Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Beltz, Heym und George Orwell
1975 erschien im
Ostberliner Aufbauverlag das Buch von Walter Beltz mit dem Titel Gott und die
Götter. Biblische Mythologie." Laut Klappentext war der Verfasser damals Orientalist
und Religionshistoriker an der Sektion Orient- und Altertumswissenschaften der
Universität Halle. Also kein Theologe" im klassischen Sinne.
Theologen sind in der Regel kirchlich
gebunden. Religionswissenschafter oder Historiker hingegen können die gleiche Materie
behandeln o h n e unbedingt alle dogmatischen Kröten klaglos mit herunter schlucken zu
müssen. Ein kleiner, aber ein feiner Unterschied!
Beltz behandelt in seinem Buche sowohl
das sogenannte Alte wie das Neue Testament der Bibel. (Auf die diesbezüglichen
umständlichen Formulierungen der Zeugen Jehovas verzichte ich aus Gründen der
Vereinfachung mal hier). Aus einem ganz speziellen Grund, auf den ich weiter unten noch zu
sprechen kommen möchte, beschränke ich mich hier nur auf die Aussagen von Beltz zum
Alten Testament. Ich zitiere hierzu mal einige charakteristische Sätze von Beltz:
Nur fromme Scheu wehrt sich
vielleicht noch, die biblischen Mythen so zu sehen wie die Mythen der
griechisch-römischen Geschichte. Auch wenn die Bibel weiter aus dem Gesichtsfeld des
Menschen schwinden wird, wird ihre geschichtliche Bedeutung nur deutlicher werden. Wie
Homers Epen bleibt auch die Bibel ohne Erklärung unverständlich. Und selbst den
Gläubigen, für den die Bibel immer noch Offenbarung eines Gottes ist, bleibt der Umweg
über den Kommentar nicht erspart" (S. 5).
Beltz kommt dann im Detail unter
anderem auch auf Saul, David und Salomo zu sprechen. Hier wiederum möchte ich aus dem
schon angedeuteten Grund, über den noch zu sprechen sein wird, nur auf David
beschränken. Über ihn äußert er unter anderem:
Der biblische König David gar
opferte gleich Tausende seines Volkes der Pest um selber am Leben zu bleiben" (S.37).
Das David neben Frauen
auch Männer liebte, wie aus dem Kapitel über seine Freundschaft mit Jonathan hervorgeht,
ist für den altorientalischen Erzähler kein anstößiges Thema, wie es ja auch sicher
ist, dass es in Jerusalem neben der weiblichen auch eine männliche kultische Prostitution
gegeben hat, deren Ausrottung vielleicht erst durch den König Josia erfolgt ist" (S.
249).
Vielleicht noch ein charakteristischer
Satz über Salomo:
Salomos Politik ist die eines
orientalischen Despoten. Zu den Aufgaben, die die Erhaltung von Staat und Tempel stellen,
werden Fronarbeiter verpflichtet" (S. 256).
Verlassen wir mal jetzt Beltz und
kehren wir in die jüngere Zeitgeschichte zurück. Über die maßlosen Verbrechen der
Nazis an den Juden, braucht wohl hier nichts weiter referiert zu werden. Das ganze Ausmaß
dessen, was auf sie dereinst in Hitlerdeutschland noch zukommen würde, war nur wenigen
von Ihnen schon 1933 in aller Drastigkeit klar.
Obwohl schon damals Anlass zu den
allerschlimmsten Befürchtungen bestand. In den Anfangsjahren des Hitlerregimes konnten
immerhin auch noch einige Juden emigrieren. Unter ihnen auch einer, der später noch unter
dem Pseudonym Stefan Heym" als Schriftsteller bekannt werden sollte.
Im Zweiten Weltkrieg kämpfte Heym auf
Alliierter Seite. In seinem 1948 erschienen Roman Kreuzfahrer von heute"
berichtet er Details. Im Jahre 1952 entschloss er sich zu einem ungewöhnlichen und
folgenreichen Schritt. Er verlegte seinen Wohnsitz vom Westen kommend nach Ostberlin.
Da hatte man nun im Osten einen
Vorzeigekandidaten" über den dekadenten Westen". Bekannt ist, dass
Heym, nach dem DDR-Mauerfall sogar für die SED-Nachfolger namens PDS" mal in
den Bundestag des wiedervereinigten Deutschlands für kurze Zeit einzog. Auch diese
Episode aus dem Leben des Heym verdeutlicht, dass er offenbar das östliche Deutschland
zeitweilig als die bessere Alternative ansah. Es sind aber auch andere Aspekte aus dem
Leben Heyms bekannt.
Nach dem die Euphorie seiner
propagandistischen Vermarktung seitens der DDR, anfangs der 50-er Jahre sich verflüchtigt
hatte, lernte er den Kulturbürokratismus der DDR auch von einer anderen Seite kennen.
Heyms Sozialisation und die Gleichschaltungsforderungen der DDR entwickelten sich zur
Konfliktsymbiose.
Die SED-Kulturfunktionäre befanden
sich in einer prekären Situation. Andere Aufmüpfige, die keine Ruhe gaben, ließ man mit
den berüchtigten Zersetzungsmassnahmen der Stasi bearbeiten. Aber was sollte man bei
diesem Heym tun? Der war ja kein Unbekannter mehr, der hatte ja sogar schon im Westen
einen Namen. Zähneknirschend entschloss man sich, ihm das für DDR-Verhältnisse als
Privileg zu wertende Recht zu gewähren, neuere Schriften von ihm, die man meinte der
DDR-Bevölkerung aus politischen Gründen unbedingt vorenthalten zu müssen, im Westen
veröffentlichen zu lassen.
So ergab sich denn etliche Jahre die
bezeichnende Situation, dass von dem in Ostberlin lebenden Schriftsteller Heym ein neueres
Buch nach dem anderen, im Westen erschien. Die gleichen Bücher der DDR-Bevölkerung
jedoch bewusst vorenthalten wurden.
Diesen Sachverhalt registrierten
natürlich auch westliche Journalisten und haben ihn entsprechend thematisiert. Das war
der DDR nun auch nicht wieder recht, dass sie als schleichende Katze auf diese Art und
Weise ein Glöcklein ans Bein gebunden bekam. Und so mussten sich denn die
DDR-Kulturbürokraten mehr widerwillig denn willig auch zu dem Entschluss durchringen, mit
großer zeitlicher Verzögerung, auch einige von Heyms im Westen veröffentlichten
Schriften in DDR-Verlagen nachdrucken zu lassen.
Selbstredend in Miniauflagen,
selbstredend ohne Werbung dafür in DDR-Medien. Unter den solcherart unter dem
Ladentisch" ganz kurzfristig mal erhältlichen Büchern ragt besonders sein 1973 in
Ostberlin in einer symbolischen Scham-Auflage erschienenes Buch Der König David
Bericht" hervor.
Und damit komme ich wieder zu Beltz
zurück.
Heym berichtet darin auch, dass er die
Inspiration zu seinem Roman, offenbar auch durch persönliche Kontakte zu Beltz bekommen
hatte.
Grundtenor der Erzählung von Heym ist
der fiktive Bericht, dass der König Salomo einem Historiker damit beauftragt habe, einen
Geschichtsbericht zu schreiben der allen Zweifeln ein Ende bereiten sollte".
Die Komplikationen, die mit diesem delikaten Auftrag verbunden waren, werden von Heym dann
in allen Details ausgeleuchtet.
So lässt er einen Beobachter der
Szene beispielsweise sagen: Ich
habe Messerschlucker und Feuerfresser gesehen, noch nie aber einen Mann, der so geschickt
auf der Schneide des Schwertes tanzte."
Dem ausersehenen Historiker lässt er
die Selbstreflektion äußern: Ich entnahm all dem, dass unter den mächtigen Herren in der
Umgebung König Salomos gewisse Differenzen bestanden und das es für einen
Außenstehenden ratsam sei, sich in diesem Kreis mit äußerster Vorsicht zu
bewegen."
Aber der Auftrag des Salomo lautete: Und soll besagter Bericht für
unsere und alle kommenden Zeiten EINE WAHRHEIT aufstellen und dadurch ALLEN WIDERSPRUCH
UND STREIT ein Ende setzen, ALLEN UNGLAUBEN
"
Angesichts dieses Auftrages
reflektiert der ausersehene Historiker:
Das ist wahrhaftig ein Weiser,
der in Erkenntnis der Gefahren des Weges es vorzieht, in seiner Hütte zu bleiben. Das ich
aber mehrere jüngere Kollegen empfehlen könnte, sämtlich bei besserer Gesundheit als
ich und von biegsamerer Denkungsart, gerade also was gebraucht würde zur Abfassung von
Büchern, die EINE WAHRHEIT enthalten und ALLEN WIDERSPRUCH UND STREIT ein Ende setzen
sollten.
Da wurde mir klar, dass der
König Salomo alles bedacht hatte und dass es nicht möglich war, mich seiner Gunst zu
entziehen. Ebenso erkannte ich, dass die Sache böse für mich enden mochte, wie es so
manchem Schriftgelehrtem geschehen war, dem man den Kopf abschlug und den Rumpf an die
Stadtmauer nagelte, dass ich andererseits aber auch fett dabei werden und prosperieren
könnte, wenn ich nur die Zunge hütete und meinen Griffel weise benutzte.
Mit einigem Glück und mit
Hilfe unseres HErrn Jahweh mochte es mir sogar gelingen, ein Wörtchen hier und eine Zeile
dort in den König-David-Bericht einzufügen, aus denen spätere Generationen ersehen
würden, was wirklich in diesen Jahren geschah
"
Nachdem der angeforderte
Geschichtsbericht erstellt war, lässt Heym die Geschichte mit den Worten fortfahren: Benaja ben Jehojada trommelte mit
den Fingern auf seinem Knie, und Josaphat ben Ahilud schluckte, als wäre ihm etwas
Klebriges in der Kehle steckengeblieben; nur Zadok, der Priester, strahlte vor
Zufriedenheit über das ganze ölige Gesicht. 'Nun', fragte der Prophet Nathan ein wenig
unsicher, 'ist etwas zu bemängeln an dem Bericht?'"
Der Autor wurde zur Rechenschaft
aufgefordert. In einem privaten Gespräch mit seiner Frau umreißt er die Sachlage mit den
Worten: Ich berichtete
ihr dann von den verschiedenen Arten von Wahrheit, und von den Meinungen der Mitglieder
der Kommission, und von den Entscheidungen, die getroffen wurden. Da gibt es Parteien und
Parteien innerhalb der Parteien, und die Kommission selber ist gespalten, so dass ein
Autor wie ein Vogel ist während der großen Flut, der nicht weiß, wo er sich
niederlassen soll.
Und Jonathan sagte zu mir: Um
zu herrschen, darfst du nur ein Ziel sehen - die Macht. Darfst du nur einen Menschen
lieben - dich selbst. Sogar dein Gott muss ausschließlich dein Gott sein, der ein jedes
deiner Verbrechen rechtfertigt und es mit seinem heiligen Namen deckt."
Die Geschichte nahm, wie man unschwer
erkennen kann, einen tragischen Ausgang. Heym referiert ihn mit den Worten:
'Wer braucht Zeugen?'
Wiederholte Benaja grimmig. 'Geständnisse haben wir in der letzten Zeit überreichlich.
Wir erheben Anklage gegen jemand wegen Denkens unerlaubter Gedanken.
Bekennst du dich schuldig, im Sinne der Anklage, des
Hochverrats, begangen in Rede und Schrift durch die Einstreuung von Zweifeln und
unerwünschten Gedanken und ruchlosen Auffassungen
sowie durch Verkleidung besagter
Zweifel und besagter unerwünschter Gedanken und besagter ruchloser Auffassungen in eine
Sprache, welche sich harmlos gibt und dem Auge des HErrn wohlgefällig?"
Darum nun verurteile ich, Salomo, der Weiseste
der Könige, kraft der durch den Mund des HErrn mir verliehenen Macht den genannten Ethan
ben Hoshaja zum Tode.
Da der leibliche Tod des Angeklagten
nicht angebracht
erscheint, indem er nämlich übelmeinenden Menschen Anlass geben könnte zu der
Behauptung, der Weiseste der Könige, Salomo, unterdrücke Gedanken, verfolge
Schriftgelehrten, und so fort, und da es gleich ungünstig erscheint
ihn in unsere
Gruben oder Steinbrüche zu verschicken
darum soll er zu Tode geschwiegen werden.
Keines seiner Worte soll das Ohr des Volkes erreichen."
Heather und Gary Botting, gaben ihrem
1984 in Toronto (Kanada) erschienenen Buch den Titel: "The Orwellian World of
Jehovah's Witnesses". Jener Roman "1984" von George Orwell, dem diese
Titelwahl zugrunde liegt, hatte allerdings davor schon andere totalitäre Regime
unangenehm berührt. Unangenehm deshalb, weil sie da einen Spiegel vorgehalten bekommen.
Vielleicht noch eine Anmerkung, wie
man in der seinerzeitigen DDR auf Orwell's "1984" reagierte. Ich persönlich
hatte mir in einem nervenaufreibenden Kampf das "Privileg" erkämpft, schon zu
DDR-Zeiten in der Giftschrankabteilung der Deutschen Staatsbibliothek, der sogenannten
"Abteilung für spezielle Forschungsliteratur", in der auch ein Buch, wie zum
Beispiel Zürcher "Kreuzzug gegen das Christentum" verbannt war. Wie gesagt, ich
hatte mir in harten Kämpfen es erzwungen, dort auch Orwell 1984, nebst anderem, einmal
einsehen zu dürfen.
Es ist mir im Prinzip nicht gut
bekommen. Die Stasi, das Staatssekretariat für Kirchenfragen und die besagte
ASF-Abteilung standen in engem Schulterschluss zueinander. Das Misstrauen, dass sich
hinter den Kulissen gegen meine Person zusammengebraut hatte, wurde angesichts dieser
"Frechheit", auch dieses Buch mal einsehen zu wollen, zunehmend deutlicher.
Und da es in der DDR auch eine
Gedankenpolizei gab, setzte die mich folgerichtig auch auf die Liste derjenigen, die sie
mit ihren berüchtigten Zersetzungsmassnahmen "beglückte". Aber lassen wir
diesen persönlichen Aspekt. Anderen, die sich auch für dieses Buch interessierten,
erging es noch ärger.
Im Leipziger Forum-Verlag erschien im
Jahre 1994 das Buch: "Im Namen des Volkes? Über die Justiz im Staat der SED.
Wissenschaftlicher Begleitband zur Ausstellung des Bundesministeriums der Justiz".
Darin konnte man auch die folgende Begebenheit lesen (S.202):
"Die Maßlosigkeit mit der MfS
und Justiz auch gegen nicht prominente 'oppositionelle Kräfte' vorgingen, kann in dem
Urteil des Bezirksgerichtes Karl-Marx-Stadt vom 2. 10. 1978 gegen einen 27 Jahre alten
Dipl.-Theologen, der zuletzt als Friedhofsarbeiter beschäftigt war, nachgelesen werden.
Wegen seines Interesses für Literatur hatte der Angeklagte 1973 von einem westdeutschen
Bekannten das Buch '1984' von George Orwell erhalten und nach der Lektüre an einige
Freunde verliehen. Dies wertete das Bezirksgericht als Verbrechen gemäß § 106 StGB:
'Das Buch '1984'
soll
dazu dienen, den Sozialismus zu verteufeln und zu verunglimpfen. Dabei wird insbesondere
die Sowjetunion, sowie die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei
diffamiert. Gleichzeitig werden die gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse
diskriminiert, indem das Leben im Jahre 1984 als düster und grau geschildert wird und die
Menschen dem ideologischen und physischen Zwang der Partei als einer 'hypnotischen Macht'
unterworfen sind.
Dabei wird dieses
Machtbestreben durch die Schutz- und Sicherheitsorgane abgesichert und die Freiheit des
Denkens unter Strafe gestellt. Die Freiheit und Persönlichkeit der Menschen werden durch
die 'innere Partei' eingeengt und auf Kosten der 'Proles', wie die Werktätigen bezeichnet
werden, führt die Schicht der inneren Partei ein luxuriöses Leben. Dieses Machwerk
stellt objektiv eine Schrift dar, die die
staatlichen, politischen und ökonomischen Verhältnisse der sozialistischen
Gesellschaftsordnung diskriminiert.
Die Tatsache, dass dieses
Machwerk besonders in den letzten Jahren gezielt, und zwar im Rahmen der ideologischen
Diversion gegen die DDR gerichtet wird, beweist einmal mehr, dass den Feinden des
Sozialismus alles gelegen kommt, was ihrer Zielstellung der inneren Unterhöhlung der
sozialistischen Gesellschaftsordnung dient.
Die Verbreitung des hetzerischen
Machwerks durch den Angeklagten erfolgte insbesondere unter der Zielsetzung, seine
Bekannten damit vertraut zu machen und insoweit die bei ihnen zum Teil bestehende
ablehnende Haltung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen der DDR zu bestärken.
Dass das Buch, von George
Orwell Ausgangs des 2. Weltkriegs geschrieben, vor der Gründung der DDR erschienen, die
DDR folglich nicht 'verleumden' konnte, hat das Gericht nicht gehindert, gegen den
Dipl.-Theologen wegen 'mehrfacher vollendeter und versuchter staatsfeindlicher Hetze' eine
Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten zu verhängen. "
Noch eine Reminiszenz. Der
Normalbürger der DDR hatte keine Chance das Buch "1984" selbst einmal
einzusehen. Auch viele Funktionäre und Wissenschaftler der gehobenen Nomenklatura nicht.
Dennoch war all diesen, dieses Buch durchaus ein Begriff. Dergestalt, dass über westliche
Radio und Fernsehstationen, gerade um 1984 viel über dieses Buch in unzähligen
Variationen gesprochen wurde.
So ist es bezeichnend, dass auch in
der DDR einmal, an äußerst versteckter Stelle, über dieses Buch etwas ausführlicher
berichtet wurde. Und zwar in Heft 2/1985 der "Wissenschaftlichen Zeitschrift der
Pädagogischen Hochschule 'Karl Liebknecht'" zu Potsdam. Dazu muss man wissen, dass
solche Wissenschaftlichen Zeitschriften, selbstredend nicht im Publikumsangebot waren und
sind. Bezieher sind in der Regel auch keine Privatleute, sondern bloß andere
wissenschaftliche Bibliotheken, die ihre jeweiligen Wissenschaftlichen Zeitschriften,
untereinander auszutauschen pflegen.
Schon dadurch ist der Kreis, der sie
eventuell las, eingeschränkt. Er wird aber noch mehr durch die Tatsache eingeschränkt,
dass viele Wissenschaftler erst nach etlichen Jahren, Kenntnis über für sie interessante
Beiträge erlangen, dergestalt, dass diese Beiträge erst nach Jahren aus entsprechenden
Bibliographien eruierbar sind.
Immerhin, ich hatte rechtzeitig
"Wind" von dem diesbezüglichen Beitrag bekommen und möchte auch ihn noch
zitieren. Unter der Überschrift "Wirkungsstrategien eines Mythos: Orwells 1984"
konnte man dort lesen:
"Orwells Buch (sei) inzwischen
ein Symbol gewordenes Schlagwort innerhalb der antikommunistischen Propaganda.
Obwohl der Autor es einst als Ausdruck liberaler Geisteshaltung verstanden wissen wollte.
Absolute Überwachung ist
tatsächlich das Hauptkennzeichen für das Leben in Ozeanien. Überwacht mit Hilfe der
Gedankenpolizei. Ein wichtiges Mittel ist die eigens geschaffene 'Neusprache'. Wichtige
Methode der Manipulation in Ozeanien ist das 'doppelte Denken', welches bereits in der
Bezeichnung der verschiedenen Ministerien zum Ausdruck kommt:
So ist das Ministerium für
Frieden mit Kriegsführung beschäftigt, das Ministerium für Liebe ist der Sitz der
Gedankenpolizei mit ihren Folterkellern, das Ministerium für Überfluss ist
verantwortlich für Unzulänglichkeiten und das Ministerium für Wahrheit ist mit
lügnerischer Propaganda beschäftigt.
Vor diesem Hintergrund, der
den wesentlichen Teil des Buches ausmacht, lässt Orwell den Leser das Schicksal der
Hauptfigur Winston Smith miterleben. Dieser ist Mitglied der 'äußeren Partei' und
arbeitet im Wahrheitsministerium, wo er damit beschäftigt ist, die Geschichte
umzuschreiben.
Aus innerer Unzufriedenheit beginnt
er gegen die Disziplin zu verstoßen, schreibt oppositionelle Gedanken in ein Tagebuch,
treibt ziellos in den Vierteln der Proles herum und beginnt schließlich ein Verhältnis
mit dem Mädchen Julia. Beide erklären sich bereit, gegen die Partei und den 'großen
Bruder' zu arbeiten und gelangen daraufhin sehr schnell in die Folterkammer der
Gedankenpolizei. Dort erfolgt die geistige Umkremplung von Winston Smith zu dem Bekenntnis
2 + 2 sei 5, er liebe den 'großen Bruder' und würde alles für ihn tun."
Das da gewisse Parallelen auch zur WTG
vorliegen ist durchaus evident. Man kann es auch anders formulieren. Im seinerzeitigen Amt
für Kirchenfragen der DDR, wurde die Wiederzulassungsurkunde der Zeugen Jehovas in der
DDR von einer Kommission der Zeugen Jehovas entgegengenommen. Sie war zusammengesetzt aus
Zeugen aus dem Brooklyner Hauptbüro, aus Selters und der DDR.
Der führende DDR Zeuge Jehovas war
deren Koordinator Helmut Martin. Der Enkelsohn des Helmut Martin, Marko Martin, sollte ein
paar Jahre später noch dergestalt von sich reden machen, indem er in der Öffentlichkeit
den prägnanten Satz prägte: "Es
viel mir nicht schwer, die religiöse und politische DDR zu verlassen"! Womit er mit erstere die Zeugen Jehovas und
zweitere die tatsächliche DDR meinte.
Unübersehbarer Hass artikulierte sich
immer dann, wenn man es wagte dieses ungelebte Leben zu hinterfragen, in der Erziehung
durch Jehovas Zeugen, in der totalitären Umwelt der DDR. Marko Martin musste wissen,
wovon er sprach. War es doch auch ihm verunmöglicht, eine reguläre Berufsausbildung in
der DDR zum Abschluss zu bringen.
So gehörte er zu den Jugendlichen,
die noch vor dem regulären Mauerfall der DDR ade sagte. Beiden Arten von DDR, wie er
immer wieder betont. Der religiösen, wie der politischen!
http://de.scribd.com/doc/67173921/Stefan-Heym-Der-Konig-David-Bericht
Marko
Martin