Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Jugendbücher

Anne-Grete Dahms „Abwärts in den Himmel. Ein Mädchen im Bann einer Sekte"
Verlag Sauerländer Aarau, Frankfurt/M. ,Salzburg 1998. ISBN: 3-7941-4333-7

Es handelt sich hierbei um eine Übersetzung aus dem Dänischen. In Romanform wird in dieser primär für Jugendliche gedachten Veröffentlichung auf die Problematik eingegangen, die durch die Verkündigungstätigkeit der Zeugen Jehovas entsteht.

Eine Religionsgemeinschaft die Ambitionen entwickelt, möglichst breite öffentliche „Anerkennung" zum Beispiel als „Körperschaft des öffentlichen Rechts" zu erhalten, muss sich die Frage nach der Aussenwirkung ihres tun und lassen's gefallen lassen.
Charakteristisch erscheint mir dazu auch der Dialog auf den Seiten 140, 141:

„Erik sprach über die Liebe in der Neuen Welt. Über Geborgenheit, über die vielen Brüder und Schwestern, die man dort hatte. Das Leben sah anders aus, sowie man sich zu den Zeugen Jehovas gesellt hatte. Schöner und reiner.

'Bist du bald fertig?', rief Hans dann plötzlich. 'Ich kann dir sagen, unser Leben hat sich geändert. Unsere Freunde sehen wir kaum noch. Feste gibt es nicht mehr. Meine Frau kennt kein anderes Thema als Jehova. Mein Kind weiß nicht mehr, was schwarz ist und was weiß. Wenn das ein Segen sein soll, dann stammt er vom Teufel selber. Ich verfluche den Tag, an dem ihr hergezogen seid! Ihr habt eine Familie zerstört! Und deinen Dreck kannst du auch gleich wieder einpacken.' Hans schlug auf den Tisch."

Exkurs:

User "+" fasste in einem Forumsbeitrag, als Detail, vorgenanntes Buch wie folgt zusammen:

Ich möchte dies an einem Beispiel demonstrieren.
Hierzu zuerst ein Ausschnitt aus einem Roman.

Der Roman „Abwärts in den Himmel“ von Anne-Grethe Dahms.

 

Wir begleiten Gitte ein Kind gerade mal 6 Jahre alt, wie es früh morgens noch im Nachthemdchen zu Ruth, ihrer Nachbarin läuft, um sie zu ihrer heutigen Geburtstagsfeier einzuladen.
Dort trifft sie Ruth (ihre Freundin) mit ihrem Vater betend am Frühstückstisch:

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Beim Thema Jugendbücher die Zeugen Jehovas behandeln, kann man zugleich auch auf dass Buch von:
Irma Krauß „Esthers Angst" Verlag Franz Schneider, München 1997.  hinweisen.
Auch in ihm wird die Erziehung zum Außenseitertum durch die Zeugen Jehovas thematisiert.

Tragödienstoff
Der Stoff aus dem Tragödien gemacht werden, findet sich nicht nur in der Theaterliteratur, nein er findet sich auch im realen Leben, und dort manchmal in überreichlicher Dosierung.
Die heile Welt, auch im Familienleben, wer träumt nicht von ihr? Aber so mancher Träumer weiß auch, dass es mit der "heilen" Welt manchmal nicht allzu weit her ist.

In der Theorie sind namentlich auch Jehovas Zeugen, Verfechter der heilen Welt. Die Wahrung des Scheines ist auch bei ihnen "hoch im Kurs". Also geht man von dem "Idealfall" aus: Er und Sie sind Zeugen Jehovas und ihre Kinder sollen dann den gleichen Weg beschreiten. Dies mag in etlichen Fällen vielleicht auch funktionieren, wenn die Rahmenbedingungen einigermaßen akzeptabel sind. Aber bekanntlich ist keine Regel ohne Ausnahmen, und über diese Ausnahmen redet man bei den Zeugen Jehovas dann nicht mehr so gern.

Da erschien  im Löwe-Verlag, Bindlach ein  Buch von Jana Frey mit dem Titel:
"Das eiskalte Paradies. Ein Mädchen bei den Zeugen Jehovas. Hannah's Geschichte"
191 Seiten.

Der Titelheldin "Hannah" weicht schon in soweit von dem Idealfall ab, als sie in einer Nicht-Zeugen Jehovas-Familie geboren wurde. Dann trat eines Tages ein gravierender Schicksalsschlag ein. Ihre leibliche Mutter kam bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Ihr Vater sah sich in der Perspektive zu einem neuen Lebensstart genötigt, indem er eine Zeugin Jehovas heiratete.

Jetzt wurde das Kind Hannah durch diese Lebenszäsur in einen für sie völlig neuen Kulturkreis hineinkatapultiert.
Man weiß es auch aus anderen Fällen (dies ist kein spezifischer Vorwurf gegen Jehovas Zeugen), dass eine Stiefmutter nicht immer in der Lage ist, jene für ein gesundes Aufwachsen der Kinder nötige Sensibilität aufzubringen. Jedenfalls nicht in dem Umfang, wie es die leibliche Mutter hätte tun können.

Diese Erfahrung musste nun auch Hannah sammeln, und in dem Buch werden einige marginale diesbezügliche Konfliktsituationen beschrieben.

Aber auch den Vater kann man als eine tragische Figur ansprechen. Symptomatisch dafür jene Anmerkung auf Seite 185:
"In der Zeit als Hannah mir ihre Geschichte erzählte, erkrankte ihr Vater. Er war achtundvierzig Jahre alt. Hannah bekam nicht heraus, woran genau ihr Vater litt. Der Kontakt war über die Jahre immer spärlicher geworden.

Hannah erfuhr lediglich, dass ihr Vater sich aus religiösen Gründen weigerte, bei einer Operation seine Einwilligung zu einer Bluttransfusion zu geben. Auch seine Frau Roswitha verweigerte im entsprechenden Moment ihre Zustimmung zu diesem medizinisch nötigen Schritt.
Als Grund nannte sie, wie vorher schon Hannahs Vater selbst, die ablehnende Haltung der Zeugen Jehovas zur Bluttransfusion." Er verstarb Ende 1998.

Dies war sozusagen der Ausgang der Geschichte. Aber davor stand noch, dass auch das Mädchen Hannah, unter dem Einfluss ihres neuen "Kulturkreises" sich von den Zeugen Jehovas taufen lies. Jedoch war es, wie schon angedeutet, bedingt durch die Umstände, um ihre pädagogische Befindlichkeit, nicht zum besten bestellt.

So fand auch sie sich bald in jener Zwangssituation wieder, die in jenem Buch mit den Worten beschrieben wird (S. 177, 178):
"Was wäre denn, wenn du zurückgingest?", fragte Sabrina. … Ich zuckte mit den Achseln. "Ich müsste mich natürlich bei allen entschuldigen, bei meinen Eltern, bei der Ältestenschaft, in der Versammlung…"

"Und dann würden sie dich wieder einsperren und schlagen und bewachen und dir dein Leben vorschreiben?", unterbrach mich Marie aufgebracht.
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, sie würden mir bestimmt noch eine Chance geben. Sie haben da so ihre Methoden, herauszufinden, ob es jemand ernst meint mit seinem Schuldeingeständnis. … "Na ja, Zeugen, die ausgeschlossen worden sind, können darum bitten, wieder in die Gemeinde aufgenommen zu werden. Wenn die Ältestenschaft einverstanden ist, dürfen sie zu den Versammlungen kommen, allerdings gibt es da ein paar Bedingungen."

"Was für Bedingungen?", fragte Marie misstrauisch. "Man darf den Königreichssaal erst dann betreten, wenn schon alle anderen Zeugen Jehovas ihre Plätze eingenommen haben. Und man muss ganz alleine in der allerletzten Reihe sitzen, und nach der Versammlung muss man den Saal vor allen anderen verlassen, wieder ganz alleine, und keiner, keiner, keiner, darf mit einem sprechen oder einen auch nur grüßen oder ansehen…"

Paul schüttelte den Kopf und schaute mich betroffen an. "Das ist ja wie im Mittelalter", murmelte er erschrocken. Ich schwieg verlegen.
Mag Jana Frey mit jener Episode auch einen Extremfall zitiert haben, mag auch einiges nicht immer ganz "so heiss gegessen werden, wie es gekocht wird", in der Sache hat sie allerdings zurecht beschrieben, das Ausgeschlossenen oder "Abgefallenen" bei den Zeugen Jehovas nur die letzte Reihe in ihrer Versammlungsstätte zugebilligt wird und das eine eventuelle "Konversation" sich auf das allernotwendigste - oder nichts - beschränkt.

Die Autorin Jana Frey ist keine Zeugin oder Ex-Zeugin Jehovas. Sie berichtet aus der manchmal schärfer sehenden Sicht des Außenstehenden über einen Fall, der in Beziehung zu den Zeugen Jehovas steht. Formal ist ihr Buch als "Jugendbuch" gedacht. Indes es ist nicht "nur" für Jugendliche aufschlussreich!

Aus der Diskussion zu diesem Buch im Forum von InfoLink.

Votum von H.P.:
Der vorletzte Absatz dürfte ja wohl in den Bereich der Fiktion zurückzuweisen sein ... So einen Blödsinn habe ich in 30 Jahren als ZJ-Verwandter noch NIE gehört.

Antwort von P...
Das ist KEINE Fiktion. Das ist der normale Umgang mit Verstossenen. Ich erlebe dies seit den 22 Jahren, in denen ich lebe (13 davon als getaufter Zeuge Jehovas).
Es sind zwar keine Vorschriften, die explizit gelehrt wurden, doch es ist die PRAXIS.

Antwort von M...
Tach H. P.,
ich war ein ganzes Jahrzehnt dabei und habe mit angesehen, wie ehemalige ZJ, die wieder aufgenommen werden wollten, genau das oben beschriebene auf sich genommen haben. Als letzter rein, als erster hinaus. Keiner hat sie begrüßt oder überhaupt zur Kenntnis genommen. Nur hinten herum hat man sich das Maul zerrissen, ob Berechnung oder aufrichtes Interesse der Grund für den Wiederaufnahmeantrag waren.

Antwort von W....
Lieber H. P.
Ich habe dies vor nicht mal fünf Jahren erlebt ... ein guter Freund aus der "Wahrheit" ein ehemaliger Ältester, hat dies bis vor ca drei Jahren mitgemacht.....eisern, wie er meinte... vor zwei Jahren am 13.Juni hat er sich dann erhängt. ...Für manche bedeutet es eben nicht nur den symbolischen Tod, sondern den buchstäblichen, wenn sie "dem Satan übergeben werden" ... Ja ich bin immer noch sehr traurig über seinen furchtbaren Tod

Votum von H. P.
Es gibt doch da dieses "Ältesten-Buch" mit Instruktionen. Stehen da solche Anweisungen drin? Ist das die offizielle Linie?

Antwort von M.
Ja, Lieber H. P. ,
das ist die offizielle Linie. Wer sich nicht daran hält, als Letzter Kommen und in der letzten Bank Platz nehmen, keinen Kontakt zu suchen, als erster wieder gehen und und, ist ohne Reue. Ein Wiederaufnahmeverfahren nach einem halben oder einem Jahr, das entscheiden die Ältesten, wird bei Verstoß gegen die "Reueregeln" erst garnicht angefangen.

Das ist kein Blödsinn, sondern "Normalität". Natürlich werden diese Dinge keinem Verwandten mitgeteilt, will man unter Umständen doch diesen Verwandten auch missionieren. Diese Person hat bis zur Wiederaufnahme schlicht wie "tot" zu gelten!
Das diese Regeln ein selbsterfundes Kirchengericht darstellen und mit Mühe dazu Bibelstellen vergewaltigt werden, ist in diesem Forum schon hinreichend belegt worden.

Für Außenstehende ist das oft schockierend. Natürlich hat eine Gemeinschaft das Recht, Regeln aufzustellen. Wenn man diese akzeptiert, muß man sich an diese Regeln halten es sei denn, man kann das nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren und verläßt diese Gemeinschaft. Macht man seine Gewissensnöte unter mehreren Zeugen kund und argumentiert dagegen, ist im Wiederholungsfall ein Auschluss sowieso nicht zu vermeiden. Daß diese rigide Vorgehensweise der breiten Öffentlichkeit unbekannt ist, beweist unter anderem Ihre Stellungnahme.

Antwort von G....
Hallo, ich kenne eine Familie in der der Vater ausgeschlossen wurde, weil er während seiner "langweiligen" Nachtarbeit das Rauchen nicht lassen konnte. Jetzt fahren alle 5 regelmässig zusammen zur Versammlung. Die Familie geht normal in den Saal, der Vater wartet draussen im Auto und folgt erst wenige Sekunden vor Beginn der Zusammenkunft. Am Schluss verschwindet er sofort und wartet im Auto auf seine Familie. Die Kinder leiden fürchterlich unter dieser Situation und die Eltern natürlich auch.

Der vom Verlag verantwortete Klappentext der (Taschenbuch)-Ausgabe vermerkt noch:

"Wir sind Jehovas Zeugen und darum auserwählte Menschen", schreibt Hannah als Kind in ihr Tagebuch. Und lange Zeit fühlt sie sich tatsächlich auserwählt. Erst als sie älter wird, beginnt sie mehr und mehr die Regeln ihrer Glaubensgemeinschaft zu hinterfragen. Mit 15 Jahren fordert sie schließlich ihre persönliche Freiheit ein. Und da werden die Grenzen ihrer einst so behüteten Welt zu unüberwindbaren Mauern. Es ist ein langer und schmerzhafter Ablösungsprozess, bis Hannah der Sprung in ein anderes Leben ohne die Zeugen Jehovas gelingt.

Hannahs Geschichte ist tatsächlich passiert.

Barbara Kohout "Saras Mut" Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2011

Einen zusammenfassenden Eindruck, was einem in dem Buch "Saras Mut" erwartet, vermittelt sicherlich schon der rückseitige Buchumschlag.

Zur thematischen Einstimmung mag denn ja auf tatsächliche Pressebericht verwiesen werden. Zum Beispiel den:

Oder den:


Also das Thema Blutkult

Ich würde gerne noch einen Moment beim Aspekt Buchumschlag verbleiben. Sieht man sich den vorderen Buchumschlag näher an, kann man in der oberen Hälfte ein Stadionbild wahrnehmen. Wenn nicht alles täuscht handelt es sich um das Münchner Olympiastadion.
In der Google Bildersuche gibt es ja etliche Vergleichsbilder. Beispielsweise dieses.

Ein Vergleichsbild (ohne Direktverlinkung)
www.karlo-vegelahn.de/Kongressprogramme/2005-Co-pgm05-X.jpg

Beim näheren Hinsehen bemerkt man auch das Kongressmotto des Jahres 2005 "Göttlicher Gehorsam".
Desweiteren kann man (linksseitig) auch ein transportables Taufbecken bemerken.
Rechtseitig Lautsprecher zur Beschallung.
Wenn die Autorin für ihr Buch auch den Untertitel wählte:
"Ihr Kampf um Freiheit des Glaubens, des Gewissens und ein selbstbestimmtes Leben", dann darf festgestellt werden.
Namentlich die Vokabel "selbstbestimmtes Leben" erweist sich in der Praxis für diejenigen als Farce, welcher dann von der offerierten Einstiegsdroge erstmal "genascht" haben. Solche den Aspekt der Massensuggestion nutzenden Kongressveranstaltungen, entsprechen durchaus in ihrem Charakter nach, einer Droge.
Was danach folgt, pflegt allgemein mit dem Begriff "Sucht" beschreibbar zu sein. Und wenn dieser Suchtzustand lange genug andauert, zeitigt er ein "Neben"ergebnis, der Persönlichkeitsdeformierung. Jedenfalls ist dieses "Neben"ergebnis bei den Süchtigen, alles andere denn als "ein selbstbestimmtes Leben". Es ist ein hochgradig fremdbestimmtes Leben. Man wird in dem Buche etliche Belege dafür vorfinden.
Man vergleiche beispielhaft, die unverhohlenen Drohungen, die den Zeugen Jehovas-Kongressbesuchern, während der Programm-Berieselung, mit untergejubelt werden
 

In einer Art Nachwort (S. 231) vermerkt die Autorin:

Zitat:

"Meine Eltern, ich selbst und auch viele andere konnten nicht überblicken, welche Konsequenzen ihre Entscheidung auf die Zukunft der Kinder haben würde. Sie handelten im guten Glauben und nach bestem Wissen und Gewissen. Sie suchten Halt und vertrauten denen, die ihnen Halt versprachen. Weil die Folgen so perfekt verschleiert werden, gibt es Hunderttausende Kinder, die in ein Dilemma hineingezogen werden, das sie oft nur mit tiefen seelischen Wunden hinter sich lassen können.
Ich möchte mit der Geschichte von Sara besonders euch, die Jugendlichen, ansprechen. Gerade ihr seid auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. In euch steckt eine wunderbare Zukunft. Ihr seid begeisterungsfähig und enthusiastisch. Sara hat ebenso wie meine Eltern oder Menschen, die von großen Problemen bedrückt werden, den Wunsch nach Halt und Anleitung. Ich weiß, dass viele Jugendliche die Frage nach Gott stellen. Diese Suche gehört zu jedem Leben. Doch die Einstellung "glauben und glauben lassen" ist nur dann unproblematisch, wenn sie euch beim Gelingen eures Lebens hilft. Doch nicht jede Form des alternativen Lebens erfüllt diese Voraussetzung."

Angesichts des starken missionarischen Impetus der WTG-Organisation ist eine solche Warnung, namentlich auch an die Adresse von Jugendlichen, mehr als angebracht.

Es ist heutzutage wohl so. Nach wie vor stellen die "Mühseligen und Beladenen" die Hauptzielgruppe der Zeugen Jehovas dar, bei der sie auch beachtliche Erfolge einfahren können, die so manchen Verlust, aus Deutschsprachigen Kreisen ausgleichen (noch).
Man sehe sich nur das Wachstum fremdsprachiger Gruppen innerhalb der Zeugen-Organisation an (in Deutschland) und man wird diese These bestätigt sehen.
Gleich danach kommt der Zuwachs aus den eigenen Reihen: Kinder und Jugendliche, welche zumindest anfänglich, den vorgegebenen Weg beschreiten.
Die Konzentration auf "nur" Jugendliche ist sicherlich in den Fangmethoden der Religionsindustrie, in anderen Bereichen selbiger, stärker ausgeprägt.
Allerdings, auch die WTG-Hörigen sind keine "Kostverächter". Gelingt es ihnen analog etwa der Gruppe "Kinder Gottes" (Children of God), auch in diesem Bereich mal zu grasen, sagen sie garantiert nicht "nein".
Zur Veranschaulichung mag denn man ein Bericht aus dem Bereich "Kinder Gottes" zitiert werden, welcher das veranschaulichen kann.
Wie gesagt, es sei eingeräumt, im Falle der Zeugen Jehovas, sind im Vergleich zu diesem Bericht, einige Abstriche zu machen.
Das aber dann weniger in der grundsätzlichen Tendenz.
Der nachfolgende Bericht von Renate H.... wurde der 1980 erscheinenen "Arbeitsmappe 9. Das Problem der neuen Jugendreligionen"
hrsg. von G. Ballad entnommen:

Zitat:

"Das alles wurde anhand von Bibelgesprächen bekräftig und erklärt. Letzten Endes war es oberflächlich einleuchtend. Ich wurde derart beredet, ich war hundemüde, und es wurde immer weiter auf mich eingeredet, bis ich zuletzt meine Zustimmung gab, hierzubleiben.
Die ersten Tage mußte ich Bibelverse auswendig lernen, Briefe von Mose David lesen und lernen. Persönliche Fragen wurden persönlich beantwortet. Es war ständig jemand bei mir, und ich war keine fünf Minuten allein. Ich kam nicht zum Überlegen. Das habe ich auch gesagt. Aber dann wurde gesagt, wenn man Zeit hat nachzudenken, hat auch der Satan Zeit, dir Gedanken einzugeben, und das darf nicht sein. Zugunsten des höheren Ziels, das ich immer noch dahinter sah, war ich bereit, Konzessionen zu machen. Diese Konzessionen werden von Tag zu Tag mehr, und man merkt nicht, daß die Persönlichkeit angekopft wird und zuletzt verändert. Nach mehreren Tagen durfte ich dann mit auf die Straße, um zu missionieren, das heißt, ich sollte Literatur verkaufen und für die Briefe, die wir auf den Straßen verteilten, wurden Spenden erbeten. Das bringt Unsummen ein. Man stellt sich das nicht so vor, aber pro Tag kommen dreißig bis fünfzig Mark ein, und das ganze Geld wird abgegeben und an die nächsthöhere Organisation weitergeleitet. Es war furchtbar für mich. Es war erniedrigend, die Leute anzubetteln, für dieses schäbige Blättchen Geld zu verlangen.
Ich habe an dem Tag, als ich mich entschlossen hatte dazubleiben, in meinem Hotel einen Zettel hinterlegt, wo draufstand:
"Ich bleibe freiwillig". Ohne Adresse und Angabe des Grundes, und meine Klassenkameraden sind an diesem Abend zurück nach Hause gefahren. Ich war in einer fremden Hauptstadt allein und hatte als einzigen Anhaltspunkt die Gruppe, bei der ich war, und das band mich natürlich auch viel fester an sie."

Die Autorin Barbara Kohout hat sich in ihrem jetzigen (schon dem dritten Buch!) redlich darum bemüht, namentlich die Persönlichkeits-Verwerfungen von Jugendlichen bei den Zeugen Jehovas, angepasst an das Verständnisvermögen von Außenstehenden, herauszuarbeiten.
Dafür sei ihr Dank gesagt!
Das Buch erschien wie auch ihr mehr autobiographisches "Mara im Kokon. Ein Leben unter Wachtturm-Regeln" wieder im Engelsdorfer Verlag Leipzig 2011.
ISBN 978-3-86268-400-7
12,50 Euro

Eine Leseprobe

Noch eine weitere Leseprobe:

Zitat:

"Nach dem Besuch der Zusammenkunft im Königreichssaal war Mark sehr aufgewühlt. ... Und er hatte die Enge der Gemeinschaft gespürt, in der sie lebte. Gab es überhaupt eine Chance, ihr näher zu kommen? Natürlich hätte er sich ihrer Religion anschließen können. Dann wäre alles anders gewesen. Aber es widerstrebte ihm, das ernsthaft zu erwägen. ... Diese Art zu Glauben war nicht seine Art.
Er beschloss, sich weiter zu informieren. Auch wenn ihm das vielleicht den Vorwurf einbrachte, ein Streber zu sein. Er spürte instinktiv den Widerspruch zwischen dem äußerlichen friedlich-freundlich-harmonischen Eindruck und den bedrohlichen Aussagen über Satan, Dämonen, Weltmenschen, Vernichtung und Gehorsam. Wie passte das zusammen?

Am Nachmittag ging er in die Städtische Bibliothek und sah sich nach Büchern über Jehovas Zeugen um. Es gab eine ganz Reihe Lebensberichte von Aussteigern. Ein Buch von einer Jana Frey fesselte seine Aufmerksamkeit: "Das eiskalte Paradies". Dieser Titel beschrieb seinen Eindruck vom Sonntag ziemlich treffend. Auch die Geschichte versprach genau das zu sein, was er suchte ... Er lieh sich das Buch aus und begann zu Hause sofort darin zu lesen. Die Geschichte fesselte ihn vollkommen. Seine Mutter konnte ihn nur mit Mühe zum Abendbrot überreden. Lange nach Mitternacht ließ er das Buch auf den Boden neben seinem Bett sinken. War das alles wahr? Saß auch Sara in einem unsichtbaren Gefängnis und fand nicht heraus? ...
Manches war auf einmal sonnenklar: Natürlich konnte Sara keine Einladung zu einer Partie von Schulfreunden annehmen. Viele hielten das für hochnäsig. Sie hatte sich nie zum Geburtstag gratulieren lassen. Ja, schlimmer noch: Sie hatte diesen Tag vor allen anderen geheim gehalten. Niemand in der Klasse wusste, wann ihr Geburtstag war. Mark konnte sich auch nicht daran erinnern, dass sie je eine Einladung von Klassenkameraden angenommen hätte. Niemand wunderte sich, dass sie auch nicht bei der Klassenfahrt dabei war."

(S. 87, 88)
Bemerkenswert sicherlich auch die Episode.
Da hatte also die Klassenlehrerin, da das Thema Zeugen Jehovas nun akut war, auch jemand zum Vortrag eingeladen. Wobei man aus der diesbezüglichen Schilderung unschwer entnehmen kann, es handelt sich um unsere Buchautorin.
Die Hauptheldin Sara, saß nun gewissermaßen in der Klemme.
Nach Absprache in der eigenen Familie, bekam sie von ihrem Vater ein Entschuldigungs-Schreiben mitgegeben, dass sie nicht an der fraglichen Schulstunde teilnehmen müsse.
Eher halb schweigend sagte daher ihre Klassenlehrerin als Kommentar dazu. "Gut" dann gehst du halt in dieser Zeit in die Parallelklasse.
Das Problem schien also gelöst.
Bemerkenswert indes die "Nebenprobleme", die sich bei dieser "Problemlösung" auftaten:

Zitat:

"Saras Glücksgefühl bekam einen jähen Rückschlag, als sie die Tür zur Klasse 11 b öffnete. In diesem Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie neben Aaron sitzen musste. Es war der einzige Platz, der frei war. Abgesehen davon hätte Aaron jede andere Entscheidung als eine Form von illoyalem Verhalten gedeutet und entsprechend an seine Eltern weitergeleitet.
Aaron. Warum ausgerechnet Aaron? Sara mochte ihn nicht. Er wirkte auf sie überheblich. Als Sohn ihres vorsitzführenden Aufsehers hatte er natürlich Sondervorrechte. Genau genommen stimmte es nicht, was sie dachte: Es hieß ja neuerdings Koordinator der Ältestenschaft. Aber Aufseher traf seine Art, mit Menschen umzugehen, viel eher. Und der Sohn stand dem Vater in nichts nach.
Schon mit sieben Jahren war Aaron ein Vorzeige-Zeuge. Anlässlich eines Kreiskongresses wurde er auf der Bühne interviewt. Man fragte ihn: "Was hast du für Lebensziele?" Er antwortete: "Ich werde einmal Kreisaufseher." ...
Mehr als die Hälfte der Zeugen Jehovas in ihrer Versammlung waren Verwandte von Aaron. Es konnte keine Aktion gestartet werden, wenn der Familienklan Einwände dagegen hatte. Niemand außer den Angehörigen dieser Familie konnte zum Beispiel ein Versammlungsfest organisieren oder eine gemeinsame Busfahrt, um das Zweigbüro in Selters zu besichtigen." (und andres mehr)

(S. 101).
Sicherlich auch nicht Uncharakteristisch, ist die weitere Beschreibung der Familienverhältnisse der Sara.
Etwa mit dem Bericht:

Zitat:

"Aber ich bin sehr gerne auf dieser Schule. Ich möchte wirklich gerne das Abitur machen. Mein Traum ist es eigentlich schon seit Jahren, dass ich Musik studieren möchte."
"Aber Kind!" rief ihre Mutter entsetzt. "Von Studium war bei uns nie die Rede. Weißt du denn überhaupt, was das kostet! Und dann noch Musik! Damit kannst du nie und nimmer eine Teilzeitbeschäftigung finden. Auch im Bethel wird man kaum Musiker brauchen. Wir werden immer wieder ermahnt, unsere Kindern einen praktischen Beruf lernen zu lassen."
Der Vater war aufgesprungen und lief nervös hin und her, nachdem er ihr zunächst mit ungläubigem Staunen und offenem Mund zugehört hatte: "Das schlag dir aber mal ganz schnell aus dem Kopf! Ich hatte ja keine Ahnung, wie verdorben du schon durch diese schlechte Gesellschaft in deinem ,Geistig-gesinnt-sein' bist. Aber solange du deine Füße unter meinen Tisch streckst, wirst du tun, was ich dir sage"

(S. 209).

Wie man aus einer solchen Schilderung entnehmen kann, waren unweigerlich sich daran anküpfende "Verstimmungen" und ärgeres mit verbunden.
Nur eine Romanschilderung?
Wohl kaum.
Exkurs
Man vergleiche mal beispielhaft auch:
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,46206,70438#msg-70438
Daraus als Detail nochmals der angedeutete Fall:

Zitat:

"Eine Entscheidung des Landgerichts Lübeck vom 2. 12. 1963 erwähnt.
Vielfach ist es doch so, dass namentlich Konvertierungen zu den Zeugen Jehovas, auch solch einen Grad erreichen können, dass sie in Fällen die in der juristischen Literatur dargestellt werden, mit Erwähnung finden.
Hier aber, in diesem Fall war es umgekehrt. Da hatte eine den Zeugen Jehovas zugehörige Mutter zu registrieren, ihre 15jährige Tochter wolle von den Zeugen Jehovas zur Evangelischen Kirche konvertieren. Unbeantwortet bleibt die Frage, ob jene 15jährige bereits als Zeuge Jehovas getauft war oder nicht.
Offenbar hatte die 15jährige schon einen Freund, welcher der evangelischen Kirche angehörte.

Zitat:

"Nach Ansicht des Gerichts diene der Tochter der Übertritt zur evangelischen Kirche hauptsächlich der Festigung ihres Verhältnisses zu ihrem Freund. Wenn die Mutter dieser Verbindung entgegenzutreten wünsche und sich die Umsetzung dieses Wunsches mittelbar auch auf den religiösen Bereich auswirke, so sei darin kein Sorgerechtsmissbrauch zu erkennen."

Zitat:

Also genannter Mutter, die jenen Übertritt wohl verhindern wollte, wurde zwar gerichtlich bescheinigt, sie habe mit ihrem Widerstand ihr Sorgerecht nicht missbraucht.
Gleichwohl wertete jenes Gericht auch:

Zitat:

"Dieses Recht der religiösen Einflussnahme werde jedoch begrenzt durch die Reife des Kindes, eigene religiöse Entscheidungen zu treffen. Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung der Tochter jedoch mit besonderer Sorgfalt zu würdigen ... So habe sie bei ihrer Anhörung angegeben, später einmal einen evangelischen Mann heiraten zu wollen, zudem empfinde sie das evangelische Bekenntnis als das "bequemere".

Zitat:

Also endete der Fall mit dem "Status quo". Die Tochter konnte durchsetzen was sie wollte, und die Mutter hatte dazu in ihrer Sicht "gute Miene zum sauren Spiel" zu machen.
Das bemerkenswerte daran ist eben der Umstand, dass jener Fall vor den Schranken eines Gerichtes landete.
Man hätte sich ja das gleiche Endergebnis auch ohne Einschaltung eines Gerichtes vorstellen können!
Zu dem Fall der vom Landgerichts Lübeck am 2. 12. 1963 verhandelt wurde, kann man thematisch auch vergleichen die Dissertation von Cornela Gericke "Elterliches Erziehungsrecht und die Religion des Kindes" (in Buchform im Jahre 2001 erschienen), welche den gleichen Fall ebenfalls (mit) referiert. (bei Gerecke S. 146, 147).
Entzündet hatte sich der Fall wohl besonders an dem Umstand, dass die Mutter ein Umgangsverbots mit dem evangelischen Freund der Tochter durchsetzen wollte.
Zitat bei Gerecke:

Zitat:

"Sie (die Mutter) habe der Tochter nur den Umgang mit dem 23 Jahre alten Freund untersagt. Gegen die Person des Freundes bestünden zwar keine Bedenken, aber es widerspreche wohl europäischen Sitten, wenn eine minderjährige Schülerin ein derartiges Verhältnis pflege, bei dem sie die Eltern des Freundes als Eltern tituliert, sich von ihm einkleiden läßt, ihn heiraten möchte und sich heimlich mit ihm trifft ..."

Die Buchautorin in einer Talkshow des MDR vom 17. 6. 2011

Ihr erstes Buch: Drei Wege ein Ziel - Überleben

 

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