Notizen aus "Informator" 1945

Erst ab Herbst 1944 konnte der "Wachtturm" in der Schweiz wieder offiziell erscheinen. Seine Einstellung hing mit der Forderung der Schweizer Behörden nach Vorzensur selbigen, zu Zeiten des Zweiten Weltkrieges zusammen. Da die WTG im Gegensatz zu ihrer Zeitschrift "Trost", die sie dann der geforderten Vorzensur unterstellte, im Falle des "Wachtturms" dazu nicht bereit war, nahm sie lieber seine Erscheinungseinstellung in Kauf. Das absehbare Ende des Naziregimes, mischte dann auch bei dieser Frage "die Karten neu".

Etwa ab Anfang 1945 gab dann die WTG auch ihr internes Blatt "Informator" (später bekannt als "Königreichsdienst") auch in der Schweiz wieder heraus. Dessen erste Ausgaben trugen allerdings noch den Serientitel "An alle Verkündiger der Theokratie". Da jedoch bereits im Herbst 1945, dieser Titel wieder in "Informator" umbenannt wurde, (den es auch vordem schon mal gab), mag auch an dieser Stelle dem Begriff "Informator" der Vorrang gegeben werden, dieweil die Zeit wo der andere genannte Serientitel bestand, doch in Gesamt-Rückschau gesehen, relativ kurz war.

Nachstehend dann ein paar Notizen aus dem Jahrgang 1945 des "Informator"

"An alle Verkündiger der Theokratie" Januar-Ausgabe 1945 Ein „Buch „Kinder" pro Monat definitiv absetzen, gilt auch für den Monat Januar", wird als weiter bestehende Forderung in dieser Ausgabe mitgeteilt.„Hier und da hört man sagen, daß diesem oder jenem Abnehmer der Inhalt des Buches „Kinder" zu wenig verständlich sei."

Dazu wird auf von der WTG herausgegebene Fragebogen, dieses Buch betreffend, verwiesen. Zwar nicht in dieser Ausgabe mitgeteilt, dann aber faktisch eingetreten, das ganze wurde dann noch zu einer Broschüre, als Zusatz zu jenem Buch, kompiliert.

Siehe dazu auch Rutherford's "Kinder"-Buch

Der WTG-Lieblingsvokabel „Quote" kann man auch vielfältig in dieser Ausgabe begegnen. Etwa mit der Forderung:

„Jeder Verkündiger bemüht sich, auch diesen Monat die festgesetzte Quote zu erreichen:  „3 Nachbesuche pro Woche."

Als angebliche Forderung des „Herrn" wird auch die verkauft:

„Er sagt, daß die Anforderungen an die Sonderpioniere 175 Arbeitsstunden und 50 Nachbesuche im Monat sein sollen, ferner daß sich besuche zu   einer gebührenden Anzahl sollen;  dann für die allgemeinen Pioniere: 150 Arbeitsstunden und so viele Nachbesuche und Studien, als in dieser Zeit vernünftigerweise erreicht werden können. Und mit Bezug auf die Verkündiger in den Gruppen sagt er: „Laßt uns als Ziel für jeden Verkündiger 60 Stunden und 12 Nachbesuche im Monat ansetzen und mindestens ein Heimstudium in der Woche".

Und weiter:

„Diese Anweisungen erhalten wir vom Herrn durch sein verordnetes Werkzeug, das bekanntgibt, was von uns verlangt wird; und für diejenigen, die den Herrn wirklich lieben und sich von seinem Rate leiten lassen, ist diese Forderung bezüglich Dienst annehmbar."

Auch diesen Hinweis als Ausläufer der Rutherford-Zeit gibt es noch:

„Vergeßt dabei nicht, das Grammophon zu verwenden."

Dazu gab es ja auch in der Schweiz ein paar von der WTG veranstaltete Deutschsprachige Schallplatten, mit zünftigen Narrentexten.

Unter der URL  tagestext.winklernet.at/

konnte man zeitweilig diesbezüglich näher fündig werden (dort der Begriff „Schellacks")

Weiter „glänzt" diese Ausgabe auch mit der Forderung:

Laßt uns zweimal in je sechs Monaten durch unser Gebiet gehen!"

Dies sind unsere Organisations-Anweisungen.

Das Gebiet, das nun ein- bis zweimal in je sechs Monaten durchgegangen wird, könnte in der gleichen Zeit mit Leichtigkeit vier bis sechsmal durchgegangen werden, wenn jeder einzelne seine Verpflichtungen im Dienste des Königreiches wirklich ernst nähme."

„An alle Verkündiger der Theokratie" Ausgabe Februar 1945 (Bern)

„Das endgültige Ende der satanischen Weltorganisation ist nahe und die Zeit begrenzt, wo das Einsammeln der Menschen guten Willens vor sich geht. Es gibt in dieser Tätigkeit keine Unterbrechung"weis auch diese Ausgabe mitzuteilen.

Und weiter von dieser Prämisse ausgehend:

„Das Buch „Kinder" begleitet uns auch im Februar bei unserer Tätigkeit. Noch sind wir in der kalten Jahreszeit mit den langen Abenden, wo die meisten Menschen am liebsten in ihrer warmen Stube sitzen; nützt diese günstige Zeit deshalb aus, um das Buch ,,Kinder" bei gerechtigkeitsliebenden Menschen unterzubringen."

A ja da sitzen also - wer hätte das gedacht - in der „kalten Jahreszeit mit den langen Abenden, die meisten Menschen am liebsten in ihrer warmen Stube."

Das kann dann aber nicht für die WTG-Lemminge gelten, denn die müssen sich für den Absatz des WTG-Schrottes, die „Hacken abrennen."

Und weiter:  „Wie aus den Rapporten hervorgeht, wird das Grammophon in der ganzen Schweiz wieder in vermehrtem Maße und mit Erfolg benützt."

Na wenn das mal nicht ein „Trostbonbon" ist. Hingewiesen wird weiter auf eine „Flugschrift: ´„Der Herr Pfarrer wirft uns vor ... wir antworten!"

Dazu auch die ergänzende Anweisung:

„Die Geschwister werden gebeten, darüber zu wachen, ob und wann im Kirchenblatt ihres Wirkungskreises fraglicher Bernoulli-Artikel erscheint. Dies soll uns dann sofort durch de Gruppendiener nebst Zusendung des Kirchenblattes gemeldet werden. Als Antwort würden wir dann durch die betreffenden Gruppen die in Frage kommenden Gemeinden mit unserer Flugschrift belegen lassen."

Nun habe ich die „Holzgeschnitzte" Argumentation jenes Herrn Bernoulli sicherlich nicht zu verteidigen. Aber Bemerkenswert ist es schon, wie die WTG-seitig auf den „Spatz Bernoulli" gleich mit Kanonen geschoßen wird!

Zu Bernoulli kann man unter anderem auch vergleichen:  19442Bernoulli

„An alle Verkündiger der Theokratie" Ausgabe März 1945 (Bern)

Wieder wird eine Werbeaktion für die WTG-Zeitschrift „Trost" (Vorläufer des „Erwachet!") in dieser Ausgabe angekündigt und beschrieben.

Scheinheilig verlautbart man:

„Alsdann lege ihm (den Wohnungsinhaber) die Zeitschrift „Trost" in die Hände und erkläre, daß Du sie ihm gratis überläßt. Je weniger Du sprichst, desto besser kannst Du die Zeitschrift zurücklassen."

Das mit dem „Gratis" hatte in der Schweiz den Hintergrund, dass nur so dem Vorhalt ausgewichen werden konnte, als Wirtschaftsunternehen eingestuft zu werden. Ergo wurde beim ersten Besuch auf der „Gratis"-Masche geritten.

Indes wer dann solch ein Zeitschriftenexemplar abgenommen hatte, konnte mit Sicherheit darauf warten, etwa in 14 Tagen, neuen Zeugen Jehovas-Besuch mit der nächsten „Trost"-Nummer zu erhalten.

Dazu die WTG-Anweisung:

„Versuche, ihre unbegründeten Einwände zu zerstreuen, und ermuntere sie mit einigen gut gewählten Worten, diese zweite Nummer doch nochmals aufmerksam zu lesen."

Und auch der weitere WTG-Tipp:

„Du wirst bald herausfühlen, von welcher Seite die einzelnen Abnehmer anzufassen sind."

Die Kunst der WTG-Betörten sei es dann halt, das „richtige anfassen" zu praktizieren. Dazu gehört dann in der Praxis auch eine gehörige Portion „dezenter" Aufdringlichkeit.  Gelingt es dem WTG-Betörten, in diesem „Katz- und Mausspiel" die Oberhand zu behalten, wird allerdings der da eine scheinbare „Gratis-Zeitschrift" abgenommene als nächstes die Lektion zu lernen haben: Kostenlos - ist keineswegs umsomst!

In der April-Ausgabe 1945 des „An alle Verkündiger der Theokratie" setzen sich dann die Tipps und Hinweise in Sachen der „Trost"-Werbeaktion fort.

Unter anderem gibt es diesen Hinweis:

Bei früheren Aktionen hat die Erfahrung gezeigt, daß ... beim 3. Gang die Annahme (weiterer Zeitschriften) in der Regel unter diesem oder jenem Vorwand ablehnen. Versucht nun, diesen Menschen mit einigen wenigen gutgewählten und freundlichen Worten über die Schwierigkeiten hinwegzuhelfen und sie zur Prüfung einer weitern Nummer zu veranlassen."

Auch das wird noch erwähnt:

„Es mag sein, daß bei jedem weiteren Arbeitsgang der Widerstand größer wird; gerade deshalb ist ein zielbewußtes, festes Auftreten am Platze."

Zu den weiteren Tipps gehört die Anweisung zu Anlegung umfänglicher Notizen. Der besuchten Schweizer Bürger (und nicht „nur" Schweizer) sollen sich den Zeugen Jehovas möglichst gläsern darstellen:

„Aus den Haus-zu-Haus Notizen solltet ihr zu jeder Zeit feststellen können

a) wer ,,Trost" regelmäßig abnahm,

b) wer die Entgegennahme ablehnte und bei welchem Gang,

c) wer sich der Königreichsbotschaft feindlich gegenüberstellt,

d) wer nicht anzutreffen war."

Dietikon (im Kanton Zürich, Schweiz) „schreibt Geschichte", möchte man auch den weiteren Bericht in dieser Ausgabe überschreiben.

Dazu vielleicht erst mal dieses Zitat aus der Wikipedia:

„Heute sind die Römisch-katholischen mit 41,8 Prozent die grösste Religionsgruppe, an zweiter Stelle folgt die evangelisch-reformierte Kirche mit 26,5 Prozent. Ein starkes Wachstum in Dietikon verzeichnet die islamische Gemeinschaft: Die Anzahl der Muslime stieg auf 12,2 Prozent an. Immer mehr Personen in Dietikon bezeichnen sich als konfessionslos; der Anteil der Konfessionslosen (9,4 Prozent) und derjenigen ohne Angabe einer Konfession (4,6 Prozent) war im Jahr 2000 zusammen bei 14 Prozent."

http://de.wikipedia.org/wiki/Dietikon

In der Zeit um 1945 mag der katholisch geprägte Anteil der dortigen Bevölkerung, noch größer gewesen sein.

Jetzt aber spielt „die verfolgte Unschuld vom Lande, die nicht weis warum und wieso" alias WTG, auf dem Klavier der „zu Unrecht Verfolgten".

„Junge Burschen" wahrscheinlich dem Katholizismus zugehörig, wie man nicht versäumt, hinzuzufügen, hätten öffentliche Vorträge der Zeugen Jehovas besucht, etwa mit der Zielstellung durch Zwischenrufe und ähnliches, diese zu stören.

Einmal passiert, ein zweites Mal indes passiert das nicht mehr, so die WTG-Reaktion. Prompt ordert man sich Polizeischutz an, und belehrt die Anwesenden bei der zweiten Veranstaltung auch gleich eingangs, man behalte sich alle weiteren Maßnahmen gegen erneute Störer vor.

Triumphierend kann die WTG berichten, ihre Einschüchterungsstrategie habe gewirkt.

Tja wer dann wohl nötig hat, sich solcher Krücken zu bedienen ... "An alle Verkündiger der Theokratie" Ausgabe April 1945 weis unter anderem mitzuteilen, das Buch „Kreuzzug gegen das Christentum" kann ferner wieder bezogen und verbreitet werden."

Jenes Buch von den Schweizer Behörden, aus Angst vor den Nazis, mit einem weiteren Vertriebsverbot belegt, erzielt ja noch heute, auf Plattformen wie ebay, relative Höchstpreise. Vielfach entpuppen sich siegreiche Bieter dabei, als in den USA lebend.

Trotzdem gibt es bis heute davon weder eine Englischsprachige Übersetzung, noch eine neuere Reprint-Ausgabe, was ja durchaus möglich wäre, bestände der Wille dazu. Genau aber an dem hapert es.

Der Schriftsteller Stefan Heym, wälzte in einem seiner Romane („Der König David-Bericht") besonders jene Aspekte aus, wie Diktaturen zu reagieren pflegen. Nach Heym sollte ein Historiker - als Auftragsarbeit - einen Bericht verfassen, „der allen Zweifeln ein Ende bereiten sollte".

Jener Historiker befand sich nun in einer argen Zwangslage. Einerseits war ihm klar, gelingt es ihm jenen Bericht so zu gestalten, wie es die Vorgaben vorsehen, könne er in der Folge mächtig davon prosperieren und „dick und fett" werden.

Nun hatte er mit dem Umstand zu kämpfen, die Faktenlage war nicht so, um dieser Forderung entsprechen zu können. Er entschloß sich daher, hier und da - in wohlgesetzten Worten - ein paar Zweifel mit einzustreuen. Die bemerkten dann nicht zuletzt die Zensoren der Abnahmekommission, wie dann das Ergebnis vorlag.

„Ist was zu bemängeln an dem Bericht?" fragte einer der Zensoren seine Kollegen? Eine Antwort auf dieser Frage im eigentlichen Sinne erhielt er zwar nicht. Aber auch seinen Mitzensoren war klar. Gemessen an den Vorgaben, war in der Tat einiges an dem Bericht zu bemängeln. Der Hauptmangel sei der, es würden sich beim lesen „unerlaubte Gedanken" einstellen.

Da befand sich jene Zensorenclique nun in einer argen Zwangslage. In „salomonischer Weisheit" erlöste man sich aus der, durch den Entscheid.

Kein Satz jenes Berichtes, der da doch „allen Zweifeln ein Ende bereiten sollte", dürfe das „Auge des gemeinen Volkes" erreichen.

Stefan Heym hat mit diesem Romansujet auch seine eigenen Erfahrungen im Zensurstaat DDR beschrieben. Marko Martin beispielsweise, formulierte mal:

Es gäbe auch eine „religiöse DDR" alias WTG.

Das Buch „Kreuzzug gegen das Christentum", hat für die WTG-Apparatschicks auch nur dann einen Wert, können sie vom Hören-Sagen auf selbiges verweisen. Indes kann es tatsächlich ohne Schwierigkeiten als Volltext gelesen werden, dann besteht eben die Gefahr des sich „Einstellens unerlaubter Gedanken". Niemand ist sich über diese Sachlage gründlicher bewusst, als die WTG-Zensoren. Das wiederum erklärt dann ihr agieren, bzw. Nicht-agieren in der Sache, nach 1945!

Die September-Ausgabe 1945 des „Informator" teilt dann mit. Nunmehr seinen die Deutschsprachige und die Franzöischsprachige Ausgabe von „Kreuzzug gegen das Christentum" vergriffen. Lediglich eine Polnischsprachige Ausgabe sei weiter erhältlich.

Beachtlich auch der Hinweis in der Juli-Ausgabe. Wird über den Zeitschriften- und Bücherumsatz, auch allergenauesten Buch geführt, so betreffe diese Praxis aber nicht das Buch „Kreuzzug gegen das Christentum. Dazu gibt es die wörtliche Anweisung:

„Kreuzzug gegen das Christentum" ... solle nicht rapportiert werden. (Es wird) von uns beim Versand erfaßt."

Ergo kann man diese Formulierung so verstehen, der einfache Verkündiger ist keineswegs mit Exemplaren jenes Buches ausgestattet, wie es für das übrige Schrifttum der WTG zutreffend ist, sondern vermittelt allenfalls Bestellungen, die dann von der WTG direkt ausgeführt werden.

Die August-Ausgabe 1945 vermittelt weitere Details dazu. Danach seien vom „Kreuzzug"-Buch bis zum 15. 7. 1945 insgesamt 1629 Exemplare abgesetzt worden. Diese untergliedern sich wieder in 1134 Exemplaren, die von den Zeugen Jehovas direkt verkauft werden könnten, und 495 Exemplare über den Verkauf durch Direktbestellungen bei der WTG.

„Nützen wir dabei die Gelegenheit aus" belehrt die August-Ausgabe 1945 weiter, jenen Interessenten des „Kreuzzug"-Buches, ein Abonnement der WTG-Zeitschrift „Trost" aufzuschwatzen.

Namentlich jenen, die direkt bei der WTG bestellt hatte, wurde dann noch ein Probeexemplar des „Trost" nebst Begleitschreiben zugestellt. In ihm auch der Satz:

„So erhalten sie auch Gelegenheit über viele andere wichtige Dinge, auf welche die Bibel Licht wirft, unterrichtet zu werden. Sofern Sie „Trost" schon kennen und lesen können Sie diese Zeitschrift vielleicht für einen ihrer Bekannten oder Freunde bestellen."

Sämtliche Adressen der Direktbesteller, wurden dann noch an die örtlichen Zeugen Jehovas-Versammlungen weiter geleitet, mit der Maßgabe: Alles daran zu setzen, diese Interessenten auch in die enge WTG-Hürde hineinzulocken.

Hingewiesen sei auch auf die Juni 1945 Ausgabe von „An alle Verkündiger der Theokratie"

Schon relativ zeitnah (das offizielle Ende des Naziregimes lag ja erst ein paar Tage zurück) kündet diese Ausgabe eine neue Flugschrift an, welche möglichst massenhaft verbreitet werden soll. Ihr Titel:

„Tausende von Jehovas Zeugen ein ganzes Jahrzehnt in deutschen Konzentrationslagern!"

Ebenfalls die Juni-Ausgabe (1. 6.) 1945 des „Trost", rührte für diese, die Werbetrommel.

In der Kommentarserie 1945 wurde auch auf diesen Aspekt mit eingegangen. Der entsprechende Abschnitt sei nochmals zitiert:

„Eine 4seitige Flugschrift mit dem Titel "Tausende von Jehovas Zeugen ein ganzes Jahrzehnt in deutschen Konzentrationslagern".
Der Zweck letzterer ist besonders klar. Jubelnd stellt "Trost" fest:

"Nach dem ersten Weltkrieg fand das Wahrheitszeugnis mehr willige Ohren als vorher, und diesmal wird es genau so sein. Die Kriegsschrecken machen aufrichtigen Menschen die abgrundtiefe Verworfenheit dieser Welt des Bösen so deutlich, daß sie in höchster Bedrängnis des Geistes nach dem göttlichen Heilmittel fragen".In diesem Zusammenhang erwies vorgenannte Flugschrift sich sicherlich als ein wirkungsvolles Mittel Jubelnd stellt "Trost" weiter fest:
"Der Sieg unserer Glaubensgeschwister über die Naziherrschaft ist für uns alle ein neuer Beweis, daß Jehova seinen Dienern die Kraft gibt vor der ganzen Welt standhaft zu bleiben".

Allerdings war es um den Informationsstand von "Trost" zu diesem Zeitpunkt nicht zum besten bestellt; denn man meint das Publikum auch mit einem Bild des Erich Frost beeindrucken zu können: und schrieb als Kommentar dazu:
"Das ist Erich Frost, gewesener Kapellmeister, um seiner Überzeugung willen enthauptet."

Nun ist "Trost" zuzustimmen, dass Frost als höchster Funktionär der illegalen WTG in Hitlerdeutschland, besonders hohe Chancen gehabt hätte, hingerichtet oder auf andere Art und Weise ermordet zu werden. Man denke nur an die Beispiele Hitler-Attentäter Georg Elser, der zwar "aufbewahrt" wurde; jedoch noch 1945, kurz vor Toresschluß ermordet wurde. Oder an den gleichfalls 1945 hingerichteten Dietrich Bonhoeffer. Auch Frost hätte eine ähnliche "Chance" gehabt, sollten die Nazis der Meinung gewesen sein. Da ist noch einer unbeglichene Rechnung offen. Offenbar war für sie der Fall Frost erledigt. Das was sie von ihm wissen wollten, haben sie aus ihm herausgepresst. 19362Frost

Damit wurde er eine "unbedeutende KZ-Nummer", mit den gleichen Vernichtungs- oder Überlebenscanchen, wie sie auch andere hatten. Weiter jubelt man, dass anläßlich dieses Kongresses "1162 Verkündiger in 2537 Stunden 84.000 dieser Flugschriften" verbreiteten und das gegen 100 Bücher "Kreuzzug gegen das Christentum", dessen Vertrieb zeitweilig in der Schweiz untersagt war, bestellt wurden.

Ergo interessiert die WTG bei solchen Vorgängen, der sich daraus ableiten lassende Marketing-Aspekt zu allererst. Alle weiteren Aspekte bei diesem Thema laufen dann unter „ferner liefen". „Standhaft trotz-Verfolgung"-Veranstaltungen, gab es in WTG-Gefilden erst, nach der Initialzündung durch das Detlef Garbe-Buch. Davor war, abgesehen von den genannten frühen Beispielen, das Thema für die WTG weitgehend unbearbeitetes Brachland.

In Fortsetzung ihrer „Ratschläge" und Tipps, zur Verkaufsförderung für die WTG-Zeitschrift „Trost", liest man in der Mai 1945-Ausgabe von „An alle Verkündiger der Theokratie":

„Die Haus-zu-Haus-Notizen geben uns darüber Bescheid, wo wir. während der „Trost"-Aktion niemand antreffen konnten. Dabei dürfen wir Mansardenwohnungen oder die Untermieter nicht vergessen. Die Namen derselben können wir vielfach an den Briefkasten ablesen."

Aber, und jetzt kommt das Aber:

„Im Landgebiet wird es etwas schwieriger sein, die Namen dieser Menschen zu ermitteln."

Die WTG wäre indes nicht die WTG, wüsste sie nicht noch ein „Aber" dazu mit anzuhängen:

„Aber die Verkündiger werden gewiß selbst ausfindig machen, wie man dann diese Namen ermitteln kann."

Gelingt letzteres solle der nächste Schritt darin bestehen:

„richten die Verkündiger ein persönliches Schreiben an sie und als Beilage ein illustriertes Flugblatt".

Laut der Juni-Ausgabe des „An alle Verkündiger der Theokratie", solle das Anschreiben per persönlichem Brief, auch in den Fällen erfolgen, wo Adressen von Schweizer Bürgern, die zuvor systematisch ermittelt wurden, die aber trotz mehrfacher Versuche innerhalb eines Jahres, nie persönlich erreicht werden konnten, dass die dann nach einem Jahr, auch mit solch einem persönlichen Brief bedacht werden.

Auf Grund der gemachten „Haus-zu-Haus-Notizen" habe man ja einen genauen Überblick, zu welchen Terminen versucht wurde, die Betreffenden zu erreichen.

Wie man sieht ist das WTG-Netz eng gespannt, und ein "Entrinnen" aus ihm, nicht vorgesehen!

Diese bezeichnenden Sätze liest man in der Juni-Ausgabe 1945 des „An alle Verkündiger der Theokratie":

„Die neue Broschüre soll in erster Linie im persönlichen Gebiet verbreitet werden. Denkt nicht, daß es zuviel sei, Euer persönliches Gebiet schon wieder durchzuarbeiten. Unsere Mitkämpfer in andern Ländern gehen jährlich nicht nur viermal, sondern doppelt soviel, also achtmal durch ihr Gebiet."

Und das Mittel zum diesmaligen „Schuhhacken-Abrennen" solle die Broschüre sein mit dem Titel „Weltfriede - ist er von Bestand?"

Siehe dazu auch: Weltfriede

Die Juli 1945-Ausgabe von „An alle Verkündiger der Theokratie" sucht sich mit der Frage auseinanderzusetzen, woher die viele Zeit nehmen, welche für die Anforderungen der WTG vonnöten seien.

Erneut wird kompromisslos die „Quote" von 60 Stunden Predigtdienst, für die einfachen Zeugen Jehovas, dabei wiederholt.

An billigen Ratschlägen indes, soll es auch in WTG-Gefilden nicht mangeln. Und ein solcher von der WTG offerierte besagt dann. Einmal eine genaue Buchführung darüber zu praktizieren, wofür die jeweils 24 Stunden eines Tages, und dass für alle Tage des Monats, Verwendung gefunden haben. Und eben für den darauffolgenden Monat dann „Verschiebungen" in der Zeitverwendung anzustreben.

Diese Verschiebungen - man ahnt es schon - sollen zugunsten der WTG-Tätigkeit ausfallen!

Original-Ton WTG:

„Die Berufstätigkeit, die Arbeit im Gemüsegarten und andere Dinge mehr beanspruchen uns derart, daß uns für den Dienst des Herrn nur noch einige wenige Stunden monatlich übrigbleiben", so hört man vielfach sagen. Bedenkt nun aber, daß das Wort Gottes uns ermahnt, zuerst nach dem Reiche Gottes zu trachten, und dann ersinnt Mittel und Wege, die es ermöglichen, noch mehr Zeit im Dienste der erhabensten Sache, der Theokratie, zu verbringen."

Und weiter die WTG-Forderung:

„Ein ganz wesentlicher Punkt zur Erreichung unseres Zieles ist das Prinzip:

„Das Wochenende gehört dem Herrn"

Strengt euch also an, nicht nur am Samstagnachmittag, sondern dort, wo es die physischen Kräfte zulassen, auch am Sonntag, mindestens am Vormittag, Felddienst zu verrichten."

Bei wem das alles noch nicht die von der WTG gewünschten Ergebnisse zeitigt, bei denen soll dann der massive Gruppendruck nachhelfen.

Etwa in der Form der Anweisung; bei unrelmäßigen oder untätigen Geschwistern „noch einen Schritt weitergehen und holen wir sie, wenn irgend möglich, persönlich von zu Hause ab, wenn wir zusammen in den Dienst ausrücken wollen. So können wir ihnen in zuvorkommender Weise helfen, bis sie selbst im Dienst erstarkt sind."

Die August-Ausgabe von „An alle Verkündiger der Theokratie" sucht wieder mal zur maximalen Leistungsaufpeitschung bei den Betörten, wirksam zu sein. Dazu unter anderem die Anweisung:

„Wenn in den Wohnungen von Interessierten schon eine Zeitlang Heim-Bibelstudien durchgeführt wurden, so sollten diese Leute eingeladen werden, an der Verbreitung ... teilzunehmen, die Gruppenvorträge zu besuchen und schließlich regelmäßig von Tür zu Tür zu gehen."

Oder auch dieser Satz:

„Auch werdet nicht müde, die neu Getauften und die Untätigen zum Ergreifen der Dienstgelegenheiten zu ermuntern."

Den vermeintlich „Nachlässigen" gilt dann auch dieser Satz:

„Niemand vertröste sich indem er denke: Was ich im August nicht mehr tun kann werde ich dann im September nachholen. Im September beginnen wir in unserem persönlich mit einer neuen Arbeit. Darum laßt uns Schritt halten mit den Anweisungen aus der Organisation."

Und wie sahen die tatsächlich erreichten Ergebnisse aus. Bekannt ist ja die 60 Stunden-Forderung pro der WTG, für die einfachen Zeugen Jehovas.

Indes dürfte dann der „9 Monate-Bericht (September 1944—Mai 1945)" aufschlußreich sein, der in der August-Ausgabe 1945 abgedruckt ist. Er weist für die Schweiz in diesem Zeitraum einen Stundendurchschnitt pro Verkündiger von 10,7 und einen Nachbesuchsdurchschnitt pro Verkündiger 3,3 nach.

Diese tatsächlichen Zahlen stehen wohl im Kontrast zu den Mondforderungen der WTG. Trotzdem hält letztere an denen weiter fest!

Datiert vom 1. 9. 1945 gab es ein von Franz Zürcher unterzeichnetes „Rundschreiben

An die lieben Mitverbundenen in Deutschland".

In ihm unter anderem die Mitteilung:

„Für Euer besetztes Gebiet ist Brd. Erich Frost, Leipzig, beauftragt, nach dem Rechten zu sehen. Diese Verfügung hat jedoch, gemäss den Anweisungen des Präsidenten provisorischen Charakter. Brd. Frost wird, insofern ihm dies möglich ist, dem Präsidenten regelmässig direkt über den Stand des Werkes der Verkündigung berichten."

Damit hat Zürcher die eigene Todesmeldung des Frost, vorangegangen in einem Bericht des „Trost", selber wieder dementiert, ohne besonders auf diesen Umstand hinzuweisen.

Auch die weitere Mitteilung:

„Auch sonst scheinen die Verhältnisse bei Euch noch ungeklärt und unsicher zu sein. Indes hat ein Bruder Auftrag erhalten, sich nach einer Druckerei umzusehen, die in der Lage wäre, den „Wachtturm" laufend zu drucken, ferner Broschüren herzustellen."

Solcherlei Mitteilungen mögen vom Prinzip her, nicht unerwartet sein. Zürcher alias WTG indes lässt es dabei nicht bewenden. Generell werden die Leiden im Naziregime mit dem Satz verklärt:

„Der Herr hat dies zu Eurer Prüfung zugelassen, und wir sind überzeugt, dass niemand von Euch wegen ertragender Leiden um der Wahrheit willen gemurrt hat."

Und warnend weiter:

„Es ist uns zur Kenntnis gekommen, dass die lieben Brüder in den Konzentrationslagern ein Gebet, bestehend aus verschiedenen Bibelstellen, besonders auswendig gelernt hätten. Wir wissen, dass dies ein Auszug aus einem „Wachtturm"-Artikel ist. Dieses Vorgehen war gewiss gut gemeint, und wir kritisieren es keineswegs." Aber ...

Ein Aber hat Zürcher durchaus mit anzumelden. Selbiges formuliert er dann in positiven Worten etwa so:

„Achtet auf die Stimme des Herrn, die jetzt an Euer Ohr dringt, d. h.; haltet Euch eng an die Anweisungen, die Euch „die Mutter droben", die Organisation Gottes gibt."

Oder unter Hinweis auf eine biblische Allegorie, die Anmerkung:

„Ein jeder wurde damals verworfen, wenn er nicht deutlich „Schibboleth", sondern „Sibboleh" sagte. So wird es auch heute im Gegenbilde sein."

In weniger positiven Worten dann die Warnung in jenem Rundschreiben:

„Es wird sich aber auch niemand von denen, die besonderer Leiden um des Namens des Herrn willen wert geachtet wurden, etwas darauf einbilden und sich mit dem Nimbus eines Märtyrers umgeben oder sich über andere erheben, die nicht in Gefängnissen oder Konzentrationslagern zubringen mussten."

Auch der Satz liegt auf dieser Linie:

„Es sollte sich niemand von Euch vor den Mitmenschen wegen seiner Leiden brüsten oder besonders hervortun."

Oder auch der:

„Lasst uns nicht ungerecht und parteiisch sein und lasst uns niemand verurteilen, der vielleicht in einiger Augen Kompromisse gemacht hat oder dazu bereit gewesen wäre."

Damit konnten sich die Frost und Franke, und noch einige mehr, erst mal entspannt zurücklehnen, wussten sie doch, es wird WTG-seitig keine Fehlerdiskussion geben. Ansätze dazu werden gnadenlos heruntergebügelt. Entscheidend sei allein wie loyal jemand nach 1945 zur WTG-Organisation stehe.

Ab September 1945 trug das Blatt „An alle Verkünder der Theokratie" wieder den alten, schon früher eingeführten Namen „Informator". Berichtet wird in ihm auch über eine neue Broschüre mit dem Titel: „Freiheit in der neuen Welt!"

In der Publizistik, welche sich anlässlich des Ostdeutschen Zeugen Jehovas-Verbot, als „Begleitmusik" in der Ostdeutsche Presse entwickelte, beispielsweise in dem CDU-Blatt „Die Union", wurde dann auf diese Broschüre noch besonders hingewiesen. Etwa mit der Zitierung jener Passage daraus:

„daß die freie von Gott geschaffene Welt nicht ohne Blutvergießen auskomme und daß eine furchtbare Riesenschlacht nicht ohne das Fließen von noch mehr Blut später einmal allen Kriegen ein Ende setzt."

Wollen wir, fragt „Die Union" weiter dazu, so etwas „unserer Bevölkerung zur Erbauung schenken?"

Die Verneinung, in entsprechender Lautstärke, dieser selbstgestellten Frage, ergab sich dann für die „Union" als Selbstverständlichkeit,

Auch das ebenfalls CDU-Blatt „Neue Zeit" (26. 8. 1950) bediente sich dieser Argumentation:

„ergibt sich aus einem Buch (richtiger wäre Broschüre), das in Bern unter dem Titel 'Freiheit in der neuen Welt' und mit dem Untertitel 'Keine politische Propaganda' erschien. Auf Seite 3 dieser dokumentarischen Unterlage ihres schändlichen Treibens steht wörtlich zu lesen:

'Die freie, von Gott geschaffene Welt kommt nicht ohne Blutvergießen aus, nicht ohne das Blut des größten Freiheitskämpfers, der je auf der Erde weilte. Dieser Blutkreis macht die neue Welt zu einer Gewißheit, wenn ihr auch noch so viele und mächtige Feinde im Wege stehen mögen. Die Welt völliger Freiheit wird daher kommen, freilich nicht ohne Tumult einer Riesenschlacht, nicht ohne das Fließen von noch mehr Blut, ja das Blut aller der Menschen, die die Freiheit bekämpfen, in der 'Schlacht' jenes großen Tages Jehovas, des Allmächtigen, der allen Kriegen ein Ende setzt. ..."

Weiter in der „Informator"-Zitierung:

„Setzt eure Hoffnung auf Hilfe nicht in die „Erde", besonders nicht in ihre internationale Nachkriegsform. Haltet euch von ihr fern und vermischt euch nicht mit dem Geist dieser Welt" tönt diese „Informator"-Ausgabe weiter.

„Wacht über euren Geist im theokratischen Dienste und bemüht euch, alle verfügbare Zeit darin zu verbringen!"

Gerade der Aufpeitschung zu letzterem Aspekt, kann man auch in diesem „Informator" wieder vielfältig begegnen.

„Diejenigen Geschwister, die bis jetzt monatlich eine hohe Stundenzahl im herrlichen Königreichsdienste erreicht haben, werden danach trachten, diese möglichst nicht sinken zu lassen. Für alle eifrigen Gruppenverkündiger bleibt das erstrebenswerte Ziel weiterhin: 60 Stunden im Monat. Wer bis jetzt nur wenig Stunden (l—4 Std.) für diesen Dienst aufbrachte, möge sich aufraffen..." so die weitere Belehrung.

Auf die „moralische" Tour reitend, geht es dann weiter:

Alle untätigen Geschwister aber, die nicht durch Krankheit gebunden sind, wollen einmal darüber ernstlich nachdenken, wohin eigentlich ihr weiteres Untätigsein im theokratischen Dienste führen wird."

Oder auch diese deformierte Bibelzitat-Bemühung:

,,Wenn du Jehova, deinem Gott, ein Gelübde tust, so sollst du nicht zögern, es zu bezahlen; denn Jehova, dein Gott, wird es gewißlich von dir fordern, und es wird Sünde an dir sein."

Wer immer noch nicht begriffen hat, dem wird dann eingebläut:

Unregelmäßig arbeitende und untätige Geschwister sollte es — außer den Gebrechlichen — unter Gottes Volk nicht geben."

Umfängliche Aufzeichnungen, dazu werden angeraten. Unter anderem auch über „Nachbesuche". Darüber soll nicht nur der einzelne ausübende Zeuge informiert sein. Nein, auch auf Organisationsebene werden dazu minutiöse Aufzeichnungen angefordert.

Namentlich die reisenden Apparatschicks der WTG sollen in diese Aufzeichnungen hineinblicken können, um zugleich als „Hilfe" tituliert weitere Aufstachelung zum Tätigsein, auf dieser Ebene zu praktizieren.

„Nach dem ersten Nachbesuch ist, sofern weitere Nachbesuche verabredet wurden, sofort ein Nachbesuchszettel auszufüllen und dem Nachbesuchsdiener abzugeben. Wenn nach drei Nachbesuchen festgestellt wird, daß wirkliches Interesse vorhanden ist, wird der Nachbesuchsdiener einen ständigen Nachbesuchszettel ausstellen und ihn in seine Kartothek einreihen. Damit er feststellen kann, ob sämtliche Adressen in geeigneter Weise bedient werden, wird er alle im Laufe des Monats abgegebenen Nachbesuchszettel mit den vorhandenen Nachbesuchs-Stammkarten vergleichen ..."

Als Novum registriert.

Gleichfalls unter dem Titel "An alle Verkünder der Theokratie, datiert Magdeburg Oktober 1945, gibt es eine im Vervielfältigungsverfahren hergestellte Ausgabe (siehe deren erste Seite).

Bislang kenne ich aber aus der Frühzeit nach 1945, nur diese eine einzelne Ausgabe. Sie bringt Zusammenfassungen aus dem Berner "Informator" aber auch einige darüber hinaus gehende Details, auf die hingewiesen sei.

So etwa die Mitteilung, dass

„zunächst verschiedene Brüder in den verschiedenen besetzten Zonen nach dem Rechten sehen sollten, ist nun darauffolgend Bruder Erich Frost , Leipzig, mit allen Vollmachten, die Interessen der Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft für das gesamte deutsche Gebiet, allen von den alliierten Mächten (Amerika, England, Rußland, Frankreich) besetzten Teilen Deutschlands, zu wahren versehen worden."

Magdeburg zum sowjetisch besetzten Teil Deutschlands gehörend erwies sich dahingehend als problematisch, als die Sowjets in ihrem Stammlande, nicht gerade für „Religionsfreundliche" Politik bekannt waren.

Ungeklärte Eigentumsfragen an den WTG-Immobilien, wie sie bereits vor 1933 bestanden, konnten im WTG-Sinne nur durch ein „forsches Auftreten" gemangment werden. Dazu gehörte auch die Behauptung, Magdeburg solle für ganz Deutschland, als Zeugen Jehovas-Zentrale zuständig sein. Diesem forschen Auftreten, konnten auch die Sowjets sich nicht entziehen, indem sie widerwillig, zustimmen mussten, das die WTG, auf der Basis ihres früheren juristischen Status (als e. V.) wieder Behördenmäßig anerkannt werden musste.

Ganz „reibungslos" indes verlief diese Entwicklung wohl nicht. Dafür stehen dann wohl auch die Sätze:

So dürfen wir euch mitteilen, daß, einer dringenden Notwendigkeit zufolge - es galt einem gegnerischen Anschlag zuvorzukommen, am 22. September 1945 die Internationale Bibelforscher-Vereinigung auf dem Wege, der Wiedergutmachung hier in Magdeburg wieder zur Eintragung gekommen ist."

Auch das versäumt man nicht mitzuteilen:

Die in diesen Tagen hier vor sich gehende Klärung der Eigentumsfrage der WT.-Gesellschaft sowohl als auch die Bemühungen, eine - wenn möglich eigene Druckerei für unsere Literaturherstellung zu erhalten, machen die Erstellung größerer Summen baren Geldes notwendig."

Ergo der Tenor: Spendet mal schön, auf das Frost die Erfolgsmeldung nach Brooklyn senden könne. Alles aus eigenen finanziellen Mitteln wieder geschafft.

Eine statistische Erfassung, auf der Basis auszufüllender Formulare, über die Verfolgungszeit im Nazi-Regime wird dann auch noch angefordert. Bemerkenswert, nur Formulare sollen es einstweilen tun. Damit werden die Opfer des Naziregimes zu „Nummern" degradiert und auch so behandelt.

Auch diesen Satz gebt es dann noch:

„das Hauptbüro in Brooklyn den Wunsch äußerte besondere Geschehnisse in Erfahrung zu bringen ... Schreibt uns daher, über solche besonderen Vorkommnisse einen Sonderbericht"

Einstweilen dann primar auf den Aspekt „Verfolgungsberichte" konzentriert. Mit der späteren Umbenennung des „Trost" in „Erwachet!" dann noch im Sinne eines politischen Nachrichtendienstes erweitert. Wer diesen Sachverhalt mit zu erst erfasst hatte, waren die kommunistisch dominierten Behörden, deren Mißtrauen massiv damit gefördert wurde.

Auf dieser Linie liegt auch der Satz:

„Viel Wert bei der Durchführung des nun beginnenden Werkes muß auf das Anlegen einer Adressensammlung gelegt werden."

Adressensammlung - gleich Gesinnungsschnüffelei, kombiniert mit systematischer Gebietsaufteilung des Territorium, zweck systematischer Bearbeitung durch die Zeugen Jehovas.

In der Lesart letzterer diente das alles ja nur ihrem „Predigtdienst". In der Lesart der kommunistischen Behörden dann zunehmend die Interpretation, dass sei systematische Spionage.

Hingewiesen wird auch auf den „Fischer Jäger" „Wachtturm" als Motivationsstimulanz für das Predigtwerk. Der besitzt dann in der Tat einen besonderen Stellenwert, als andere Zweige der Religionsindustrie, einschließlich von der WTG abgesplitterter Gruppen, dieselbe Thematik benutzten, um das als „Erklärung" des nazistischen Terrors gegen die Juden, als in „Gottes Weltenplan" mit enthalten, deformiert darzustellen.

Insoweit wurde dem neuen WTG-Präsidenten Knorr die „Gnade der späten Geburt" zuteil. Er konnte sich bei diesem Thema in der Tat von seinen Vorgänger-Narren absetzen.

Siehe etwa auch Mysnip.112948

150 Stunden betrage die Quote für ihre „Pioniere" liest man weiter. Dann vergleiche man mal, wie just diese Quote dann in späteren Jahrzehnten zusammengeschmolzen ist.

Die Amtsschimmel wieherte aber bereits im Jahre 1945 prächtig. Dafür steht dann auch dieser Gewiehere-Erguss:

„Die Bezeichnung einer jeden Gruppe bei Briefanschriften, Gesuchen usw. lautet :

J e h o v a s Zeugen (Intern Bibelf.Vereinigung) Gruppe Berlin, (oder Leipzig usw.)

Unter dieser Bezeichnung darf die Gruppe sich auch ein Büro einrichten, doch ist zu beachten, daß dies in keinem Fall unter dem Titel "Wachtturm-Bibel-und Traktat-Gesellschaft" geschehen darf".

Zu den Amtsschimmel-Ergebnissen im weiteren Sinne ist dann wohl auch diese Aussage zuzuordnen:

„Die 'Diener der Brüder' werden nicht in die Gruppe gesandt, um dort persönliche Schwierigkeiten zu schlichten, sondern damit sie sich der Interessen des Königreiches annehmen."

Der Schlußkampf von Harmagedon naht heran", weis die „Informator"-Augabe (Bern) für Oktober 1945 wieder mal mitzuteilen.

Und weiter:

Ja, ,,Jehova regiert", er zerschmettert bald alles Gesetzlose und Böse."

Vergessen wurde nur noch mit hinzuzufügen. Jenes „bald" hat die Konsistenz eines „Patentgummis" Dehn- und Ziehbar bis zum „geht nicht mehr".

Und weil das so sei, gelte für die Betörtenschar:

Er muß sein ,Auge in Einfalt' bewahren, indem er es nur auf die Förderung der Königreichsinteressen gerichtet hält."

Auch diese Erfahrung hat man gemacht. Das immer neue Durchackern der zugewiesenen Gebiete, könne mit der Zeit ziemlich frustierend sein, indem man auch Abwehreaktionen wie etwa: „Sie schon wieder ..." begegnen könne. In ihrer großen Weisheit hat die WTG auch für diese Konstellation einen Tipp parat. Und zwar den:

Eine Anzahl Verkündiger, besonders in Stadtgegenden, haben ihre persönlichen Gebiete ausgewechselt."

Na wen das nichts ist! Da bekommen die Belästigten halt auch mal andere Gesichter vorgesetzt.

Öffentlichen Vorträgen wird in dieser Ausgabe auch noch besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Dazu auch der Ultima ratio-Tipp:

Wo immer es möglich ist, holt die ,,Fremdlinge" zum Vortrag ab. Diese Methode des Abholens der Menschen guten Willens, hat sich als eines der wirksamsten Mittel erwiesen."

Was denn den so geangelten „Fisch" erwartet, mag dann auch dieser Satz verdeutlichen:

„So erhält der Fremdling „Kleider und Brot"; und er muß so lange betreut werden, bis auch er das Predigen als das größte Vorrecht erkennen und schätzen lernt."

Also wähnt die WTG damit das wundersame Perpetuum mobile erfunden zu haben. Und die Betörten, laufen, laufen und laufen. Bis die dann eines Tages vor lauter „laufen" auf die Fresse fliegen!

In Vorbereitung eines öffentlichen Vortrages gäbe es einiges zu tun.

Als Beispiele nennt jene „Informator"-Ausgabe wortwörtlich:

z. B. (die Zeit) für das Auswählen der Punkte im Gebiet, wo Vorträge stattfinden sollen, ferner für das Mieten der Säle, das Beschaffen von Kästchen für freiwillige Gaben."

Es ist wohl sicherlich nicht uninteressant, das in dieser Aufzählung ausdrücklich die „Kästchen für freiwillige Gaben" ihre Miterwähnung finden!

Welche „Gnade". Die mit diesen Vorbereitungsarbeiten Beschäftigten, dürfen ihren damit verbundenen Zeitaufwand, auch als „Predigtdienst" „rapportieren".

Wer hätte das gedacht? Der „Informator" Ausgabe November 1945 (Bern), hat entdeckt, im November soll es meistens kalt sein. Diese Erkenntnis könne aber nicht folgenlos bleiben. Nicht folgenlos beispielsweise für den Verkauf von WTG-Schriften auf öffentlichen Straßen. In seiner maßlosen „Groszügigkeit" entschließt er sich daher zu dem Kompromiss:

„Achtet darauf, die Zeit des Stehens den Witterungsverhältnissen anzupassen. Schon im November sollte sie auf höchstens eine Stunde angesetzt werden, ja vielleicht wird es notwendig, sie sogar auf eine halbe Stunde zu reduzieren."

Wer nun wähnt, vielleicht käme diese Zeitreduzierung einer Begünstigung des „auf die faule Haut legens" gleich, wird aber schon im nächsten Satz eines anderen belehrt:

„Um die Zeit trotzdem gut auszukaufen, empfehlen wir den Verkündigern vor oder nach dem Zeitschriftenverkauf auf öffentlichen Plätzen Haus-zu-Haus-Arbeit zu verrichten oder Zeitschriftenleser zu bedienen. Durch diese vermehrte Bewegung dürfte dem Körper die nötige Wärme rascher vermittelt werden."

Also wieder nichts, mit dem „auf die faule Haut legen".

Jubilierend stellt der „Informator" (Bern) Ausgabe für Dezember 1945 fest:

180 Verkündiger mehr seien im Felddienste tätig.

Der monatliche Stundendurchschnitt pro Verkündiger sei auf über 14 Stunden angestiegen.

Zwar immer noch nicht die anvisierten 60 Stunden, aber trotzdem ein Zuwachs im Vergleich zu früheren Zeiten.

Da macht es sicherlich gut, kann man diesen Zuwachs dann auch an Hand von Einzelbeispielen belegen. Zum Beispiel dieses:

Ein 8jähriger Knabe. Er zählte zu den ersten, der seinen Vater bat, ihn zur Teilnahme an den Informationsmärschen (Bekanntmachen öffentlicher Vorträge durch Plakatumzüge) auf der Liste einzutragen. Selbstverständlich war es nicht möglich, daß der kleine Verkündiger die großen Plakate herumtragen konnte, die mit ihrem Gestell (ein Plakat auf der Brustseite und ein anderes auf der Rückenseite) für Erwachsene vorgesehen waren. Um ihm aber dennoch einen Anteil an diesem Dienst zu ermöglichen wurden extra kleinere Plakate gedruckt und ein angefertigt. Es wurde ihm gezeigt, wie er in der Marschkolonne gehen solle und — siehe da, voller Freude zog er mit durch die Straßen. Seine kindliche Begeisterung hat er in folgenden Worten ausgedrückt:

„Ich habe Freude am Dienst. Und es ist wunderbar am Werk Gottes teil zu nehmen. ... Und jetzt darf ich noch mit Mami und Papi 'Trost' verkaufen, da mag ich fast nicht warten bis Samstag ist. Und mit dem Plakat herumzulaufen. Und das macht mir große Freude."

1945er Rückblick

Volle Fahrt voraus - auf das nächste Felsenriff

Informator1946

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