Fallbeispiel: Erich Gottschling

Als 45-jähriger trat er im Jahre 1931 dem katholischen Dominikaner-Orden bei. Sieht man sich seine Biographie im Detail an muss man zu dem Schluss kommen. Er war eigentlich kein "geborener" Kandidat dafür. Eher so eine Art "Spätkonvertierter". So verwundert es wohl auch nicht, dass seines Bleibens auf "Dauer" dort nicht wahr. Er zog die Notbremse und stieg wieder aus. Wie aber auch bei anderen Aussteigerbiographien wird auch im Falle des Erich Gottschling deutlich, dass der Ausstiegsprozess ihn noch Jahre danach zu schaffen machte. Akademisch gebildet war er schon vor seinem Ordenseintritt. Gerade aber eben weil er relativ gebildet war machte ihm die Stupidität des Ordenslebens besonders zu schaffen. In seiner Schrift aus dem Jahre 1937 "Seelen-Mißbrauch in Klöstern" findet er deshalb durchaus deutliche Worte. So, wenn er etwa schreibt:

"Die Dressur beginnt mit der Austilgung von Selbstbewußtsein und 'Eigenwille'. Zunächst sollen 'Stolz' und 'Eitelkeit' ausgetrieben werden. Der demütige Ordensmann wird als der vollkommene Ordensmann hingestellt.

Die erwachsenen Menschen werden wie fünfjährige Kinder gegängelt, gewissermaßen auf Schritt und Tritt.

Minderwertigkeitsgefühle werden gewaltsam andressiert.

Eine gewollte Folge ist das Zerbrechen der Persönlichkeit

Schließlich gibt es noch die, die infolge der Dressur und im Laufe der Jahre in der Ordensluft sich ein doppeltes Gesicht angelegt haben. Das ist die schlimmste Charakterverbiegung. Sie sind vollendete Schauspieler."

Noch eins gilt es zum Fall Gottschling zu berichten. Den weltanschaulichen Distanzierungskräften im NS-Regime kam sein Fall recht. Er passte ins Konzept. Das 1933-er Konkordat dass ihr Häuptling Hitler mit der katholischen Kirche abgeschlossen hatte, war von ihnen ohnehin nie geliebt. Nach Kräften suchten sie es zu desavouieren. Ohne aber soweit zu gehen, Hitler selbst deswegen anzugreifen. Sie wussten; sie mussten 1933 diese "Kröte" schlucken im Interesse der Machtstabilisierung. Aber 1937 war nicht mehr 1933.

Gekonnt wurde jetzt auch Gottschling "vermarktet"; trat als eine Art Wanderprediger unter umgekehrten Vorzeichen auf. Und seine Schriften erlebten hohe Auflagen.

Wie nun schätzt Gottschling selbst die Resonanz darauf ein? Charakteristisch dafür ist meines Erachtens der Satz:

"Alle die Katholiken, die die Klöster verteidigen, obwohl sie sie überhaupt nicht kennen, die sie bloß deshalb verteidigen zu müssen glauben, weil sie 'katholische Einrichtungen' sind, haben hier überhaupt nicht mitzureden. Suggerierte Katholiken sind trotz aller Aufklärungsarbeit nicht von der Wahrheit über das Klosterleben zu überzeugen. Das erfuhr ich bei meiner Vortragstätigkeit."

Suggerierte Katholiken also nennt Gottschling sie. Er lernt noch ein paar andere solcher "Suggerierter" mit einem anderen Firmenschild kennen. Etwa auf Seiten der Evangelischen Kirche, deren "Evangelischen Bund". Das war mal ein Verein, der ursprünglich in Abwehr des Katholizismus gegründet wurde. Indes ein Gottschling war auch diesem Verein nicht geheuer. Symptomatisch ist dafür auch der Ausruf von Gottschling:

"An der seit Jahrhunderten betriebenen Vernebelung freien Denkens hat die evangelische Konfession fast nicht geringeren Anteil als die katholische. Es ist lediglich ein Gradunterschied

So sah denn auch der Evangelische Bund in Berlin in der Aufdeckung der dunklen Machenschaften in dem katholischen Orden durch mich seine 'Interessen' verletzt."

Mit vorstehendem ist meines Erachtens eigentlich schon genug kommentierendes gesagt worden. "Suggerierte" gibt es offenbar auch in der Gegenwart noch zur Genüge, auch außerhalb der "Dominikaner". Und sogenannte "Ordensähnliche Gemeinschaften" kann man auch anderswo vorfinden. Beispielsweise in der Hessischen Ortschaft Selters.

Gottschling ließ seine 1937-er Schrift auch noch mit einigen Bildbeigaben (Zeichnungen) anreichern, um das von ihm gesagte weiter zu untermauern.

Die diesbezüglichen (meines Erachtens für sich sprechenden) Bilder, seien auch hier einmal wiedergegeben.

Exkurs:

Noch ein weiteres Buch desgleichen Autors sei dann noch zitiert. Sein 1937 gleichfalls erschienenes „Religionskriege". In ihm aber segelt er noch deutlicher auf der nazistischen Welle. Vereinfacht gesagt, hat er nun den Katholizismus durch den Nazismus ersetzt.

So liest man etwa auf S. 38 seine These:

Wir Deutschen besitzen heute im Dritten Reiche endlich die volle Freiheit; jeder Deutsche kann sich einer Kirche anschließen, welche seiner Überzeugung gemäß ist oder auch gar keiner. Ich selbst, der Verfasser dieser Schrift, bis seit 1936 konfessionslos. Das Wort Friedrich des Großen: „In meinem Staate kann jeder nach seiner Fasson selig werden", ist heute in die Tat umgesetzt."

Das mit dem „jeder nach seiner Fasson selig", dürften wohl zeitgenössisch, nicht wenige etwas anders gesehen haben.

Noch weitere einschlägige Zitate entnommen dem 1938 erschienenen Buch von Eugen Rugel, „Ein Trappist bricht sein Schweigen".

Diesen Orden, welche er als den strengsten der katholischen Kirche bezeichnet, meint er unter anderem bescheinigen zu sollen:

Diese geistlichen Arbeitgeber treiben mit ihrem Menschen und Arbeitermaterial - hier ist dieser Ausdruck voll am Platze - die schamloseste Ausbeutung, die sich außerhalb der Klostermauern der schäbigste Betriebsführer nicht leisten dürfte, ohne Sofort dem Staatsanwalt in die Hände zu fallen. Warum darf das die Kirche und ihre religiösen Orden? Ist es da zu verwundern, wenn die Klöster reich werden? Wo sie übergroßen Grundbesitz haben, machen sie es auch mit den Menschen draußen nicht anders. Wo man ihnen nicht scharf auf die Finger schaut, verarmen daneben die Völker." (S. 120)

Auch im Falle Rugel ist wiederum zu registrieren. Offenbar zum Nazismus nunmehr konvertiert. Beispielhaft dafür auch seine Aussagen:

Ich kann mir nicht helfen, ich halte den Jesuiten für den „Juden der katholischen Kirche!" (S. 239).

Oder auch Wie viele von uns haben einst die Blätter, die uns über die Staats- und Volksfeindlichkeit der internationalen Juden aufklärten, mit spitzen Fingern weggelegt! Heute sind wir denen dankbar, die uns keine Ruhe ließen, bis wir aus unserem Schlafe aufschreckten und zu besseren Einsichten kamen." (S. 25)

Oder wenn er die SS-Gazette „Das Schwarze Korps" mit den Worten bejubelt:

„Das Schwarze Korps", diese goldene Fundgrube im Kampf gegen Dummheit und Finsternis." (S. 232).

Genug der Beispiele dieser Art, die sich noch vermehren ließen.

„Interessant" (relativ gesehen), wird diese Schrift für unsereins dadurch, dass in ihr auch die Bibelforscher (tendenziös bewertet) mit vorkommen. Und zwar wie folgt.

Da meint er sich auch wie folgt verbreiten zu sollen:

„Ich bin einmal von einem Freunde, der sich davon einen ganz besonderen Spaß versprach, ohne mein Wissen in einer Gesellschaft mit einem - „ernsten Bibelforscher" zusammengebracht worden.

„Ernste Bibelforscher" sind in den Dingen des „Heiligen Geistes" genau das, was im Handelsgeschäft die jüdischen Schnorrer sind. Da ich in der Bibel nun mal außerordentlich bewandert bin, und auch sonst über einige Vernunft verfüge, ist es mir nicht schwer geworden, diesen Bibelschnorrer zur hellen Freude der Zuhörer eine Abfuhr nach der anderen zu erteilen und ihn in Widersprüche zu verwickeln, daß ein anderer nicht mehr gewußt hätte, wie er sich aus der Affäre ziehen sollte. Diesem „ernsten Forscher" hat das aber absolut gar nichts ausgemacht. Er fiel immer wieder auf die Füße. Wenn er gar nicht mehr wußte, wo ein und wo aus, dann sagte er mir jedesmal:

„Sie haben vollständig recht, und doch kann das, was sie sagen, nicht wahr sein, denn aus Ihnen spricht nicht der Geist."

Ich habe ihn dann gebeten, mir den Nachweis zu liefern, daß der Geist aus ihm spräche. Da gab er mir die verblüffende Antwort: „Aus mir spricht der Geist immer, denn ich bin von ihm gesandt!"

Da kannst halt nix machen! Ich frage aber, was hat der römische Papst und alle seine Sendlinge mit seiner Unfehlbarkeit für einen geistigen Vorteil vor diesem Bibelforscher?" (S. 331,332)

Herr Rugel scheint dann wohl auch besonders an der Sexual"moral" der katholischen Kirche gestolpert zu sein. Nachdem er dann wohl diesen Orden verlassen hatte, verheiratete er sich. Man erfährt weiter, es blieb wohl nicht bei dieser einen Eheschließung, sondern es wurden im laufe der Zeit deren drei. Selbstredend pflegt dann wohl vor einer neuen Eheschließung auch erst einmal ein Scheidungsprozess die vorangegangene abzuschließen.

Sicherlich kann man sich sehr wohl vorstellen dass dies alles ihn doch sehr mitgenommen hat.

Zitat:

Ich lebe heute in dritter Ehe. Was zwischen heute und damals liegt, war für alle Beteiligten eine einzige Katastrophe." (S. 462)

Und weiter:

Ich habe mich auf meinen Irrwegen zur Frau oft und immer wieder ernstlich die Frage vorgelegt, ob es für mich nicht doch besser gewesen wäre, wenn ich im Kloster geblieben wäre. Ich habe auch diesen Weg zu Ende gekämpft und weiß seit 10 Jahren, daß mein Platz doch in der Welt ist. Ich weiß allerdings auch, daß ein falscher Idealismus nicht minder gefährlich sein kann als ein krasser Materialismus.

Ich war nicht für die Frau erzogen. Kein katholischer Priester ist für Frau und Kind erzogen. Er weiß gar nichts mit ihnen anzufangen. Wäre ich ein schlechter Mönch und Priester gewesen, der es mit seinem Zölibat nicht so ernst nahm, dann wäre mir die Frau nie zum Problem geworden. Weil ich aber ein guter und im kirchlichen Sinne Pflichttreuer Priester war, mußte ich notwendig an der Frau scheitern."

Mag man seine skizzierte nazistische Anhauchung auch kritisch werten. Mit dem zuletzt gebrachten Zitat indes, hat er einen wesentlichen Umstand beschrieben.

 

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