Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Die „Gebetskunst" des Hans Müller

Von der Zeitzeugin Gertrud Pötzinger stammt der markante Satz:

„Ein gewisser Bruder Müller reiste mit mir. Er vermittelte mir den Eindruck, ein treuer und aufrichtiger Diener Jehovas zu sein, besonders die Art, wie er betete, führte mich zu dieser Schlussfolgerung."

In dem bei Hesse/Harder „Und wenn ich lebenslang ..." abgedruckten Erinnerungsbericht der Gertrud Pötzinger, gibt es auch eine Passage, die diesem Müller stark belastet. Man liest da:

"Es herrschte eine etwas bedrückte Stimmung; Bruder Ditschi und Schwester Löhr waren verhaftet worden. Bruder Wandres war sich bewußt, daß nun er die gesamte Verantwortung zu tragen hätte. Mit der Zuversicht, daß Jehova unser Werk segnen würde, übernahm er diese Aufgabe mit einer kleinen Einführungsrede.
Nun bat ich ihn, mit mir auf meine Tour zu gehen und die Brüder in meinem Gebiet zu ermuntern. Er war einverstanden. Wir wollten uns am Hauptbahnhof in Dresden treffen, von wo aus wir beide zusammen reisen wollten. Der gewisse Bruder Müller sollte uns ebenfalls begleiten. Nun war ich am 3. September 1937, wie vereinbart, in Dresden am Hauptbahnhof, aber Bruder Wandres war nirgends zu sehen. Ich durchsuchte den gesamten Bahnhof nach ihm, leider erfolglos.
Ich war sehr beunruhigt; es war nicht seine Art, bei Verabredungen unpünktlich zu sein. Was konnte passiert sein? Müller überredete mich, in den Wartesaal der l. Klasse zu gehen. Dort saßen bereits einige Herren und ich setzte mich so, daß ich die Tür im Blickfeld hatte. Ich fühlte mich nicht sehr wohl und sagte zu Müller:
"Ich möchte hier weg. Das sind Leute von der Gestapo." Er meinte nur abwertend, ich sollte mir nichts einbilden, es wären doch nur Sportsleute. "Nein! So sehen die nicht aus", erwiderte ich. Erneut verwarf er meinen Einwand: "Vielleicht sind es irgendwelche Vertreter." Auch diese Antwort konnte mich nicht umstimmen. Ich wollte weg!
Nun fiel ihm ein: "Du hast den ganzen Tag noch nichts gegessen. Weißt du was, jetzt ißt du erst einmal etwas. Ich bestelle dir Spinat mit Spiegelei. Das magst Du sicher." Es erschien mir in diesem Moment sehr einleuchtend. Also blieb ich.
Nachdem der Kellner mein Essen gebracht hatte kam Müller in den Sinn, zu seiner Großmutter zu gehen, die gleich hinter dem Bahnhof wohnte, um frische Unterwäsche zu holen! Kaum war er weg, kam ein Herr direkt von der Tür her auf meinen Tisch zu.
Ohne mich nach meinem Namen zu fragen, sagte er: "Sie sind verhaftet! Machen Sie kein Aufsehen!" Der Kellner kam eilends gelaufen um abzukassieren. Er hatte wohl erkannt, daß es ein Kriminalbeamter war. Ich wurde abgeführt."

Offenbar waren noch ein paar andere von der "Gebetskunst" des Hans Müller beeindruckt. Unter ihnen auch der führende WTG-Funktionär in der Schweiz, Martin Harbeck. Letzterer erhielt offenbar Besuch des genannten Müllers, der, oh welches Wunder, sogar im Jahre 1937 noch von Dresden kommend, nach Bern (Schweiz) reisen konnte (durfte). Normalerweise wäre schon ein solcher äußerer Umstand, mehr als genug Anlass, die Alarmglocken anschlagen zu lassen. Offenbar aber nicht geschehen im vorliegenden Falle; was wiederum dafür spricht, dass nicht nur Frau Pötzinger, sondern unter anderem auch Herr Harbeck, sehr beeindruckt gewesen sein muss vom auftreten dieses Herrn Müller.

Der Harbeck bezügliche Text vermerkt weiter:

„Martin Harbeck ließ im September 1937 einen authentischen Verfolgungsbericht von Hans Müller aus Pirna in Sachsen über seine Familie, den dieser in Bern abgegeben hatte, beglaubigen und bat ihn, das Untergrundwerk von Sachsen bis Berlin zu übernehmen."

Liest man das, drängt sich der Eindruck auf, dieser Müller konnte es offenbar mit seinem späteren Stasi-Pedant Wolfgang Kirchhof aufnehmen, der es ja auch bis in höchste WTG-Positionen brachte.

Offenbar gedachte man bei der Gelegenheit gleich „Nägel mit Köpfen" zu machen. Dem WTG Funktionär Julius Riffel wird dabei die Aussage zugeschrieben:

„In den Jahren 1937/38 kam, wie Julius Riffel berichtet, "ein Bruder Hans Müller aus Dresden ins Bethel in Bern und versuchte auf diesem Wege, mit Brüdern aus Deutschland in Verbindung zu kommen, angeblich mit dem Ziel, ,nach der Verhaftung so vieler Brüder die Untergrundorganisation in Deutschland wiederaufzubauen'. Natürlich erklärte ich mich - und auch noch einige andere Brüder - bereit mitzuarbeiten."

Der Riffel bezügliche Part sah dann wohl so aus:

„Wir haben darum in unserer Ahnungslosigkeit in Bern unsere Pläne gemacht und gingen dann an die Arbeit. Ich sollte Baden-Württemberg übernehmen. Im Februar 1938 ging ich allein über die Grenze nach Deutschland und versuchte, neue Fäden zu knüpfen und Verbindungen zu jenen Brüdern herzustellen, die noch in Freiheit waren. Aber schon nach vierzehn Tagen wurde ich verhaftet. . . . Die Gestapo war über unsere Tätigkeit bis ins kleinste informiert."

Und rückblickend meint man zu wissen, wer die Verantwortung dafür trägt. Eben jener Hans Müller aus Dresden. Ihm werden noch einige weitere Verratsaktionen zur Last gelegt.

Als eine diesbezügliche Episode sei auch der im „Wachtturm" vom 1. 5. 1989 veröffentlichte Erlebnisbericht von Maria Hombach noch zitiert, die berichtet:

„Eines Tages bekam ich eine Karte, auf der ich gebeten wurde, mich an einem bestimmten Abend vor einer bekannten Kirche einzufinden. Dort würde ich weiteres erfahren. Ich ging also zu dem Treffpunkt. Es war stockdunkel. Ein Mann stellte sich als Julius Riffel vor. Der Name dieses treuen Bruders war mir aus der Untergrundtätigkeit ein Begriff. Hastig erklärte er, ich solle an dem und dem Tag nach Bad Ems fahren, wo ich jemand treffen würde. Und schon war er verschwunden!

Doch auf dem Bahnsteig in Bad Ems wartete nur die Gestapo auf mich.

Was war schiefgelaufen? Der Mann vor der Kirche - in Wirklichkeit ein gewisser Bruder Hans Müller aus Dresden, der alles über die Untergrundtätigkeit in Deutschland wußte und plötzlich mit der Gestapo zusammenarbeitete - hatte mir eine Falle gestellt."

Eine Zusammenfassung bezüglich des Hans Müller kann man auch aus den Ausführungen von Regin Weinreich entnehmen, der in dem von ihm herausgebenen Tagungsband (S. 125f.) dazu noch schreibt:

„Hans Müller entstammte einer alten Dresdner Bibelforscherfamilie. Er war zusammen mit einigen anderen Zeugen auch Verwandten, Mitte der dreißiger Jahre inhaftiert worden und bot sich nach seiner Freilassung der SS als Zuträger an. Die Gründe für diesen Gesinnungswechsel sind heute nicht mehr bekannt. Müller half mit, von der Schweiz aus ein illegales Netz von verantwortlichen Zeugen Jehovas in Süddeutschland aufzubauen das er später der Gestapo bis in alle Einzelheiten verriet. Darauf verriet er das Stuttgarter Netz um Cyranek, Voll, Bojanowski und Noernheim, schließlich soll auch die Verhaftung der Gruppe um Julius Engelhard und Auguste Hetkamp im Ruhrgebiet auf seinen Verrat zurückzuführen gewesen sein. Er traf sich mit Frau Grunow an einer verabredeten Stelle in Dresden und steckte ihr ein Päckchen mit konspirativem Material zu. Kurze Zeit später wurden bei ihr zwei Haussuchungen durchgeführt; nach der zweiten wurde das Material gefunden, und sie wurde verhaftet.

In Holland und der Tschechoslowakei war Müller der Gestapo behilflich, die Netze der Zeugen Jehovas auszuheben. Gegen Ende des Krieges wurde er von der SS an die Wehrmacht abgeschoben und fiel an der Ostfront".

Gerald Hacke kommt in seiner im Jahre 2011 publizierten Dissertation ("Feindbild und Verfolgungspraxis"), auch auf den Fall des Hans Müller zu sprechen (S. 161f.)

Sieht man sich die Wertungen zum Fall des Hans Müller bei Hacke näher an, wird man unwillkürlich an die 1965er Stasi-Aktion in der DDR erinnert. Auch da kam ja das "Trenne und herrsche" Prinzip zur Anwendung. Einige wurden verhaftet, andere kamen lediglich mit Hausdurchsuchungen und oder Vernehmungen davon.

Und in der anschließenden Neuorganisation seitens der Zeugen, gab es durchaus ein "Stühlerücken". Einige stiegen auf; andere stiegen ab. Und die da eben nicht Verhafteten fragten sich dann nicht selten: Dem hat jenes Schicksal ereilt; den anderen aber nicht. Warum und wieso? Und beim Durchsetzen des daraufhin angesagten Stühlerückens, konnte es passieren, ist passiert, das auch Personalentscheidungen im Sinne der Stasi gefällt wurden, ohne das die dabei vordergründig in Erscheinung trat.

Ähnliches praktizierte schon die Gestapo beim Fall des Hans Müller!

Über letzteren liest man bei Hacke:

"Müller wurde 1935 verhaftet und vom Sondergericht Freiberg zu sechs Monaten Haft verurteilt, weil er aus dem Sudetengebiet Bibelforscherliteratur geholt und verteilt hatte. Seit dieser Zeit scheint er Informant der Gestapo gewesen zu sein. ... halfen ihm, in Dresden bis zum Gruppendiener aufzusteigen. Sein guter Leumund, auch durch seine Familie bestätigt, schützte ihn auch später vor aller Skepsis und allem Misstrauen an seiner Loyalität gegenüber den Glaubensgenossen.

Von Müller kam der Hinweis auf einen Treffpunkt, bei dem der BDL für Sachsen, August Fehst, verhaftet werden konnte. Kolrep fasste nun den Plan, Müller auf den Posten eines BDL zu schieben. Damit hoffte man, Kontakt mit der Reichsleitung herstellen und so die Organisation komplett zerschlagen zu können. Um diesem Ziel näher zu kommen, sollten alle anderen möglichen Kandidaten ausgeschaltet und Müller zum Beweis seiner Standhaftigkeit wegen Verweigerung des Hitler-Grußes aus seiner Arbeit entlassen werden. Letzteren Vorschlag umzusetzen, war aber gar nicht nötig, da es gelang, den Landesdiener Wandres bei einem Treff in Dresden festzunehmen. Außerdem erwies es sich als günstiger, mit Verweis auf die Arbeit bei der Dresdner Straßenbahn Müller als Organisator im Hintergrund zu platzieren, der nicht wie die meisten anderen Funktionäre in der Illegalität lebte. ...

Nach Angliederung des Sudetenlandes erhielt Müller eine neue Aufgabe. Unter arbeitsteiliger Aufsicht von Gestapo und SD versorgte er die dortigen Gläubigen mit Literatur. Als seinen Vertreter konnte er sogar den zuständigen Dresdner SD-Sekten-Referenten Obersturmführer Knorr als "Glaubensbrudefer Rudi" einführen ..."

Zeitgenössisch scheint es Müller - als charismatische Persönlichkeit - immer gelungen zu sein, alle Verdachtsmomente gegen ihn, die sich durchaus verschiedentlich ergaben, zu zerstreuen.

Unter Hinweis auf den (damaligen) Leiter des WTG-Geschichtsarchives, dem Herrn Wrobel, wird bei Hacke auch die Meinung kolportiert. Die Familie des Müller, wolle noch heute, dessen tatsächlichen Part in der Nazizeit, nicht wahrhaben.

Man vergleiche auch die Detailaussage in der im Jahre 2008 erschienenen Studie von Carsten Schreiber über den "Gebetskünstler" Hans Müller (S. 191, 192)

Um noch einen Moment bei der Studie von Carsten Schreiber zu verbleiben. Letztere basiert auf seiner Dissertation. Seine hauptsächliche Quellenbasis bildet ein umfänglicher Fund aus der Region um Dresden, der dortigen regionalen Dependance des S(icherheits)D(dienst) des Reichsführers SS. Schreiber schätzt es so ein. Über keine andere Region in Deutschland existiert (nach 1945) ein so umfängliches und detailliertes Aktenmaterial, wie eben das in Dresden. Wieder ist das nicht unbekannte Faktum zu beobachten. Nach 1945 ist dieser Aktenbestand in russischen Besitz gelangt, später von letzterem der DDR-Staatssicherheit übereignet, welche diesen Bestand in ihrem nicht öffentlichen Archiv verwahrte. Zwar wertete die Stasi diese Akten auch aus, gleichwohl eher unsystematisch. Nach 1990 gelangten diese Bestände letztendlich ins Bundesarchiv. Schreiber bemerkt, dieweil keine genaue Erfassung, in Form Archiv-üblicher Findbücher existierte, habe man selbst im Bundessarchiv, die Brisanz jenes Aktenbestandes damals nicht erfasst. Zudem umfasste die von der Stasi übernommenen Bestände, etliche Regalkilometer an Umfang. Schreiber wurde es nun deutlich, was da die Stasi gehortet, besitzt keineswegs nur eine DDR-Komponente, wie man im Bundesarchiv wähnte, sondern auch und besonders eine Komponente die NS-Zeit betreffend. Aus der Seite 231f. seiner Studie sei noch nachfolgendes zitiert.

Als ersten Kirchenreferent des Dresdner SD Abschnitts benennt er einen Herbert Knorr. Letzteren bescheinigt er:

"durch Jahre des dienstlichen Studiums der 'Wachtturms' ein profunder Kenner des apokalyptischen Weltbildes der 'Zeugen Jehovas' geworden zu sein. Dem Knorr seit 1929 NSDAP-Mitglied, bescheinigt Schreiber weiter "ein Meister der Verstellung" zu sein.

"Als 'Bruder in Christo Rudi' gelang es dem SS-Obersturmführer sich bei den Bibelforschern einzuschleichen und  von Dresden aus gemeinsam mit seinem Agenten (Hans Müller) im Frühjahr 1940 einen vollständigen Vernichtungsschlag gegen die Organisation der 'Zeugen Jehovas' im ganzen Reich zu führen. Seine Dresdner Privatwohnung war schon in den Jahren zuvor eine Anlaufstelle deutscher Bibelforscher-Funktionäre gewesen.

Auch seine Ehefrau muss das falsche Spiel überzeugend mitgespielt haben, denn keiner der Gläubigen schöpfte Verdacht."

Weiter geht es im Bericht von Schreiber mit der Aussage:

"Den Eheleuten Knorr gelang es dennoch, am 5. Februar 1940 den für Norddeutschland und Schlesien zuständigen 'Zonendiener' Bojanowski, der 20 Kilogramm 'Wachttürme' dabeihatte, sowie die Bezirksleiterin für Mecklenburg-Pommern so lange in ihrer Wohnung in Sicherheit zu wiegen, bis die Dresdner Gestapo anrückte. Unmittelbar nach den ersten Verhaftungen in Dresden suchte Knorr den 'Zonendiener' für Mitteldeutschland in Magdeburg auf, dem er glaubhaft vermittelte, er komme aus der holländiischen ... Zentrale der amerikanischen Glaubensgemeinschaft und solle die Organisation nach den Verhaftungen neu strukturieren.  So fuhr er innerhalb einiger Tage  alle 'Zonendiener' im Reich ab, fragte sie nach ihren Kontaktleuten aus und ließ sie anschließend von der Gestapo inhaftieren."

http://books.google.de/books?id=Bn9_a2cnkfYC&pg=PA231&lpg=PA231&dq=Herbert+Knorr+Dresden&source=bl&ots=ql-a7AEAZW&sig=dBYu167dom0K56HyK5UjP1cGBxI&hl=de&sa=X&ei=tDI7T4P6MsqytAbq8Z3pBg&ved=0CD8Q6AEwBA#v=

onepage&q=Herbert%20Knorr%20Dresden&f=false

Nun ist zu konstatieren, dass Schreiber in seiner Studie keinesfalls "nur" die Zeugen Jehovas im Blick hat. Die sind für ihn nur eine unter mehreren Nazikritischen Gruppen, welche sich der Aufmerksamkeit des SD "erfreuten".

Immerhin nannte er ein konkretes Verhaftungsdatum des Bojanowski in Dresden. Damit ist meines Erachtens dessen Rolle, keinesfalls schon vollständig ausgeleuchtet. Die Indizien die besagen, auch Bojanowski gehörte letztendlich zu den von den faschistischen Repressionsapparat "Umgedrehten", sind damit keineswegs widerlegt. Auch bei anderen "Umgedrehten" sei es von der DDR-Stasi oder eben ihren Vorgängern aus der Zeit 33-45, lässt sich belegen, vielfach stand eine Verhaftung und anschließende intensive Vernehmung des Opfers, am Anfang dieser ihrer persönlichen Tragikphase.

Verrat spielte bei der Zerschlagung der Österreichischen Zeugen Jehovas durch die Gestapo, wohl ebenfalls eine nicht unwesentliche Rolle.

Nachdem die Gestapo ihr Ziel erreicht, und einer der Hauptakteure, Ludwig Cyranek, zum Tode verurteilt wurde, gab es über genau dieses Gerichtsverfahren auch noch eine Pressemeldung in der Nazipresse (Auszugsweise auch zitiert bei Weinreich S.205)

Gemäß Weinreich erschien dieser Artikel im „Völkischen Beobachter" vom 21. 3. 1941 (S. 4):

Überschrieben war er: Leben und Gut des deutschen Volkes gefährdet. Todesstrafe für einen Bibelforscher." Im Detail war darin zu lesen:

„Dresden, 20. März.

Das Sondergericht Dresden verurteilte den am 1. September 1907 in Herten geborenen Ludwig Cyranek, zuletzt wohnhaft gewesen in Adscheid bei Blankenburg, wegen Zersetzung der Wehrkraft in Tateinheit mit Teilnahme an einer wehrfeindlichen Verbindung und Zuwiderhandlung gegen das Verbot der Internationalen Vereinigung ernster Bibelforscher zum Tode und zum dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte.

Weiter wurden wegen der gleichen Verbrechen verurteilt Ernst Bojanowski aus Berlin zu zwölf Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust. Franz Massors aus Magdeburg zu sechs Jahren Zuchthaus und sechs Jahren Ehrenverlist, Wilhelm Karl Konstanty aus Bossendorf bei Haltern zu sieben Jahren Zuchthaus und sieben Jahren Ehrenverlust, Anna Maria Boll aus Wien zu vier Jahren Zuchthaus und vier Jahren Ehrenverlust und Margarete Franke aus Mainz zu drei Jahren Zuchthaus und drei Jahren Ehrenverlust.

Das Urteil sühnt die Verbrechen der Angeklagten, die als frühere Angehörige der in Deutschland seit langem verbotenen Internationalen Vereinigung ernster Bibelforscher erst neuerdings versucht hatten, eine gewisse Neuorganisation der verbotenen Vereinigung aufzurichten. In verschiedenen deutschen Städten hatten sie ihre Tätigkeit aufgenommen und insbesondere Druckschriften hergestellt und verteilt.

Die verbotene Vereinigung verneint nicht nur den Wehrdienst, sondern hat es sich auch zur Aufgabe gemacht, die Maßnahmen von Organisationen der Volksgemeinschaft, darunter auch des Reichsluftschutzbundes, zu sabotieren. Sie bringt damit Gut und Leben deutscher Volksgenossen in größte Gefahr. Daß darum der Haupträdelsführer Cyranek mit dem Tod bestraft wurde, entspricht voll und ganz dem Empfinden des Volkes, das vor solchen frevelhaften Treiben geschützt werden muß."

Zur Österreich bezüglichen Vorgeschichte gehörte auch, dass bereits am 25. 5. 1939 der erste dortige Untergrundleiter der Zeugen Jehovas, August Kraft, von der Gestapo verhaftet wurde. Die Organisation war mit dieser Verhaftung noch nicht zerschlagen. Es etablierten sich relativ schnell neue Strukturen, die sich um den Wiener Einzelhändler Peter Gölles kristallisierten. Gölles hatte allerdings ein Handicap dergestalt, dass er, der den ganzen Tag über in seinem Laden stand, nur schwerlich eine Reisetätigkeit ausüben könnte. In diese Bresche sprang nun der bereits genannte Ernst Bojanowski, nach Garbe ein aus Berlin stammender Kaufmann, der bereits 1938 aus Deutschland nach Österreich geflohen war und offenbar in die dortigen Zeugen Jehovas-Strukturen voll integriert wurde.

In dem Weinreich'schen Tagungsband wird dazu die Formulierung verwendet:

„In jenen Tagen erschien ein gewisser Ernst Bojanowski. Er kam aus Deutschland, war aber bereits zuvor mit Brüdern aus Österreich in Kontakt gewesen. Bruder Bojanowski bot Bruder Gölles seine Dienste an und arbeitete zusammen mit Schwester Schreiber an der Vervielfältigung von Studienmaterial. Er vermittelte den Eindruck, ein mutiger Mann mit viel Initiative zu sein. Und er machte auch Fahrten, um Literatur zu überbringen. Bei drei Gelegenheiten taufte er sogar neue Brüder und Schwestern."

Offenbar recherchierte die Gestapo konzentriert weiter. Symptom dafür ist auch die Aussage:

„In den Monaten September und Oktober 1939 setzte plötzlich eine Verhaftungswelle ein. Dank gründlicher Vorbereitungsarbeit konnte die Gestapo eine Reihe von Zeugen Jehovas überführen, illegal gearbeitet zu haben. Es scheint, dass ein Zeuge namens Johann Kuderna den brutalen Verhörtechniken nicht mehr gewachsen war und verschiedene Namen preisgeben hatte. Im Tagesrapport der Gestapo Wien mit Datum vom 2. November 1939 heißt es:

'Der im Tagesbericht vom 31. 10. 1939 genannte Kuderna hat zugegeben, daß die Illegale Tätigkeit der .I.B.V. in Wien bis in die jüngste Zeit betrieben wurde. Er gab ferner die Namen der Leiter der I.B.V. in fast sämtlichen Wiener Gemeindebezirken bekannt.'"

Die Gestapo war noch nicht am Endziel, aber sie hatte wichtiges Wissen um die Strukturen der Zeugen Jehovas nun in ihren Händen. Und so konnte sie ihren nächsten Schlag vorbereiten. Dazu wird ausgeführt:

Ein Erlass vom 8. Juni 1940 besagte folgendes:

Auf Grund eines Erlasses des RSHA [Reichssicherheitshauptamt] Berlin sind am 12. Juni 1940 alle Angehörigen der I.B.V. sowie alle in dieser Bewegung tätigen als auch als Bibelforscher bekannten Personen in Schutzhaft zu nehmen. [..] Die für die Schutzhaft in Frage kommenden Personen können auch Frauen sein. […] Diese staatspolizeiliche Aktion gilt generell das ganze Reichsgebiet und ist am 12. Juni 1940 schlagartig durchzuführen. Bei den Verhaftungen sind auch Haussuchungen vorzunehmen und ev. vorgefundenes, die Bibelforscherbewegung betreffendes Material zu beschlagnahmen."

44 Personen erwischte es bei dieser Aktion. Unter ihnen auch eine Hansi Hron, die für Gölles als Kurierin tätig war.

Allerdings (bei dieser Aktion) nich mit verhaftet, der Ernst Bojanowski. Den hatte der Nazirepressionsapparat wie bereits vernommen, schon seit Februar 1940 in seiner Mangel. Bojanowski war bereits im Dezember 1939 nach Deutschland zurückgekehrt war. Auch er Cyranek und Anna Voll, wurden  verhaftet. Nur eben nicht bei der genannten Österreich-Aktion. Nunmehr hatte die Gestapo alle wesentlichen Akteure in ihren Klauen. Und dabei fällt in nachträglicher Einschätzung der Geschehnisse aus WTG-Sicht auch der Satz:

Für die spätere Tätigkeit der Zeugen in Osterreich waren die Aussagen von Ernst Bojanowski vor der Dresdner Gestapo sehr nachteilig und belastend. Es lässt sich heute mehr rekonstruieren, wie Bojanowski zu seinen Aussagen gebracht wurde, jedenfalls liest sich sein Vernehmungsprotokoll gemäß Expertenaussagen wie die Geschichte der Zeugen Jehovas in Österreich von 1938 bis 1940. Etliche meinten damals, sie seien verraten worden doch lässt sich eine Zusammenarbeit zwischen Bojanowski und der Gestapo nicht belegen."

Tja mag man da nur sagen, diesen Gedankengang einen Moment unterbrechend. Was war denn mit dem Hans Müller. Einschätzungen zufolge wurde der zeitgenössisch als „charismatisch" eingestuft. Dem Kaufmann Bojanowski sagt man ähnliche Eigenschaften nach. Im Raum steht auch die Aussage:

Und Ernst Bojanowski? War er brutal geschlagen worden? Hatte ihn übermäßige Besorgtheit um seine eigene Sicherheit veranlaßt, Informationen über seine Brüder preiszugeben? War das Protokoll teilweise gefälscht worden? Wir wissen es nicht, doch unter Brüdern in Deutschland war es im Gespräch, daß er nur eine kurze Zeit im Gefängnis verbracht hätte."

Da endet aber die Aussage. Es bleiben weitere Fragen offen. Im Falle Hans Müller will man über dessen Ende informiert sein. Offenbar aber nicht über das Ende des Bojanowski. Selbst über den Peter Gölles kann man noch nachträglich interessantes lesen. Nichts aber über Bojanowski. Überlebte er das Naziregime nicht? Schloß er sich, sofern er überlebt, nach 1945 nicht mehr den Zeugen Jehovas an? Alles unbeantwortete Fragen.

Und dann steht da noch die Aussage der Kurierin Hansi Hron im Raum. Diesbezüglich liest man im Jahrbuch der Zeugen Jehovas:

Später, als Schwester Hron verhört wurde, unterbrach der Beamte die Befragung und verließ den Raum. Schwester Hron ergriff die Gelegenheit, sich ein Dokument, das auf dem Tisch lag, näher anzusehen. Was sie dabei lesen konnte, schockierte sie. Es war das Vernehmungsprotokoll von Ernst Bojanowski. Es enthielt so viele Namen von Brüdern und andere Einzelheiten, daß sie den Verdacht nicht los wurde, daß Bojanowski mit den Behörden zusammengearbeitet hatte. Hatte der Beamte absichtlich diese Unterlagen für sie erreichbar hingelegt, um ihren Widerstand zu brechen und sie zu veranlassen, mehr Informationen preiszugeben? Das Vernehmungsprotokoll von Ernst Bojanowski ist durch die Kriegsjahre hindurch erhalten geblieben. Es liest sich wie eine Geschichte über das Werk der Zeugen Jehovas in Österreich von den Jahren 1938 bis zum Januar 1940. Kein Wunder, daß man unter den Brüdern sagte: „Wir wurden verraten!" Bojanowski war im Dezember 1939 nach Deutschland gegangen, um sich dort an bestimmten Untergrundaktivitäten zu beteiligen. Anna Voll und er wurden dann in Dresden verhaftet."

Im Gegensatz zu dem Bojanowski weiß man von Gölles definitiv. Er hat die Nazizeit überlebt. Bei Weinreich etwa wird er als „außerordentlich bescheidener und unauffälliger Mann" beschrieben. Diesem Umstand wird auch sein Überleben zugeordnet. Man meint zu wissen:

„Offenbar stellte man sich unter einem Widerständler von seinem Format eine starke, dynamische Führerpersönlichkeit vor. Doch Gölles wollte nie im Vordergrund stehen."

Über seinen Part nach 1945 liest man:

„Als das NS-Regime 1945 zu Ende kam, nahm er an verantwortlicher Stelle am Wiederaufbau der Zeugen Jehovas in Österreich teil, aber als jüngere Kräfte in der Lage waren, den österreichischen Zweig der Wachtturm-Gesellschaft zu leiten, trat er bereitwillig und ohne Aufforderung ins zweite Glied zurück. Jahre hindurch half er im Wiener Büro der Wachtturm-Gesellschaft, Literaturpakete für den Versand fertig zu machen. … Peter Gölles verstarb am 2. September 1975."

Eine vergleichbare Information zu Bojanowski ist indes nicht bekannt. Über letzterem ist bekannt, laut seinen (teilweise) in der einschlägigen Literatur veröffentlichten Gestapo-Vernehmungsprotokolle, dass er darin unter anderem einräumte, eine Geheimschrift entwickelt und verwandt zu haben. "Ich (Bojanowski) habe für das deutsche Alphabet russisch-griechische Buchstaben gewählt und zur Erschwerung des Schlüssells sogenannte Füllbuchstaben zwischengeschaltet, die beim Lesen der Schrift einfach weggelassen werden. ... Über Besonderheiten haben wir Geheimschrift benutzt."

Angesichts solcher Details ist man angesichts der Rabiatität des Naziregimes, über die im Falle Bajonowski verhängte zwölfjährige Zuchthausstrafe nicht mehr verwundert. Man muss aber im Kontext auch den zeitgleichen Fall Cyranek sehen. Der kam nicht mit einer Zuchthausstrafe davon. Da verlangte (und realisierte) das Naziregime: Kopf ab!

Es stellt sich weiter die Frage. Dem Naziregime waren keine zwölf Vollstreckungsjahre im Fall Bajonowski mehr vergönnt. Um so dringlicher wäre eigentlich eine Beschreibung dessen. Wie ging es in diesem Fall nach der Urteilsverkündigung weiter? Wie (sofern er überlebt hat) verlief sein Weg nach 1945. Das WTG-Schweigen dabei erinnert verdächtig an das Schweigen selbiger im Falle Fritz Winkler, Frieda Christiansen und noch einiger anderer. Dieses Schweigen ist durchaus nachvollziehbar. Ist doch sein Brechen alles andere als "Imagefördernd" im Sinne der angeblichen "Standhaft"-Doktrin. Nicht die WTG in Gesamtheit, wohl aber einige ihrer Funktionäre (etwa der Herr M. J.), relativieren wohl nicht umsonst den Begriff "Standhaft" mit dem Zusatz "in Gesamtheit". Damit hat man sich ein bequemes Hintertürchen geschaffen, um solche Falle die nicht ins gewünschte Image hineinpassen, als "Einzelfälle" zu deklarieren. Wer sich wirklich intensiv mit der ZJ-Geschichte befasst, dem laufen da aber ziemlich viel solcher "Einzelfälle" über den Weg!

Zynischerweise (und diese Vokabel muss unbedingt davor genannt werden), ist man fast versucht eine Karikatur der Nazigazette "Schwarzes Korps" zu bemühen, welche in einem anderen (aber nicht grundlegend anderen) Kontext, den Begriff "Einzelfälle" persiflierte.

Man vergleiche (ergänzend) zum agieren der Gestapo in Sachen Zeugen Jehovas in Österreich, auch die in der Walter Voigt gewidmeten Datei dokumentierten Details.

Bezüglich Bojanowski meint der bereits genannte Gerald Hacke, aufgrund seines Aktenstudiums, unter anderem im Bundesarchiv, werten zu können:

"Bojanowski, der 1939 23-jährig zuerst den österreichischen Zweig der Zeugen Jehovas neu aufbauen sollte und dann für den Großraum Berlin zuständig wurde. Mit seiner Hilfe konnte ein großer Teil der österreichischen illegalen Strukturen aufgerollt werden. Vgl. Schlussbericht der Stapo über die bisherigen Vernehmungen des Kaufmannes Bojanowski, als Anlage des Schreibens des SD-Leitabschnittes Dresden an RSHA 11/1134 vom 1.3.1940 (BArch, Zwischenarchiv Dahlwitz-Hoppegarten, ZR 890, unpaginiert). Mit diesem Dokument dürften Zweifel an der Indienstnahme Bojanowskis durch die Gestapo ausgeräumt sein."

Exkurs:

Im Jahre 1937 konnte die Gestapo ihren "Enthauptungsschlag" gegen die Zeugen Jehovas-Organisation in Hitlerdeutschland realisieren. Zwar gab es danach noch Versuche regionaler Neuorganisierungen, keine dieser erreichte jedoch den Status Deutschlandweit wirken zu können. Am Fallbeispiel des Hermann Emter aus Freiburg/Br., der auf einer WTG-Dienstreise, just im Dresdner Hauptbahnhof schon von der Gestapo erwartet, und dort verhaftet wurde, verdichtet sich erneut der Verdacht, dass auch in diesem Falle der Hans Mueller der Gestapo die relevanten Infos zukommen ließ. Man vergleiche etwa die Seite 245 der Studie von Jens-Uwe Lahrtz: "Nationalsozialistische Sondergerichtsbarkeit in Sachsen. Das Beispiel der Zeugen Jehovas in den Jahren von 1933 bis 1940" Frankfurt/M. 2003.

Bemerkenswert auch die Gestapo-Akte ZB I - 565 (vormals "Freienwalder Str." jetzt Bundesarchiv) in der man unter anderem (Blatt 6 und 7) lesen kann:

Tagesmeldung des Gestapa vom 16. 9. 1937:

„Im Zuge der weiteren Aktion gegen die "Internationale Bibelforschervereinigung" wurden folgende Hauptfunktionäre festgenommen.
Albert Wandres (geb. 10. 04. 02 zu Kehl a. Rh. ) Reichsdiener
Hermann Emter (geb. 7. 4. 04, Bezirksdiener für Schlesien
Gertrud Pötzinger geb. Mende (Kurierin)
Ludwig Stickel (Bezirksdiener für Württemberg)
Georg Ebert (geb. 2. 2. 91) Stellvertreter und Nachfolger von Stickel
Auguste Schneider (geb. 6. 1. 91) Bezirksdiener für Baden
Walter Friese (geb. 28. 5. 98, Bezirksdiener für Thüringen, Prov. Sachsen und Hannover
Arthur Förster (als Nachfolger für Friese vorgesehen)
Erich Venhofen (geb. 4. 7. 02, Bezirksdiener für Westfalen
Franz Stoldt (geb. 17. 4. 1890, Bezirksdiener für Berlin
Hermann Fritz, Hauptfunktionär in Hamburg
Frieda Christiansen (geb. 12. 12. 97) Bezirsksdienerin für Schleswig Holstein
Charlotte Perske (Hauptfunktionärin für Berlin)

Weiter in der Zitierung der Gestapoakte ZB I - 565

„Ausserdem konnten auf Grund der Aussagen der vorgenannten Hauptfunktionäre bisher 27 Gruppendiener festgenommen werden.
Die Ermittlungen ergeben, dass die IBV-Anhänger Anschriften von Bekenntnischristen und von Personen, die an nationalen Festtagen nicht flaggten, sammelten. Die Anschriften wurden vom Bezirksdiener nach dem Bibelhaus in Bern gesandt damit von dort aus die Belieferung der Personen mit IBV-Material erfolgte.

Die vom Geheimen Staatspolizeiamt eingeleitete Aktion gegen Funktionäre der IBV führte vor kurzem zur Ermittlung bestimmter Wohnungen in Berlin, in denen Funktionäre der illegalen IBV, in den Monaten Mai bis Juli ihre Haupttreffs abgehalten hatten. Unter sachdienlicher Zusammenarbeit mit der Stapoleitstelle Berlin wurde im Verfolg dieser Feststellung am 21. 8. 1937 die IBV-Funktionärin Elfriede Löhr ergriffen. Die Löhr die nun mit gefälschten Pässen und sonstigen Ausweisen seit etwa einem Jahr aktiv für die illegale Organisation tätig ist, hat in erster Linie seit März d. Js. Kurierdienste geleistet und die Verbindungen der IBV von Deutschland nach dem Auslande aufrecht erhalten.
Nach eingehenden Untersuchungen wurde schliesslich das Berliner Quartier der Löhr ermittelt. Dieses teilte sie mit dem Reichsdiener des sogenannten Deutschen Werkes der IBV, Heinrich Dietschi.
In dem Quartier wurde umfangreiches Material der IBV-Organisation erfasst.
Durch die ständige Überwachung des Quartiers mit Unterstützung von Beamten der Stapoleitstelle Berlin wurde in der Nacht zum 25. 8. 1937 der Reichsdiener Heinrich Dietschi festgenommen, der unmittelbar aus Paris von dem Weltkongress der IBV kam, der dort unter persönlicher Leitung des Richters Rutherford in der Zeit vom 20. 8. bis 23. 8. 1937 stattgefunden hat. Dietschi hatte das Deutsche Reichsgebiet über die Schweiz verlassen und auch wieder betreten, wobei er sich eines schweizerischen Passes, auf den Namen Stauffer lautend, bedient hatte."

Die zweite Flugblattaktion der Zeugen Jehovas vom Juni 1937, hatte die Gestapo "scharf" gemacht. Einem Dokument zufolge, wurde ein Sonderkommando von mindestens 10 Personen aus dem Repressionsapparat gebildet.

Die Gestapo wusste bereit seit längerem, dass Heinrich Dietschi auch als Organisator der zweiten Flugblattaktion anzusehen ist, und suchte ihn fieberhaft, einige Zeit ohne Erfolg. Den entscheidenden Hinweis bekam sie dann durch das Verhör der Elfriede Löhr. Selbiger widmete der Filmemacher Poppenberg nach 1945 noch ein Video, indem er allerdings nicht mit dem Bruchteil einer Silbe über das "Tolpatschige" Verhalten der Löhr in ihrem Gestapo-Verhör zu sprechen kam.  Man muss sich das offenbar auch so vorstellen. Die Gestapo nahm der Löhr alle ihre Utensilien ab. Unter anderem ihre Schlüssel. Offenbar musste sie detailliert Auskunft darüber ablegen, welcher ihrer Schlüssel wofür bestimmt sei. Dabei spitzte sich die Sachlage ähnlich zu, wie schon im Falle Fritz Winkler. Bei dem wurde auch ein Schlüssel vorgefunden, von dem Winkler am 24. 8. 1936 dann zu Protokoll gab.

"Ich bin im Besitze zweier Schlüssel, die ich durch den Glaubensbruder Dwenger vor etwa 1 Jahr erhalten habe, und die für irgendwelche Türen des Bibelhauses in Magdeburg bestimmt sind. Ich selbst bin noch nicht dort gewesen und weiss nicht, was sich in den verschlossenen Räumen befindet. Mir ist auch nicht gesagt worden, was sich in den Räumen befindet. Die Schlüssel sind mir bei der Festnahme von der Polizei abgenommen worden."

Offenbar war dieser Erfahrungswert es der Gestapo wert, auch von der Löhr eine genaue Beschreibung all ihrer Schlüssel abzuverlangen. In Sonderheit blieb dann wohl ein Sicherheitsschlüssel übrig. Die Gestapo setzte nun all ihren "Nachdruck" ein, um zu erfahren, wofür dieser Schlüssel denn bestimmt sei. Letztendlich musste die Löhr dann mündlich zugeben (schriftliches hatte die Gestapo ja nicht dazu). Dieser Schlüssel gehört zu der geheimen Wohnung, welche der fieberhaft gesuchte Dietschi auch als Absteige benutzt. Man mag Mitleid mit Frau Löhr haben, ihr attestieren auch einen Kunstfehler zu verantworten haben. Das wäre menschlich zwar verständlich, ändert aber eben nicht viel an dem Umstand Kunstfehler bleibt trotzdem Kunstfehler!

Noch einer, welcher einen Kunstfehler zu verantworten hat

Fallbeispiel Georg Bär

Franz Fritsche

Julius Engelhard

Ludwig Cyranek

Hitlerzeit

Ein fulminanter Gestapo-Sieg. Der Fall Peter Laakmann

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