntem Kontext) zwiespältig war; so war es wohl auch das eigentliche Urteil.
Das Bundesverfassungsgericht folgte in seiner mündlichen Verhandlung dem Prinzip, allen Prozessbeteiligten noch mal die Möglichkeit zu geben, ihre Sicht der Dinge in einem kurzen Statement darzulegen. Die unter Leitung von Jutta Limbach stehende Verhandlung beinhaltete auch, dass ein Vertreter des Gerichtes selbst, Prof. Dr. Dr. Hassemer dabei ebenfalls mit einem Statement-Beitrag vertreten war. Ein paar Sätze aus diesem Hassemer-Votum. Zu beachten ist: Er beschrieb lediglich Sachverhalte. Er hat aber damit durchaus kein "Urteil" ausgesprochen. Hassemer bemerkt:
Wenn der Staat einer Religionsgesellschaft das Recht gibt, eine KdöR zu sein, ihr diesen Status verleiht, so bietet er ihr so etwas wie eine Kooperation an. Und natürlich wird er einer Schlange keine Kooperation anbieten, die er an seinem Busen nährt, und die ihn dann beißt.
Weiter, so Hassemer:
Die Konstellation um die gestritten wird.
Die ZJ verbieten die Transfusionen von fremden Blut, bringen deshalb ihre Mitglieder in Probleme.
Sie haben abweichende Meinungen zur Ableistung von Wehr- und Zivildienst,
sie haben vom Grundgesetz abweichende Meinungen dafür, ob die Bürger zur Wahl gehen sollen, oder sich zur Wahl stellen sollen.
Sie machen den Leuten Probleme, die willig sind auszutreten
und sie machen auch Kindern Probleme, durch ein besonders rigides System.
Seitens des Berliner Senats sprach dessen beauftragter Rechtsanwalt Südhoff.
Einige seiner Ausführungen:
Haltung zum aktiven und passiven Wahlrecht.
Das Bundesverfassungsgericht hat allein aufgrund dieser Sachlage, auf die Unzulässigkeit der Verleihung der Körperschaftsrechte an die Beschwerdeführerin beschlossen.
Betrachtet man die Lehrmittel der Beschwerdeführerin, so wird der Staat als Teil des dem nahen Untergang geweihten Systems, als satanische Organisation angesehen. Ich darf die Beschwerdeführerin mit weiteren Aussagen zitieren:
"Die organisierte menschliche Gesellschaft unter Satan dem Teufel ist wirklich böse und korrupt. Die politischen Systeme bilden einen gewichtigen Bestandteil der Welt Satans. Diese tierähnlichen Regierungen erhalten ihre Macht von Satan."
Sicherlich hat die Beschwerdeführerin nun in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren auch Quellen vorgelegt, die stärker die faktische Unterordnung der Beschwerdeführerin unter das staatliche System akzentuieren. An ihrer grundsätzlichen dogmatischen Betrachtung hat sich indes nichts geändert.
Wie die im Jahre 1999 noch in Berlin verteilten Flugblätter wiederum belegen, nachdem die Welt samt ihren von Satan beeinflußten Himmel, oder ihren Heerscharen, und ihrer Erde oder ihrer menschlichen Gesellschaft, wie durch Feuer vernichtet werden.
Die Beschwerdeführerin verfolgt aus dieser Motivation heraus eine Doktrin der strikten Abgrenzung bzw. genauer gesagt, Ausgrenzung ihrer Mitglieder vor gesellschaftlichen Betätigung.
Die Beschwerdeführerin betreibt ein System der Dinge, das Kontakte mit Außenstehenden, außer in missionarischen Absichten verpönt, da die Loyalität gegenüber den Souveränen Herrn Jehova ein getrennt von der Welt einschließt.
Sie verlangt völlige Neutralität gegenüber der politischen Ordnung und sanktioniert die Mitgliedschaft in politischen und gesellschaftlichen Organisationen.
Das aktive und das passive Wahlrecht, wird als Verstoß gegen dieses Neutralitätsgebot begriffen und über den Gemeinschaftsentzug, mit verheerenden sozialen Folgen für den Betroffenen, sanktioniert.
Nunmehr verlangt die Beschwerdeführerin vom Staat die Verleihung des Körperschaftsstatus der öffentlich rechtlichen Religionsgesellschaft.
Man könnte versucht sein, darin bereits aus Sicht der Beschwerdeführerin selbst den Versuch einer Quadratur des Kreises zu sehen.
Das ist aber nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass die Beschwerdeführerin den Staat unter Aufrufung reiner formaler Betrachtungsweise dazu zwingen will, sie, die den Staat rigoros ablehnt, mit staatlichen Privilegien über andere Religionsgemeinschaften herauszuheben.
Die Beschwerdeführerin hat eine subjektive Klageänderung vorgenommen. Statt der Religionsgesellschaft, klagt nunmehr der in Berlin eingetragene Verein. Die Mitglieder der Religionsgemeinschaft wurden in einem Rundschreiben vom 9. 11. 1999 durch die Beschwerdeführerin darüber informiert, dass sie nunmehr Mitglieder des Vereins der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas in Deutschland e. V. seien.
Wenn das diesbezügliche Rundschreiben unklar gehalten ist, und die gewollte Schaffung tatsächlicher Fakten wohl eher vernebelt.
Die Mitglieder die überhaupt verstanden haben, dass sie nunmehr Mitglieder eines weltlichen Vereins sein sollen und dieses kritisch hinterfragen, werden von der Beschwerdeführerin ausgeschlossen.
Vielmehr dürfte eine Vermutung dafür sprechen, dass die überwältigende Mehrzahl der Mitglieder dagegen wäre, wenn sie dazu überhaupt gefragt würde.
Eine Zwangsverkorperierung der Mitglieder durch Vereinsgründung, ist aber nach deutschem Zivilrecht nicht zulässig.
Wäre immer noch der Zweifel zu prüfen, ob jedenfalls die Beschwerdeführerin in ihrer ursprünglichen Form, also der Religionsgemeinschaft der ZJ in Deutschland mit Sitz in Berlin aktiv legitimiert gewesen wäre.
Hier hat das Land Berlin detailliert nachgewiesen, dass der eigentliche Sitz der Religionsgemeinschaft bereits in Selters/Taunus, übrigens auch noch heute ist.
Er hat darüber hinaus nachgewiesen, dass nach den vorliegenden Satzungen, einerseits der Beschwerdeführerin und andererseits der Wachtturm- Bibel- und Traktat-Gesellschaft, Deutscher Zweig, allein die Wachtturm Bibel und Traktat-Gesellschaft Deutscher Zweig, aktiv legitimiert gewesen wäre.
Seitens der Interessenvertretung der Zeugen Jehovas sprach deren beauftragter Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Weber.
Weber hob besonders hervor, dass sich im Verlaufe des Bestehens der Bundesrepublik Deutschland, die Konditionen für Religionsgemeinschaften ohne Körperschaftsrechte, im Vergleich zu denen mit Körperschaftsrechten immer mehr in Richtung auf Ungleichgewichtigkeit entwickelt hätten.
Dieser Aspekt wird auch noch durch ein auf der Webseite der Zeugen Jehovas veröffentlichtes Gutachten von Prof. Dr. Hans-Wolfgang Arndt unterstrichen. Verfasst wohl noch vor der Verhandlung über die Verfassungsbeschwerde der Zeugen Jehovas. Gemäß diesem Gutachten habe sogar das Bundesfinanzministerium, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die 1997er Gerichtsentscheidung, entschieden, bisher den Zeugen Jehovas gewährte steuerliche Gemeinnützigkeits-Anerkennung, unter Vorbehalt zu stellen. Tenor der Anweisung des Bundesfinanzministeriums. Sollte das Bundesverfassungsgericht, die 1997er Gerichtsentscheidung wieder bestätigen, ist es endgültig aus mit der gewährten finanziellen Gemeinnützigkeit. Dann könnte das Eintreten, was im Falle Scientology schon früher der Fall war. Die steuerliche Bewertung auch der Zeugen Jehovas unter Gesichtspunkten, ohne Gemeinnützigkeitsanerkennung.
Arndt bestätigt denn in seinem Gutachten auch, dass die Zeugen Jehovas ihn ausdrücklich um die Erstellung eines solchen gebeten hätten. Liest man es, kann man sich bei gewissen Passsagen des Eindruckes nicht erwehren, da wird die PR-Sicht der WTG, lediglich durch den Mund eines Universitätsprofessors wiedergegeben. Aber das kennt man ja schon zur Genüge von anderen einschlägigen "Gutachten", etwa die des Herrn B..
So etwa, wenn Arndt schreibt:
Angehörige der ZJ haben mit dem Eintritt in die Gemeinschaft eine vorverlagerte Religions- und Gewissensentscheidung dahingehend getroffen, sich "nicht als Teil der Welt" anzusehen und betrachten es infolgedessen als mit dem göttlichen Willen nicht vereinbar, an politischen Wahlen teilzunehmen. Bei den ZJ erfolgt diese Gewissensentscheidung erst, nachdem sie sich aus freiem Willen vor der Taufe in der Regel über einen Zeitraum von mehreren Jahren eingehend mit den Glaubenslehren dieser Gemeinschaft beschäftigt haben. Angehörige der ZJ, die nach der Taufe gleichwohl an staatlichen Wahlentscheidungen teilnehmen, werden nicht kontrolliert. Soweit es um Briefwahlen geht, bestehen ohnehin keine Kontrollmöglichkeiten. Ob ein ZJ zur Wahl geht und was der einzelne in seiner Wahlzelle macht, entzieht sich ebenfalls der Kenntnis der Religionsgemeinschaft.
Ein ZJ, der wählt, hat deshalb zwei Alternativen:
Er wählt, ohne sich zu offenbaren. Obwohl er sich damit von den Glaubensgrundsätzen der Gemeinschaft entfernt, findet eine Sanktion nicht statt, weil 1. sein Wahlverhalten nicht bekannt und 2. auch nicht überprüft wird.
Offenbart er sich, stellt ein Komitee der zuständigen örtlichen Versammlung, bestehend aus mindestens 3 Ältesten fest, ob er sich von seiner früher getroffenen Gewissensentscheidung, kein Teil der Welt und politisch neutral zu sein, entfernt hat.
Sofern der Betroffene dies wünscht, wird ihm in einem Gespräch geholfen, wieder ein gutes Verhältnis zu Gott zu erlangen, um weiterhin ein Glied der Gemeinschaft bleiben zu können. Bereut der Betreffende seinen Glaubensverstoß, bleibt er Mitglied der Religionsgemeinschaft.
Andernfalls hat er sie verlassen. Jederzeit hat er die Möglichkeit, seine Wiederaufnahme in die Religionsgemeinschaft zu erwirken. Wegen der Teilnahme an einer politischen Wahl haben in den letzten 10 Jahren lediglich 3 Personen die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas verlassen.
Selbst wenn man also im Falle ZJ einen Konflikt zwischen den Verfassungswerten der Religionsfreiheit einerseits und dem Wahlrecht und dem Demokratieprinzip andererseits annehmen sollte, müßte dieser Konflikt entgegen der vom Bundesfinanzministerium vertretenen Ansicht zu Gunsten der Religionsfreiheit aufgelöst werden.
Soweit es um die Ableistung des Zivildienstes geht, haben die Zeugen Jehovas im Jahre 1996 eine religiös begründete Neubewertung des Zivildienstes vorgenommen. Seither ist es jedem betroffenen Zeugen Jehovas möglich, wenn ihn keine besonderen persönlichen Gewissensgründe daran hindern, den Zivildienst zu leisten.
Das Bundesverfassungsgericht hat dann auch in seiner Dezember 2000-Entscheidung versucht ein "salomonisches" Urteil zu fällen. Den Aspekt, gesellschaftspolitische Abstinenz, der im 97er Urteil noch einen Hauptpfeiler darstellte, ließ es nicht mehr gelten. Ein Sieg also für die Zeugen Jehovas. Indes ganz ungetrübt war dieser Sieg wohl nicht. Das Gericht fällte immer noch kein endgültiges Urteil. Es beschloss das ganze Verfahren an die Vorinstanz zurückzuverweisen, mit der Maßgabe eine "typisierende Gesamtbetrachtung" anzustellen. In der könnte zwar die gesellschaftspolitische Abstinenz der Zeugen Jehovas mit einfließen. Indes "dominierend" dürfte dieser Aspekt im Vergleich zur 97er Entscheidung nicht mehr sein.
Man darf gespannt sein, wie dieser "Eiertanz" weitergeht. Meine persönliche Meinung dazu: Das Gericht hat sich gekonnt um eine Kardinalfrage herumgedrückt. Die Frage des weiteren Ausbaues der KdöR-Privilegien. Dieses Zweiklassenrecht ist in der Tat anfechtbar.
Wegweisend wäre es gewesen, es hätte eine Weichenstellung in Richtung Beschneidung der KdöR-Privilegien eingeleitet, und nicht in Richtung deren faktischer Ausweitung.
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Körperschaft des öffentlichen Rechts
Maskow Zeugen Jehovas als Körperschaft d, öffentlichen Rechts?
Kdör-Kommentar von Gerhard Kaiser