Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise (1923) -
Einige Stichworte in diesem Jahrgang (in Auswahl):
Kaisertal, Kalifornien, Inflation, Versicherungen, Berufswahl, Kampf zwischen Arbeit und Kapital, Heilpraktiker, Wunderweizen, Elektrizität,
Fetz, August, Klimawandel, Ruhrgebiet, Besetzung, Technik Päpste (Geschichtlich), Hebräisch, Kinder auf Moskaus Straßen, Kinderarbeit. Abrams, Albert Elektronen-Theorie, Radionik, Goodrich, Roy D., Fäkalientheorie, Woodworth. C., Loganbeere, Luftelektrizität, Religion auf dem Mond, Weihnachten
Geschrieben von Drahbeck am 06. Januar 2008 06:56:06:
Als Antwort auf: geschrieben von Drahbeck am 21. Dezember 2007 14:03:00:
„Unsere Augen sehen nun den Morgen. Der Lichtglanz einer heller und heller
werdenden Erkenntnis zeigt der bedrängten Kreatur das Königreich Gottes, und
durch Jahrhunderte hindurch klingt bestimmt, befehlend des großen Führers
Stimme: "Betet, Dein Reich komme, damit Dein Wille geschehe, wie im Himmel also
auch auf Erden!"
Die sehnsuchtsvoll wartende Liebe seiner Jünger: Was ist das Zeichen deiner
Gegenwart? verweist Er auf am Ende des Zeitalters stattfindende Kriege,
Hungersnöte, Seuchen, revolutionäre Erschütterungen usw."
Ausgehend von diesem Statement nimmt dir Redaktion in der ersten Ausgabe des 1923er „Goldenen Zeitalters" (1. 1. 1923) einen Rückblick auf das verflossene Jahr 1922 vor.
Was die zitierte Prämisse anbelangt, gibt man sich siegesgewiß, wofür auch
die Aussage steht:
„Wenn nun auch noch finstere Gegner verächtlich spotten und drohend die Kunde
vom hereinbrechenden Goldenen Zeitalter als eine Utopie bezeichnen, so wird uns
darob gar nicht bange, sondern frohgemut harren wir aus auf hoher Warte, und
rufen zuversichtlich hinunter:
Der Morgen kommt doch!"
Der Rückblick ins Jahr 1922 offenbart aber in der Sicht der GZ-Redaktion nur wenig, bis nichts, „Erfreuliches". Dafür stehen dann solche Sätze wie:
„Das Jahr 1922 wird in den Annalen der Geschichte einst als das Jahr der gescheiterten Weltkonferenzen bezeichnet werden. An der Schwelle desselben finden wir die fruchtlose Abrüstungskonferenz von Washington. Sie wurde mit großem Lärm und einer vielverheißenden Ansprache von Präsident Harding eröffnet, in der sehr viel von Völkerverbrüderung, Humanität und ewigem Frieden die Rede war. Diese Ansprache sollte ja verbergen und die Menschheit über die Tatsache hinwegtäuschen, daß es Amerika viel weniger um wirkliche Abrüstung zu tun war, als um die Machtverteilung auf dem großen Ozean.
Kann man sich da wundern, daß die anderen Staaten wenig Lust empfanden, einen Teil ihrer schönen, so teuren Kriegsschiffe in den Meeresgrund zu versenken, da doch der vorgelegte Abrüstungsvorschlag des Staatssekretärs Hughes allzu durchsichtig eine erstrebte Präponderanz Amerikas zur See verriet. ...
Das Endresultat der Washingtoner Konferenz war und ist ein "Nichts". Die ganze Welt weiß, daß auch nicht ein einziges Schiff vernichtet wurde; sie sind alle noch da und bilden eine ständige Bedrohung des Weltfriedens genau wie vor 1914. ...
Nun folgte die Konferenz von Cannes. Aller Augen richteten sich wieder dorthin. Es schien, als ob der französische Ministerpräsident Briand ernste Anstrengungen mache, um sich mit seinem Partner Lloyd George zu verständigen; eine nationalistische Hetze aber brachte ihn zu Fall und die Konferenz endigte wiederum völlig resultatlos. ...
Kündigte der unermüdliche Lloyd George sogleich eine allgemeine
Weltwirtschaftskonferenz in Genua an. Die Weltwirtschaft, die durch den
furchtbaren Krieg aus Rand und Band gekommen, müsse zuerst wieder hergestellt
werden. Dazu müßte man alle Staaten, auch die besiegten, einladen, sogar Rußland,
alles andere käme dann von selbst, erklärte Lloyd George. Und so hofften die
Optimisten von neuem auf Genua. In Deutschland allerdings war man skeptisch
geworden.
"Geh-nu-a(b)", lautete die Antwort in Berlin, "es wird doch nichts werden"; aber
man war ja doch geladen und ging eben auch, wie alle anderen, nach Genua,
hoffend wider alle Hoffnung, es könnte am Ende doch eine Wendung zum Guten
nehmen.
Aber der sonst so kluge Lloyd George hatte seine Rechnung ohne den bösen Tschitscherin gemacht. Mit guten und strengen Worten wurde auf diesen "Enfant terrible" der Genueser Konferenz eingeredet, doch ohne den geringsten Erfolg, und der schöne Traum vom wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas zerrann wieder in ein - Nichts. -
Von den stets mehr zu Tage tretenden Gegensätzen zwischen Engländern und
Franzosen soll hier gar nicht gesprochen werden, auch nicht von allen
selbstsüchtigen Separatgelüsten und Wünschen der übrigen Teilnehmer.
Die Konferenz stinke von Petrol, wurde gesagt, weil der gegenseitige Neid der
Nationen allzu offenkundig war, es könnte die eine mehr Petrol bekommen als die
andere. Wo es also darum geht, den Zusammenbruch Europas zu verhindern, da
reißen sich die Großen dieser Welt um Petrolkonzessionen wie Schulbuben um
gebratene Kastanien. Welch ein trostloses Bild! ...
Dann wurde Rathenau ermordet, welche Schreckenstat die ganze Welt in Aufregung und die deutsche Mark zum Todessturz brachte, damit das Wiedergutmachungsproblem noch unmöglicher gestaltend. Wieder folgte eine Weltkonferenz in London. Die dreizehnte! Ach, wieviele Millionen erwarteten wiederum Linderung der stets grausamer werdenden Not, aber auch London versagte vollkommen, so vollkommen, daß ein definitiver Bruch der Entente unvermeidlich schien; und um dies zu vermeiden, wurde das Moratoriumsgesuch Deutschlands der hilflosen Reparationskommission zur Behandlung überwiesen.
Der türkisch-griechische Krieg gestaltete sich indessen ebenfalls zu einem Problem, das die Ententekabinette auf lange Zeit sorgenvoll beschäftigte, England an den Rand eines neuen Krieges brachte und der notdürftig aufrecht erhaltenen Entente wiederum die schwersten Belastungsproben brachte, bis die interessierten Mächte endlich zu einer Friedenskonferenz in Lausanne versammelt werden konnten.
Und das Rad der Zeit und der Ereignisse rollt weiter! Drohender und beängstigender lauten die Berichte aus Deutschland. ..."
Es ist offensichtlich - darüber kann es kaum eine Frage geben - dass die Weltverhältnisse für viele furchterregend wirkten. Und prompt versäumt man es auch nicht, dass ganze vor den eigenen Karren zu spannen:
„Du trostloses Konferenzenjahr 1922, hast du denn wirklich der ratlosen Menschheit gar nichts zu bieten zu deinem Abschied als eine weitere, gescheiterte Konferenz? Und du bist gar so grausam und legst deinem Nachfolger gleich wieder eine aussichtslose Konferenz auf die Schwelle!
Wie lange sollen denn die Erdenbewohner noch mit dieser Konferenzenplage
gequält werden?
Überall Gewaltherrschaft und Haß, überall politischer und wirtschaftlicher
Streit, Bürgerkrieg, Blutgerichte, krisenhafte Zustände, bittere Not!"
Trotz alldem nahm die Weltgeschichte allem „beten" der WTG zum Trotz, ungerührt ihren Lauf. Das verheißene „Goldene Zeitalter" blieb im buchstäblichem Sinne aus. Selbst das „Goldene Zeitalter" musste seine programmatischen Titel später noch in „Trost" umbenennen.
Nun kann man sich wie Maxim Gorki in seinem berühmten „Nachtasyl" auf die Seite jener stellen, die da glauben solches nicht verkraften zu können. Die Frage bleibt trotzdem, ob eine illusionäre Weltsicht wirklich „hilfreich" ist:
"Ich kannte einen Menschen, der glaubte an das Land der Gerechten. Er war arm und es ging ihm schlecht und wies ihm schon gar zu schwer fiel, dass ihm nichts weiter übrigblieb, als sich hinzulegen und zu sterben - da verlor er noch immer nicht den Mut, sondern lächelte öfters vor sich hin und meinte: Hat nichts zu sagen - ich trags! Noch ein Weilchen wart ich, dann werf ich dieses Leben ganz von mir und geh in das Land der Gerechten. Seine einzige Freude war es - dieses Land der Gerechten."
Diese Parabel findet ihre Fortsetzung in der Feststellung, dass ein Gelehrter alle seine Bücher und Pläne durchforstet, aber nirgends das anvisierte "Reich der Gerechten" finden kann. Die Geschichte geht weiter mit den Worten:
"Der Mensch - will ihm nicht glauben. Es muss drauf sein, sagt er. Such nur genauer! Sonst sind ja, sagt er, all deine Bücher und Pläne nen Pfifferling wert, wenn das Land der Gerechten nicht drin verzeichnet ist. Mein Gelehrter fühlt sich beleidigt. Meine Pläne, sagt er, sind ganz richtig und ein Land der Gerechten gibts überhaupt nirgends. - Na, da wurde nun der andere ganz wütend. Was? Sagt er - da hab ich nun gelebt und gelebt, geduldet und geduldet und immer geglaubt, es gebe solch ein Land! Und nach deinen Plänen gibt es keins! Das ist Raub."
Die Geschichte endet damit, dass der Gläubige die Ernüchterung nicht
verkraften konnte und seinen Frust in Aggressivität abreagierte und ein bitteres
Ende fand.
Geschrieben von Drahbeck am 07. Januar 2008 05:45:00:
Als Antwort auf: geschrieben von Drahbeck am 06. Januar 2008 06:56:06:
Zu den beachtlichen Aspekten der-Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom
1. 1. 1923 gehört auch die Rubrik „Frage-Kasten".
Immer wieder gab es zum Teil bewusste Mißverständnisse, namentlich auch in der
Nazizeit, aber auch schon davor, welche unterstellten, die Bibelforscher wollen
ja „sowjetrussische Verhältnisse einführen". Diesen „Missverständnissen" auch in
kirchlichen Kreisen nachweisbar, ist gegenüber festzustellen: Fehlgeurteilt.
Das solche Fehlurteile überhaupt möglich waren, spricht nicht gerade für die diesbezüglich „Unterbelichteten". Es ist allenfalls Ausdruck der großen Angst, welche die sowjetrussischen Verhältnisse auch bei ihnen auslösten.
Die Frage und ihre Beantwortung, die in dieser GZ-Ausgabe abgedruckt ist, sei nachstehend noch dokumentiert:
„Frage:
Wenn doch die derzeitige morsche Weltordnung fallen muß um der Einführung des
Goldenen Zeitalters Platz zu machen, könnte man da nicht annehmen, daß die
Umsturz-Elemenie des Anarchismus und Bolschewismus ein durchaus notwendiges, das
Goldene Zeitalter förderndes Werk betreiben?
Antwort:
Wir antworten mit größter Entschiedenheit, nein! Auf keinen Fall! Ein solcher
Gedanke wäre ebenso verkehrt, wie wenn man zur Lösung der Wohnungsnot in
Großstädten eine Typhus-Epidemie einführen wollte, um die Bevölkerung zu
dezimieren. Der Anarchismus und Bolschewismus wird nie das Goldene Zeitalter
bringen, im Gegenteil, er stürzt die Menschheit in namenloses Elend, er zerstört
nur, reißt nieder, verwüstet, vernichtet alles und jede Grundlage für ein
ideales, glückliches Leben der Menschen auf Erden. Die schlechteste Regierung
ist schließlich noch erträglicher und einem Zustand der Gesetzlosigkeit und
Anarchie vorzuziehen.
Wie sonderbar, daß es immer noch Menschen gibt, die nicht erkennen können, daß
dieser letzte verzweifelte Versuch einer Regierungsform unter den Menschen ein
noch größerer Fehlschlag ist als alle früheren, bis zurück zum schwärzesten
Autokratismus und Zarismus. Könnte man heute das russische Volk befragen, ohne
Zweifel würde es erklären, daß selbst unter der eisernen Knute des Zaren die
Zustände noch weit erträglicher waren als gegenwärtig. Und dennoch schreitet die
Welt mit Riesenschritten weiter auf dieser abschüssigen Bahn, und es scheint als
wolle sie nicht ruhen, bis auch die letzte Stütze des Wohlstandes, der
Zufriedenheit und des Glückes zerstört sei. Ja, es muß einem denkenden Menschen
erscheinen, als werde eine Anzahl Menschen von einem unbeschreiblich niedrigen
Instinkt getrieben, um alles zu untergraben und wegzunehmen, was seinen
friedlichen Mitmenschen noch ein einigermaßen erträgliches Dasein ermöglicht.
Die Selbstsucht des Einzelnen und der Klassen hat so grausame Dimensionen
angenommen wie nie zuvor in der Weltgeschichte."
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Geschrieben von Drahbeck am 18. Januar 2008 07:09:03:
Als Antwort auf: geschrieben von Drahbeck am 07. Januar 2008 05:45:00:
Bezüglich ihrer schon im Zeitschriftentitel zum Ausdruck kommenden
Grundsatzdoktrin, glaubt die Redaktion des „Goldenen Zeitalters" wieder einmal
„fündig" geworden zu sein.
„Ein Vorgeschmack von paradiesischen Zuständen" titelt man in der
Ausgabe vom 15. 1. 1923 (Ausgabe Magdeburg erst am 1. 7. 1923).
Diesmal hat es den GZ-Schreibern das sogenannte „Kaisertal" in Kalifornien
angetan. Selbiges soll einmal eine Wüstengegend gewesen sein. „Stilgerecht" wird
dem Leser vor Augen geführt:
„Unter ihnen - annähernd 4000 Fuß tiefer, also unter dem Meeresspiegel liegend - befindet sich in tiefer Einsamkeit ein tellerförmiges, ungefähr 160 km großes Becken. Die halbtropische Sonne brennt auf die trostlose Sandwüste dieses Landstriches und erzeugt eine so furchtbare Hitze, daß außer einigem verkrüppelten Strauchwerk keine andere Vegetation gedeihen kann. Die Winde fegen den Sand zu Dünen zusammen, in denen sich eine gewisse Krötenart vorfindet. Ein anderes Tier kann in dieser unwirtlichen Gegend nicht existieren. Sogar die Präriewölfe beginnen, wenn sie sich hierher verirren, ein Schreckensgeheul auszustoßen; ihr Instinkt warnt sie vor dieser schauerlichen, großen Einöde. Es ist ein grauenhaft sang- und klangloser Ort des Schweigens.
Dieses Land betretend, überlegt der müde Wandersmann bei sich selbst: Warum diese große Wüste? Weshalb schuf Gott eine so grauenvolle Stätte? Was trägt sie zu seinem Schöpfer-Ruhme bei? Und vor allen Dingen, was nützt sie dem Menschen?"
Wie man unschwer erraten kann, will es die GZ-Redaktion doch nicht bei der zuletzt zitierten kritischen Rückfrage belassen. Und wie man weiter unschwer erraten kann, muss in deren Sicht irgendeine „biblische Prophezeiung" herhalten.
Und welches tatächliches „Wunder". Da haben sich Initiativreiche Menschen dieser einst trostlosen Gegend angenommen. Offenbar sogar erfolgreich angenommen, wofür denn auch die Sätze stehen:
„Zwanzig Jahre später:
Wieder stellen wir uns auf denselben Bergrücken. Ein wundervoller Anblick
entzückt das Auge. Einem weißen Bande gleich schlängelt sich quer durch das Tal
hin eine schöne, neue Straße, die links und rechts mit hohen Bäumen geschmückt
ist. Die grünen Äste schaukeln in dem linden Zephir und wie Fächer schwingen die
Zweige in jubelnder Freude. Die Feldlerche, der Hänfling mit vielen anderen
lieblichen Sängern stimmen fröhlich in Gottes Lob ein. Nicht mehr ist es ein
Land des Schweigens und des Todes. Viehherden, Pferde, Ziegen und Schafe weiden
friedlich auf den saftigen, grünen Kleewiesen.
Ergriffen von diesem entzückenden Bilde, fährt man in ganz modernen Wagen auf der Straße in eiligem Tempo dahin, bis zu einem mit Komfort ausgestatteten Hotel im Zentrum dieses Tales, wo noch vor kaum zwanzig Jahren nicht einmal ein Präriewolf leben konnte. In unserem Absteigequartier finden wir Kalt- und Warmwasserleitung und Bad vor, überhaupt alles, was zu einem modernen Hotelbetrieb gehört. Im geräumigen Pavillon finden Konzerte statt. Süße Musikklänge klingen durch balsamische Lüfte, und das alles an einem Orte, wo noch vor kurzer Zeit Stille und Öde dem Wanderer Grauen einflößte."
Das alles könnte man ja noch als relativ interessanten Bericht zur Kenntnis nehmen; aber ganz so einfach „zur Tagesordnung" übergehen, mag den das GZ doch nicht. Dafür steht dann auch ein von ihm herausgestellter Satz wie der:
„In Ihrem Hotelzimmer finden Sie eine Bibel auf dem Tisch und in ihr
können Sie die vor Jahrtausenden durch den Propheten Gottes geschriebenen Worte
lesen: "Das verwüstete Land soll bebaut werden, statt daß es eine Wüste war ...
Ist es nicht wunderbar, wie vor 2500 Jahren heilige Propheten dieses alles in
Visionen sahen?"
Letztere Aussage ist eigentlich so überflüssig wie ein Kropf. Aber offenbar nicht in der Sicht der Bibelforscher/Zeugen Jehovas. Da gab es mal in den 1950er Jahren in den Kinos einen Film „Die Wüste blüht". Wenn der ein finanzieller Kassenrenner war, dann nicht zuletzt auch deshalb, weil Zeugen Jehovas (und Geistesverwandte) in Scharen in diesem Film strömten.
Der „Staunen"-Berichte sind noch mehr in dieser GZ-Ausgabe. Da wird dann wieder mal die bekannte Technik-Euphorie bemüht, um sie mit dem Satz zu „würzen":
„Wahrlich, die religiösen Schreiber der Vergangenheit konnten sich solche Wunder nicht vorstellen. Und doch sind diese Dinge die Erfüllung so mancher Prophezeiung."
Und weiter:
„Wie kann der ehrfürchtige Bibelleser im Hinblick auf solche Erfindungen
neben anderen Erfüllungen der Prophezeiung bezweifeln, daß wir wirklich im
Dämmerlicht des Goldenen Zeitalters leben, das ja wunderbar im Worte Gottes
geschildert ist?"
Leider muss dass GZ dann aber doch beklagen:
„ Die Mehrheit des Volkes ist dieser großen Tatsache gegenüber blind."
O welcher Schreck! mag man dazu nur sagen. Der wird noch größer durch den Umstand, dass die spätere WTG selber in das Lager dieser „Blinden" übergewechselt ist, denn von Technikeuphorie, vermeintlicherweise in der Bibel „vorhergesagt". will sie heute auch nichts mehr wissen!
Tja mag man dann abschließend wohl nur sagen. Da war wohl das „Goldene Zeitalter" nicht einmal das Papier wert, auf dem es mal gedruckt wurde!
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Geschrieben von Drahbeck am 07. Februar 2008 06:58:36:
Als Antwort auf: geschrieben von Drahbeck am 18. Januar 2008 07:09:03:
In einer ganzseitigen Anzeige über die Abonnements-Konditionen des in der Schweiz erscheinenden „Goldenen Zeitalters" (Ausgabe vom 15. 1. 1923) findet man auch die Angabe:
„Im Auslande kann ab 1. Januar 1923 in folgenden Ländern bei jeder Postanstalt abonniert werden."
Unter den dann aufgeführten Ländern auch der Name Deutschland. Dass das GZ seinen deutschsprachigen Start in der Schweiz begann, darf man getrost auch den relativ geordneten dortigen Wirtschaftsverhältnissen zuschreiben. Im Gegensatz zu anderen Ländern blieb der Schweiz der Kelch einer aktiven Weltkriegsbeteiligung erspart.
Beachtet man nun - wie zitiert - das auch deutschen Interessenten angeboten wurde, diese Zeitschrift aus der Schweiz über die Post beziehen zu können, ergibt sich der Eindruck, das eine eigenständige, direkt in Deutschland gedruckte Ausgabe, anfänglich wohl noch nicht unbedingt vorgesehen war. Sie trat aber, allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Trotz, ab April 1923 in Aktion. Nicht zuletzt, weil sie sich auf entsprechende Dollarspritzen aus den USA stützen konnte. Für andere Zeitschriften in Deutschland zur fraglichen Zeit, hieß die Devise viel eher: Die Inflation haucht unser Leben aus.
Die Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" erschien aber (einstweilen) noch unabhängig von der deutschen Ausgabe, auch nach April 1923 weiter. Sie wurde also keineswegs eingestellt. So ist der Umstand zu registrieren, dass es in der Frühzeit tatsächlich zwei deutschsprachige Ausgaben des GZ gab. Mehr noch; von unterschiedlichen Redaktionen verantwortet. Zwar übernahmen beide Ausgaben sehr viele Artikel aus dem „Golden Age" in Übersetzung. Die aber in durchaus unterschiedlichen Ausgaben nachgedruckt wurden. Mehr noch. Es blieb nicht nur beim unterschiedlichen Artikel-Nachdruck. Es lassen sich auch unterschiedliche Beiträge nachweisen, die nur in einer der beiden genannten Ausgaben erschienen.
Man muss wohl daraus schlußfolgern. Es müssen wohl besondere Umstände gewesen
sein, die Brooklyn dazu veranlassten, gleich zwei deutsche Ausgaben zu starten.
Diese Umstände lassen sich wie folgt definieren.
Die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Schweiz waren zwar konsolidiert. Indes was den Zuwachs zur WTG-Organisation anbelangte, ging es in der Schweiz nicht recht vorwärts. Eher zeigten die „Zeichen der Zeit" auf Stagnation. Ganz anders hingegen in Deutschland zur fraglichen Zeit. Wirtschaftlich zwar daniederliegend, erwies es sich aber für die WTG als ausgesprochener „Boommarkt". Eben weil ihr Geschäft dort brummte; nur deshalb kam es zur Gründung der zweiten GZ-Ausgabe, um diesen Trend weiter zu befördern.
Im Februar 1923 war es zwar noch nicht so weit, aber in der Ausgabe des GZ
vom 1. 2. 1923 findet man auch einige Angaben zur grassierenden Inflation in
Deutschland, welche das Gesagte plastisch unterstreichen. Diese Angaben wurden
vom Standort Schweiz aus recherchiert. Man kann ihnen also durchaus eine
relative Objektivität bei der Beschreibung des Sachverhaltes zubilligen.
So liest man etwa bei der Beschreibung tagespolitischer Geschehnisse:
„Im Vordergrund aller Ereignisse steht die Ruhraktion, die mit dem Vormarsch der Franzosen auf Essen ihren Anfang nahm. Die Sanktion wird damit begründet, daß die Reparationskommission in Paris einen Verzug Deutschlands in den Holz- und Kohlen-Lieferungen an Frankreich feststellte.
Essen wurde am 11. Januar besetzt. Sogleich wurde der deutsche Botschafter in Paris sowie der deutsche Gesandte in Brüssel abberufen. - Die Besetzungslinie erreicht heute nahezu Barmen.- Die Nachrichten aus dem Ruhrgebiet sind beunruhigend. Nebst anderen führenden Persönlichkeiten der deutschen Staats-und Bankbeamten wurden die widerspenstigen Zechenbesitzer, unter ihnen Fritz Thyßen, verhaftet. Als Antwort darauf ist in den Bergwerken und auf den Bahnhöfen der Streik ausgebrochen. Ein jeder Tag hat bisher die Lage noch weiter verschärft. Die deutsche Regierung verbietet allen Stadtangestellten das Arbeiten für die Franzosen und ist geneigt, jede Kohlenlieferung an Frankreich als Landesverrat anzusehen; die Franzosen lassen die Widerspenstigen fühlen, wer die reale Macht hat. - Schon jetzt kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir inmitten des wichtigsten Ereignisses stehen, das Europa seit dem Abschlüsse der Friedensvertrage betroffen hat. Nie hatte Europa einen Führer nötiger als heute, und nie wurde er schmerzlicher vermißt. -"
Ein weiterer Artikel widmet sich direkt Deutschland. In ihm ist auch zu
lesen:
„Die Verhältnisse dieses Landes offenbaren von Tag zu Tag mehr und mehr die
Unfähigkeit der Ärzte der menschlichen Gesellschaft, den Patienten von einem
großen Übel zu befreien, welches das ganze Erwerbsleben vergiftet hat: der
Selbstsucht. Die Katastrophe schreitet mit Riesenschritten voran, unaufhörlich
sind die beiden Schrauben Preis und Lohn an der Arbeit, ohne ein Ende zu finden.
Schon letzt sieht man deutlich, daß in Kürze Verhältnisse entstehen müssen, die
einfach unhaltbar sind.
Zwar hört man zuweilen die Leute in Deutschland sagen:
"Ach ja, die Preise sind ja furchtbar hoch, aber in Rußland sind sie ja doch
noch viel höher." Es wird dabei aber ganz offensichtlich vergessen, daß das
deutsche Wirtschaftsleben ein viel empfindlicherer Apparat ist als der
russische, und daß sich die Verhältnisse in Deutschland nie solange halten
können wie in Rußland; es wird vorher zu einem Zusammenbruch kommen.
Eine Gegenüberstellung der Preise des täglichen Lebens mag dem unbeeinflußten Leser am besten den Umfang dieser sich in diesem Lande abspielenden Katastrophe vor Augen fuhren ...
Das werktätige Volk ist nahezu am Verzweifeln. Die notwendigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens können trotz großer Löhne, die die Männer verdienen, nicht mehr beschafft werden. Daneben macht sich ein entsetzliches Schieber- und Wuchertum breit, indem einige Intelligentere es verstehen, Aasgeiern gleich, die Armut des Volkes auszunutzen. Wie von einem Taumel ergriffen, scheint in vielen der Wunsch zu leben, ihr Unglück durch große Ausgelassenheit vergessen zu machen. Eine Tanzwut an manchen Plätzen hat weite Kreise des Volkes ergriffen. Die Regierung scheint diesem Treiben machtlos gegenüber zu stehen. Trotz gegebener Verbote tanzt man heimlich Das Land liegt wie im Fiebertraum geschüttelt da und sieht dem Sterben entgegen."
Und dann folgt einige Preisvergleiche, welche Sachen jetzt wieviel in
Deutschland kosten; und wie der Preis für dieselbe Sache früher in Deutschland
war.
(Erst der frühere Preis; dann in Klammern der Preis Anfang 1923).
Brot Pfg. 25 (M 1000 - 1200)
1 Pfd. Kuhbutter Pfg. 75 (M 4000 - 4500)
1 Ei Pfg. 4 (M 200 - 250)
1 l Milch Pfg. 14 (M 300 - 340)
1 kg Kartoffeln Pfg. 3 (Mark 16 - 18)
1 Paar Stiefel M 6 - 8 (M 20000 - 30000)
1 Ztr. Steinkohle Pfg. 90 (M 4000 - 5000)
Angesichts all dessen wundert man sich nicht, wenn die WTG ihrerseits
dann jubelt:
„Weite Kreise des Volkes fangen an, ein Verständnis zu gewinnen dafür, daß in
der Tat menschliche Hilfe völlig versagt, und daß nur eins zu helfen vermag: das
Königreich unseres Herrn Jesus Christus, ...
Und wenn unsere Augen bis jetzt sein Eingreifen vermissen, so ist sein Wort gewiß, daß sein Königreich kommt, und daß dann sein heiliger Wille hier auf Erden geschehen wird, wie er im Himmel geschieht."
Die WTG-Religion erweist sich somit als typischer Krisengewinnler
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GZ 15. 2. 1923
In der Leserfragen-Rubrik des „Goldenen Zeitalters" (Ausgabe Bern vom 15.
2. 1923), begegnet man einem „Eiertanz" darüber, wie man es denn mit
Versicherungen halten - oder nicht halten - soll. (In der Ausgabe Barmen erst in
der Folge vom 1. 6. 1923 gleichfalls abgedruckt). Sorgfältig formuliert, dass
jeder daraus herauslesen kann, was er gerne möchte. Jene welche an das
„unmittelbar" bevorstehende „göttliche Eingreifen" glauben, in ihrem Wahne zu
bestärken, „dann wären ja Versicherungen eigentlich überflüssig". Und jenen,
welche sich nicht so ohne weiteres auf dieses Glatteis begeben, auch nach dem
Munde geredet.
Man wird bei diesen Ausführungen unmittelbar an Lukian von Samosta erinnert, der
bei analogen „Weisheiten" schon mal verkündete. Zitat:
„Ein klassisches Beispiel war das Orakel des Königs Krösus (letzter König von
Lydien, 560-546 v. u. Z.). Er bekam durch die Phytia im Apollo-Tempel zu Delphi
auf seine Anfrage hin die Auskunft, "wenn er den Halys (Fluss zwischen Lydien
und Persien) überschreite, werde er ein großes Reich zerstören." Lukian von
Samosta (120 bis 180 u. Z.) setzte sich mit diesem Fall auseinander:
"Sprich mir nicht von den Orakeln, mein Bester, oder ich werde dich fragen, an
welches du dich am liebsten erinnern lassen willst: ob an das, dass der
delphische Apollo dem Könige von Lydia gab und das so doppelgesichtig war wie
gewisse Hermon, die einem das Gesicht zuwenden, man mag sie nun von vorn oder
von hinten betrachten - denn wie wusste nun Krösus, ob er nach dem Übergang über
den Fluss Halys das Reich des Cyrus oder sein eigenes zugrunde richten würde?
Und gleichwohl bezahlte der unglückliche Fürst diesen doppelsinnigen Vers mit
vielen Tausenden." Indem nach Anfangserfolgen sein eigenes Reich zerfiel und
somit zerstört wurde."
Der im GZ zu Worte kommende Fragesteller wollte also wissen:
„Im Hinblick auf die jetzt zusammenbrechende Gesellschaftsordnung möchte ich
Sie fragen, ob die Teilnahme an Versicherungsgesellschaften,
Lebensversicherungen, Unfallversicherungen etc. für einen ernsten Christen
empfehlenswert sei?"
Als Antwort wird ihm mitgeteilt:
„Wir leben in einer Zeit, wo die Organisationen eine große Rolle spielen, und
es ist unbestreitbar, daß es unter diesen Organisationen solche gibt, welche
weise und vorteilhafte Einrichtungen sind. Die Versicherungsgesellschaften z. B.
stehen zwar, wie es nicht anders sein kann, auf geschäftlichem Boden und
betreiben ihr Geschäft nicht aus selbstloser Menschenliebe; sie sind aber
gleichwohl als menschliche Bemühungen zu betrachten, über die Folgen der
Unsicherheit des gegenwärtigen Lebens nach Kräften hinwegzuhelfen, die Not derer
zu lindern, welche durch den Tod des Erhalters in Verlegenheit geraten können.
Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen Arten der Versicherung zu
besprechen, nur das sei gesagt, daß es unseres Erachtens für die Kinder Gottes
nicht eine religiöse, sondern eine geschäftliche Frage ist, ob sie sich
versichern wollen oder nicht.
Wir haben Umstände gekannt, unter denen wir es als weise betrachteten, wenn der
Vater sein Leben versicherte.
Das ist insbesondere der Fall, wenn die Gattin die Anschauungen des Mannes
hinsichtlich der Nähe des Zeitalterwechsels nicht teilt und in der Versicherung
eine Beruhigung für ihr Gemüt erblickt. Decken sich die Anschauungen von Mann
und Frau auf geschäftlichem Boden in diesem Stück ungefähr, so mag er die
bestehende Versicherung weiter bestehen lassen.
Wir möchten freilich nicht so verstanden sein, als ob wir die Versicherung
empfehlen. Wir sind bloß der Meinung, daß die Schrift dem Christen in diesem
Stück keine Vorschriften macht, und daß es dem Urteile eines jeden überlassen
bleibt, ob er so oder anders handeln will.
Wir halten dafür, daß in Kürze unter großer Drangsal die neue Weltordnung
geboren werden wird. Bei dieser Krisis werden der Handel, die
Versicherungsgesellschaften und alle ähnlichen Institutionen, und die
Vermögenstitel alle miteinander von der Sturzflut verschlungen werden; dies wird
einer der Hauptzüge der großen Drangsal sein, und die Herzen aller derer werden
trauern und erzittern, welche alsdann keine andere Sicherheit, keinen Schatz im
Himmel haben.
Es ist sehr vernünftig, anzunehmen, daß die sogenannten
Gegenseitigkeitsgesellschaften schon vorher und vor den anderen fallen werden,
weil sie ohne Kapital arbeiten und von den Mitgliederbeiträgen abhängen, und
weil beim Hereinbruch der Krisis die Mitgliederbeiträge nicht nur sich nicht
mehr vermehren, sondern infolge des geschäftlichen Druckes zurückgehen werden.
Der Zusammenbruch aller dieser Genossenschaften wird die Hoffnungen vieler
zerschmettern und vielen große Verlegenheiten bereiten.
Jeder muß demnach nach bestem Wissen und Gewissen bestimmen, was für ihn bei der
Verwendung seines Besitzes oder Einkommens das weiseste Verfahren sei; aber
keiner, der durch den Glauben an den Herrn sich leiten läßt, wird im Hinblick
auf die Zukunft so erschauern, daß Furcht sein Herz erfüllt; er wird aber auch
sein Vertrauen nicht auf irgendeine menschliche Einrichtung setzen, aus keiner
menschlichen Einrichtung seine Sicherheit, seinen Schatz machen und dann
gebrochenen Herzens dastehen, wenn diese Sicherheit verloren geht."
Eine weitere Leserfrage in dergleichen Ausgabe des GZ offenbart ebenfalls
das Charakteristikum „heiliger Einfalt", wenn da bezüglich der Frage:
„Welchen Beruf empfehlen Sie im besonderen für einen
demnächst der Schule entlassenen Jüngling?"
In der Antwort sich auch die Sätze finden:
„Anderseits können wir voraussehen, daß beispielsweise philosophische,
theologische, juristische oder medizinische und viele andere Studien, die auf
Grundsätze und das Wissen der alten Weltordnung aufgebaut sind, ihren Wert fast
vollständig, wenn nicht gänzlich einbüßen werden."
Der Komplettext der GZ-Antwort lautet:
"Handwerk hat goldenen Boden". Es möchte zwar jemand geneigt sein, zu sagen:
"Ja, nennen Sie mir ein Handwerk, das heute noch gut genannt werden kann!" Wir
dürfen aber den Wert des Handwerks keineswegs an einer vorübergehenden
Weltkrisis messen. Das oben zitierte Sprichwort ist und bleibt wahr.
Das Handwerk wird auch im goldenen Zeitalter, und ganz besonders in den ersten
hundert Jahren seiner Einführung goldenen Boden haben, das heißt, es wird seinem
Meister von allergrößtem Nutzen sein. Es wird zum Aufbau der neuen, auf
Gerechtigkeit, Wahrheit und Nächstenliebe gegründeten Weltordnung
Maschinenbauer, Elektriker, Techniker, Konstrukteure, Mechaniker, Handwerker
verschiedenster Art brauchen, besonders zur Herstellung modernster
landwirtschaftlicher Maschinen und bequemster Verkehrsmittel.
Auch nach modernsten Forschungen arbeitende Landwirte, Förster, Baumschul- u.
Ziergärtner etc. werden im goldenen Zeitalter reichliche Arbeitsgelegenheit
finden.
Das alte, eingangs zitierte Sprichwort wird in der Tat den bevorstehenden
Weltordnungswechsel überleben und sich auch in der Hinsicht bewahrheiten, daß
gründlich erworbene Berufskenntnisse stets ihren Wert behalten und sich als sehr
nützlich erweisen werden. Anderseits können wir voraussehen, daß beispielsweise
philosophische, theologische, juristische oder medizinische und viele andere
Studien, die auf Grundsätze und das Wissen der alten Weltordnung aufgebaut sind,
ihren Wert fast vollständig, wenn nicht gänzlich einbüßen werden, ja sich
vielmehr als ein Hindernis für den raschen Fortschritt und die Anpassung an die
neue Weltordnung erweisen werden."
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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
GZ 15. 2. 1923
„Halleluja - wir kommen in den Himmel".
Das ist vereinfacht dargestellt die Kernthese, welche vielerlei
Christentumsformen offerieren. Das wird dann noch mit Thesen wie „Lösegeld" und
allerlei anderem „frommen Beiwerk" angereichert.
Genau an diesem Punkte nahm nun die frühe Russellbewegung einen „Kulturbruch"
vor. Das Thema „Himmel" stellte sie eher ins „zweite Glied". Das, was sie
vordergründig „umtrieb" waren die Widersprüche „zwischen Kapital und Arbeit".
Also sehr irdische Widersprüche. Dies wiederum hatte zur Folge, dass sie von den
eingangs genannten „Hallelujasängern", nicht selten in die kommunistische Ecke
gestellt wurde. Schlimmstenfalls (unberechtigterweise) gar aktive
Teilhaberschaft mit letzteren unterstellt wurde.
Einem solchen Bespiel kann man auch in der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters"
(Ausgabe Bern) vom 15. 2. 1923 begegnen. (Die in Deutschland gedruckte Ausgabe
erst im Heft vom 15. 9. 1923). Da wird umfänglich aus frühen Russell-Schriften
(zustimmend) zitiert, die genau dieses Thema (Widersprüche zwischen Kapital und
Arbeit) aufgriffen.
Angereichert auch noch durch ein entsprechendes Bild.
Als besonders „zeitgemäß" sah die GZ-Redaktion beispielsweise die
nachfolgenden frühen Russell-Äußerungen an. Gipfelnd in der These der Erwartung
des „unmittelbar bevorstehenden" „göttlichen Eingreifens". Man zitierte Russell
wie folgt:
"Wir wollen die gegenwärtigen Verhältnisse der Welt eingehender bezeichnen,
wie wir sie jetzt für den herannahenden Konflikt sich gestalten sehen, einen
Konflikt, der, wenn sein fürchterlicher Höhepunkt erreicht ist, notwendig ein
kurzer sein muß, sonst würde das Menschengeschlecht ausgerottet werden. Die
beiden in diesem Streite sich gegenüberstehenden Parteien sind bereits
erkennbar.
Besitz, Anmaßung und Stolz sind auf der einen Seite, und weit verbreitete Armut,
Unwissenheit, blinder Eifer und ein scharfer Sinn für Ungerechtigkeit auf der
anderen. Beide, von selbstsüchtigen Motiven getrieben, organisieren jetzt ihre
Kräfte in der ganzen zivilisierten Welt. Mit unseren von der Wahrheit gesalbten
Augen können wir, wohin wir auch blicken, sehen, daß das "Meer und die Wogen"
schon brausen und an die "Berge" anprallen und ausschäumen, was sich in den
Drohungen und Bestrebungen der Anarchisten und Unzufriedenen, deren Zahl
beständig wächst, kundgibt; und auch das können wir sehen, daß die Reibung
zwischen den verschiedenen Parteien oder Elementen der Gesellschaft mit
Sturmeseile dem von den Propheten geschilderten Punkte entgegengeht, da die Erde
(Gesellschaft) im Feuer stehen und die Elemente derselben in der gegenseitig
hervorgerufenen Hitze schmelzen und sich auflösen werden.
Es ist natürlich schwer für die Leute, auf welcher Seite des Streites sie auch
stehen mögen, eine gegen ihre eigenen Interessen, ihre Gewohnheiten, ihre
Erziehung gerichtete Ansicht zu hegen. Die Reichen haben das Gefühl, daß sie
mehr als nur ihren verhältnismäßigen Anteil an den Gütern dieser Welt zu
beanspruchen hätten, daß sie im Rechte wären, die Arbeit und jegliche
Bequemlichkeit so niedrig als irgend möglich zu erkaufen, daß sie ein Recht auf
die Frucht ihrer Bemühungen hätten, und ein Recht, ihre Intelligenz zu
gebrauchen, um ihr Geschäft so zu leiten, daß es ihnen etwas einträgt und ihren
aufgespeicherten Besitz vermehrt, ohne fragen zu müssen, wer etwa durch die
Gewalt der Umstände gezwungen sei, sich mit weniger Annehmlichkeiten zu
begnügen, wenn auch das Notdürftigste für das Leben vorhanden sei.
Sie denken: Es ist unvermeidlich; das Gesetz von Angebot und Nachfrage muß
herrschen; Reich und Arm ist immer in der Welt gewesen; und wenn der Besitz
gleichmäßig am Morgen verteilt wäre, so würden vor dem Abend einige durch
Verschwendung oder Unvorsichtigkeit wieder arm sein, während andere Behutsamere
und Klügere reich sein würden. Zudem, so werden sie mit Erfolg argumentieren,
darf es Menschen von größerer Verstandeskraft zugemutet werden, sich mit dem
Risiko großer Verluste in weitreichende Unternehmungen einzulassen, Tausende von
Menschen zu beschäftigen, ohne irgendwelche Hoffnung auf Gewinn und Vorteil?
Der Handwerker und Arbeiter hingegen wird sagen:
"Wir sehen wohl, daß die Arbeiter sich heute vor irgend einer früheren Zeit
mancher Vorteile erfreuen, daß sie besser bezahlt werden und folglich sich mehr
Annehmlichkeiten bereiten können. Doch darin genießen sie nur ihr Recht, aus dem
sie seit langem gewissermaßen verdrängt waren, und nehmen nun, wie sich's
gehört, einen Teil der Vorteile der Erfindungen, Entdeckungen, des zunehmenden
Wissens usw. unserer Zeit in Anspruch. Wir betrachten die Arbeit als ehrenhaft,
und, wenn sie mit rechtem Takte, mit Bildung, Ehrbarkeit und Prinzip Hand in
Hand geht, als ebenso ehrenhaft und derselben Rechte wert, wie irgendeinen
anderen Beruf. Ja, im Gegenteil, wir halten Müßiggang für eine schlechte
Empfehlung und eine Schande für jeden, was auch sein Talent oder seine
Beschäftigung im Leben sein möge. Jeder sollte irgendwie anderen nützlich sein,
um geachtet und geschätzt zu werden.
Aber obwohl wir unsere gegenseitig verbesserte Lage und unsere Fortschritte, was
Bildung, gesellschaftliche und finanzielle Lage betrifft, einsehen, so merken
wir doch auch, daß dies mehr den Verhältnissen als dem Willen der Menschen,
weder unserem noch dem unserer Arbeitgeber, zuzuschreiben ist. Wir sehen, daß
unsere wie aller Menschen verbesserte Lage das Ergebnis der großen Zunahme von
Bildung, von Erfindungen usw. der letzten fünfzig Jahre ist. Dies alles kam in
so rascher Folge, daß sowohl Arbeit wie Kapital von dem Impuls gleich einer Flut
emporgetragen und auf ein höheres Niveau gebracht wurde; und wenn wir die
Aussicht hätten, daß die Flut noch fort und fort steigen und fortfahren würde,
allen zu nützen, dann würden wir zufrieden sein; aber weil wir sehen, daß das
nicht der Fall ist, darum sind wir beängstigt und beunruhigt.
Wir sehen, die Flut fängt an, sich zu wenden, und ob auch durch dieselbe viele
zu Reichtum hoch emporgehoben wurden und fest und ruhig am Strande der
Sicherheit, des Luxus oder der Üppigkeit geborgen sind, so ist doch die große
Masse nicht so gestellt und gesichert, sondern in Gefahr, so tief, oder noch
tiefer als je, von dem Rückströme der jetzigen Ebbe hinabgetragen zu werden.
Daher kommt es, daß wir entschlossen sind, Maßregeln zu ergreifen, um unsere
gegenwärtige Lage und unser künftiges Vorwärtskommen zu sichern, ehe es zu spät
ist."
Um dieselbe Sache mit anderen Worten zu sagen: - "Wir (Handwerker und Arbeiter)
sehen, wenn auch die Menschheit im großen und ganzen an den Segnungen unserer
Tage teilgenommen hat, so haben doch die, welche vermöge größeren
Geschäftstalentes, oder durch Erbschaft, oder durch Betrug und Unehrlichkeit
Besitzer von Hunderttausenden und Millionen an Geld geworden sind, nicht nur
diesen Vorteil allen anderen voraus, sondern sind auch mit Hilfe der Erfindungen
von Maschinen usw. in der Lage, das Verhältnis der Zunahme ihres Reichtums im
Verhältnisse zur Abnahme der Gehälter der Lohnarbeiter aufrecht zu erhalten. Wir
erkennen, daß das kalte Gesetz des Angebotes und der Nachfrage uns vollständig
verschlingen würde, wenn nicht Schritte getan werden zum Schutze der wachsenden
Zahl der Handwerker gegen die wachsende Macht des Monopols, dem noch dazu die
arbeitsparenden Maschinerien usw. zur Seite stehen.
Mehr wegen dieser über unserem Haupte schwebenden Gefahr, als wegen unserer
jetzigen Lage organisieren wir uns und suchen nach schützenden Vorkehrungen.
Durch natürliche Vermehrung und (in Amerika) durch Einwanderung vergrößert jeder
Tag unsere Zahl zusehends; und fast jeder Tag bringt weitere arbeitsparende
Maschinen hervor. Jeden Tag wächst daher die Zahl der Arbeitsuchenden und
vermindert sich die Nachfrage nach ihren Diensten. Das natürliche Gesetz des
Angebotes und der Nachfrage würde demgemäß gar bald, wenn es so ununterbrochen
fortgehen dürfte, die Arbeit auf den Standpunkt bringen, den sie vor einem
Jahrhundert einnahm, und würde alle Vorteile unserer Zeit in der Hand des
Kapitals zurücklassen.
Das ist's, was wir zu vermeiden suchen."
Seit längerer Zeit haben Fernerblickende bemerkt, daß vieles was eigentlich
Segen bringen sollte, schließlich zum Schaden gereichen werde, wenn es nicht
durch weise und passende Gesetze in rechte Bahnen gelenkt würde, aber die
Schnelligkeit, mit der eine Erfindung der anderen folgte, und die daraus
folgende größere Nachtrage nach Arbeit zur Anfertigung dieser arbeitsparenden
Maschinerien, ist so groß gewesen, daß das drohende Ergebnis aus den Augen
verloren wurde, und die Welt statt dessen mit vollen Segeln dahinfuhr, ein
Steigen aller Werte, der Löhne, des Eigentums, des Kredits (der Schulden) und
der Ideen stattfand, wovon die unausbleibliche Rückwirkung und der
unvermeidliche Rückschlag nun allgemach Platz zu greifen anfängt.
In den letzten paar Jahren sind Ackerbaugeräte aller Art in ungeheurer Menge
verfertigt worden, die einen Mann befähigen, so viel zu leisten, wie früher von
fünf geleistet werden mußte. Das hat eine zwiefache Wirkung:
Erstens dreimal so viele Äcker können bearbeitet werden. Dies setzt, da es nur
dreien von den fünf Arbeitern Beschäftigung gewährt, zwei beiseite, um nach
anderer Arbeit auszuschauen. Zweitens, die drei Zurückbleibenden können mit
Anwendung der Maschinen eine ebenso große Ernte zuwege bringen, als fünfzehn
ohne dieselben fertig gebracht hätten. Die gleiche oder eine noch größere
Umwälzung wird in andern Tätigkeitszweigen durch ähnliche Mittel bewirkt, z. B.
in der Eisen- und Stahlbereitung. Ihr Wachstum ist ein so großes gewesen, daß
die Zahl der Angestellten sich sehr vermehrt hat, trotz der Tatsache, daß durch
Maschinenkran jetzt einem Menschen soviel wie vorher zwölf und noch mehr zu tun
möglich ist.
Eins wird daraus resultieren: Binnen kurzem wird die Leistungsfähigkeit dieser
ausgedehnten Werke den gegenwärtig noch sehr großen Anforderungen mehr als
genügen, die Anforderungen selbst aber, anstatt zuzunehmen, werden aller
Wahrscheinlichkeit nach abnehmen; denn die Welt ist bald über den gegenwärtigen
Bedarf an Eisenbahnen hinaus versorgt und die nötigen Reparaturen können
wahrscheinlich von weniger als der Hälfte der jetzigen Fabriken besorgt werden.
So finden wir die sonderbare Sachlage vor uns, daß eine Überproduktion
stattfindet, die gelegentlich sowohl Kapital wie Arbeit zur Untätigkeit zwingt,
während manche zu gleicher Zeit die Beschäftigung entbehren, durch die sie
imstande wären, sich das Nötige zum Leben und Luxusartikel anzuschaffen, wodurch
die Überproduktion verhältnismäßig ausgeglichen würde. Und noch immer geht das
Streben auf Überproduktion und Mangel an Beschäftigung hin und verlangt ein
Heilmittel, das die Ärzte der Gesellschaft wohl suchen, der Patient aber nicht
gebrauchen will.
"Während wir daher erkennen" (so fährt der Arbeiter fort), "daß, sowie das
Angebot die Nachfrage übersteigt, der Gewinn des Kapitals und der Maschinen
durch den Wettbewerb arg vermindert wird, und in aller Welt die Reichen durch
dieses Beschneiden ihres Profits arg beunruhigt werden, ja in manchen Fällen
wirklichen Verlust erleiden, so meinen wir doch, daß die Klassen, die von der
"Flut" und dem Steigen am meisten profitiert haben, auch unter der Rückwirkung
am meisten zu leiden haben sollten, anstatt der großen Masse. Darum, aus diesen
Gründen, erstreben die Lohnarbeiter die folgenden Ziele, wenn möglich auf dem
Wege der Gesetzgebung, oder, wie in Ländern, da aus diesem oder jenem Grunde die
Stimme der Massen nicht gehört und deren Interessen nicht gewahrt werden, durch
Gewalt und Gesetzlosigkeit"
Es ist vorgeschlagen worden, daß die Arbeitszeit im Verhältnis zur Kunst oder
zur Schwere der Arbeit ohne Abzug des Lohnes verkürzt werden solle; damit so
eine Anzahl Leute ohne Vermehrung der Produkte beschäftigt, und die künftige
Überproduktion durch Verleihung der Mittel zum Kauf an eine größere Zahl
ausgeglichen werden könnte. Man hat vorgeschlagen, den Zinsfuß für Geld
herabzusetzen und so eine Nachgiebigkeit der Darleiher gegen die Borger oder die
ärmere Klasse zu erzwingen, oder Untätigkeit oder Verrosten ihres Kapitals zu
bewirken.
Man hat vorgeschlagen, daß Eisenbahnen entweder Volkseigentum sein sollen,
betrieben durch dessen Diener, die von der Regierung Angestellten, oder daß die
Gesetzgebung ihre Vorrechte, Preisforderungen usw. beschränken und ihren Betrieb
auf solche Weise regeln solle, daß sie dem Publikum besser dienen. So wie es
jetzt ist, haben die Eisenbahnen, die während einer Zeit der erhöhten Werte
erbaut wurden, anstatt ihr Kapital zu beschneiden, um dem allgemeinen
Zusammenschrumpfen der Werte, das in jedem anderen Handels-Zweige wahrgenommen
wurde, Rechnung zu tragen, ihr ursprünglich schon großes Aktien-Kapital noch
zwei- oder dreimal vergrößert (was gewöhnlich das Verwässern der Aktien genannt
wird), ohne daß wirklicher Wert hinzugefügt wurde. So kommt es, daß die großen
Eisenbahn-Gesellschaften Prozente und Dividenden auf Aktien und Hypotheken
bezahlen wollen, die im Durchschnitt viermal so groß sind als diese Eisenbahnen
tatsächlich heute neu kosten würden. Und die Folge ist, daß das Publikum
darunter leidet.
Die Landleute müssen schwere Frachtpreise entrichten und finden es oft
vorteilhafter, ihr Getreide als Brennmaterial zu verwenden, und der Preis der
Nahrungsmittel für das Volk ist höher, ohne zum Vorteile des Landmannes zu sein.
Man hat vorgeschlagen, die Sache so zu bessern, daß die Eisenbahnen ihren
Aktieninhabern ungefähr 4 Prozent ihres gegenwärtigen wirklichen Wertes, und
nicht 4 bis 8 Prozent für den drei- bis viermaligen gegenwärtigen Wert bezahlen
sollen, wie von vielen geschieht, indem sie jede Wettbewerbung durch sogenannte
"Pools" (Zusammenziehung aller an einem Geschäfte Beteiligten, resp. ihrer
Kapitalanlage) ausschließen.
"Wir wissen gar wohl", sagt der Handwerker, "daß diese Herabsetzung des Profits
von dem angelegten Kapital in den Augen derjenigen, die dieses verwässerte
Aktienkapital besitzen, schrecklich erscheinen wird und ihnen wie Zähneausziehen
vorkommen mag, und daß sie die Empfindung haben, daß ihr Recht (?), ihre vom
Volke gewährten Freibriefe zu gebrauchen (dem Volke unermeßliche, auf erdichtete
Wertschätzung gegründete Gewinne auszupressen), schmählich mit Füßen getreten
würde, und daß sie auf alle nur denkbare Weise sich dem widersetzen werden. Aber
wir meinen, daß sie dankbar sein sollten, daß das Volk so nachgiebig ist und von
ihnen keinen Ersatz der auf solche Weise schon erlangten Millionen fordert. Wir
meinen, die Zeit sei gekommen, daß auch die Massen des Volkes gleichmäßiger an
den Gütern und Segnungen dieser segensreichen Zeit teilnehmen sollten, und um
das zu erreichen, solche Gesetze zu erlassen, daß alle gierigen Körperschaften,
die sich mit dem Gelde und der Macht (beides aus dem Volke stammend) gemästet
haben, eingeschränkt und durch Gesetze gezwungen würden, dem Volke für
angemessene Preise zu dienen.
Auf keine andere Weise können diese Segensgüter der Vorsehung den Volksmassen
gesichert werden. So sehen wir täglich, daß das Kapital, wie es in großen
Körperschaften vertreten ist (sonst in vieler Hinsicht gut und nützlich),
nunmehr den Nützlichkeitspunkt überschritten hat, und zum Bedrücker des Volkes
geworden ist, daß es eingeschränkt werden muß, wenn es nicht die Lohnarbeiter
bald zur Dürftigkeit und Sklaverei herabdrücken soll. Körperschaften, aus einer
Anzahl Leuten bestehend, die alle mehr oder weniger reich sind, kommen schnell
dahin, dieselbe Stellung zur großen Masse des Volkes Amerikas einzunehmen,
welche die "Lords" und Adligen Großbritanniens und Europas den Massen dort
gegenüber einnehmen, nur daß die Körperschaften noch mächtiger sind."
"Um unseren Zweck zu erreichen", sagt der Lohnarbeiter, "bedürfen wir der
Organisation; wir müssen die Mitwirkung der Massen haben, oder wir können nie
etwas gegen solch ungeheure Macht und solchen Einfluß ausrichten. Und obwohl wir
in "Vereinigungen" usw. organisiert sind, so darf das nicht so verstanden
werden, als begehrten wir Anarchie oder wollten irgend jemand Unrecht tun. Wir,
die große Mehrzahl des Volkes, wünschen einfach unsere eigenen Rechte und die
unserer Kinder zu schützen, indem wir denen vernünftige Grenzen setzen, deren
Reichtum und Macht uns sonst erdrücken würden, die aber, recht gebraucht und
begrenzt, zum allgemeinen Besten dienen könnten. Mit wenigen Worten, wir wollen
die goldene Regel erzwingen: Was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das
tut ihr ihnen."
Ein Glück wäre es für alle Beteiligten, wenn solche gemäßigten und vernünftigen
Mittel von Erfolg gekrönt werden würden; wenn der Reiche sich mit seitherigen
Errungenschaften zufrieden gäbe und mit der Mehrheit an der allgemeinen und
beständigen Besserung der Lage aller Klassen mitwirken würde; und wenn die
Lohnarbeiter bei solchen gerechten und billigen Forderungen stehen bleiben
würden; wenn die goldene Regel der Liebe und Gerechtigkeit so zur Tat werden
könnte. Aber in seinem gegenwärtigen Zustande wird der Mensch diese Regel ohne
Zwang nicht beobachten.
Obwohl es unter den Handwerkern der Welt einige gibt, die so gemäßigte und
gerechte Ideen haben, die große Mehrzahl hat sie nicht, sondern wird in ihren
Ideen und Forderungen extrem, ungerecht und anmaßend sein, über alle Überlegung
hinaus. Und jede Nachgiebigkeit von seiten der Kapitalisten wird solche
Forderungen und Ideen noch steigern; und jeder, der Erfahrung besitzt, weiß, daß
die Anmaßung und Herrschaft des unwissenden Armen doppelt schwer ist. Und so
gibt es auch etliche unter den Reichen, die der Sache in voller Sympathie
gegenüberstehen, ihr Mitgefühl gerne beweisen und solche Einrichtungen treffen
würden, die nach und nach die nötigen Reformen bewirken; aber sie sind in der
großen Minderzahl und gänzlich machtlos, die Korporationen zu beeinflussen oder
in ihren Privatgeschäften viel zu ändern. Ob sie Kaufleute oder Fabrikanten
sind, sie können die Arbeitszeit nicht kürzen noch den Lohn ihrer Angestellten
erhöhen, denn Wettbewerber würden dann billiger verkaufen, und für sie selbst,
ihre Gläubiger und ihre Angestellten würde finanzieller Zusammenbruch erfolgen.
So sehen wir die natürliche Ursache der großen Drangsal dieses "Tages Jehovas".
Selbstsucht und Blindheit werden die Mehrheit auf beiden Seiten der Frage
beherrschen. Lohnarbeiter werden sich organisieren und ihre Interessen vereinen,
Selbstsucht aber wird das Band zerreißen, und jeder wird auf eigene Faust, von
diesem Grundsatze getrieben, Pläne machen und auszuführen suchen. Die Majorität,
unwissend und stolz, wird die Oberhand gewinnen, und die bessere Klasse wird
machtlos sein, das im Zaume zu halten, was ihre Intelligenz organisierte.
Die Kapitalisten werden zu der Überzeugung kommen, daß, je mehr sie nachgeben,
desto mehr wird gefordert werden, und werden bald zu dem Entschlüsse kommen,
alle Forderungen zu verweigern.
Aufruhr und Aufstand werden folgen. Bei der allgemeinen Unruhe und dem Mißtrauen
wird das Kapital aus öffentlichen und privaten Unternehmungen zurückgezogen
werden, und Geschäftssperre und finanzielle Panik werden folgen. Tausende,
hierdurch aus der Beschäftigung getrieben, werden schließlich in Verzweiflung
geraten und tollkühn werden. Dann werden Gesetz und Ordnung hinweggefegt und die
Berge (Reiche) vom stürmischen Menschenmeere verschlungen werden.
So wird die soziale Erde schmelzen, und die regierenden Himmel (Kirche und
Staat) werden vergehen, und alle Stolzen, und alle, die da Unrecht tun, werden
Stoppeln sein. Dann werden die Helden (Mächtigen) bitterlich weinen, die Reichen
werden heulen, und Furcht und Schrecken wird über die ganze Menge kommen. Sogar
jetzt schon verschmachten verständige, weitsehende Menschen vor Furcht und
Erwarten der Dinge, die kommen sollen auf Erden, wie unser Herr vorhergesagt hat
... Die Schrift belehrt uns, daß bei diesem allgemeinen Zusammenbruch die
Namenkirche (alle Denominationen) allmählich mehr und mehr auf die Seite der
Regierungen und der Reichen gezogen werden und ihren Einfluß auf das Volk
einbüßen wird, und daß sie darum schließlich mit den Regierungen zu Falle kommt.
So werden die Elemente der Gesellschaft im Drangsalsbrande sich auflösen,
während die Himmel (kirchliche Herrschaften) mit großem Krachen vergehen.
Diese Drangsal wird aber die Welt zubereiten, daß sie erkennt, daß, wenn die
Menschen auch noch so gute Pläne machen und weise Anordnungen treffen, alle ihre
Versuche so lange vergeblich bleiben werden, als Weltweisheit, Selbstsucht und
Unwissenheit obwalten und die Herrschaft haben. Sie wird alle überzeugen, daß
der einzig ausführbare Weg, die Schwierigkeit zu überwinden, der ist, eine
starke und gerechte Regierung aufzurichten, die alle Klassen unterwerfen und die
Grundsätze der Gerechtigkeit erzwingen wird, bis nach und nach die steinernen,
harten Herzen der Menschen unter günstigen Einflüssen dem ursprünglichen Bilde
Gottes den Platz räumen. Und das ist es, was Gott zum Besten aller
hinauszuführen verheißen hat, welche Herrschaft von Jehova durch die
Züchtigungen und Lehren dieses Tages der Drangsal eingeführt wird ...
Weil nun dieser Tag der Drangsal als natürliche und unvermeidliche Folge des
gefallenen selbstsüchtigen Zustandes der Menschen hereinbrechen wird und vom
Herrn vollständig vorausgesehen und verkündet worden ist (Gott sah voraus, daß
seine Gesetze und Lehren von allen, außer von den wenigen, mißachtet werden
würden, bis Erfahrung und Zwang sie zum Gehorsam nötigen würden), so sollten
doch alle, die den Stand der Dinge erkennen, sich selbst und ihre
Angelegenheiten dementsprechend in Bereitschaft setzen. ...
Niemand wird der Drangsal ganz entgehen, aber die nach Gerechtigkeit trachten
und an der Demut sich ergötzen, werden vor den anderen manchen großen Vorteil
voraushaben. Ihre Lebensweise, ihre Art zu denken und zu handeln, sowie ihr
feines Gefühl für das, was recht ist, wird sie zur Erfassung der Sachlage, wie
auch zur Würdigung des biblischen Berichtes über diese Drangsal und ihren
Ausgang, befähigen und dazu beitragen, daß sie weniger als andere zu leiden
haben; besonders nicht von peinigender Furcht und banger Erwartung.
Der Verlauf der Ereignisse an diesem Tage Jehovas wird für alle, die nicht in
der Schrift bewandert sind, sehr betrügerisch sein. Er wird plötzlich daher
kommen, wie Feuer, das die Spreu verzehrt ...
Im Vergleiche mit den langen Zeitaltern der Vergangenheit und ihrem langsamen
Gange; aber nicht urplötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, wie manche
irrtümlicherweise erwarten, die voraussetzen, daß alles was über den Tag des
Herrn geschrieben steht, in einem Tage von vierundzwanzig Stunden erfüllt werden
wird. Er wird kommen "wie ein Dieb in der Nacht", in dem Sinne, daß sein
Herannahen heimlich und von der Welt unbemerkt stattfindet. Die Drangsal dieses
Tages wird wie in Krampfanfällen verlaufen; eine Reihe von Zuckungen wird
stattfinden, die häufiger und heftiger auftreten, je mehr der Tag
voranschreitet, bis zum letzten Krampf. ...
Jedesmal, wenn diese Arbeitswehen der neuen Zeit den gegenwärtigen politischen
Körper ergreifen, werden sie denselben an Kraft und Mut gesunken finden, und die
Schmerzen werden stärker sein. Alles, was die Heilkunst politischer Ärzte zur
Erleichterung der Gesellschaft tun kann, ist, dem Verlaufe der unausbleiblichen
Geburt zu helfen, nach und nach dem Ereignisse den Weg zu bahnen.
Vergeblich wäre es, sie hindern zu wollen, denn Gott hat beschlossen, daß es
geschieht. Viele der Ärzte der Gesellschaft werden jedoch über ihr wahres Leiden
und die Bedürfnisse und Dringlichkeit des Falles gänzlich in Unwissenheit sein.
Sie werden Gegenmaßregeln ergreifen; und da jeder Krampfanfall wieder
vorübergeht, so werden sie dies benutzen, die Rückhaltungsmaßnahmen zu
verstärken, und dadurch die Qual nur vergrößern. Und während ihre verkehrte
Handlungsweise die Geburt nicht lange verzögern wird, wird sie vielmehr den Tod
des Patienten beschleunigen; denn die alte Ordnung der Dinge wird unter den
Wehen zur Geburt der neuen den Tod erleiden.
Um deutlich zu werden, lassen wir dieses zutreffende Bild des Apostels beiseite
und sagen: Die Anstrengung der Massen, sich aus dem Griffe des Kapitals und der
Maschinen zu befreien, wird eine zu vorzeitige sein; Pläne und Vorkehrungen
werden noch unvollständig und ungenügend sein, wenn sie von Zeit zu Zeit ihren
Weg erzwingen und die engen Bande von "Angebot und Nachfrage" sprengen wollen.
Jeder erfolglose Versuch wird die Zuversicht des Kapitals auf seine Fähigkeit,
die Ordnung der Dinge aufrecht zu erhalten, stärken, bis endlich die
zurückhaltende Macht der Organisationen und Regierungen ihre äußerste Grenze
erreicht hat, und die Bande des gesellschaftlichen Organismus zerreißen werden.
Gesetz und Ordnung sind dann dahin; und Anarchie wird weit und breit alles das
herbeiführen, was die Propheten über diese Drangsal vorausgesagt haben, eine
"Drangsal, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist" - und
Gott sei Dank für die hinzugefügte Zusicherung - "noch je wieder sein wird."
Während der Herrschaft des Bösen und bis zu der für die Aufrichtung der
gerechten und mächtigen Regierung Christi festbestimmten Zeit, wäre es für die
gefallenen Menschen unbedingt schädlich gewesen, ihnen durch ein früheres
Aufkommen der gegenwärtigen arbeitsparenden Maschinerien oder sonstwie viel
müßige Zeit zu gestatten, Erfahrung hat das Sprichwort erzeugt: "Müßiggang ist
aller Laster Anfang" und hat so der Weisheit Gottes Beifall gezollt, die
bestimmte; "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du
wieder zur Erde werdest." ...
Die Drangsal des Tages des Herrn, die wir schon heraufziehen sehen, bestätigt
die Weisheit dieser Anordnung Gottes; denn sie kommt, wie wir gesehen haben, als
Folge der Überproduktion durch arbeitsparende Maschinen und durch das Unvermögen
der verschiedenen Elemente der Gesellschaft, sich in ihrer Selbstsucht den neuen
Verhältnissen anzupassen.
Ein unbestreitbarer Beweisgrund dafür, daß dies Gottes rechte Zeit zur
Einführung der neuen Ordnung der Dinge ist, ist dies, daß er den Schleier der
Unwissenheit lüftet und nach und nach das Licht der Erkenntnis und der
Erfindungen über die Menschheit sich ausbreiten läßt, wie es vorhergesagt war,
und mit den vorhergesagten Resultaten ...
Wäre die Erkenntnis früher gekommen, so wäre auch die Drangsal früher gekommen;
und obgleich sich nach ihrem Sturme und Zerschmelzen die Gesellschaft wieder
organisiert haben könnte, so würde es doch keine neue Erde (gesellschaftliche
Ordnung), in welcher Gerechtigkeit herrscht, gewesen sein, sondern eine neue
Ordnung, in der die Sünde und das Laster nur um so ärger hausen würden; und zwar
darum, weil die geeignete Verteilung der Vorteile der arbeitsparenden Maschinen
mit der Zeit kürzere und kürzere Arbeitszeit gebracht haben würde, und so der
gefallene Mensch ohne die ursprüngliche Sicherheitsmaßregel mit seinen
verderbten Meinungen seine Freiheit und Zeit nicht zur Förderung seiner
geistigen, moralischen und physischen Anlagen verwandt hätte, sondern, wie die
Geschichte der Vergangenheit beweist, der Zügellosigkeit und dem Laster
verfallen wäre."
Und nachdem man so ausführlich Russell zitiert hat, meint man sich dann
noch selbst mit den Worten „auf die Schulter klopfen zu können":
"Müssen nicht diese vor 40 Jahren geschriebenen Ausführungen als
hochprophetische heute bis in die kleinsten Teile erfüllte Weissagung bezeichnet
werden?
Sind das nicht gerade die führenden Geister, die unsere arme, zerrüttete
Menschheit ihm Jahre 1923 braucht? Würden solche Männer, die mit einem so
unvergleichlichen Scharfblick vor vielen Jahren unsere heutigen Zeitereignisse -
den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch - voraussahen, nicht geeignetere
Führer sein als diejenigen, die mit nationalistischen oder materiellen Fesseln
gebunden sind und deren Maßnahmen und Abwehrmittel so offensichtlich den Stempel
der Kurzsichtigkeit tragen?
Heute erkennen wir, daß die vorstehenden Ausführungen, die vor 40 Jahren die
kommenden Ereignisse so genau beschrieben, zum voraus geschriebene Geschichte
sind, die sich auf das Genaueste erfüllte. Zeitgenössische Schriftsteller und
Zeitungsschreiber liefern tagtäglich die Bestätigung der Richtigkeit dieser
Darlegungen."
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GZ 1. 3. 1923
Auf die wundersame Geschichte, welche im „Goldenen Zeitalter" vom 1. 3.
1923 berichtet wird, wurde unter Hinweis auf den Zeitzeugen Fetz schon früher
einmal hingewiesen. Zur Erinnerung Fetz berichtete:
„Wie wir neuerdings durch die Bibelforscher-Redner erfahren, wird ein um die
Erde liegender Elektrizitätsring (den Saturnringen ähnlich!) platzen und der
Erde paradiesische Fruchtbarkeit ermöglichen. Als Beweis, dass die große
Fruchtbarkeit überhaupt möglich sei, berichtet
ein Bibelforscher-Redner 1923 im Bremerhafen, dass es schon jetzt einem
Gelehrten gelungen sei unter dem Einflusse der Elektrizität eine Bohne zu
züchten, an der 17 Personen sich hätten satt essen können."
Siehe zu diesem Thema:
Parsimony.19242
Und mit Textzitierung:
Parsimony.19243
Bekanntlich wurde anfänglich auch bei den Bibelforschern das Weihnachtsfest
gefeiert. Einem ersten Anzeichen der Absetzung von diesem kulturellem Brauch,
kann man in der Rubrik „Frage-Kasten" des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 3. 1923
(Ausgabe Bern. In der Ausgabe Barmen am 1. 5. 1923) begegnen. Da wurde
angefragt:
„Wie denken Sie über die Gewohnheit mancher Eltern ihren Kindern zu
Weihnachten oder Ostern zu erzählen, die Geschenke seien vom Christkind oder
Weihnachtsmann, und die Ostereier habe der Osterhase gelegt?"
In der diesbezüglichen Anwort wurde ausgeführt:
„0, wir denken, daß das eine große Unsitte ist, die keinerlei moralischen
Vorteil, aber viel Nachteil in sich birgt. Vor allen Dingen ist diese Gewohnheit
der Entwickelung eines Geistes absoluter Wahrhaftigkeit hinderlich. Denn früher
oder später erfährt das Kind doch die Wahrheit, erfährt, daß es weder einen
Weihnachtsmann noch einen Osterhasen gibt und dann treten auch sofort die bösen
Folgen dieser falschen Erziehung in Erscheinung. Wenn das Kind mit starkem
Wahrhaftigkeitsgefühl ausgestattet ist, wird es sich dann der Tatsache bewußt:
Die Eltern haben dir da etwas Unwahres erzählt, wovon sie ganz genau wußten, daß
es nicht der Wahrheit entsprach. Sicherlich wird diese Erkenntnis zum Nachteil
für Eltern und Kinder werden, denn sie erschüttert das Vertrauen und die
Achtung, diese beiden wichtigen Grundpfeiler der Kindesliebe. Wünscht Ihr
dieses, Mütter, Väter?"
Weiter meint man:
"Ach", sagt eine betrübte Mutter mit weinerlicher Stimme, "warum soll man den
Kindern diese Freude nehmen. Man wüßte doch wirklich nichts Schöneres zu finden
als die alte liebe Geschichte vom Weihnachtsmann und Osterhasen."
Dazu kommentiert das GZ:
„Wirklich nicht?" Und offeriert den nachfolgenden „Erfahrungsbericht":
„Einige Wochen vor Weihnachten: Die Familie sitzt im Wohnzimmer, die Kleinen
sitzen auf dem Teppich und spielen, als der Vater sagt:
"Fred, Leni, wißt ihr auch, daß in drei Wochen Weihnachten ist?" Ohne eine
Antwort abzuwarten fährt er fort:
"Weihnachten ist ein Fest, das die Menschen eingeführt haben, um Gott zu zeigen,
daß sie voller Dankbarkeit daran denken, daß er uns seinen lieben Sohn geschenkt
hat zur Erlösung von Sünde und Tod."
"Vati" - fragt der etwas nachdenklich veranlagte Fred - "was tun die Menschen
denn zu Weihnachten?"
"O, sie singen Lieder, beten, schenken sich gegenseitig allerlei schöne Sachen
und sind fröhlich und lieb miteinander."
"Warum schenken sie sich denn etwas?" fragt der kleine Grübler weiter. "Nun, es
ist doch eine so schöne Sitte, welche die Herzen verbindet, und in so passender
Weise an das große Geschenk erinnert, das Gott der Menschheit mit der Gabe
seines lieben Sohnes machte."
"Papi" - läßt sich nun die etwas materiell veranlagte Leni vernehmen - "bekommen
wir auch etwas geschenkt zu Weihnachten?"
"Wir wollen sehen", sagt der Vater. "Ich denke, wenn ihr recht schön lieb und
brav seid, wenn ihr stets weiter bemüht bleibt, gehorsam zu sein, euch nie zu
zanken und nie vergeßt, zum lieben himmlischen Vater zu beten, dann wird Gott
mir es möglich machen, euch etwas Schönes zu schenken.
(Einfügung. Zitat: „wird Gott mir es möglich
machen, euch etwas Schönes zu schenken". Offenbar gibt der GZ-Schreiber sich
keine Rechenschaft darüber dass nicht „Gott" sondern eben die Eltern für die
Geschenke verantwortlich sind. Man muss ihm also eine Inkonsequenz
bescheinigen).
Weiter geht es im Text:
„Habt ihr denn besondere Wünsche?
Ich will sehen, was ich tun kann in der Sache. ... Auch am Weihnachtsabend, bei
der Übergabe der Geschenke an die Kinder versäume ich nicht, darauf aufmerksam
zu machen, wie gütig Gott ist, daß er es mir möglich machte, meine Lieben so
reichlich zu beschenken. Das erzeugt Dankbarkeit. ...
Ähnlich handle ich heim Osterfeste, wo ich von der Süßigkeit der Freude spreche
welche die zum Heil der Menschheit erfolgte Auferstehung Jesu erzeugte. Ich
erzähle, wie diese Freude erst verborgen, und von banger Erwartung und
Ungewißheit, wie sie bei den Jüngern des Herrn vorherrschte, verdeckt ward, dann
aber offenbar wurde und das Herz erfreute.
Dann sage ich den Kindern, daß gleichsam als eine Illustration hiezu auch die
ihnen zugedachte Süßigkeit versteckt sei, sie möchten aber mit Fleiß und
Ausdauer suchen, dann werde Freude ihr Teil werden. Auch hierbei versäume ich
nicht, denen die ihr Ostergeschenk in Form einiger Süßigkeiten gefunden haben,
schon um des oben genannten Grundsatzes willen an die Süßigkeit der Liebe
Gottes, die auch diese Osterfreuden bereitete, zu erinnern."
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GZ 15. 3. 23
Christentumsvertreter der konservativen Art, zeigten sich nicht selten
deutlich pikiert, über die ihrer Meinung nach, zu „irdische Orientierung" der
Bibelforscherbewegung, welche sich ja auch in dem programmatischen
Zeitschriften-Namen „Das Goldene Zeitalter" niederschlägt. Genannte konservative
Kreise waren (und sind?) nicht selten der Meinung; „Hallelujagesänge" und der
„Himmel" haben als eigentliches Ziel allen menschlichen Daseins zu gelten.
Zum Detail ihrer Weltsicht gehören dann auch solche Begriffe wie „Lösegeld" und
ähnliches. Der Gott müsse „besänftigt" werden, am besten durch den „Tod seines
Sohnes". Argwöhnisch wird alles beobachtet, was nicht mit diesem ihrem „Mainstream"
übereinstimmt.
Nun haben sie allerdings bei den „Bibelforschern" dergestalt Pech, dass Russell
den Begriff „Lösegeld" mit in sein System eingebaut hat. Er hatte in der
Frühzeit (jedenfalls nach seiner Darstellung) sogar einen wesentlichen Disput
mit seinem einstigen Mitkämpfen Barbour dem er vorwarf er wäre von der rechten
Lehre abgewichen in dem er erklärte.
„Unseres Herrn Tod kann nicht mehr nützen zur Bezahlung der Strafe für die
Sünden der Menschen als das Durchstechen einer Fliege mit einer Nadel (wodurch
sie leiden und sterben würde). "
Dem wollte sich Russell nun keineswegs anschließen, und diese Kontroverse
soll nach seiner Darstellung, der äußere Anlass der Trennung von Barbour gewesen
sein.
In der Rubrik „Frage-Kasten" des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 3. 1923, begegnet
man nun solch einem Argwohn (offensichtlich aus der konservativen
Christentumsecke), welcher nicht so recht glauben will, dass auch die
Bibelforscher den Begriff „Lösegeld" verwenden. Der Fragesteller formulierte
seine Frage daher wie folgt:
„Wird es Gläubige nicht verwirren, wenn Sie in ihrer Zeitschrift oft darauf
hinweisen, daß durch gewaltige Vorgänge in der Natur, sowie stete Entwicklung
und Fortschritte der Wissenschaft der Menschheit unbedingte Aussicht auf ewiges
Leben zugesichert ist, während uns der Plan Gottes nur - eine Gelegenheit -
zeigt, dieses zu erlangen, das, was in Adam verloren ging, wieder zu erhalten -
durch den Glauben an das Lösegeld Jesu Christi, - durch welchen allein die
Auferstehung der Toten, die Aufrichtung des Königreiches Gottes, die
Wiederherstellung aller Dinge und ewiges Leben der Menschheit geboten ist?
Könnten Leute nicht in Versuchung kommen, wenn sie solches lesen, sich zu
fragen:
"Ja, wozu denn das Lösegeld Jesu Christi und der Plan Gottes, wenn die
Naturgesetze schon ewiges Leben garantieren?"- ...
In der Antwort darauf weist das GZ die Unterstellung zurück, man halte es
nicht mit dem Lösegeld.
Zitat:
„Wenn also Zeichen der Zeit als Beweis für das Hereinbrechen des Goldenen
Zeitalters beleuchtet werden, so wird damit nur auf die Segnungen aufmerksam
gemacht, die der Menschheit werden können durch das Lösegeld und dessen
Inanspruchnahme."
Ob denn diese Antwort den offensichtlich auf „Hallelujagesang" und „Himmel"
eingestimmten Fragesteller wirklich befriedigt hat, mag man indes weiterhin mit
einem Fragezeichen versehen.
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GZ 1. 4. 23
Die besondere Affinität der frühen Bibelforscherbewegung für den
Berufszweig der Heilpraktiker, mit Nachwirkungen bis in die Gegenwart, ist
bekannt. Einem diesbezüglichen Dokument kann man auch in der Schweizer Ausgabe
des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 4. 1923 begegnen. Da versucht ein mit Dr. O.
St. gezeichneter Artikel eine Lanze für „Biochemische Präparate" zu brechen.
Seinen Artikel lässt er mit den Sätzen ausklingen:
„Wer biochemische Präparate gegen alle seine Übel und Mängel gebraucht, wird
bald sein körperliches und geistiges Wohlbefinden so gehoben finden, wie es bei
Anwendung von Medikamenten, durch ärztliche Eingriffe oder irgendwelche
Natur-Heilmethoden nicht möglich wäre.
Die zwölf Salze, die als die Schüsslerschen Mittel bekannt sind, sind nicht
völlig biochemisch, denn sie sind auf Analysen gegründet, die man von zu Asche
verbrannten Körpern gemacht hat. Aber die mehr als 2000 Gewebe- Salze- und
Drüsen-Präparate, die als Ensign-Mittel bekannt sind, sind wirklich biochemisch,
weil sie auf Analysen von nicht nur lebenden, sondern auch gesunden Stoffen und
Drüsenabsonderungen gegründet sind.
Sie müssen vorsichtig und zweckentsprechend ausgewählt und gebraucht werden,
andernfalls werden sie mit geringem oder gar keinem Nutzen genommen werden.
[Einfügung „geringem oder gar keinem Nutzen".Also
das berühmte Hintertürchen]
Diejenigen, die Meister in ihrer Anwendung geworden sind, können wahrhaftig
bezeugen, daß diese Mittel der Wiederherstellungsmöglichkeit am nächsten kommen
und daß sie der stärkste wissenschaftliche Beweis dafür sind, daß im Goldenen
Zeitalter, Krankheit, Not und Tod gänzlich verschwinden werden unter der weisen
Herrschaft des gerechten Friedefürsten."
Und ferner liest man in diesem Artikel:
„Jahrelange Erfahrungen berechtigen mich, ein Zeugnis von der Wirksamkeit
biochemischer Präparate zu geben. Seit zwanzig Jahren habe ich mich voll tiefen
Interesses mit Körperpflege und Diätetik beschäftigt und vor zehn Jahren gewann
ich besonderes Interesse für Biochemie.
Während dieser zwanzig Jahre kam ich wieder und wieder mit jeder Art von
Krankenbehandlung, die es nur gibt, in Berührung, und es ist meine ehrliche
Überzeugung, daß die Biochemie das wirksamste und vorteilhafteste Mittel ist,
das zur Behebung fast aller unnormalen körperlichen und geistigen Zustände
angewandt werden kann. Und mehr als das, sie kann einem jeden dazu verhelfen,
völlig frei und unabhängig von Ärzten, Medikamenten, Serum-Impfungen und
Operationen zu werden. In Amerika hat man die sogenannten Ensign-Mittel. Diese
sind streng biochemisch - das heißt, sie sind in genauer Übereinstimmung mit den
Gesetzen, die die Chemie des Lebens beherrschen, hergestellt. Sie sind weder
Drogen noch Medikamente außer in dem Sinne, daß sie verbessernd oder heilend auf
den Körper einwirken. Es sind physiologische Nährmittel. Darunter ist zu
verstehen, daß diese Mittel absolut dasselbe sind wie der fertige Stoff, aus dem
die Zellen, Gewebe und Drüsen des menschlichen Körpers bestehen. Darin
unterscheiden sich die biochemischen Präparate von allen Drogen und
Medikamenten.
Die Speisen, die wir zu uns nehmen, sind unverdaute, unverarbeitete, daher
unfertige Stoffe. Um dem Körper zu nützen, müssen sie in fertige Stoffe
umgewandelt werden, wie diese zum Aufbau gesunder Zellen, Gewebe und Drüsen
erforderlich sind. Diese fertigen Stoffe werden in den "Mühlen und Fabriken" des
Körpers hergestellt.
Wenn nun aus irgend einem Grunde diese "Mühlen und Fabriken" des Körpers
verfehlen, vorschriftsmäßige Stoffe herzustellen, so werden die Zellen, Gewebe
und Drüsen ungenügend gebildet und somit ein krankhafter Zustand geschaffen.
Fast alle Krankheiten und Störungen, sowie körperliche und geistige
Unvollkommenheiten sind die Folge davon, daß die "Mühlen und Fabriken" des
Körpers nicht die vorschriftsmäßigen Stoffe erzeugten. Der einzige Weg, auf dem
solche Zustände je wieder aufgebessert werden können, ist, den Körper wieder mit
den Bestandteilen zu versehen, die ungenügend vorhanden sind, nicht in roher
Form, wie sie sich in Speisen oder in Drogen und Medikamenten befinden, sondern
in verarbeiteter Form, wie sie bei ordnungsgemäßer Verdauung und ähnlichen
Vorgängen der Drüsen-Tätigkeit hergestellt werden. Oft hilft sich die Natur von
selbst, aber in häufigen Fällen geht die Aufbesserung sehr langsam von statten,
und nicht selten kann das Übel nicht wieder behoben werden. Da die biochemischen
Präparate lediglich vollständige Ergänzung der verarbeiteten Stoffe, aus denen
sich die Zellen, Gewebe und Drüsen des Körpers zusammensetzen, sind, wird
dadurch auf natürliche Weise ergänzt, was die Natur nicht aus den genossenen
Speisen herzustellen vermag. Dadurch werden Störungen, Krankheiten und Leiden
behoben, wie es durch keine andere Methode möglich wäre.
Als Vorbeugungsmittel habe ich die biochemischen Präparate unerreicht gefunden.
Bei der Behandlung von Krankheiten bewirken sie eine viel schnellere Besserung
als irgend eine andere medizinlose Behandlung. Diese Mittel helfen in den
meisten Fällen mit Leichtigkeit, wo andere medizinlose Methoden versagt haben.
Und weiterhin werden sie jedem das zu erreichen helfen, was durch Körperpflege
und Diät angestrebt wird."
Nun, da wird wohl bei der zeitgenössischen Leserschaft nur eine Assoziation
„hängen geblieben" sein. Das sei ja das „wahre Wundermittel" Bekamen sie dann
noch zu lesen, wie zitiert:
„Bei der Behandlung von Krankheiten bewirken sie eine viel schnellere
Besserung als irgend eine andere medizinlose Behandlung. Diese Mittel helfen in
den meisten Fällen mit Leichtigkeit, wo andere medizinlose Methoden versagt
haben", dürfte wohl die anfängliche Euphorie ungeahnte Höhen erreicht
haben.
Ob denn solcher Art „Wundermittel" wirklich die erhofften Wirkungen gezeitigt,
muss aber doch wohl weiterhin mit einem Fragezeichen versehen bleiben. Das
einzigst gesicherte „Wunder" dürfte sich allenfalls in den Finanzbilanzen der
Hersteller solcher Mittel, und in den Finanzbilanzen der „Heilpraktiker" als
Vermittler solcher „Erkenntnisse" abgespielt haben.
Offensichtlich war der GZ-Redaktion beim Abdruck dieses Artikels wohl selbst
nicht so recht wohl, wovon denn ein geschraubt formulierter Nachsatz zu diesem
Artikel kündet. Zitat:
„Zu dieser Betrachtung bringen wir nachstehend noch einen interessanten
Nachsatz unseres geschätzten Mitarbeiters"
[Einfügung: Unklar bleibt wer der „geschätzte
Mitarbeiter" ist. Der Autor des Artikels? Oder ein Mitglied der GZ-Redaktion
]
Weiter geht es mit dem Nachsatz:
„Die Aufnahme des vorstehenden Artikels halte ich nicht ohne weiteres für
angezeigt. Nach meinen persönlich gemachten Studien nimmt der Körper künstliche
chemische Produkte nicht an, sondern es ist gerade wesentlich, daß er die
nötigen Nahrungsstoffe aus den natürlichen Nahrungsmitteln selbst entnimmt.
Diese Ansicht wird in weiten Kreisen vertreten. Man sieht also wieder einmal,
wie alle menschliche wissenschaftlich praktische Erkenntnis Stückwerk ist.
Bei der Aufnahme mußte wenigstens der Schluß dahin geändert werden, daß diese
chemischen Produkte in der Übergangszeit eines der Mittel bilden werden, dem
Menschen, durch Förderung seiner Gesundheit, die Widerstandskraft zu stählen;
denn zum ewigen Leben im Goldenen Zeitalter wird ihm die vollkommen werdende
Erde auch vollkommene Nahrungsmittel bieten, die den Körper erhalten, und weder
Krankheit noch Dahinsiechen noch Altern aufkommen lassen."
Versteht man diesen Nachsatz recht, so wird mit ihm die vorhergehende
Euphorie wieder relativiert, auf den Satz
„genaues weis man nicht". Eben weil das so ist, hätte man sich
diese Euphorie-Ausführungen auch ersparen können. Man stochert im Nebel herum.
Und was hat man erreicht? Das weiterhin Nebel ist!
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GZ 1. 4. 23
Nun, ab 1. April 1923, erschien auch in Deutschland (Barmen) das „Goldene
Zeitalter" als eigenständige Ausgabe. Die früher gestartete Schweizer Ausgabe
blieb davon offenbar unberührt. Dies lässt sich beispielsweise an den
nachfolgenden Indizien belegen.
Während für die Schweizer Ausgabe (in der Anfangszeit) ein E. Zaugg als
verantwortlicher Redakteur genannt wurde, nimmt in der deutschen Ausgabe P. J.
G. Balzereit, dieselbe Position war.
Während die Berner Ausgabe ihre Jahrgangszählung ungebrochen fortsetzt (die
Berner Ausgabe des GZ vom 1. 4. 1923 wird als 1. Jg. Nr. 13 bezeichnet) fängt
die Barmer Ausgabe vom 1. 4. 1923 bei Null an (diese Ausgabe bezeichnet sich als
1. Jg. Nr. 1).
Auch die Preisangabe der deutschen Ausgabe ist durchaus zitierenswert: 200 Mark
die Einzelnummer! Das ist durchaus nachvollziehbar, grassierte zur fraglichen
Zeit ja die Inflation in Deutschland. Schon aber der Ausgabe vom 1. 6. 1923
wurde auch diese Angabe geändert. Jetzt formulierter man vorsichtigerweise:
„Preis veränderlich". Allein man wird sagen können. Ohne auch den finanziellen
Background aus den USA, hätte das Unternehmen zur fraglichen Zeit, nur wenig
Überlebenschancen gehabt.
Das wird in späteren GZ-Ausgaben noch deutlicher. So muss beispielsweise die
Magdeburger Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 1. 8. 1923 die nachfolgende
redaktionelle Mitteilung machen:
"Die Preise aller Materialien zur Herstellung unserer Zeitschrift erhöhen
sich infolge der katastrophalen Entwertung der Mark von Stunde zu Stunde derart,
daß eine Vorauskalkulation auch nur auf einen Monat zur Unmöglichkeit geworden
ist. Während wir vor Drucklegung der Nummer 8 glaubten mit Mark 5000, - für alle
6 Nummern des zweiten Quartals auskommen zu können, kostet heute, kaum 8 Tage
später, allein der nackte Bogen Papier für ein Stück des G.Z. 9-10000 Mk.
Wir sehen uns daher nicht nur gezwungen, die Bezugspreise wesentlich zu erhöhen,
sondern auch die Abonnementspreise samt dem damit verbundenen Nachzahlungssystem
aufzuheben und dafür Nummernpreise und nummernweise Zahlung einzuführen ....
Für diejenigen unserer Leser, die nicht beim Verlag sondern bei der Post
abonniert und dort 1500 Mark bezahlt haben, muß aus posttechnischen Gründen das
bisherige Zahlungssystem bis 1. Oktober beibehalten werden. Sie werden also
gebeten, eine Nachzahlung in Höhe von 35.500 Mk. bis spätestens 15. August zu
leisten, falls sie nicht wünschen, von der Bezieherliste gestrichen zu werden.
..."
Die Schweizer Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 15. 8. 1923 brachte mal
(auszugsweise zitiert) den folgenden Vergleich bezüglich der deutschen Infation:
"Man erhielt in Deutschland für je 1000 Mark am 10. Juli 1923
l Anzugsknopf ... am 10. Juli 1913: 10 Anzüge nach Maß"
Selbstredend hatte die Inflation (Folgewirkung des ersten Weltkrieges) auch
massive politische Verwerfungen zur Folge. Die WTG wäre nicht die WTG, hätte sie
nicht auch das als vermeintliches „Wasser" für ihre Endzeitmühlen geleitet. So
etwa in der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 10. 1923 in
einem Standardkommentar unter der Überschrift „Von hoher Warte".
Da meinte sie folgendes (unter anderem wahrzunehmen) angereichert mit einem
Bild.
„Seit unserer letzten allgemeinen Rundschau .am 15. Juni hat sich der
europäische Horizont neuerdings stark verdunkelt. Gewitterwolken jagen einher,
Blitze zucken, Donner rollen an allen Ecken und Enden. Mehr und mehr
konzentriert sich ein unheilvoller Sturm über Deutschland. Dieser Teil der Erde
erfordert deshalb in besonderer Weise unsere Aufmerksamkeit, denn dort wird
offenbar die furchtbare Entladung des drohenden Gewitters beginnen.
Was geht in Deutschland vor sich?
Diese Frage wird in der Welt sehr verschieden beantwortet. Mancherorts besteht
die Auffassung, als seien die derzeitigen krisenhaften Zuckungen dieses Volkes
die sicheren Anzeichen einer langsam sich vorbereitenden Heilung des gesamten
Wirtschaftskörpers dieses großen Landes.
In Frankreich und Belgien dagegen werden die derzeitigen deutschen Geschehnisse
als Beweise einer nahe bevorstehenden endgültigen Kapitulation gebucht, die
endlich gestatten werde, ein vernünftiges Wort mit dem ehemaligen Feinde zu
reden. Man müsse nur ganz gelassen die Entwicklung der Dinge abwarten.
In England aber sieht man dieser Entwicklung der Dinge mit größter Besorgnis
entgegen.
Rußland triumphiert und glaubt die Zeit gekommen, Deutschland bolschewisieren zu
können. Auch die deutschen und besonders die Ruhr- und Rheinlandbolschewisten
glauben dies. Der "Marin" Nr. 12617 bringt folgenden sensationellen Auszug einer
kürzlich in Moskau gehaltenen Rede Zinovieffs:
"Die Ereignisse, die sich gegenwärtig in Deutschland abwickeln, bezeichnen
deutlich den Anfang der Revolution in ganz Europa. Die Ereignisse entwickeln
sich mit einer solchen Geschwindigkeit, daß die Endphase unbedingt in einigen
Monaten, wenn nicht gar in einigen Wochen erzielt sein wird.
Die III. Internationale steht im Begriff einen Appell an alle Arbeiter der Welt
zu erlassen. Wir müssen dem deutschen Proletariat zu Hilfe kommen, indem wir mit
ihm zusammen eine Einheitsfront bilden gegen die Bürgerlichen."
Dieses befürchtend hat der Kapitalismus Polen zu einer militärischen Hochburg
ersten Ranges ausgebildet. Dieses Land soll die Schutzmauer für Europa gegen
eine weitere Ausdehnung des Bolschewismus bilden. Polen hat aber keine
natürliche Grenze, die als Schutzmauer dienen könnte, denn es ist ein weit
offenes Land. Wenn also die 60 Millionen Deutschen beschließen mit den 80
Millionen Russen gemeinsame Sache zu machen, so wird die Schutzmauer von 24
Millionen Polen vollkommen wirkungslos sein.
Die Nationalisten in Deutschland selbst halten den jetzigen Zeitpunkt für
denkbar geeignet, um ihre Träume zu verwirklichen. In Bayern und anderswo wird
frisch und froh für den Bürgerkrieg gerüstet; die bayrische Faust werde schon
alles wieder in Ordnung bringen.
Wer hat nun Recht?
Was geht gegenwärtig in Deutschland vor sich?
Sind die heutigen Ereignisse Zeichen des bevorstehenden Aufbaues oder des
völligen Zerfalles?
Wer die wirtschaftliche. und politische Lage Deutschlands sorgfältig prüft, wird
unbedingt zum Schluß kommen, daß in diesem Lande ein fortschreitender Zerfall,
eine unleugbare Zersetzung des gesamten Volks- und Wirtschaftskörpers vor sich
geht. Weder die Nationalisten und Royalisten, noch die Bolschewisten werden
dabei auf ihre Rechnung kommen. Es ist der große Auflösungsprozeß, welcher der
Aufrichtung des Goldenen Zeitalters unmittelbar vorangeht. ...
Die sich täglich mehrenden weltenweiten Schwierigkeiten sind somit ein
untrüglicher Beweis, daß der König aller Könige nun tatsächlich an der Arbeit
ist, das alte Haus abzubrechen. Ferner kann heute jeder denkende Mensch sehen
und erkennen, daß dieses vorausgehende schmerzvolle Abbrechen einen durchaus
unumgänglichen Vorläufer einer besseren Gesellschaftsordnung bildet, und daß
ohne diese tiefgehende Operation die Menschheit nie genesen kann. Diese
Geschehnisse beschreibt der Prophet Gottes
in erhabener Sprache, wenn er sagt: "Jene [die das Goldene Zeitalter kommen
sehen] werden ihre Stimme erheben, werden jubeln. Ob der Majestät Jehovas [die
sich nun schon im Abbruch des alten Hauses offenbart] jauchzen sie vom Meere
[Völkermeer] ..."
Auch die deutsche Ausgabe des GZ schwelgt in der Konzeption euphorischen
Meldungen. Russell hatte es vorgemacht, indem er den
wissenschaftlich-technischen Fortschritt mit in sein System einbaute. Und der
Zeitschriftentitel „Das Goldene Zeitalter" unterstreicht das dann noch.
So weis auch das GZ Barmen schon in der ersten Nummer einen entsprechenden
Bericht zu offerieren. Unter der Überschrift „Moderne Wunder" liest man dort:
„Die Zeit der Wunder liegt weit zurück in der Vergangenheit - so denken die
Menschen im allgemeinen, wenn von diesem Gegenstand die Rede ist. Wenn wir nun
aber ein Stück Kohle und ein Glas Wasser nehmen mit der Behauptung, daß dies
Kraft ist, mit welcher alle Maschinen betrieben werden können, so wird jeder
zugeben, daß, sofern dies tatsächlich der Fall ist, ein Wunder vorliegt. Dieses
Wunder verrichtet die Dampfmaschine, welcher Kohle und Wasser die erforderliche
Kraft seit langer Zeit spendet.
Ebenso unglaublich klingt die Behauptung, man könne Wasser in ein großes Feuer
verwandeln. Die beiden Hauptelemente des Wassers aber - Sauerstoff und
Wasserstoff - verursachen im Knallgasgeblase eine Flamme von solch intensiver
Hitze, daß sie nur vorn elektrischen Ofen übertroffen wird.
Daß wir mit derselben, die Dampfmaschine speisende Kohle und dem Wasser, Zucker
herstellen können, ist nicht weniger wunderbar. Das brachten unsere Chemiker
tatsachlich zustande durch die Verbindung von Kohlenstoff mit Wasserstoff und
Sauerstoff.
Nun laßt uns das Stück Kohle in geschmolzenem Eisen auflösen und die
weißglühende Masse langsam ins Wasser gießen. So wie das Eisen mit
Chlorwasserstoff ausgeschieden ist, bleiben Diamanten zurück - allerdings nur
winzig klein, aber immerhin Diamanten. Wir brauchen außer diesen Beispielen, wo
Kohle und Wasser in Kraft, Hitze, Zucker und Diamanten verwandelt werden kann,
kaum noch weitere anzuführen, um den Beweis zu erbringen, daß die Zeit der
Wunder durchaus nicht etwa hinter uns liegt, sondern daß wir direkt darin leben
und daß die nächste Zukunft uns noch viel größere Wunder dieser Art offenbaren
wird."
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Zwei Lieblingsthemen der zeitgenössischen Bibelforscher begegnet man im
„Goldenen Zeitalter (Ausgabe Bern) vom 15. 4. 1923
Einmal dem berühmt-berüchtigten „Wunderweizen". (Ausgabe Barmen erst in der
Ausgabe vom 1. 10. 1923). Der Fall wurde schon an anderer Stelle referiert.
Siehe dazu:
Wunderweizen
Angereichert wurde der Wunderweizen-Artikel im GZ auch noch durch drei Bilder,
um so seine Bedeutung zu unterstreichen. (Probehalber sei mal versucht diese
Bilder hier wieder zu geben. Bezüglich der schlechten technische Qualität wird
um Nachsicht gebeten).
Das zweite die zeitgenössischen Bibelforscher "aus dem Häuschen geraten
lassende" Thema war der sogenannte „elektrischen Ring" dessen Einsturz
vermeintlicherweise eine ungeahnte Fruchtbarkeit auf Erden bewirken würde.
Dieser auf der Vail'schen Ringtheorie beruhende Artikel mit dem
Kulminationspunkt "elektrischer Ring" wurde zeitgleich in der Ausgabe Bern und
Barmen vom 15. 4. 1923 abgedruckt
Siehe dazu:Parsimony.19243
Auch später noch hatte es dieser vermeintliche „elektrische Ring" der
GZ-Redaktion angetan. So liest man etwa in der Schweizer Ausgabe des "Goldenen
Zeitalters" vom 15. 1. 1925 (Ausgabe Magdeburg 1. 4. 1925) unter der
Überschrift: "Wird ein elektrischer Ring einstürzen":
"Manche Gelehrte behaupten, daß die Erde von einem elektrischen Ring umgeben
ist, der zusammenstürzen wird. Wenn dies geschehen würde, welche Veränderung
würde auf der Erde stattfinden? Zweifellos würde die Wirkung der elektrischen
Kraft den Erdboden reinigen und Insekten, Parasiten und Mikroben vernichten, die
ein Schaden der Pflanzenwelt sind. Welch wunderbare Segnungen würde das auch für
die Tierwelt mit sich bringen.
Die Behauptung, daß die Erde von einem elektrischen Ring umgeben ist, der sich
dieser immer mehr nähert, bis er schließlich zusammenstürzen wird, gründet sich
auf eine Theorie der Kosmoponie der Weltentstehung, die in der Valiamschen oder
Ringtheorie von der Erschaffung der Erde erklärt ist. Nach dieser Theorie
stürzten zu verschiedenen Zeitperioden mehrere Wasserringe auf die Erde herab,
deren letzter die Sintflut verursachte. Um die Glaubwürdigkeit dieser Theorie zu
beweisen, wird auf die Tatsache hingewiesen, daß der Planet Saturn von Ringen
umgeben ist, die noch nicht eingestürzt sind. Auch der Planet Jupiter mit seinen
ihn umgebenden Gürteln kann uns als Beispiel für die Entwicklung der Erde
dienen.
Die Valianische Theorie lehnt sich dicht an die Schöpfungsgeschichte an, wie sie
im 1. Buche Mose berichtet wird. Wenn nun die Entwicklung der Erde während der
vergangenen Zeitalter in allmählich fortschreitender Weise vor sich gegangen
ist, und wenn das frühere Einstürzen von Ringen dazu gedient hat, die Erde mehr
und mehr zur Wohnstätte des Menschen passend zu machen, scheint es da nicht eine
vernünftige Schlußlolgerung zu sein, daß der Einsturz des letzten Ringes, der
elektrischer Natur ist, zur Vollendung der Erde führen muß?
Sicherlich lassen die gegenwärtigen wunderbaren Entdeckungen auf dem Gebiete der
Elektrizität und die verschiedenen technischen Errungenschaften, wodurch der
jetzt lebenden Generation große Erleichterung und Annehmlichkeit geschaffen
wird, darauf schließen, daß der Menschheit in der Zukunft ungeahnte
Möglichkeiten offen stehen.
Es dürfte uns nicht überraschen, wenn in naher Zukunft eine Methode zur
Absonderung der Elektrizität aus der Luft entdeckt würde, wodurch es dann der
Menschheit ermöglicht würde, aus dem Krafthause der Natur genügend dynamische
Energie für den täglichen Bedarf zu entnehmen.
Man denke sich ein Automobil oder einen Aeroplan mit einem Mechanismus
ausgerüstet, der elektrische Kraft aus der ihn umgebenden Luft zu erzeugen
vermag! Man denke sich all die Maschinen und Fahrzeuge, die jetzt mit Benzin
oder Dampf betrieben werden, durch andere von autoelektrischer Natur ersetzt!
Wieviel weniger Unglücksfälle und Versagen der Motoren würde es geben!
Auch der menschliche Organismus würde durch sanfte elektrische Strömungen im
Verein mit einer Nahrung, die gereinigter, vollständig keimfreier und
gekräftigter Boden hervorgebracht hat, gestärkt werden. Die Folge davon würde
eine bessere Blutzirkulation und Blutreinigung sein, ein mächtiger Faktor bei
der Wiederherstellung der Menschheit zu körperlicher, geistiger und sittlicher
Vollkommenheit und sich daraus ergebendem.
Solchen Einflüssen unterworfen, würden die klimatischen Verhältnisse eine
vollständige Veränderung erfahren und an den Polen gemäßigter werden. Die
Eisfelder würden schmelzen [denke an Prof. Ricci's Wärmestrahlen] und dadurch
weite Länderstrecken zum Anbau und zur Bevölkerung frei werden...."
Irgendwelche Pressemeldungen, die in dieses Korsett hineinpassend
erschienen, wurden dann auch prompt im "Goldenen Zeitalter" präsentiert. So etwa
jene Meldung im GZ vom 1. 10. 1924, dass nachfolgendes zu berichten wusste:
„Tomaten, bei denen infolge Bestrahlung durch Elektrizität last der doppelle
Ertrag hervorgebracht wurde.
Nachstehend berichten wir von einer Erfindung, deren Folgen vielleicht einmal
unsere Gewohnheiten vollständig umwälzen werden und die unseren Urenkeln eine,
den frühern Generationen unbekannte, Lebensweise offenbaren wird. ...
Dies wurde kürzlich wiederum durch zwei Experimente bewiesen, und zwar einmal
auf der Universität Columbia, durch den Gebrauch von gewöhnlichem, starkem
elektrischem Licht, und dann in Dahlem (Deutschland), wo der Versuch durch
Neo-Lampen vorgenommen wurde. In beiden Fällen waren die Resultate geradezu
überraschend. Pflanzen, die nur den Strahlen des Sonnenlichtes ausgesetzt waren,
erreichten nicht die Hälfte der Größe derjenigen Pflanzen, die künstlich
beleuchtet worden waren ...
In Dahlem wurde der Versuch mit Tomaten und Gurken vorgenommen, die tagsüber dem
Sonnenlicht ausgesetzt waren, die man aber, sobald der Himmel sich bedeckte und
die ganze Nacht über, mit Neo-Licht bestrahlte, Das Resultat war sehr
erfreulich. Man erntete 500 Früchte mit einem Gewicht von 555 Pfund, während die
anderen Versuchsexemplare, mit Tagesbelichtung, nur 370 Früchte ergaben mit
einem verhältnismäßig viel geringeren Gewicht ...
Diese Experimente interessieren uns umso mehr, als gewisse Gelehrte behaupten,
es bestehe um unsere Erde ein elektrischer Ring. Wenn sich nun dieser
elektrische Ring lösen würde, könnten wir da nicht in einer verhältnismäßig
kurzen Zeit in der Natur überraschende Veränderungen eintreten sehen, die die
Ertragsfähigkeit des Erdbodens gewaltig steigern würden?"
Meinte zumindest damals das „Goldene Zeitalter". Ob denn die seriöse
Wissenschaft sich diesem Votum so mit anschliesst, muss wohl weiterhin mit einem
Fragezeichen versehen bleiben!
Bei der Sichtung der zeitgenössischen Presse war die GZ-Redaktion (GZ Bern
vom 15. 4. 1923; Ausgabe Barmen 15. 5. 1923) bei einem dritten Beispiel "fündig"
geworden. Ein Pressartikel über das Radium erschien ihr so bedeutsam, dass sie
ihn mit einem kommentierenden Nachsatz, auch in ihrer Zeitschrift nachdruckte.
Eingeordnet in ihre Rubrik "Zeichen der Zeit" wurde da unter der Quellenangabe
"Genossenschaftliches Volksblatt" Nr. 6 das nachfolgende berichtet:
„Schon mancher Leser wird in den Zeitungen von den wunderbaren Wirkungen des
Radiums gelesen haben. Beinahe jeder Tag deckt neue Wunder dieses rätselhaften
Stoffes auf, der, ohne selbst zu leuchten, alles in seiner Umgebung zum Leuchten
bringt und auch in allen anderen Eigenschaften so widerspruchsvoll ist, daß er
alle unsere Grundbegriffe von Stoff und Kraft und die Grundlagen der
physikalischen Wissenschaft ins Schwanken bringt. Aber gerade aus diesem Grunde
eröffnen die neuen "Strahlen" ganz neue Gesichtspunkte über das Walten der
Naturkräfte, die wir mehr und mehr in unseren Dienst zu zwingen vermögen.
Dieser Strahlstoff, das Radium selbst, gehört an sich zu den schwersten Stoffen,
die wir kennen. Solche Stoffe sind immer sehr wenig flüchtig. Vom Radium aber
geht erwiesenermaßen beständig ein Etwas aus, das wir in vieler Hinsicht
vergleichen können mit den Riechstoffen, die von flüchtigen, ätherischen
Substanzen ausgehen. Sie verbreiten sich schnell in ausgedehnten Räumen und
müssen dabei doch offenbar der Luft etwas beimengen, das auf unsere Riechnerven
eben den betreffenden, deutlich zu unterscheidenden Eindruck hervorbringt,
während doch durch keine andere Wirkung ihr Vorhandensein nachzuweisen ist.
Ebensowenig ist in vielen Fällen eine Verminderung der Substanz zu erkennen, von
der jener Riechstoff beständig ausgeht. In der Tat zeigt es sich, daß vom Radium
ein Etwas ausgeht, das seine eigentliche Wunderwirkung ausmacht. Mit einer ganz
unvorstellbar großen Gewalt, aber wieder ganz aus eigener Kraft schleudert es
beständig verschwindend kleine Teile von sich, die so schnell fliegen, wie das
Licht selbst, also 300.000 Kilometer in einer Sekunde zurücklegen. Aber die
Körper besitzen keine Wellenbewegung, sie sind kein Licht selbst. Dagegen sind
sie elektrisch. Das kleinste Spürchen Radium macht in weitem Umkreise die Luft
elektrisch, daß sie leitend wird, während sie sonst ein guter Isolator war. Auf
einem Weltkörper, der größere Mengen Radium auf seiner Oberfläche besitzt, wären
deshalb keine Gewitter mit Blitzschlägen möglich.
Noch nicht genug mit diesen Wundern! Läßt man unseren Strahlstoff eine Zeitlang
neben anderen Substanzen liegen, so nehmen sie alle seine Eigenschaften an, sie
werden gleichfalls radioaktiv, und auch diese Sekundärwirkung geht allmählich
verloren, während die ursprüngliche Wirkung bisher durch keinerlei Mittel
dauernd zu zerstören war. Unter Umständen verliert sich zwar die rätselhafte
Wirkung vorübergehend, wenn das Präparat erhitzt wird, aber nach einigen Tagen
erholt es sich von selbst und gewinnt seine volle, frühere Kraft wieder. Auch
Feuchtigkeit hebt die Wirkung zeitweilig auf, indem dafür das mit dem
Strahlstoffe zusammengebrachte Wasser radioaktiv wird, aber auch in diesem Falle
tritt die Wirkung nach dem Trocknen wieder ein.
Überall, wohin die von diesem Wunderstoffe ausgeschleuderten Projektile mit
ihrer rasenden Geschwindigkeit hintreffen, üben sie eine unerklärliche Wirkung
aus. Glas, das doch nur von den allerkräftigsten Stoffen chemisch angegriffen
wird. färbt sich schwarz, wenn ein Radiumpräparat während einiger Tage darauf
liegt, und wenn man eine Kapsel, mit demselben angefüllt, einige Zeit lang,
sagen wir in der Westentasche bei sich fühlt, so bekommt man auf der Haut eine
Brandwunde, die sehr schwer heilt.
Kleinere Tiere werden durch die Fernwirkung des Radiums sogar getötet, zum
Beispiel Mäuse, über deren Behälter man wenige Milligramme jenes rätselhaften
Stoffes ausgestreut hatte. Bakterien werden sicher vernichtet, und es ist wohl
kaum ein Zweifel, daß bei richtiger Einschränkung auch heilsame Wirkungen von
ihm zu erwarten sind.
Daß das Radium Blinde sehend macht, wird nach alledem kaum mehr wunder nehmen.
Legt man im Dunkeln auf das geschlossene Augenlid ein Radiumpräparat, so hat man
den Eindruck einer allgemeinen, großen Helligkeit, während es doch selbst nicht
leuchtet. Ganz denselben Eindruck haben Blinde; und wenn man nun auf die das
Radium einschließende Kapsel irgend eine Figur, etwa einen Buchstaben,
befestigt, der die Strahlung vermindert, so erscheint dieser auch dem Blinden
als Schattenriß, und man berichtet, daß zwei russische Knaben von 11 und 13
Jahren, die im ersten Lebensjahr ihr Augenlicht verloren hatten, das Alphabet
mit ihren leeren Augenhohlen lesen lernten.
Freilich, alle diese Anwendungen liegen noch in den Kinderschuhen, denn solche
Experimente können nicht nur, wie wir gesehen haben, Gefahren für die Gesundheit
mit sich bringen, sie sind auch ganz ungemein kostspielig. Gegen das Radium hat
Gold ,den Wert von Eisen.
Die Aufzählung der Wunder des Strahlstoffes ist aber noch längst nicht zu Ende.
Frau Curie, jene geniale Pariser Chemikerin, welcher es zuerst (jedoch fast
gleichzeitig mit Professor Giesel in Braunschweig) gelang, ein reines Radiumsalz
herzustellen, hat die Entdeckung gemacht, daß ihre Präparate beständig eine etwa
anderthalb Grad höhere Temperatur besitzen, als ihre Umgebung. Radium strahlt
also nicht nur Licht und Elektrizität, sondern auch Wärme aus, wieder ohne
jemals zu ermüden. Hätte man genügende Quantitäten davon, so brauchte man keinen
Ofen mehr zum heizen und unsere Maschinen würden nach einmaliger Anschaffung des
nötigen Radiums beständig laufen, ohne Kohlen, oder überhaupt noch weiter etwas
für ihren Betrieb zu gebrauchen. Welch ein Idealzustand! Diese Erzeugung von
Wärme aus sich selbst wirft wieder ein Naturgesetz um, das man bisher für eines
der unumstößlichsten gehalten hatte. Das Radium ist eben revolutionär auf der
ganzen Linie. Die Liste der Wunder geht noch weiter. Man war imstande, die Größe
der Körperchen der Bomben zu messen, die von unserem Strahlstoffe ausgehen,
natürlich nur durch theoretische Rechnung. Da man auch ihre Geschwindigkeit
kennt - sie ist eben die des Lichtes - so kann man also die Größe der
abgeschleuderten Teilchen durch das Experiment bestimmen.
Da fand man nun wieder etwas Staunenswertes und ebenfalls Revolutionäres: Die
Teilchen sind etwa noch zweitausendmal kleiner als das kleinste Atom des
Chemikers, das des Wasserstoffes, welches man zum Vergleich bei den Experimenten
herbeiziehen konnte. Freilich kennt man die Größe des Wasserstoffatoms auch
nicht, aber man weiß doch, daß unter normalen Umständen davon auf einen
Kubikmillimeter 50000 Billionen gehen, und dabei immer noch ihre Bewegung
behalten. Professor Kaufmann, der sich mit solchen Messungen befaßt hat, konnte
deshalb sagen, daß jene allerkleinsten Teile, die vom Radium ausgeschleudert
werden und die man Elektronen genannt hat, sich zu einem Bazillus, also den
kleinsten Körpern, die wir unterm Mikroskop noch direkt sehen können, etwa so
verhalten, wie dieser Bazillus gegen die Erdkugel!
Diese verschwindende Kleinheit der vom Radium beständig ausgeschleuderten
Teilchen macht uns nun allerdings manche Erscheinung an ihm erklärlicher. Es
ließ sich berechnen, daß tausend Millionen Jahre verfließen müssen, bis unter
normalen Bedingungen erst ein einziges Milligramm Radium sich in den Raum
"verflüchtigt" hat. Da begreift man, daß es vor unseren Augen bisher keinerlei
Veränderungen erfuhr. Daß diese Elektronen trotzdem eine so große Kraft
entfalten, erklärt sich dann aus ihrer ungeheuren Geschwindigkeit. Eine
Flintenkugel tut keinerlei Schaden, wenn sie uns aus der Hand fällt,
durchschlägt aber dicke Platten, wenn sie abgeschossen gegen diese fliegt. Daß
aber diese "Korpuskeln" mit einer solch gewaltigen Kraft ohne jede äußere
Einwirkung ausgeschleudert werden, das bleibt das große Geheimnis.
Der Strahlstoff schenkt uns alles. Er ist eine unerschöpfliche Quelle von Licht,
Wärme, Elektrizität, kurz von aller Kraft, und auch alle Stoffe, die unser Herz
nur begehrt, müssen einstmals aus ihm gemacht werden können. Es ist mehr als der
langgesuchte Stein der Weisen, er ist ein Talisman, der die Menschheit von aller
Not und Sorge zu erlösen verspricht. Aber wo finden wir diesen Talisman? In
wertlosen Abfällen. In Joachimstal, im böhmischen Erzgebirge, wurde früher viel
Uran gewonnen, mit dem ein schön gelbes Glas hergestellt wurde. Als Schlacke
blieb die sogenannte Pechblende übrig. Aus einer Tonne solcher Uranabfälle wird
ein Gramm, also der millionste Teil davon, durch langwierige Prozesse,
abgeschieden, das sich als radioaktive Substanz erweist, uns; um hieraus nun das
reine Radiumsalz zu gewinnen, muß dieses Gramm noch wohl tausendmal
umkristallisiert werden. Durch diese Arbeit wird der ursprünglich wertlose Stoff
zum kostbarsten und wunderbarsten, den wir kennen."
Und als eigenen Kommentar zu vorstehendem fügt die GZ-Redaktion dann noch
hinzu:
„Daß dieser wunderbare Stoff gerade in dieser Übergangszeit von einer
untergehenden Weltordnung zu einer neuen, besseren entdeckt wurde, ist ein
weiterer Beweis, daß die Zeit gekommen ist, da der allweise Schöpfer verborgene
Naturkräfte und Elemente gebrauchen will, den Fluch von der Erde und der
Menschheit wegzunehmen, um die seufzende Kreatur endgültig zu befreien auf Grund
des auf Golgatha vor mehr als 1800 Jahren bezahlten Loskaufpreises für das ganze
Menschengeschlecht."
Auch die Ausgabe Barmen vom 15. 4. 1923 weiß mit einem euphorischen Bericht
aufzuwarten. Unter der Überschrift "Zwei Ernten in einem Jahr" liest man dort u.
a.:
"Das "Goldene Zeitalter" wünscht seine Leser auf alle Anzeichen der
hereinbrechenden neuen Ära aufmerksam zu machen und deshalb ist es bemüht, alle
diesbezüglichen Beweise wissenschaftlicher, biblischer und historischer Art, wie
auch besonders die charakteristische Übereinstimmung der Prophetie der Bibel mit
den Ereignissen unserer Zeit hervorzuheben; es macht gleicherweise aufmerksam
auf die besonderen politischen Merkmale dieser Übergangsperiode, sowie auf die
klimatischen Veränderungen, wie sie nachweisbar auf unserem Planeten vor sich
gehen und sich in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse erweisen.
Wie die Polarforschungen zeigen, verringern sich die Eisregionen in den
arktischen Zonen zusehends. Während der vergangenen Jahrzehnte haben Erdbeben
einige Kanäle des japanischen heißen Stromes geschlossen und gleichzeitig andere
geöffnet, wodurch das Klima von Alaska und anderen Polargegenden erheblich
beeinflußt wird. Allmählich verringern sich die Eisgebiete durch äquatoriale
Strömungen. So wird das Klima auf der ganzen Erde nach und nach gemäßigt und
ausgeglichen.
Die Hauptjahreszeiten werden verlängert, die Sommer durchschnittlich kühler und
die Winter milder. Diese Veränderungen sind durchaus positiv und sehr leicht
wahrnehmbar, wenn wir einen größeren Zeitraum von zehn oder zwanzig Jahren
überblicken, Vor zwanzig Jahren z. B. konstatierte man schon als neue
Erscheinung in den Neu-England Staaten eine zweite Himbeerernte. In den letzten
Jahren sind zweimaliges Blühen der Apfel- und Kirschbäume durchaus keine
Seltenheit mehr. 1921 war diese Erscheinung in den amerikanischen Staaten New -
York, Michigan, Pennsylvania, Maryland und Virginia eine ganz allgemeine. Selbst
in nördlichen Gegenden Europas wurden im gleichen Jahre an verschiedenen Orten
zweimal Kirschen geerntet und vielerorts blühten die Apfelbäume zum zweitenmal.
Zeitungsberichte meldeten aus Amerika, daß dort die Kirsch- und Apfelbäume
zweimal Früchte trugen. In Roanoko (Virginia) brachte ein Farmer anläßlich einer
öffentlichen Versammlung einen halbreifen Apfel und bemerkte dazu, es sei die
zweite Ernte und der betreffende Baum sei mit diesen Früchten voll behangen.
Auch unsere Redaktion erhielt ein solches Muster mit dem Bemerken: „Beachten
Sie, bitte, das angenehme Aroma dieser Frucht".
Es sei damit nicht behauptet, daß im Goldenen Zeitalter jeder einzelne Baum
stets zweimal Früchte tragen wird. Wir zitieren diese angeführten Tatsachen
lediglich als unwiderlegbaren Beweis von der Verlängerung der Hauptjahreszeiten
sowie vom Anbruch der neuen Zeit mit all ihren lieblichen Segnungen, in deren
Gefolge dann auch Frost und Mehltau, sowie lästige Nager nicht mehr sein
werden."
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Ohne ihn direkt beim Namen zu nennen, geht das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe
Bern) vom 1. 5. 1923 in einem ganzseitigen Beitrag auf das fraglos als
Hetzschrift einzustufende Pamphlet des Antisemiten
August Fetz
mit dem reißerischen Titel „Der große Volks- und Weltbetrug durch die 'Ernsten
Bibelforscher'" etwas ein.
Ich habe Fetz und Co mit Sicherheit nicht zu verteidigen. Es gilt den Kontext
dabei auch zu sehen. Fetz (Beruflich ein Schuldirektor) war unfraglich einer
jener „welche die Jugend in die Schützengraben des ersten Weltkrieges
hineingepredigt" hatte, um einen anderen Bibelforscherslogan zu bemühen. Das
Naziregime ist ja nicht „aus dem heiterem Himmel" gefallen. Es hatte Vorläufer.
Einer dieser Vorläufer eben auch Fetz; organisatorisch (bis zum Verbot anläßlich
des Rathenau-Mordes) dem „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund" zugehörig.
Der wiederum ein faktischer Nachfolger des „Alldeutschen Verbandes" der als
wesentlicher Kriegshetzer im Vorfeld des ersten Weltkrieges auf deutscher Seite
bezeichenbar ist.
In seinem Artikel schreibt das GZ unter anderem:
„EIN GROSSER WELTBETRUG ENTLARVT
So lauten in neuester Zeit die Titel zahlreicher Vortragsreklamen und
verschiedener Flugschriften und Broschüren, mit denen fanatische
Dcutschvölkische in engster Interessengemeinschaft mit Adventisten und anderen
Sekten zusammen die Welt überschwemmen."
Hier allerdings muss ich schon mal kritisch zurückfragen. Die konstatierte
Interessenidentität zwischen Deutschvölkischen und Adventisten, ist mir
schlichtweg unergründlich. Indem das GZ in seiner Abwehr so argumentiert,
offenbart es seinerseits selber eine hochgradige Oberflächlickeit.
Weiter schreibt das GZ:
„Und siehe da, diese armen Menschen, sie fühlen sich berufen, die
hoffnungsfrohe und zuversichtliche Verkündigung einer besseren Zeit DAS
HEREINBRECHEN EINES GOLDENEN ZEITALTERS als einen großen und gefährlichen
Weltbetrug zu entlarven. Was es da nur zu entlarven gibt bei einer Sache, die
mit solcher Freimütigkeit in der breiten Öffentlichkeit verkündigt wird? -
Ein gefährlicher Weltbetrug ist es also in den Augen dieser Ärmsten, wenn wir
und manch andere Freunde mit uns noch nicht alle Hoffnung aufgegeben haben, wenn
wir NICHT GLAUBEN KÖNNEN UND WOLLEN daß die Menschheit in sinnlosem Haß sich
gänzlich ruiniert, Wohlstand, Glück, Friede und Freude in Volks- und
Hausgemeinschaft unabwendbar der Auflösung und Zersetzung entgegen gehen. Wenn
wir uns weigern, uns einem solchen trostlosen, Fatalismus zu überlassen, der
nicht nur jeden Hoffnungsschimmer auf eine bessere Zeit ablehnt, sondern ihn gar
als schlimmsten Weltbetrug brandmarken zu müssen."
Bei diesem Punkt muss man in der Tat innehalten. Ist die Hoffnung der
Bibelforscher nun deren alleiniges Privileg? Doch wohl nicht. Es gibt sehr wohl
auch politische Strömungen, welche ähnliches zu kanalisieren sich mühen (ob
erfolgreich oder nicht; wäre wider ein anderes Thema. Dann müsste man
thematisieren, was es zu den jeweiligen „Rezepten" pro und contra zu sagen
gibt).
Das Rezept des GZ allerdings ist klar. Der große Zampano namens Gott soll und
werde alles „richten". Spätestens bei den brennenden Krematoriumsöfen von
Auschwitz, war zu registrieren, was er denn „richtet".
Insofern ist die Grundsatzposition des GZ schon mal ablehnbar. Wie der in Rede
stehende Fetz einzuordnen ist, wurde schon gesagt: Als Vorläufer des Nazismus.
Insofern, das sei nochmals betont, ist seine Detailargumentation nicht die
meinige. Heutige „Nachbeter" von Fetz sind vielfach (wenn auch unbewusst) im
Lager der Verschwörungstheoretiker zu finden. So schliesst sich auch
diesbezüglich der unheilvolle Kreis.
Was zu Fritsch gesagt
wurde, gilt analog auch für Fetz
Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
Neuster Erwachet August 2008
Wie war das eigentlich mit dem Waldsterben der 80er Jahre?
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Zitat:
Drahbeck
Der inspirierte Prophet Daniel beschreibt diese Zeit des Endes und sagt: "Sie werden hin- und herrennen und die Erkenntnis wird sich mehren" (engl. Übersetzung). Die Erfüllung dieser Prophezeiung sehen wir jetzt vor Augen.
Zitat:
Drahbeck
„daß alle diese wunderbaren Verkehrsmittel das Resultat der allerletzten Jahrzehnte sind, aber nur wenige erkennen, daß diese Dinge sichere Vorboten eines besseren Tages sind - des Goldenen Zeitalters, das auf die "Zeit des Endes" folgt."
Mein absoluter Favorit ist der Artikel in dem die Wachtturm Gesellschaft
behauptet die Klimaerwärmung sei der Vorbote für das Tropen-Paradies-Klima in
dem Königreich Gottes:
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,797,4195#msg-4195
PS.:
Eine Frau (EX-NAK) erzählte mir bei dem Stuttgarter Infolinktreffen, sie hätte
einem Zeugen im Straßendienst die Zeitschriften abgenommen, weil auf einer
blauen Fläche ein weißer Eisbär zu sehen war.
Sie dachte dort an Knuth…
Neuster Erwachet vom August 2008
Den Inhalt der Zeitschriften bezeichnete sie befremdend Naiv.
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Eine Karikatur der Schweizer Satire-Zeitschrift „Nebelspalter" war dem
„Goldenen Zeitalter" vom 15. 8. 1923 (Ausgabe Bern) es wert, bei der dortigen
Redaktion um die Erlaubnis zum Nachdruck zu bitten, die auch gewährt wurde. Ein
vom GZ seinerseits dazu angefügter Kommentar macht auch deutlich, was die
„Klientel" des „Goldenen Zeitalters" im eigentlichen „beschwingte".
Gesellschaftskritik in religiöser Verbrämung.
Das gravierende Handicap dieser Kritik indes ist, dass
sie nur auf das „Hoffen und Harren" hin orientiert und sich damit als
Quadratur des Kreises oder als ein Irrgarten wo der Ausweg nicht gefunden
wird, erweist.
In ihrem Kommentar zur „Nebelspalter"-Karikatur schreibt das GZ:
„Einige wenige Tausende und einige
Großbanken haben sich in den letzten Jahren ungeheuer bereichert durch das
Steigen und Sinken der Kurse, währenddem Millionen und ganze Völker zusehends
verarmen und verelenden.
Welch ein Fluch lastet doch auf unserer heutigen Gesellschaftsordnung. Das
hochprophetische Wort des Apostels
Jakobus erfüllt sich hier in ganz ungeahnter Weise: "Wohlan nun, ihr Reichen,
weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommt! .... Ihr habt Schätze
gesammelt in den letzten Tagen. Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder
geschnitten haben, der von euch vorenthalten ist, schreit, und das Geschrei
der Schnitter ist vor die Ohren des Herrn Zebaoth gekommen."
Wo sind die Führer des Volkes, die den Mut haben, solchen Zuständen durch
einschneidende Maßnahmen entgegenzutreten? und wie soll eine Gesundung der
heutigen Zustände möglich sein, wenn das Übel nicht bei der Wurzel angefaßt
wird? Alle Ministerberatungen, alle Weltkonferenzen, alle Vorschläge zur
Wiederherstellung Europas werden und müssen wirkungslos bleiben, solange nicht
Verordnungen und Gesetze mit eiserner Energie eingeführt und durchgeführt
werden, die die Selbstsucht fesseln und die Menschen verhindern, auf Kosten
der Allgemeinheit und des Nächsten die Selbstsucht in irgend einer Weise zu
betätigen. ..."
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Mit einer sicherlich die Befindlichkeit der zeitgenössischen
Bibelforscher ansprechenden Zeichnung, wartet das „Goldene Zeitalter"
(Schweizer Ausgabe vom 15. 9. 1923; Ausgabe Mageburg, 1. 10. 1923) auf. Im
dazugehörigem Bildtext liest man:
„Nach einer alten Zeichnung von Schell, die uns zur Aufnahme im 'Goldenen
Zeitalter' freundlichst überlassen wurde."
Offenbar kann man diesem Bild, in etwas abgewandelter
Form, auch andernorts im Internet begegnen. Etwa auf der Webseite www.payer.de/
Dort der Rubrik Religionskritik zugeordnet
Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
Offenbar in Reaktion auf einige eingegangene Protestschreiben, sah sich
das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe Magdeburg vom 1. 10. 1923) genötigt, eine
frühere Publikation zu korrigieren. Bei selbiger handelte es sich nicht um einen
Eigenbericht, wohl aber um die Übernahme eines Artikels aus der „großen
Tagespresse". Sein Tenor war klar. Er schwamm im breiten antikommunistischen
Mainstream.
Nachstehend zur eigenen Urteilsbildung, seien sowohl die Berichtigung, als auch
der ihr zugrunde liegende Artikel einmal kommentarlos vorgestellt werden.
In ihrer Berichtigung schrieb das „Goldene Zeitalter":
„Die Kinder der Moskauer Straßen"
Zu unserem Artikel in Nr. 10, 'Die Kinder der Moskauer Straßen', bekommen wir
aus unserem Leserkreise mehrfach Zuschriften dahingehend, daß in der
Veröffentlichung des Artikels eine Ungerechtigkeit liegt insofern, als der
Artikel bereits vor vier Jahren geschrieben wurde.
Wir anerkennen die Berechtigung dieses Einwandes voll und ganz. Wir wünschen
niemals Verhältnisse anders darzustellen, als wie sie sind, und geben gerne zu,
daß sich in Rußland während dieser vergangenen vier Jahre vieles geändert haben
mag. Mit Bedauern stellen wir fest, daß diese uns aus unserem Leserkreise
gemachte Einsendung bereits vier Jahre alt war. Wir hätten sonst dieselbe nicht
veröffentlicht, denn indem sie heute erscheint, mag der Eindruck entstehen, als
ob die Verhältnisse noch dieselben sind wie zurzeit des Erscheinens bewußten
Artikels.
Wir vermögen zwar Bestimmtes über die heutige Lage der Einwohner Rußlands, bezw.
der Kinder Moskaus nicht zu sagen, fühlen uns aber der Gerechtigkeit willen
veranlaßt, den Einwendungen eines Teiles unserer Leser in vorgenannter Weise
Rechnung zu tragen."
Zu dieser Berichtigung ist noch bemerkenswert. Obwohl die Berner Ausgabe
des GZ den gleichen Artikel mit publiziert hatte, gab es dort keine
Berichtigung.
Nachstehend dann noch der inkriminierte Artikel. „Goldenes Zeitalter" Ausgabe
Bern 15. 7. 1923; Ausgabe Magdeburg 15. 8. 1923).
Die Kinder der Moskauer Straßen
Von Georg Popoff. - Aus der 'Frankfurter Zeitung'
Mehr als 15.000 elternlose, verlassene Kinder irren, notdürftig gekleidet, ohne
Obdach, ohne Nahrung, bettelnd, vagabundierend durch die Straßen der
bolschewistischen Residenz. Täglich sterben vor Hunger oder vor Kälte Dutzende
von ihnen. Täglich kommen zehn bis zwanzig dieser hilflosen Geschöpfe unter die
Räder der Straßenbahnen und Autos. Kleine, blutende, verstümmelte Körperchen
liegen im Schnee, im Schmutz der grausam gleichgültigen Straße. Und täglich
strömen von allen Enden des Riesenreiches hunderte neue kleine Menschenwesen
herbei, die der unersättliche Bauch der "revolutionären" Hauptstadt gierig
verschlingt.
Der gigantische Umsturz riß diese schwachen Existenzen von den Wurzeln des
Landes los und schleuderte sie, wie willenlose Holzspäne, achtlos in den
verderblichen Strudel der großen Stadt. Man hat nie zuvor in Moskau oder
irgendwo anders eine so große Anzahl von vagabundierenden Kindern gesehen. Eine
Folge von Krieg, Revolution und Bolschewismus. Doch besonders erschreckende
Dimensionen hat diese Erscheinung nach Einführung der "neuen Wirtschaftspolitik"
angenommen, als die Liquidation der staatlichen Versorgungswirtschaft Millionen
von Menschen einfach ihrem eigenen Schicksal überließ.
An den Haltestellen der Straßenbahnen kommen zahlreiche verlauste, kranke,
schmutzige Kinder in den Waggon, drängen sich an die Passagiere heran und
betteln. Auf den Eisenbahnstrecken stehen sie, da die Züge überall in Rußland
stundenlang halten, oft zwei, ja mitunter sogar sechs Stunden in Regen und Kälte
vor den Fenstern irgend eines "besseren" Waggons und jammern mit der
unglaublichsten Ausdauer um Brot. "Djadenka - dai dileb" - "Väterchen, gib
Brot." Sie wiederholen es hunderttausendmal, stundenlang, mit monotonen,
enervierenden, hoffnungslosen Stimmen. Ein verzweifeltes Flehen, welches für
immer im Gedächtnis haften bleibt . . .
In die Eisenbahnzüge, in Privathäuser, in Theater, in Kaffees - überall dringen
sie wie ein Schwärm wandernder Ratten ein, betteln und stehlen. Manche treiben
irgend einen Handel. Doch "Minderjährigen unter 14 Jahren ist das Handeln auf
den Straßen verboten" lautet ein Gesetz der Sowjet-Regierung, die in der Theorie
eine sehr verständnisvolle "Kinderpolitik" predigt. In Wirklichkeit wird das
humane Prinzip sehr entstellt: man sieht oft, wie ein Milizsoldat irgend einen
acht- oder neunjährigen Bengel "verhaftet", weil er, .als unbefugter Nepman,
Zigaretten oder Stiefelschnüre feilbot. Der Kleine sträubt sich mit Händen und
Füßen und heult jämmerlich. Es kommt dann stets zu den widerwärtigsten Szenen.
Das Kind wird mitten auf der Straße blutig geprügelt und gewaltsam ins Gefängnis
entführt. "In die Tscheka" sagen die Passanten, und schmerzerfüllten Herzens
sieht man dem kleinen "Verbrecher" nach, den eine blöde, rohe Gewalt zu
unverdienten Qualen verurteilt. Nicht selten gewahrt man auch, wie Kinder von 10
bis 12 Jahren von hünenhaften Milizsoldaten mit blankem Säbel und schußbereiter
Waffe wie Schwerverbrecher eskortiert werden.
Es gibt verschiedene Kategorien unter diesen vagabundierenden Kindern der
Moskauer Straßen. In der Mehrzahl sind es die wirklich Obdachlosen, Verstoßenen,
Hungernden. Sie haben zum ersten Mal im Leben ihr heimatliches Dorf, das ihnen
bisher die Welt war, verlassen. Die Großstadt mit dem wilden Trubel, dem
äußerlichen Glanz, der lockenden Reklame, den hellerleuchteten Kinos und anderen
Vergnügungsstätten macht sie völlig verwirrt. Sie irren ziellos umher. Die
Möglichkeit, irgend eine Arbeit oder menschenwürdige Unterkunft zu finden,
besteht nicht. Auch der Weg zu den Fiüchtlingsasylen ist ihnen noch nicht
bekannt.
So kampieren sie die ersten Wochen bettelnd auf den Straßen und sterben
massenweise vor Hunger, vor Kälte oder als Opfer des Großstadtverkehrs.
Die zweite Kategorie sind die Handeltreibenden.
Zehnjährige Burschen und Mädels stehen an jeder Ecke und handeln mit Zigaretten,
Streichhölzern, Blumen und anderen Dingen, Kinder, die sich völlig an dieses
Leben gewöhnt haben; sie sind in der Großstadt heimisch. Energische, kleine
Existenzen, die den Kampf mit dem Schicksal mutig aufnehmen, und den Kampf mit
der Staatsgewalt, den Milizsoldaten, die auf ständiger Jagd nach diesem flinken
Wild sind.
Zur dritten Kategorie würde ich die Kinder jener Verbrecherwelt zählen, die den
Bettel, im Verein mit organisiertem Straßenraub, als eine Profession betreibt,
für die im heutigen Rußland ein überaus günstiger Boden zu sein scheint. Kleine
Geschöpfe, oft unter sieben Jahren, werden von beredenden Eltern als "hungernde
Flüchtlingskinder" geschickt maskiert, an den Straßenecken postiert. Und dann,
nicht zu vergessen, die im Dienste der Tscheka stehenden Kinder. Diese
Institution, deren Raffinement und Pefidie keine Grenzen kennt, hat es nicht
versäumt und scheut sich nicht, aus der Notlage, dem Unglück und der
Unwissenheit unschuldiger Kinderseelen Nutzen für sich zu ziehen.
Die Tscheka sucht sich die intelligentesten unter den Straßenkindern aus und
beauftragt sie, gewisse, ihr verdächtig erscheinende Personen besonders
beharrlich zu verfolgen und, ständig bettelnd, ihre Gespräche zu belauschen oder
ihr auch zufällig erhaschte Worte aus dem Munde ganz fremder Menschen zu
hintergingen. (Nach dem bewährten Prinzip der Tscheka ist nichts belanglos.) So
zieht das in Sowjetrußland florierende abscheuliche System der allseitigen
Bespitzelung auch die harmlosesten Geschöpfe in ihre Netze.
Hierbei muß natürlich die allgemeine Demoralisation der Jugend in Rußland mit
berücksichtigt werden. Man hört oft Müller klagen, daß sie ihr Haus nicht
verlassen können, weil die eigenen Kinder sonst alles stehlen, was nicht niet-
und nagelfest ist. Die moralische und sittliche Verkommenheit der Schuljugend
übersteigt alle Grenzen. Ein großer Teil der Schulkinder ist mit den schlimmsten
Krankheiten behaftet. Dreizehn- und vierzehnjährige Mütter sind eine gewöhnliche
Erscheinung.
Die Kinder der Moskauer Straßen sind von allen Enden des russischen Reiches,
namentlich aus den Hungerdörfern, herbeigeströmt. Das Ziel aller ist Moskau. Sie
kommen aus dem Reiche des Hungers, ihre Heimat ist zu einer Wüste geworden, das
Schicksal stößt sie mit geheimnisvoller Macht irgendwohin, ihr Weg ist ein
Leidensgang ohne Beispiel und ihr Ende - elendes Verkommen. Moskau - eine
nervöse, blutlose, daseinsverzweifelte, gleichgültige Stadt, gewahrt ihnen
Unterschlupf: in schmutzigen Höfen, unter Brückenbogen, in Aborten, in
versteckten Winkeln der Bahnhöfe, in Verbrecherkaschemmen usw.
Wie räudige Hunde suchen sich diese kleinen Menschenwesen oft die
unglaublichsten Schlafstätten aus - sie zwängen sich hinter die Heizungsrohre
der Bahnhofshallen oder bauen sich in Müllhaufen ein Bett, um sich wenigstens
vor der Kälte zu retten. Wie überhaupt viele russische Elendserscheinungen nur
begriffen werden können, wenn man stets an die grausame Wirkung der fast sieben
Monate herrschenden Kälte denkt. Der Frost ist es meistens, der diese
obdachlosen Kinder zu Tode würgt.
Die Sowjet-Regierung tut gegen das geschilderte Elend allerhand. Aber sie kann
wenig. Eine propagandistische Losung der Kommunisten lautet: "Alles fürs Kind".
Ein humanes Wort, das von der Wirklichkeit leider zu einer schreienden Ironie
gestempelt wird. Die Regierung hat zahlreiche Kinderasyle und Isolationsheime
gegründet, die einem besonderen Ministerium, der "Kommission zur Fürsorge der
Minderjährigen", unterstehen. Die Funktionen dieser Körperschaft sind
folgendermaßen formuliert: "Die Asyle sollen verbrecherisch veranlagte Kinder
aufnehmen und als Ersatz für Zuchthäuser, Gefängnisse usw. dienen, weil im
Gefängnis das Kind weiter demoralisiert wird und dort nur neue verbrecherische
Neigungen annimmt. Die Kommission zur Fürsorge der Minderjährigen ist keine
Gerichtsinstitution, sondern ein Organ der medizinisch-pädagogischen
Beeinflussung, dessen Ziel auf die moralische Erziehung der Kinder gerichtet
sein muß. Es hat alle Anstrengungen zu machen, um den minderjährigen Verbrechern
die Rückkehr zum Laster, zur Tiefe, zum Verbrechen zu versperren."
Diese Asyle, die ursprünglich einem so schönen Zweck dienen sollten, sind nun in
Wirklichkeit ohne Ausnahme in einem unglaublich schmutzigen, ärmlichen,
halbverfallenen Zustande. Es mangelt an allem. Die Kinder haben fast keine
Kleidung und keine Nahrung. Sie gehen dort ebenso sicher zu Grunde wie auf der
Straße. Deshalb nennt der Sowjetwitz diese Asyle - die "Totenkammern". Ein
Besuch in irgend einem dieser "Kinderheime", die stets zu Ehren einer
kommunistischen Größe - Marx, Lenin, Rosa Luxemburg, oder sogar der ganzen 3.
Internationale - benannt werden, gibt besonders günstige Gelegenheit zu
melancholischen Betrachtungen über den in Rußland so krassen Gegensatz zwischen
Theorie und Praxis.
Ein ehemaliges Herrenhaus mitten in der besten Gegend Moskaus. Heute ist das
Gebäude so vernachlässigt, daß es jeden Augenblick zusammenzubrechen droht, ein
Schicksal, welches übrigens einige in der nächsten Nachbarschaft gelegene
Gebäude schon ereilt hat. Die meisten Fensterscheiben sind zerbrochen und
dürftig mit Zeitungspapier verklebt. Im Innern eine feuchte, eisige Kälte. Von
der Decke sickert Nässe.
Eine Rotte unsauberer, halbnackter Kinder wälzt sich auf dem Boden oder drückt
sich scheu in den Ecken herum. Die meisten bieten einen unerfreulichen Anblick:
degenerierter Schädel, niedrige Stirn, schielender Blick, schmutzige Wunden am
Körper, Stumpfheit und Gleichgültigkeit im Wesen. Die Leiterin des Heimes
schickt sich an, den Kleinen Unterricht zu erteilen. Doch für 50 Kinder sind
höchstens 10 Hefte und Bleistifte von übelster Qualität vorhanden. Sie besinnt
sich also eines besseren und teilt die Kinder in zwei Gruppen ein - Russen
rechts, Tataren links. Dann gibt sie ein Zeichen. Und diese erbärmlichen,
frierenden, kleinen Würmer mit rachitischen Gliedern, von Hunger
aufgeschwollenen Bäuchen und idiotischen Wasserköpfen stimmen plötzlich, zu
Ehren der ahnungslosen Besucher, mit ihren schrillen, jämmerlichen, fast
sterbenden Kinderstimmchen - - - die Internationale an.
Zuerst von der ersten Gruppe in russischer und dann von der zweiten in
tatarischer Sprache gesungen. Ein erschütterndes Schauspiel, ein ergreifendes
Konzert, das nicht so leicht vergessen werden kann ....
Die Tatsache, daß auf den Straßen und in den Asylen der bolschewistischen
Hauptstadt 15000 elternlose Kinder zu zählen sind, daß ihre Zahl, trotz der
Todesopfer, täglich wächst, daß im Laufe der letzten Jahre fast 50000 Kinder
allein in einer Stadt von der Straße aufgelesen worden sind, wirft ein grelles
Schlaglicht auf die trostlose Lage der russischen Gesamtbevölkerung, des ganzen
Landes überhaupt. Spiegelt sich nicht mit erschütternder Deutlichkeit in dieser
Erscheinung das große Menschen-Elend wieder, welches überall, auch in den
entferntesten Winkeln des Sowjetreiches herrschen muß? Wie mächtig muß dieser
vernichtende Taifun gewesen sein, daß noch immer neue und neue Existenzen von
seiner Wucht zermalmt werden. ..."
Obwohl, wie ausgeführt, das deutsche „Goldene Zeitalter" in Sachen des
Horror-Schriftstellers Georg Popoff einen Rückzieher machen musste, war die
Schweizer Ausgabe selbigen offenbar völlig unbeeindruckt davon.
Nun sollen die Sowjetverhältnisse keineswegs „heroisiert" werden. Offenbar lies
es sich aber dieser Popoff im besonderen angelegen sein, eine Horrormeldung nach
der anderen zu präsentieren. Und offenbar fand er auch im „Goldenen Zeitalter"
(zumindest in dessen Schweizer Ausgabe). einen aufnahmebereiten Boden dafür.
So zitierte die Berner Ausgabe des GZ, als Fortsetzungsserie, beginnend am 1. 3.
und 15. 3. 1924, diesen Herrn Popoff erneut, umfänglich. Grundlage dafür ein
Zeitungs-Artikel („Kasseler Tagblatt"), der wiederum auf ein Buch des Herrn
Popoff mit dem Titel „Unter dem Sowjet-Stern" bezug nimmt. Unter anderem wusste
selbiger die nachfolgenden Erschröcklichkeiten zu berichten:
„Unter den vielen sonderbaren Typen, denen
man heute auf den Strassen Moskaus zu Hunderten begegnet, fällt namentlich eine
zerlumpte Frau auf, die man täglich in den verschiedensten Stadtgegenden, doch
meistens im Arbat, dem einstigen Aristokratenviertel, trifft. Wahrlich, eine
mehr als merkwürdige Erscheinung. Eine Bettlerin. Doch das Gesicht weist Spuren
ehemaliger Schönheit auf und hat ungewöhnlich edle Züge. Nur das Kostüm, das
diese Frau trägt, ist so grotesk, dass es schreiend mit dem feinen Rassekopf
kontrastiert : an den nackten Füssen riesengrosse, völlig abgetragene
Herrenstiefel, aus denen die Zehen hervorlugen. Der fröstelnde Körper in einen
Mantel gehüllt, der aus mehreren Mehlsäcken scheinbar mit eigener Hand
verfertigt worden ist. Um den Hals eine kleine, schmutzige Hermelinstola
gewickelt. Auf dem Kopfe ein elender Sommerhut mit ein paar traurigen, vom Regen
durchnässten Straussenfedcrn. Auf dem Rücken ein Rucksack, in dem sich Brot,
Holz und irgendwelche Lumpen befinden. In der Rechten ein Pilgerstab, der fast
noch mal so gross ist, wie die Frau selbst.
So schreitet sie schon jahrelang, langsam, Schritt für Schritt, wie der Ewige
Jude, täglich durch die Strassen. Mit den viel zu grossen Stiefeln auf dem
Pflaster schleifend. Jeden Schritt den Stab schwer auf den Boden stossend. Nur
an den Strassenecken bleibt sie irren Blickes stehen, erhebt ihre beiden Hände
gen Himmel und schreit unartikuliert, verzweifelt, anklagend.
Manche geben ihr eine Gabe. Andere aber wenden sich erschüttert von ihr ab und
eilen weiter, weil sie in dieser Bettlerin ihr eigenes Unheil tausendfach
gesteigert widergespiegelt sehen, weil sie diese Frau noch vor kaum sechs Jahren
gekannt haben, als eine der elegantesten, der reichsten und umworbensten Damen
der Moskauer Gesellschaft; denn diese Bettlerin, die nicht nur ihr Vermögen,
ihre Schönheit, ihren Gatten und ihr alles, sondern auch ihre Scham und ihren
Verstand verloren hat, ist - eine Fürstin Trubetzkoy.
Geistesabwesend streift sie vom Morgen bis zum Abend müden Schrittes durch jene
einst ,,aristokratischen" Strassen, durch die sie früher in eigener
zweispänniger Karosse einherkutschiert ist, von einem Fest zum ändern eilend.
Der Krieg hat in allen Ländern die Zahl der Notleidenden, der verschämten Armen
und Bettler unglaublich vermehrt. Aber in keinem Lande der Welt ist die Zahl und
das Elend dieser Unglücklichen so gross, wie in Russland.
Denn nirgends gingen die Wogen des Umsturzes so hoch wie hier. Nun beginnen sie
sich zu glätten. Das Staatsschiff der Bolschewisten fährt auf verhältnismässig
stillem Wasser dahin. Aber nun gewahrt man erst die wirklich erschreckend grosse
Zahl der Schiffbrüchigen, die ringsumhcr dahintreiben - ins Ungewisse,
hoffnungslos, ziellos.
Einst nannte man Indien das Land der Bettler. Und Reisende beschrieben, wie dort
überall Dutzende, Hunderte von Bettlern sie bestürmten. Ich bin nie in Indien
gewesen. Aber ich glaube, dass es in Moskau heute sicher mehr Bettler gibt als
in Kalkutta. Da ist zunächst die Armee der Flüchtlinge aus dem Hungergebiet. Nur
wer selbst in diesen vom schrecklichsten Menschenjammer betroffenen Gegenden
gewesen ist und dort an der Wolga, am Ural alle diese halbnackten,
halberfrorenen Gestalten mit eigenen Augen gesehen hat, kann mit sicherem Blick
die wirklich Hungernden von den Verbrechertypen unterscheiden, die es verstehen,
aus jenem Volksunglück ein Geschäft für sich zu machen.
Ach, reichlich die Hälfte der ,,Hungernden" auf den Strassen Moskaus sind leider
wirklich Hungernde. Mit eingefallenen Wangen, zum Skelett abgemagert, die Haare
verlaust und in Strähnen ins Gesicht fallend, am ganzen Körper zitternd und
blaugefroren, winseln diese Erbarmungswürdigen an jeder Strassenecke, wälzen
sich im Schnee und im Strassenschmutz oder fallen auch den Passanten unverhofft
unmittelbar vor die Füsse. Diese wirklich Hungernden sind, im Gegensatz zu den
anderen, die sich nur verstellen, nicht zudringlich. Sie revoltieren nie. Sind
nur in alles ergebene, willenlose, schwache Geschöpfe.
Eine ganz andere Menschensorte sind die ,,professionellen Hungertypen". Wenn man
einige Wochen in Moskau lebt, kennt man sie alle ,,persönlich". So wird jeder
,,europäisch" Gekleidete an der Petrowka sofort von einem schmutzigen, dreisten
Frauenzimmer angesprochen und beharrlich eine längere Strecke Weges verfolgt.
Seit Monaten surrt sie dasselbe Lied. "Ich verhungere, von der Wolga geflüchtet,
fünf Kinder sterben zu Hause an Typhus" usw. Wehrt man sie ab und bedeutet ihr,
dass man sie bereits kenne, so wird sie keinen Augenblick verlegen, sondern ruft
wutschnaubend dem Fremden nach; "Ich sterbe und du elender Parasit lustwandelst.
Die Tscheka soll dich holen, Verfluchter!"
Ein anderer bekannter Moskauer Bettler ist ein scheinbar halbidiotischer Mann,
dem die rechte Hand fehlt. Zur Förderung des Geschäftes hat er den unsauberen,
ekelerregenden Stumpf entblösst und hält ihn mit der Linken, dabei laut
schreiend, allen Passanten vors Antlitz. Eilig durchfliegt er die Stadt, und man
kann ihm im Laufe eines Vormittags, auf geschäftlichen Gängen wohl zwanzigmal in
den verschiedensten Stadtteilen begegnen.
Diese Bettler sind ungewöhnlich zudringlich. Sie laufen überall den Passanten
nach. Sie springen sogar mitunter auf die Trittbretter vorüberfahrender
Droschken und lassen nicht locker. Es ist eine entsetzliche Plage, eine
förmliche Belagerung. Ueberall wird man von Bettlern am Aermel gezupft, und ehe
man sichs versieht, ist man bestohlen. Da die Ausländer nicht so freigebig mit
Millionen um sich werfen wie der Russe (der sie druckt), sind die Fremden bei
den Bettlern nicht sehr gut angeschrieben.
Ein Freund von mir wurde einmal von zwei ,,gänzlich Erblindeten" um ein Almosen
gebeten. Als er aber, ohne darauf zu reagieren, vorüberging, hörte er, wie der
eine "Blinde" zum anderen mit philosophischer Ruhe bemerkte;
"Das ist ein Ausländer, Die geben nichts, sie wollen sich hier selbst etwas
holen".
Und dann die bettelnden Kinder. Eine Armee von fast 15000 vagabundierenden
Kindern bettelt, stiehlt und irrt ständig auf allen Strassen und Bahnhöfen
Moskaus umher. Aus allen Enden Russlands kommen sie herbeigeströmt. Vater und
Mutter sind gestorben, verhungert. Oft waren diese Kinder monatelang unterwegs,
- bis sie endlich Moskau erreichten. Viele kommen unterwegs buchstäblich unter
die Räder der Eisenbahnzüge. Die anderen kommen in Moskau, in der Grosstadt
unter die Räder des Lebens. Vierzehnjährige Knaben morden, stehlen und rauben.
Zwölfjährige Mädchen werden zu Prostituierten, leben von Kokain und Schnaps und
betteln. Die Sowjetregierung hat Dutzende von Asylen eröffnet. Aber sie ist
gegen das Kinderelend so gut wie machtlos. Ein Sturm hat diese Millionen von
kleinen hilflosen Schiffbrüchigen über Bord geworfen, ein Sturm, der mächtiger
war als die Kräfte derer, die ihn entfesselten, ohne alle furchtbaren Folgen
ihres Handelns vorauszuahnen.
Moskau - die Stadt der Bettler. Bettelnde Hunger-Flüchtlinge, bettelnde
Verbrecher, bettelnde Mönche, bettelnde Kinder. Zu all diesen Menschen, denen
das Leben arg, allzu grausam mitgespielt hat, gehört aber noch als letzte
Kategorie - die halbvernichtete, "noch nicht zu Ende geschlachtete" Bourgeoisie,
der völlig an den Bettelstab gebrachte Teil der russischen Intelligenz. Ich
würde sie die ,,Bettler, die nicht betteln", nennen. Es wäre ein hoffnungsloses
Beginnen, wollte man der russischen Intelligenz ein Loblied singen. Sie hat
kläglich versagt. Aber - es muss einmal ausgesprochen werden - sie trägt tapfer
ihr Kreuz. Sie arbeitet nach Kräften und bestem Wissen, Sie bettelt nicht.
Bei einem deutschen Freunde, der geschäftlich in Moskau weilt, scheuert das
Zimmermädchen den Fussbodcn. Als ich ins Zimmer trete, höre ich, wie er, der
kein Russisch versteht, sich mit der bäuerisch gekleideten Scheuerfrau, die
kniend buchstäblich im Schweisse ihres Angesichts arbeitet, in französischer
Sprache unterhält. Auf meine erstaunte Frage erfahre ich dann, dass das
Zimmermädchen eine Gräfin B. ist, deren Mann, ein Gardeoffizicr, im Bürgerkrieg
gefallen war. Da sie kein Deutsch sprach, unterhielten sich die beiden
französisch,
Ueberhaupt kommen die Sprachkenntnissc den Letzten aus den Reihen der russischen
Bourgeoisie oft zustatten. Ein zerlumptes Bettelweib kam einst zu mir ins Bureau
und bot sich als Uebersetzerin für englische und französische Arbeiten an. "Ich
schreibe auch einen sehr guten Stil", bemerkte sie dabei nicht ohne Stolz, "ich
habe meinem Gatten, als er noch Botschafter war, stets bei seinen Arbeiten
geholfen." Sie log nicht. Es war die Witwe des verstorbenen Barons B. G., der
vor dem Kriege russischer Botschafter an einem der europäischen Höfe war. Die
jetzige Bettlerin war als Kammerfräulein der Zarin-Mutter einst eine der
gefeiertsten Erscheinungen der Petersburger Hofgesellschaft.
In dem Moskauer Hotel "Savoy", dem Wohnort der ausländischen Journalisten,
erschien täglich ein Makler, der Theaterbillette, Schnaps, Pelzwerk und allerlei
andere Dinge offerierte. Mit den Engländern und Amerikanern sprach er dabei
englisch, mit den Deutschen und Skandinaviern deutsch, mit den Franzosen und
Italienern französisch. Nach Belieben. Er war in einen schäbigen, alten
Generalsrock gekleidet und hatte abgetragene Lackschuhe an. In der ganzen
Erscheinung dieselbe erschütternd-tragische Lächerlichkeit, wie sie all diesen
zertrümmerten Existenzen eigen ist.
Dieser Mann stand immer stramm wie ein Soldat an der Tür, er wagte sich nie
richtig herein und trug ein sonderbares, halb devotes, halb würdevolles Wesen
zur Schau. Wie es sich nachher herausstellte, war es der General N., der noch
während des Krieges eine Kavalleriebrigade befehligt hatte. Armer Mann! Um zu
dieser Stufe menschlichen Daseins herabzusinken, hat er es wahrlich nicht nötig
gehabt, für die "Befreiung Russlands vom deutschen Joch" zu kämpfen.
Es gibt übrigens einen Ort in Moskau, wo man gar keine Bettler sieht. Dieser Ort
ist - der Kreml. Weil das Betreten des Kreml nur mit einem besonderen Ausweis
gestattet ist. Sogar die Bettelmönche haben hier keinen Zutritt. All die
ehrwürdigen alten Kirchen des Kreml sind von den Bolschewisten fest verschlossen
worden. Im Kreml wird nicht gebetet, "Religion bedeutet Opium für das Volk". Im
Kreml wird gearbeitet, Tag und Nacht. Von hier aus wird das Staatsschiff
Russlands geleitet. Da hat man keine Zeit, sich um die paar tausend
Schiffbrüchigen zu kümmern, die ringsumher ihrem völligen Verderben
entgegentreiben."
Eine Art „Ventilfunktion" kann man auch in der nachfolgenden Leserfrage
sehen, welches das Schweizer „Goldene Zeitalter" in seiner Ausgabe vom 15. 3.
1924 veröffentlichte. Das GZ schreibt dazu:
„In längeren Ausführungen, die auf die
ungerechten Zustände dieser Welt aufmerksam machen, fragt uns ein Abonnent,
warum wir den Kommunismus bekämpfen."
In der Antwort darauf wird dann vom GZ ausgeführt:
„Unsere Sympathie gehört, wie die Ihrige,
den Armen und den Bedrückten dieser Welt. Wenn wir dessen ungeachtet den
Kommunismus nicht gutheissen, so geschieht es darum, weil er wie ein Feuerbrand
nur vermehrte Unruhe stiftet Es ist leicht, uns und andere unzufrieden zu
machen. Alle Bestrebungen aber, die nicht imstande sind, die Verhältnisse
durchgreifend zu bessern, die nicht Gewähr bieten, die gegenwärtigen Wirrnisse
zu beheben, sollten besser unterbleiben. Russland bietet ein Beispiel dafür,
dass das Volk unter solchen Experimenten ungeheuer zu leiden hat, ohne dass ein
befriedigendes Resultat erzielt worden ist.
Auch die Aufrichtigen unter den Kommunistenführern werden zur Erkenntnis kommen
müssen, dass es ausserhalb menschlicher Macht liegt, alle sozialen, physischen
und moralischen Unvollkommenheiten zu beseitigen, die uns umgeben. Die
Bestechlichkeit der öffentlichen Verwaltungen, das Anwachsen der Macht von
Konzernen und Trusts, die Gewalttätigkeit gewisser Volksschichten, überhaupt
alle Uebel, die das öffentliche und private Leben vergiften, liegen in der
unvollkommenen moralischen Natur, in der unvollkommenen Geistesverfassung der
Menschen im Allgemeinen begründet. Die Verdorbenheit beschränkt sich nicht auf
einzelne Volksklassen.
Auch Regimewechsel vermag daran nichts zu ändern, denn überall drängen sich jene
Elemente in den Vordergrund, die darauf ausgehen, die Ehrlichen auszunützen und
aus allen Dingen Kapital zu schlagen, wenn es ihnen gelingt, auf angängige,
sonst aber auf unehrliche Weise.
Nur eine der Welt überlegene Macht, die Böses unverzüglich bestraft und Gutes
belohnt, vermag Wandlung zu schatten, d. h. gerecht zu regieren. Eine Macht, die
nicht nach dem Hören des Ohres und Sehen des Auges urteilt, sondern den Menschen
auf den Grund des Herzens zu blicken vermag.
Sicherlich ist zu keiner Zeit Reichtum so sehr missbraucht worden, wie in
unserer Zeit, sodass an eine Versöhnung der widerstrebenden Elemente gar nicht
zu denken ist. Wenn aber, wie es heute geschieht, eine grosse Klasse von Reichen
sich über die allgemein gültigen Regeln der Ehrbarkeit hinwegsetzt, so zeigt
das, dass diesen an einer Verständigung überhaupt nicht gelegen ist, und sie
haben sich die Suppe selber eingebrockt, wenn das Proletariat seinerseits mit
Gewalt die Gesetze des Landes durchbricht und seine und die Existenz seiner
Arbeitgeber zerstört.
Trotzdem aber möchten wir alle davor warnen, diesen Zustand herbeizuführen, denn
das Beschreiten dieses Weges bringt der Welt unbeschreibliche Drangsal. Für uns
kann einzig und allein der Standpunkt der Bibel, d. i. der Standpunkt Gottes
massgebend sein. Die Bibel aber weist zur Erlangung der Gerechtigkeit einen
ändern Weg, als denjenigen der Gewalt."
Flankierend sei vielleicht auch noch jener Artikel zitiert aus der
Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 3. 1924, überschrieben:
„Das Elend arbeitender Kinder in Amerika".
In ihm war zu lesen:
„Im vorigen Jahre feierte man den
hundertjährigen Gedenktag an die Gründung der ersten Organisation arbeitender
Frauen, der Scheiderinnen New Yorks. Viele tausend Frauen sind seitdem in die
Reihen der Arbeiter getreten, und neben ihrer Zahl wächst in vielen Ländern die
Zahl der arbeitenden Kinder.
In Missisippi arbeitet mehr als der vierte Teil der Kinder im Alter von zehn bis
vierzehn Jahren beruflich. In Rhode Island muß ein Achtel der Kinder des Landes
arbeiten. In Kalifornien, Washington und Oregon dagegen nur drei Prozent. Aber
in den Vereinigten Staaten insgesamt arbeiten mehr als eine Million Kinder für
Geld. Der Kongreß hat zweimal versucht diese Kinderarbeit zu verhindern, aber in
beiden Fällen hielt der Oberste Gerichtshof ein solches Gesetz nicht für
verfassungsgemäß.
Seit der letzten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, daß der Kongreß kein
Recht habe, Kinderarbeit zu verbieten oder einzuschränken, hat die Sklaverei der
amerikanischen Kinder bedenklich zugenommen. Vor kurzem erfuhr das
Arbeiter-Department, daß in Newark und Jersey-City Tausende von Kindern unter
den ungünstigsten Verhältnissen Lasten von Arbeit zu bewältigen haben. In
Waterbury, Connecticut, sind infolge dieser Gesetze achtmal soviel Kinder an der
Arbeit als im vorigen Jahr. Unter den arbeitenden Kindern ist Tuberkulose
allgemein verbreitet.
Als eine traurige Folge dieser unglücklichen Entscheidung des Obersten
Gerichtshofes fand man in Jersey ein schwächliches kleines Mädchen von 10 Jahren
tuberkulös, welches einen bestimmten Fabrikationsteil für sprechende Puppen
machte und außerordentlich bei der Arbeit überanstrengt war. Es war vor kurzem
operiert worden, weil es bei der Arbeit eine Nadel verschluckt hatte. Eine
häufige Arbeit für die Kleinen ist auch die Herstellung von Rosenkränzen. Kann
man unter solchen Umständen nicht richtiger von einer 'grausamen Maria' anstatt
von einer 'heiligen Maria' sprechen? Der Arbeitslohn beträgt vier bis zehn Cents
für die Stunde. So können sich die Kleinen mit ihrer Tagesarbeit kaum eine
Mahlzeit verdienen.
1350 Kinder arbeiten in den Krebskonservenfabriken an der Golfküste. Die Hände
dieser Kinder sind vollständig aufgerissen und wund von der Krebssäure und den
Stacheln der Krebsscheren, womit sie sich verletzen. Ein kleines Mädchen
berichtete, daß es jede Woche für 25 Cents Alaun verbraucht, um seine Hände
wenigstens in einem solchen Zustande zu erhalten, daß es weiterarbeiten kann. In
den Rübenfeldern von Michigan und Colorado sind die Kinder so überanstrengt, daß
sie weinen und jammern und nicht zu essen vermögen.
Wenn wir neben all diesen in Berufsarbeit frühzeitig dahinwelkenden Kindern noch
an jene unzähligen denken, die in ungesunden Wohnungen weit über ihre schwachen
Kräfte hinaus Hausarbeit verrichten müssen, während ihre Eltern zur Arbeit
ausgehen, so lernen wir so recht die Mühsal verstehen ..."
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Siehe auch: Medizinische Okkultisten wo bezüglich des nachfolgend genannten "Dr. Abrams" eine Zusammenfassung erfolgte
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Aber am Interessantesten ist dann vielleicht noch, wie dieser Dr. Abrams in
der Praxis vorging. Ein Blutstropfen allein reichte ihm offenbar schon aus.
Dazu berichtet das GZ:
„Er ging in seiner Behauptung sogar noch
viel weiter und erklärte, daß seine neuen Apparate ihm gestatten, den Schleier
noch mehr zu lüften und daß er damit aus dem untersuchten Blutstropfen auch
genau feststellen kann, ob es sich bei der erkannten Krankheit um Vererbung
oder um andere Ursachen handelt.
Selbst Geschlecht und Völkerschlag verraten diese Blutproben. Ungläubigen, die
bezweifeln, daß das Blut derartige Enthüllungen gestatte, erwidert Dr. Abrams
ungefähr folgendes:
Ein Mineraloge braucht, um die Natur des Produktes festzustellen, nicht erst
ein ganzes Bergwerk zu untersuchen. Eine kleine Probe des betreffenden
Gesteins genügt ihm. Ebenso genügt ein Blutstropfen, um das Ganze zu
beurteilen, denn dieser Blutstropfen mit seinen Billionen Elektronen stellt
nur eine Verdichtung der unzähligen Vibrationen des Gesamtorganismus dar."
Der Blutstropfen hatte es dem GZ-Artikelschreiber im besonderen angetan,
den nun schwebt er „auf Wolke sieben":
„Wenn ein Tropfen Blut daher solche Dinge
zu offenbaren vermag, so verstehen wir auch die erhabene Philosophie und
ungeahnte tiefe Bedeutung des Wortes, das sich im dritten Buch Moses
aufgezeichnet findet: "Das Leben ist im Blut".
Bei dieser Methode ist die Gegenwart des Patienten zur Feststellung der
Krankheit also überflüssig. Er kann Tausende von Meilen von seinem
Diagnostiker (Krankheitsbestimmer) entfernt sein; alles was er dabei zu tun
hat, ist die Sendung einer Blutprobe in die Klinik. Das Eintrocknen des Blutes
auf dem Wege zum Arzt ändert nichts an der Sache, denn die Atome sind im
trockenen wie im flüssigen Zustande vorhanden und die Krankheit, die auf die
elektronischen Bewegungen einwirkte, beeinflußt dieselben gleicherweise auch
in diesem Zustand. Dies gestattet somit, die Diagnose ebensogut an einer
jahrealten Blutprobe vorzunehmen, wie an einem eben dem Körper entnommenen
Bluttropfen. ...
Das vielseitige Ausfragen des Patienten über Beschwerden und Symptome durch
den Arzt und die oft irreführenden Antworten des Patienten fallen ebenfalls
weg, weil der Bluttropfen zuverlässigere Auskunft erteilt."
Und auch das meint das GZ zu wissen:
„Es werden wunderbare Heilerfolge
gemeldet."
Bemerkenswert auch der Nachsatz der GZ-Redaktion (Schweizer Ausgabe
vom 15. 2. 1924; Ausgabe Magdeburg 15. 3. 1924)
„Auf verschiedene Anfragen hin, ob
Blutproben eingesandt werden können, hat sich die Redaktion des ,,G. Z." in
Amerika erkundigt. Die Antwort lautet dahingehend, dass allerdings Blutproben
gemacht werden können, dass aber die Vornahme derselben keinen praktischen
Zweck hat, so lange dem Betreffenden kein Apparat zur entsprechenden
Behandlung zur Verfügung steht."
A ja. Nun weis man's. „Realisieren" lässt sich das ganze nur - getreu
Scientology aus der Neuzeit mit ihrem „E-Meter" - wenn die „Beherrscher"
dieser „Erkenntnisse" dabei auch ihr Geschäft machen können. An Hintertürchen
mangelt es also nicht!
An Details sei noch aus den Fortsetzungsserien zitiert (GZ Ausgabe Bern,
1. 11. 1923; Ausgabe Magdeburg 15. 11. 1923). Zum Beispiel dies:
„Die Versuchsperson muß, wie die
Illustration ... zeigt, den Oberkörper entblößen und mit nach Westen gewandtem
Angesicht auf zwei Zinkplatten stehen, die mit der Decke und mit dem Boden
durch einen Draht verbunden sind. Es mag noch erwähnt werden, daß die
Bodenverbindung dadurch hergestellt wird, daß der Draht in ein Dampfrohr
gelötet ist. Dieses Dampfrohrsystem befindet sich durch den Kellerraum in
Verbindung mit der Erde und stellt daher einen vollständigen Bodenkontakt her.
In technischer Weise ausgedrückt, sind somit der Dynamizer und die
Versuchsperson "geerdet".
„Interessant" auch die Angabe:
„Diese Versuchsperson ist
sonderbarerweise nicht etwa der Patient selber, obwohl das keinesfalls
ausschließt, daß auch der Patient gelegentlich dieses Amt übernimmt. Irgend
eine Person kann als Versuchsobjekt verwendet werden."
Und in einer einzigen der vorbeschriebenen Prozedur würden zugleich
„mehrere Dutzend verschiedene Blutproben
zur Untersuchung gelangen".
Das muss man sich mal rekapitulieren. Diese Blutproben sind zudem noch
anonymisiert. Das Personal des „Arztes" führt zwar Buch darüber, welche
Blutprobe welcher Person gehört, um sie mit dem „Resultat" dann noch
„beglücken" zu können. Indes weis der „Wunderdoktor" bei seiner „Untersuchung"
nicht, welche Blutprobe, welcher Person zuzuordnen sei!
„Der als Versuchsperson verwendete Mann
teilt mir ferner noch mit, daß er die Reaktionen in seinem Leib früher fühle,
als der Arzt dieselben durch Abklopfen festzustellen vermag. Seine Nerven
reagieren ganz automatisch auf die verschiedenen Geschwindigkeitsgrade der
Schwingungen, wie dieselben eben durch den Rheostat hervorgerufen werden"
Und weiter:
„Vor kurzem kündigte nun Dr. Abrams an,
er habe endlich einen Apparat, den er "Oszillophon" nennt, erfunden, der die
Versuchsperson vollständig ersetze. Er behauptet, dieses Instrument besitze
eine ebenso große Empfindlichkeit wie das menschliche Nervensystem, um die
Reaktionen auf mechanischem Wege genau anzeigen zu können."
Angesichts der aktenkundigen Impfgegnerschaft der frühen Bibelforscher
ist auch ein Satz charakteristisch wie der:
„Dr. Abrams behauptet, Syphilis bilde die
allgemeine Basis für alle übrigen Krankheiten und nahezu jeder Mensch sei mehr
oder weniger mit diesen Krankheitskeimen behaftet, entweder infolge Vererbung,
oder durch eigene Erwerbung. Er behauptet dieser Krankheitskeim werde häufig
durch Impfung erzeugt. Diese Art der Krankheit bezeichnet er als
"Rinder-Syphilis". Syphilitische Reaktionen können von Impfwunden herrühren.
Die gleichen Reaktionen können durch "reinen", in den Dynamizer gebrachten
Impfstoff, hervorgerufen werden. Dr. Abrams erklärt deshalb, der Impfstoff
müsse zuvor gereinigt werden und dies könne geschehen, indem derselbe für
einige Minuten einer Bestrahlung mit blauem und dann mit gelbem Licht
ausgesetzt wird, da die Vibrationskraft dieser Strahlen auf die dem
Rinderimpfstoff anhaftende syphilitische oder tuberkulöse Disposition
zerstörend einwirkt."
Wie kaum anders zu erwarten, hat auch dieser „Wunderdoktor" sich sein
berühmt-berüchtigtes „Hintertürchen" in seine Theorie eingebaut. Dafür steht
dann auch solch ein Satz wie der:
„Diese Elektronen-Diagnose erfordert
natürlich große Sorgfalt und ein reiches Maß von Geschicklichkeit. Wenn der
Diagnostiker zum Beispiel beim Abklopfen irgend eine Stelle des Unterleibes
aus Versehen übergehen würde, so könnte dies leicht gerade diejenige sein, die
das erkrankte Organ anzeigt; und diese Nachlässigkeit würde zu einer
unzulänglichen Diagnose über den Zustand des Patienten führen. Der Arzt darf
auch nicht vergessen, den Dynamizer mit dem Hufeisenmagnet zur Zerstörung
aller radioaktiven Kräfte der vorangehenden Blutprobe zu entmagnetisieren und
48 Stunden vor dem Blutentzug sollen keine Arzneimittel eingenommen werden, da
diese als ein störendes Moment die Genauigkeit der Diagnose beeinflussen. ...
Zuweilen verhindert schon ein überfüllter Magen die Beobachtung von Reaktionen
durch Abklopfen oder andere Methoden. Mancherlei Ursachen können die
Untersuchung beeinträchtigen."
Ein „Wunderdoktor" begnügt sich selbstredend nicht nur mit einem. Nein,
wenn schon denn schon. Dann sollen es auch gleich mehrere „Wunder" sein. Dafür
spricht auch die Angabe im GZ (Ausgabe Bern vom 15. 11. 1923; Ausgabe
Magdeburg vom 15. 12. 1923):
„Somit ist das Blut nicht das einzige
Mittel zur Feststellung der Krankheit. Auch Fleisch- oder Gewebeteilchen vom
Körper des Patienten leisten den gleichen Dienst wie das Blut, jedoch ist eine
Blutprobe am leichtesten zu bewerkstelligen.
Dr. Abrams erklärt, er habe den Staub von über 3000 Jahre allen Mumien in
dieser Weise untersucht und dabei noch krankhafte Reaktionen konstatieren
können."
Angesichts solcher Aussagen fragt man sich, warum wohl die „Schulmedizin"
nicht zum „alten Eisen" gelegt wird; weis das GZ doch auch zu berichten:
„Ebenso wird behauptet, daß man mittels
des Dynamizers das Geschlecht eines noch ungeborenen Kindes und die
Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Verdachtes der Vaterschaft festzustellen
vermag."
Was den Vaterschaftstest anbelangt, soll ja die Schulmedizin wohl auch
mit Blutuntersuchungen arbeiten. Allerdings doch wohl ohne den „Dynamizers"
des Wunderdoktors.
Die neuere Technik, Satellitengestützt, Autofahrer werden es vielleicht
wissen, ermöglicht Navigationssysteme. Offenbar hätte man sich den dazu
notwendigen Aufwand ersparen können; denn auch das soll ja dieser Wunderdoktor
bereits gekonnt haben, zumindest in den Augen seiner gläubigen Jünger. Da auch
das GZ zu letzterer Kategorie zählt, ist es für selbiges eine Ehrenpflicht,
auch darüber zu unterrichten.
Zitat:
„Ein weiterer Nutzen der Apparate Dr.
Abrams ist, daß man mittels derselben den Aufenthaltsort einer Person
annähernd bestimmen kann. Zu diesem Zweck wird zunächst die
Vibrationsgeschwindigkeit der zu suchenden Person, vermittelst der Handschrift
oder einer Blutprobe, bestimmt. Dann wird die damit übereinstimmende und
fortgesetzt ausstrahlende Energie des betreffenden Individuums vom Dynamizer
aufgenommen und speziell angebrachte Hilfsapparate übernehmen gleichsam wie
eine Empfangsstation der Funkentelegraphie die Funktionen als Empfänger."
Zum Ausklang der GZ-Artikelserie wird auf die Entdeckung der
Röntgenstrahlen und der Radioaktivität hingewiesen. Und man meint, dass der
fragliche Wunderdoktor ähnlich einzuordnen sei.
Es ist aber immer noch so, dass neuere technische oder medizinische
Innovationen, theoretisch begründbar und durch Experimente verifizierbar und
wiederholbar sind. Diesem strengen Maßstab indes entspricht dieser Dr. Abrams
nicht.
Mag man auch ein gewisses Nachsehen für die zeitgenössische Euphorie, zu deren
Multiplikator sich auch das „Goldene Zeitalter" machte haben, bleibt aus der
rückschauenden Sicht dennoch der relevante Vorwurf bestehen, es letztendlich
mit einem „König der Quacksalber" zu tun gehabt zu haben, und dass dessen
Selbstdarstellungstribüne eben auch die Zeitschrift „Das Goldene Zeitalter"
war.
Angesichts all dessen ist es wohl eine „Nebensächlichkeit" wenn in einem
Überblicksartikel von Ingo Heinemann. Siehe dazu:
http://www.agpf.de/Zahlen.htm
sich auch die Angabe findet:
„Prächtig verdient wird ferner am Verkauf
von allerlei Gegenständen und Geräten, mit denen 'geistige' Heileffekte
angeblich noch verstärkt werden können: von Edelsteinen, Mineralien, Amuletten
über Energiepyramiden und Organstrahlern bis hin zu den mehrere tausend Euro
teuren Radionik-Vorrichtungen."
Dafür steht dann auch die Angabe im „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe
Bern) vom 1. 7. 1925:
„Die Kosten einer Blutdiagnose und der
erforderlichen zwei- oder dreimonatlichen Behandlung belaufen sich so hoch,
daß sie die Mittel des Durchschnittes der Menschheit weit überschreiten und
für Arme ganz unerschwinglich sind."
Offenbar nur die deutsche Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 2.
1924 (nicht aber die Schweizer Ausgabe), sah sich zur Aufnahme der
nachfolgenden Entgegnung genötigt:
„Durch die Zeitungen verschiedenster
Richtungen unseres Landes geht augenblicklich eine Notiz, welche behauptet,
daß die im Goldenen Zeitalter behandelte Dr. Abramsche Elektronen-Theorie ein
sogenannter großer ärztlicher Schwindel sei. Verschiedene Leser des G. Z.
bitten uns dazu Stellung zu nehmen.
Dem aufmerksamen Leser dieser Zeitungsartikel wird sofort auffällig werden,
daß in dem Artikel gesagt wird, daß die Erfindung selbst ein Gegenstand
erbitterter Kämpfe innerhalb der Ärzteschaft gewesen ist. Wenn die Erfindung
ein großer Schwindel ist, dann braucht sie nicht Gegenstand erbitterter Kämpfe
unter der Ärzteschaft gewesen zu sein, sondern wäre als 'erwiesener Schwindel'
sofort erledigt; es zeigt sich hier vielmehr, daß, wie es bei jeder Neuerung
der Fall ist - man braucht nur an die großen Kämpfe zu denken, die der
Einsteinschen Theorie entgegengetreten sind - auch hier ist. Irgendwelche
interessierten Kreise befürchten einfach, daß, wenn diese Abramsche
Elektronen-Theorie Eingang im Volke findet, dies unbedingt den Stand der Zahl
ihrer Patienten und den Fortgang ihrer Praxis beeinträchtigen werde. Daraus
erklärt sich dann die große Gegnerschaft und das Bemühen, eine Idee und ein
Unternehmen, das segensreich ist, auf jede Art und Weise zu verdächtigen und
möglichst lächerlich zu machen.
Auffällig ist auch der Schluß des Artikels in welchem es heißt, daß Dr. Abram
sich zurückgezogen habe, um in Ruhe die Früchte seiner Erfindung zu genießen.
Wenn die Sache ein großer ärztlicher Schwindel wäre, dann würde unbedingt die
Behörde eingreifen und ihn in Haft gesetzt haben, sodaß er also nicht 'in Ruhe
die Früchte seiner Erfindung genießen' könnte. Wenn er aber, wie diese Notiz
sagt, in Ruhe die 'Früchte seiner Erfindung' genießt, dann bedeutet dies, daß
es wirklich eine Erfindung ist, die Früchte bringt. Vielleicht handelt es sich
übrigens bei diesen ganzen Notizen, die augenblicklich durch die Zeitungen
schwirren, um nichts weiter als um ein Unternehmen der Gegner des Goldenen
Zeitalters, die den im Goldenen Zeitalter behandelten Stoff lächerlich machen
wollen, um auf diese durchsichtige Art und Weise die Verbreitung des Goldenen
Zeitalters, die einen immer weiteren Umfang annimmt, zu hindern und zu
beeinträchtigen.
Aus Amerika selbst ist uns nichts bekannt geworden in dem Sinne besprochener
Notiz. Die nächste Zeit wird gewiß wunderbare Errungenschaften für die gesamte
Menschheit bringen, die noch viel weiter gehen als die in dem Artikel
'Elektronen-Theorie' sich eröffnenden Aussichten."
Noch in der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 5. 1925
wird dieser Dr. Abrams mit der Aussage bejubelt:
„Dr. Abrams war tatsächlich der erste,
der diese Theorie durch ein mechanisches Instrument bewies. Dadurch werden
auch die bisherigen Geheimnisse der sogenannten geistigen Telepathie (des
Gedankenübertragens) und des Gedankenlesens aufgeklärt. Personen in sehr regem
und starkem Geiste können ihren Geist auf die Schwingungen Anderer einstellen
oder deren Gedanken fühlen."
Aber meint das GZ weiter:
„Es ist jedoch gefährlich, solche
Versuche auszuführen, weil wir uns vor den giftigen Pfeilen des Bösen hüten
müssen, vor dem gefährlichen Einfluß hypnotischen und spiritistischen Kultus."
Und als Vergleich wird auch noch angeführt:
„Die christliche Wissenschaft heilt in
vielen Fällen nur, indem dem Kranken eine andere Gedankenrichtung gegeben
wird, indem ihm neue Hoffnung eingeflößt wird, während sie die Heilung
,,göttlicher Kraft'' zuschreibt."
Die besondere Perfidie dieser Artikelserie besteht auch in dem Umstand,
in ein pseudowissenschaftliches Mäntelchen gekleidet zu sein. Wohl kaum einer
der Leser des „Goldenen Zeitalters" konnte berechtigt für sich in Anspruch
nehmen, etwa die Atomphysik im Detail wirklich zu verstehen. Genau diese
Suggestion versucht aber diese Artikelserie zu erwecken. Etwa, wenn man in
deren letzter Folge (Schweizer GZ vom 15. 2. 1924) den Satz liest:
„Plancks ,,Quantentheorie" wurde 1901
wegen der damals noch beschränkten Erkenntnis über die Atomstruktur von den
Gelehrten keineswegs mit offenen Armen aufgenommen. Die Plancksche Konstante
jedoch wurde später durch Einstein neu belebt, indem er sich ihrer zur
Berechnung der spezifischen Wärme der Körper bediente, und zwar mit so
bemerkenswertem Erfolg, dass ihre Genauigkeit nicht länger bezweifelt werden
konnte."
Wie aus den eingangs zitierten Lebensdaten ersichtlich, verstarb dieser
Wunderdoktor Dr. Abrams im Jahre 1924. Indes fanden sich offenbar „würdige"
Nachfolger. In der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 6. 1925
gab es dann unter der Überschrift „Eine automatisch elektronische Diagnose",
eine offenbar als Fortsetzung zu wertenden Bericht über diese Story. Er ist
namentlich gezeichnet mit: Dr. med. Gambles, Dechant des elektronischen
Instituts zu Norfolk. Damit ist offenbar jenes Norfolk in Virginia (USA),
nicht aber jenes in Großbritannien gemeint. Nun bin ich über in den USA
verwendete Titel nicht sonderlich informiert. Zumindest erscheint mir der
Titel „Dechant" für deutsche Verhältnisse, keine sonderliche Verwendung zu
haben. Lexikaeinträge setzen hierzulande einen „Dechant" mit einem „Dekan"
gleich, welcher einer höherer Beamter in Großkirchlichen Dienst zu sein
pflegt.
Aber lassen wir die Titelfrage. Viel bezeichnender ist der Untertitel jenes
Artikels.
Zitat:
„Im besonderen geschrieben für das
,,Goldene Zeitalter".
Und letzteres versäumt es denn auch nicht seinem Autor einen
„Persilschein" auszustellen, wenn es denn mitteilt:
„Wir haben das größte Vertrauen zu den
Darlegungen Herrn Dr. Gambles. Er hat einen bedeutenden Ruf in den Vereinigten
Staaten."
Und selbiger „revanchierte" sich dann wie folgt (GZ, Ausgabe Bern vom 1.
7. 1925):
„Ich habe diese neue Methode, von der ich
glaube, daß sie einen Wendepunkt in der Geschichte der Krankheitsbehandlung
bedeuten wird und die ich ausschließlich in dieser Zeitschrift bekannt gebe,
ehe ich sie irgendwie allgemein veröffentliche, die ,,elektronische
Radio-Biola" genannt.
Das „Golden Age" bringt denn auch prompt in seiner Ausgabe vom 22. 4.
1925 ein ganzseitiges Inserat dazu:
Siehe auch
http://www.seanet.com/~raines/biola.html
Wenn dem so ist, dann kann man unschwer erraten, dass in der GZ-Leserschaft,
eventuell noch vorhandene kritische Vorbehalte „ausgeschaltet" wurden.
Im Artikel selbst teilt dieser Dr. Gambles dann auch noch mit:
„Daß Dr. Abrams die Kuren, von denen er
berichtet, wirklich machte, weiß ich mit Bestimmtheit, denn ich ging im Jahre
1922 nach San Francisco, studierte mit ihm und assistierte ihm in vielen
Fällen."
Versteht man das richtig, sonnt sich also dieser Dr. Gambles in der Rolle
desjenigen, dem nun die Abram'sche Erbschaft zugefallen ist.
Erstaunliche Thesen weis er in seinem Artikel auch zu verkünden. Zum Beispiel
die:
„Es war eine Aufsehen erregende
Entdeckung für die Wissenschaft und die Medizin, als es offenbar wurde, daß
alle Bestandteile der Materie mehr oder weniger Sendestationen sind, die
Signale in die Luft senden, die ebenso verschiedenartig von einander sind, wie
die Zusammensetzungen und die Geschwindigkeit der ,,Elektronen", von denen sie
ausgehen. ... Darum kann die medizinische Wissenschaft unmöglich das Radio
übersehen, auch wenn sie es wollte. Die Erkenntnis der ungeheuren Bedeutung
dieser Tatsachen trieb mich dazu, der Theorie von den elektronischen Wirkungen
Aufmerksamkeit zu schenken."
Schon diese Sätze machen deutlich, dass der „König der Quaksalber"
offenbar einen „würdigen" Nachfolger bekam.
Natürlich verstand er es auch auf die Befindlichkeit seiner Leserschaft
einzugehen. Beleg dafür ist auch seine in diesem Artikel gleichfalls
enthaltene These:
„Was man bei der Behandlung von
Krankheiten stets bedenken sollte, ist, daß die Natur die Heilung bewirkt. Die
Natur befindet sich in einem ständigen Kampfe, die Krankheit in unserem Körper
zu verhindern und zu unterdrücken. ... Darum sollte sich niemand durch den
Spott und die bitteren Anklagen sogenannter Fachleute beirren lassen."
Genau das wollte doch die Leserschaft des „Goldenen Zeitalters" hören.
Danach japste sie doch förmlich. Und nun bekam sie es via Dr. Gambles wieder
mal zu hören. Schande und Hass über den, der eventuell diese fromme
Wunschgebäude kritisch hinterfragen wagen sollte. Man kann sich die Leser des
„Goldenen Zeitalters" förmlich vorstellen, wie sie denn eigenhändig
Scheiterhaufenmaterial sammeln würden; um solch einen unbotmäßigen Kritiker
darauf zu befördern. Und der Dr. Gambles dürfte dabei sicherlich nicht
abgeneigt gewesen sein, den so geschaffenen Scheiterhaufen, nebst Inhalt,
eigenhändig anzuzünden.
So ist halt das Leben!
Und sein „Patentrezept" beschreibt er mit der Selbstdarstellung:
„Die elektronische Radio-Biola bedeutet
eine Erneuerung durch Radiowellen oder Elektronen. Die Biola stellt
automatisch Diagnosen und behandelt Krankheiten durch Anwendung elektronischer
Schwingungen. Die Diagnose ist zu 100 Prozent richtig und sicherer, als sie
der erfahrenste Diagnostiker stellen kann und mit keinerlei
Unterhaltungskosten verbunden. Dieser kleine Apparat mißt die Energie des
Körpers, seine Widerstandskraft gegen Krankheit und im Krankheitsfall, oder
wenn die Energie unter Pari ist, bringt er sie ins Gleichgewicht. Dies
geschieht durch Radio-Schwingungen, was dem menschlichen Körper zu seinem
eigenen Dynamizer oder Gegengifterzeuger macht. Er stellt das Gleichgewicht
der erkrankten Gewebe allmählich selbst wieder her."
Er bringt auch einen Vergleich dazu. Letzterer wirkt allerdings,
angesichts der Impfgegnerschaft der Bibelforscher, etwas skurril. Jedenfalls,
um seine „Erfindung" weiter schmackhaft zu machen, bringt er dann den
Vergleich:
„Eine der größten Erneuerungen der
Medizin ist die Erfindung und Herstellung des Gegengiftes für Diphteritis.
Früher starben neunzig Prozent der Kinder, die von dieser schrecklichen
Krankheit befallen wurden; aber seit das Gegengift in Anwendung gekommen ist,
ist das Verhältnis gerade umgekehrt geworden und werden neunzig Prozent
gerettet.
Dieses Gegengift wird dadurch hergestellt, daß ein gesundes Pferd mit einer
kleinen Menge der Diphteriebazillen geimpft wird. Das bewirkt einen leichten
Diphteritisanfall bei dem Pferde. Nachdem es davon genesen ist, wird ihm eine
stärkere Dosis der Bazillen verabreicht und das wird so fortgesetzt, bis das
Pferd schließlich gegen Diphterie gefeit ist und man ihm soviel
Diphteriebazillen einimpfen kann, wie zur Vernichtung eines ganzen Regimentes
Soldaten genügen würde. Dann wird ihm eine Halsader geöffnet und ein Liter
oder mehr seines Blutes abgenommen, Dieses wird sterilisiert und behandelt und
eine kleine Menge davon wird dem diphteritiskranken Kinde eingeimpft mit dem
Erfolge, daß sofort eine Heilung erfolgt.
Die Heilmethode mit dem elektronischen Radio-Biolaapparat ist ähnlich, mit dem
Unterschied, daß statt der toten, stets schädlichen Krankheitskeime die in dem
Diphterieserum dem Körper eingeimpft werden, der Biolaapparat die
Krankheitswellen (das Gegengift) aus dem Körper aufnimmt und sie ihm wieder
zuführt, wo sie denselben Zuständen, durch die sie hervorgerufen sind,
begegnen und sie aufheben."
Natürlich darf die obligate „Verbeugung" vor dem Weltbild der
Bibelforscher, auch in diesem Artikel nicht fehlen. Deshalb wird weiter
belehrt:
„Auch diese Erfindung liefert uns einen
deutlichen Beweis, daß wir an der Schwelle des goldenen Zeitalters uns
befinden, nachdem sich alle Bewohner dieser Erde so lange gesehnt haben - das
goldene Zeitalter, in dem einem, jeden seines Herzens Verlangen nach Leben,
Freiheit und Glück unter vollkommenen Verhältnissen gestillt werden wird."
Nun kann man sicherlich nicht der WTG unterstellen, selbst das „große
Geschäft" mit der „Radionik" zu machen. Allenfalls einigen der in ihrem
Windschatten segelnden aus der Heilpraktikerszene. Aber entscheidend ist ja,
dass die WTG sich als Multiplikator dieser Theorien betätigte. Und dabei muss
man unweigerlich den Namen des C. J. Woodworth nennen, denn er war der
verantwortliche Redakteur des „The Golden Age" von 1919 - 1946, aus dem dann
auch seine deutschsprachigen Ableger „abkupferten".
Nun mögen noch zwei thematisch damit zusammenhängende Zeugnisse zitiert
werden. Einmal von Jerry Bergman und zum anderen von Ken Raines. Eine
Schlüsselperson, die in diesen Zeugnissen mit vorkommt ist
Roy Goodrich.
Somit mag zuerst zu letzterem etwas gesagt werden. In ihrer Nr. 101 berichtete
die CV:
„Am 28. Dezember 1976 verstarb in ein m
Krankenhaus in Fort Lauderdale, Florida, USA, einer der erfolgreichsten
Kritiker der WTG und des Wachtturms, Bruder Roy D. Goodrich. Seit dem Jahre
1944 hatte er in den USA seine Stimme gegen alle Arten unchristlicher Abwege
der WTG erhoben. Er gab die periodische Schrift "Back to the Bible Way"
(Zurück auf den Weg der Bibel) heraus. Mit seinem Tode wurde die Schrift
eingestellt. Bruder Roy D. Goodrich erhielt 1944 von der WTG den
"Gemeinschaftsentzug". Er veröffentlichte daraufhin einen offenen Brief an
WTG-Präsident Nathan H. Knorr, den dieser nie beantwortete. Bruder Roy D.
Goodrich wurde wie kaum ein anderer als "neuzeitlicher böser Knecht"
verschrien. Viele Änderungen, Korrekturen, Widerrufungen, Falschauslegungen
und Neudeutungen, die die WTG vornahm, nahm sie jedoch stillschweigend vor auf
Grund der selbstverständlich nur zu berechtigten Kritik von Bruder Roy D.
Goodrich. Was die WTG als ihr "Licht von Gott", das "immer heller scheint",
ausgibt, war und ist allzu oft nur die Übernahme dessen, was ihre Kritiker,
die einerseits als "Rebellen gegen Gott" und "böse Knechte" ausgeschlossen
werden, aufgedeckt haben."
Nun das Votum von Jerry Bergman, der sich in der Substanz seiner Aussage
auch auf Goodrich stützt.
Bergman schreibt:
„Goodrich sandte einen Brief an einen Mr.
M.A. Howlett in der Wachtturm-Weltzentrale, in dem er seine Sorge über den
Gebrauch der E.R.A.-Maschine durch die Wachtturm-Gesellschaft zur Behandlung
von Krankheiten ausdrückte. E.R.A. ist eine "oszilloklastische Maschine",
erfunden von Dr. Abrams, einem notorischen Quacksalber, der den Historikern
wissenschaftlicher Quacksalberei gut bekannt war. Goodrich war in Sorge, weil
er zu dem Schluss kam, die E.R.A.-Technik beinhalte Dämonismus.
Aus diesem Grunde schrieb er Howlett, um festzustellen, ob die Gerüchte, die
er über die E.R.A.-Maschine gehört hatte, die immer noch im Bethel (der
Wachtturm-Weltzentrale) Verwendung fand, stimmten.
Howlett antwortete Goodrich wie folgt:
"Sie sind offensichtlich über meine Verbindung zu E.R.A. falsch informiert.
Ich weiß nichts darüber und habe sie auch nie benutzt. Im Bethel gibt es keine
solche Maschine".
Goodrich wusste, dass Howletts Behauptung falsch war, weil er aus erster Hand
wusste, dass ein gewisser Chester Nicholson mit der E.R.A.-Maschine von
Howlett "behandelt" worden war.
Goodrich wusste auch, dass die E.R.A. seit 1922 von einem "Dr." Work im Bethel
verwendet wurde. Da Howlett mit seiner Tätigkeit im Bethel vor 1922 angefangen
hatte, wusste Goodrich überdies, dass Howletts Behauptung, "nie auch nur etwas
von E.R.A. gehört" zu haben, absurd war, da Howlett Arzt im Bethel war.
Folglich "glaubte Goodrich daher, dass Howlett ihn belog."
Als Antwort auf Howletts Brief schrieb Goodrich einen längeren Brief sowohl an
das Direktorium der Wachtturm-Gesellschaft als auch an den
Wachtturm-Präsidenten Nathan Knorr. Goodrich, damals ein Zeuge in gutem Ruf,
schrieb ausdrücklich darüber, was er glaubte, was Howletts Missbrauch der
theokratischen Kriegslist sei (in den 1940er Jahren
Das zweite Urteil stammt nun aus einem Aufsatz von Ken Raines, der in
deutscher Übersetzung auch auf der vormaligen Webseite von „Ottonio" lesbar
war
Nach Raines habe Goodrich in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1969
„sich fortwährend bei Rutherford und
anderen wie Woodworth beschwerte, dass die von ZJ gebrauchte ERA-Maschine (der
Oszilloklast) nichts weiter als ein Ouija-Brett (Alfabettafel) war. ..."
Eine „Krönung" erfuhr die umfängliche GZ-Serie über "Dr. Abrams
Elektronentheorie" dann noch mit der Veröffentlichung und Beantwortung von
Leserfragen im „Goldenen Zeitalter" (Schweizer Ausgabe vom 15. 1. 1924;
Ausgabe Magdeburg vom 1. 2. 1924).
Nachdem einleitend ein Fragesteller mit Lob nicht geizte, etwa indem er
äußert:
„Mit regem Interesse las ich den Artikel
"Dr. Abrams Elektronentheorie" in Ihrem gesch. Blatt und muss sagen, dass ich
so etwas von Klarheit der Auffassung und Geschicklichkeit, die überaus
schwierige Materie auch Laien verständlich, ja geradezu handgreiflich zu
machen, bisher noch nicht gelesen habe."
Wird dann ein weiterer Leserbrief zitiert, der es wohl „in sich hat". Die
GZ-Redaktion gab das in der Form indirekter Zitierung wie folgt zu Protokoll:
„Bei der Diskussion über obigen Artikel
wurde von einem anderen Leser Ihrer gcsch. Zeitschrift folgende Frage
aufgerollt;
Ist anzunehmen, dass im Goldenen Zeitalter die Nahrungsaufnahme in bisheriger
Weise weitergeht und demzufolge auch Fäkalien ausgeschieden werden? oder wirkt
der Elektronenring veredelnd auf diese peinlichen Vorgänge? ..."
Nun hätte es ja im Bereich der Möglichkeit gelegen, diesen Leserbrief
einfach dem Papierkorb zu überantworten, wo er sicherlich am besten aufgehoben
gewesen wäre. Nichts von dem. Offenbar war das für die GZ-Redaktion eine
gesuchte Steilvorlage, denn sie geht lang und breit darauf ein.
Als erstes doziert das GZ:
„Zunächst mochten wir Ihrer Frage noch
zwei andere vorausschicken:
Ist anzunehmen, dass das aus des Schöpfers Meisterhand hervorgegangene
Menschenpaar - Adam und Eva - in seinem vollkommenen Zustand und in der
herrlichen Umgebung diesen, das feine Gefühl störenden Vorgängen unterworfen
war?
Könnte der Mensch als wahrhaft königliches Wesen betrachtet werden, so lange
sich sein Stoffwechsel in dieser Weise vollzieht?"
Und die Antwort auf diese selbst gestellte Frage lautet dann:
„Die Antwort braucht nicht weit gesucht
werden. Liebig sagt zutreffend; 'Die Menge der Exkretionsstoffe ist ein
Gradmesser der Kultur'".
Man meint weiter zu wissen:
„Adam und Eva besassen als irdische
Ebenbilder ihres grossen Schöpfers nicht nur einen in jeder Hinsicht
vollkommenen Organismus, sie befanden sich ebensowohl in vollkommenen
Naturverhältnissen und entsprechender Umgebung, die von vornherein
irgendwelche Verunreinigung und Unreinheit undenkbar erscheinen lassen. Der
für sie eigens vom Schöpfer zubereitete Wonnegarten lieferte ihnen nur
vollkommene Nahrung, die göttliche Liebe und Weisheit für sie selber gewählt
hatte - ihrem Organismus vollkommen angepasste Früchte und Kraut; die gesamte
Nahrungsaufnahme konnte vom Körper bis zum letzten Atom aufgenommen werden und
Gifte oder unbrauchbare Statte mussten keine entfernt werden.
Aber dann kam die Katastrophe, der Fall und die Austreibung aus dem herrlichen
Garten in eine unwirtliche Wildnis hinaus, wo der um ihres Ungehorsams willen
verfluchte Erdboden statt der wie bis dahin vollkommenen Nahrung zwischen
Dornen und Disteln höchst spärliche und dazu unvollkommene Produkte lieferte,
die als Speise genossen, nicht mehr restlos verdaut werden konnten. Das
Körperlaboratorium vermochte trotz des vom Schöpfer vorgesehenen wunderbaren
Anpassungsmechanismus und der erstaunlichen Leistungen Einbezug auf die
chemischen Umsetzungen der Nahrungsstoffe nicht alles zu verwerten; es gab
dadurch Abfallsprodukte, die unter allen Umständen ausgeschieden werden
mussten. Und je mehr unverdauliche Stoffe mit der Nahrung eingenommen wurden,
um so reichlicher die Ausscheidungen.
Von diesem Standpunkt aus betrachtet, stellen diese 'Vorgänge' eine
Begleiterscheinung der über Adam und seine ganze Nachkommenschaft verhängten
Todesstrafe dar, die mit der Aufhebung derselben während des Goldenen
Zeitalters allmählich verschwinden wird ..."
Weiter geht es dann mit der definitivem Aussage:
„Dann müssen die heute den Menschen
verunreinigenden, verschiedenen Verdauungsgifte, mit denen Leber und Darm
täglich so schwer zu kämpfen haben, bei der neuen und vollkommenen
Ernährungsweise endgültig das Feld räumen, und die Ausscheidungen, die von
jeher ein peinliches Kapitel für Stadt und Land bildeten, hören auf natürliche
Weise auf. Sie vertragen sich auch nicht mit der dann weltweiten
Paradiesesherrlichkeit der neuen Erde, so wenig als mit der Königswürde, zu
der das Menschengeschlecht bestimmt und berufen ist von seinem Schöpfer, und
die es unter den Bedingungen der neuen Herrschaft des Lebensfürsten am Ende
der ersten tausend Jahre seiner Herrschaft erlangen wird."
Etwaige ungläubige Thomasse angesichts dieser Theorie, werden dann noch
wie folgt belehrt:
„Ob der Einsturz des immer noch stark
hypothetischen elektrischen Ringes die erwarteten und verheißenen vollkommenen
Naturverhältnisse und Zustände herbeiführen wird oder ob der allweise Gott
dies auf anderem Wege und mit anderen Mitteln zuwegebringen will, bleibt
vorläufig noch eine offene Frage."
Offenbar galt für die Schweizer GZ-Redaktion der Grundsatz „wiederholen
bis zum Erbrechen". Wie bereits ausgeführt veröffentlichte das Schweizer GZ in
seiner Ausgabe vom 15. 1. 1924 (Seite 127) erstmals diese fragwürdige
Fäkalientheorie. Damals noch mit Bezugnahme auf den Dr. Abrams.
Offenbar wähnte man wohl da ein besonderes Highlight geliefert zu haben. Man
traut seinen Augen kaum, registriert man, dass in der Schweizer Ausgabe des GZ
vom 15. 8. 1924 (Seite 350) einem erneut diese Fakalientheorie begegnet!
Lediglich diesmal ohne Bezugnahme auf Abrams.
[Es wird ausdrücklich in diesem Kontext noch darauf hingewiesen; dass es
zwischen der Schweizer und der deutschen Ausgabe des „Goldenen Zeitalters",
sowohl terminliche Unterschiede gab, was den Abdruck einzelner Artikel
anbelangt. Als auch inhaltliche Unterschiede. Es gibt etliche Beiträge, die
nur in einer der beiden Ausgaben nachweisbar sind. Wer also lediglich zitiert
„Goldenes Zeitalter", ohne die Zusatzangabe Deutsche oder Schweizer Ausgabe,
läuft Gefahr ein Verwirrspiel zu betreiben. Zumal ja wohl in Deutschland,
überwiegend nur, die Deutsche Ausgabe Verbreitung fand. Nicht jedoch die
Schweizer Ausgabe, und umgekehrt. Im konkreten. In der Magdeburger Ausgabe vom
1. 2. 1924 ist auch jene „Leserfrage" nachweisbar, welche die Schweizer
Ausgabe auf ihrer Seite 350 abdruckte. Also die Variante, wo der Dr. Abrams
eben nicht mit vorkommt. Hingegen die andere Variante (Schweizer Ausgabe S.
127,wo Abrams mit erwähnt wird), ist so nicht in der Magdeburger Ausgabe
nachweisbar.
Die fraglichen Repros in Sachen "Fäkalientheorie" wurden der Schweizer
Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" entnommen.]
Was den genannten „elektrischen Ring" anbelangt, der bei den
zeitgenössischen „Kaffesatz-Bibelforschern" auch besonders massiv herumspukte,
kann man auch vergleichen
Parsimony.19243
Parsimony.19242
Man vergleiche thematisch auch den Bericht über den „Wunderdoktor Schwarz"
In
Parsimony.25112
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Im Goldenen Zeitalter gelesen - Eine Zeitreise (1922)
Im Goldenen Zeitalter gelesen - Eine Zeitreise (1924)