Annotationen zu den Zeugen Jehovas
144000

Jener Bibelspruch aus der Offenbarung 7:4 der da von Hundertvierundvierzigtausend "Versiegelten" redet, hatte schon zu allen Zeiten den Sinn der Ausleger beflügelt. Noch "dramatischer" stellt sich der etwas weiter folgende Vers 9 dieses Bibelkapitels dar, der da von "einer großen Volksmenge redet, die niemand zählen könne."

Auch dem Bibelforschergründer C. T. Russell hatten es die 144 000 angetan. Sie passten offenbar gut in sein theologisches Endzeitkonzept hinein. Vermochte doch seine Organisation im Jahre 1915 (ein Jahr vor dem Tode Russells) einen Anwesendenbestand beim jährlichen "Gedächtnismahl Christi" von 15 430 verzeichnen. Wie sagt man so schön: "Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen".

Man sollte realistisch sein. Die Russellorganisation in den 1870-er Jahren gegründet, konnte von ihren Thesen her, naturgemäß keine Massenbewegung sein. Es war nur ein gewisser, kleiner, Ausschnitt aus der Gesamtbevölkerung, der sich durch ihre Thesen in besonderem Maße angesprochen fühlte. So gesehen kann man die 15. Tausend als durchaus beachtliche Zahl einschätzen. Also es war aber durchaus noch genügend "Platz" bis zum Erreichen der magischen Zahl der 144 000. Folgerichtig konnte man es auch einigen "Glaubenshelden der Vergangenheit" zubilligen, auch zu ihnen zu gehören.

Dann kam das entgegengefieberte Jahr 1914. "Gen Himmel" wollte man in jenem Jahre eigentlich fahren. Aber man ließ sich vertrösten. Man meinte der "Erntezeit von 1874-1914" nunmehr noch eine "Nachlese" zubilligen zu können. Die sollte dann aber auch 1918 beendet sein. Auch daraus wurde (wieder einmal) nichts.

Rutherford, als Nachfolger Russells gelang es dennoch, namentlich durch seine 1925-Verkündigung, die Organisation am Leben zu erhalten und auch numerisch auszuweiten. Sicherlich haben die für etliche trostlosen Verhältnisse in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ihren Teil dazu beigetragen. Jedenfalls gab es 1925 schon 90 434 Gedächtnismahlanwesende. Womit der jeweilige maximale Anhängerstand beschrieben ist. Jene Zahl rückte schon etwas näher an die anvisierten 144 000 heran.

Aber auch 1925 wurde wieder nichts aus der Himmelfahrt. Im Gegenteil innere Zerwürfnisse forderten ihren Tribut. Zwei "Klassen" bildeten sich heraus. Jene, die es mehr mit Russell hielten und jene die sich von Rutherford zum Literaturverkäufer degradieren ließen. Was lag nahe als wie "zwei Fliegen mit einer Klappe" zu schlagen. Und so kam denn Rutherford auf den "genialen" Einfall im Jahre 1935 auch den Bibelspruch von der "großen Volksmenge" noch zu bemühen.

Jenen alten Bibelforschern, die immer noch auf die Himmelfahrt warteten, konzedierte er, sie gehören zu den 144 000. Aber jene die ab 1935 neu hinzukamen, könnten dies in der Regel nicht mehr. Sie hätten sich mit einer "irdischen Hoffnung" zu begnügen. Und als sichtbares Zeichen dieser zwei Klassen, wurde den Alten zugebilligt, die Gedächtnismahlsymbole Brot und Wein in Anspruch zu nehmen. Während die übrigen als sogenannte "große Volksmenge" in die Rolle der Zuschauer beim Gedächtnismahl verbannt wurden.

Einen beabsichtigten Nebeneffekt hatte das ganze auch noch. Da die Alten immer weniger wurden, reduzierte sich die Zahl derjenigen die von den Symbolen des Gedächtnismahles nahmen, zusehends. Damit konnte man der Anhängerschaft erneut suggerieren, wie nahe doch das "Reich Gottes" wäre.

Nicht eingeplanterweise gab und gibt es aber auch noch Fälle, wo jüngere sich nunmehr auch zu dem Überrest der 144 000 zugehörig fühlen. Also das aussterben dieser Gruppe zieht sich in die Länge. Aber auch die Endzeiterwartungen, sodass dies oftmals stillschweigend toleriert wird. Zudem dürften jene "Nachzügler" auch ansonsten für die WTG-Interessen sehr aktiv sein. Und das "entschuldigt" in den Augen ihrer Funktionärsschicht schon so einiges!

Man vergleiche dazu mal beispielsweise den Fall der Mutter von Phelan.
Aufschrei der Getroffenen
Eine „delikate" Frage zu beantworten, müht „Trost" in seiner Ausgabe vom 1. 6. 1939, und das kann man schon vorab sagen: „mehr schlecht als recht". Unter Berufung auf eine frühere „Trost"-Ausgabe wird da angefragt, dass dort zu lesen sei:
„Die Erwählung der großen Volksmenge" ... "Doch erst 1935 enthüllte der Herr seinem Volke, daß seine "andern Schafe" eine irdische Klasse bilden, die ewig auf der Erde leben soll."

Der Fragesteller will nun wissen:
„Auf welche Weise und bei welcher Gelegenheit enthüllte der Herr dies seinem Volke?"

Wer nun eine kurze und klare Antwort darauf erhoffen sollte, sieht sich allerdings getäuscht.
Der Fragesteller wird erst einmal belehrt:

„Dies bedeutet, daß Gott nicht mit der Welt noch mit Weltmenschen handelt."
Und weiter:
„Daß der Herr auf seine eigene Weise die empfangenen Lichtblitze an seine Knechte auf Erden weiterleite".

Und weiter:
„Im Jahre 1935 anläßlich der großen Hauptversammlung der Zeugen Jehovas in Columbus (Ohio, USA.) wurde zum erstenmal der überzeugende Beweis aus dem Worte Gottes unterbreitet, daß die große Volksmenge nicht eine geistgezeugte, himmlische, sondern eine irdische Klasse ist, die durch "Jonadab" und "die anderen Schafe" in verschiedenen biblischen Bildern veranschaulicht ist.
Weltleute und Religionisten sehen hierin sehr wahrscheinlich nur eine menschliche Predigt Gottes Volk aber steht auf einer viel höheren Warte."


Und dann zieht man sich auf die Linie zurück:
„Glauben Jehovas Zeugen, daß der Herr bei jener denkwürdigen Gelegenheit zu seinem Volke gesprochen und ihm diese Enthüllung geschenkt hat Natürlich zwingt Gott niemand, dies so zu sehen; aber "ohne Glauben ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen."

Über die technischen Einzelheiten jener vermeintlich „göttlichen" Enthüllung hüllt „Trost" sich dann allerdings in Schweigen. sonst müsste es wohl bloß das wiederholen, wie einer der WTG-Jünger den damaligen WTG-Präsidenten Rutherford anhimmelte mit den Worten (Wachtturm 1931 S. 192)

„Leserbrief J. A. Bohnet, Michigan
Lieber Bruder Rutherford!
so wird mir denn die Überzeugung aufgedrängt, dass der Urheber von „Licht" nicht ein menschliches Geschöpf ist. Kein Mensch hätte dieses Buch schreiben können, und keiner tat es ... Bruder, Du warst nur der Amanuensis (literarische Gehilfe) bei der Herstellung von „Licht". Jehova ist sein Autor wie auch das Buch selbst erklärt."

Diese Verklärungsthese reduziert sich also auf den Umstand, Rutherford betrachtete es im Interesse der „Predigtdienst-Forcierung" seiner Organisation, als nützlich die „Himmelstüre zu verschließen." und die blökende Horde der „Führer befiehl wir folgen dir", verkauft das als „göttliche Enthüllung".


 

 

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