Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise (1923) -

Einige Stichworte in diesem Jahrgang (in Auswahl):

Kaisertal, Kalifornien, Inflation, Versicherungen, Berufswahl, Kampf zwischen Arbeit und Kapital, Heilpraktiker, Wunderweizen, Elektrizität,

Fetz, August, Klimawandel, Ruhrgebiet, Besetzung, Technik Päpste (Geschichtlich), Hebräisch, Kinder auf Moskaus Straßen, Kinderarbeit. Abrams, Albert Elektronen-Theorie, Radionik, Goodrich, Roy D., Fäkalientheorie, Woodworth. C., Loganbeere, Luftelektrizität, Religion auf dem Mond, Weihnachten


Geschrieben von Drahbeck am 06. Januar 2008 06:56:06:

Als Antwort auf: geschrieben von Drahbeck am 21. Dezember 2007 14:03:00:

„Unsere Augen sehen nun den Morgen. Der Lichtglanz einer heller und heller werdenden Erkenntnis zeigt der bedrängten Kreatur das Königreich Gottes, und durch Jahrhunderte hindurch klingt bestimmt, befehlend des großen Führers Stimme: "Betet, Dein Reich komme, damit Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden!"
Die sehnsuchtsvoll wartende Liebe seiner Jünger: Was ist das Zeichen deiner Gegenwart? verweist Er auf am Ende des Zeitalters stattfindende Kriege, Hungersnöte, Seuchen, revolutionäre Erschütterungen usw."

Ausgehend von diesem Statement nimmt dir Redaktion in der ersten Ausgabe des 1923er „Goldenen Zeitalters" (1. 1. 1923) einen Rückblick auf das verflossene Jahr 1922 vor.

Was die zitierte Prämisse anbelangt, gibt man sich siegesgewiß, wofür auch die Aussage steht:
„Wenn nun auch noch finstere Gegner verächtlich spotten und drohend die Kunde vom hereinbrechenden Goldenen Zeitalter als eine Utopie bezeichnen, so wird uns darob gar nicht bange, sondern frohgemut harren wir aus auf hoher Warte, und rufen zuversichtlich hinunter:
Der Morgen kommt doch!"

Der Rückblick ins Jahr 1922 offenbart aber in der Sicht der GZ-Redaktion nur wenig, bis nichts, „Erfreuliches". Dafür stehen dann solche Sätze wie:

„Das Jahr 1922 wird in den Annalen der Geschichte einst als das Jahr der gescheiterten Weltkonferenzen bezeichnet werden. An der Schwelle desselben finden wir die fruchtlose Abrüstungskonferenz von Washington. Sie wurde mit großem Lärm und einer vielverheißenden Ansprache von Präsident Harding eröffnet, in der sehr viel von Völkerverbrüderung, Humanität und ewigem Frieden die Rede war. Diese Ansprache sollte ja verbergen und die Menschheit über die Tatsache hinwegtäuschen, daß es Amerika viel weniger um wirkliche Abrüstung zu tun war, als um die Machtverteilung auf dem großen Ozean.

Kann man sich da wundern, daß die anderen Staaten wenig Lust empfanden, einen Teil ihrer schönen, so teuren Kriegsschiffe in den Meeresgrund zu versenken, da doch der vorgelegte Abrüstungsvorschlag des Staatssekretärs Hughes allzu durchsichtig eine erstrebte Präponderanz Amerikas zur See verriet. ...

Das Endresultat der Washingtoner Konferenz war und ist ein "Nichts". Die ganze Welt weiß, daß auch nicht ein einziges Schiff vernichtet wurde; sie sind alle noch da und bilden eine ständige Bedrohung des Weltfriedens genau wie vor 1914. ...

Nun folgte die Konferenz von Cannes. Aller Augen richteten sich wieder dorthin. Es schien, als ob der französische Ministerpräsident Briand ernste Anstrengungen mache, um sich mit seinem Partner Lloyd George zu verständigen; eine nationalistische Hetze aber brachte ihn zu Fall und die Konferenz endigte wiederum völlig resultatlos. ...

Kündigte der unermüdliche Lloyd George sogleich eine allgemeine Weltwirtschaftskonferenz in Genua an. Die Weltwirtschaft, die durch den furchtbaren Krieg aus Rand und Band gekommen, müsse zuerst wieder hergestellt werden. Dazu müßte man alle Staaten, auch die besiegten, einladen, sogar Rußland, alles andere käme dann von selbst, erklärte Lloyd George. Und so hofften die Optimisten von neuem auf Genua. In Deutschland allerdings war man skeptisch geworden.
"Geh-nu-a(b)", lautete die Antwort in Berlin, "es wird doch nichts werden"; aber man war ja doch geladen und ging eben auch, wie alle anderen, nach Genua, hoffend wider alle Hoffnung, es könnte am Ende doch eine Wendung zum Guten nehmen.

Aber der sonst so kluge Lloyd George hatte seine Rechnung ohne den bösen Tschitscherin gemacht. Mit guten und strengen Worten wurde auf diesen "Enfant terrible" der Genueser Konferenz eingeredet, doch ohne den geringsten Erfolg, und der schöne Traum vom wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas zerrann wieder in ein - Nichts. -

Von den stets mehr zu Tage tretenden Gegensätzen zwischen Engländern und Franzosen soll hier gar nicht gesprochen werden, auch nicht von allen selbstsüchtigen Separatgelüsten und Wünschen der übrigen Teilnehmer.
Die Konferenz stinke von Petrol, wurde gesagt, weil der gegenseitige Neid der Nationen allzu offenkundig war, es könnte die eine mehr Petrol bekommen als die andere. Wo es also darum geht, den Zusammenbruch Europas zu verhindern, da reißen sich die Großen dieser Welt um Petrolkonzessionen wie Schulbuben um gebratene Kastanien. Welch ein trostloses Bild! ...

Dann wurde Rathenau ermordet, welche Schreckenstat die ganze Welt in Aufregung und die deutsche Mark zum Todessturz brachte, damit das Wiedergutmachungsproblem noch unmöglicher gestaltend. Wieder folgte eine Weltkonferenz in London. Die dreizehnte! Ach, wieviele Millionen erwarteten wiederum Linderung der stets grausamer werdenden Not, aber auch London versagte vollkommen, so vollkommen, daß ein definitiver Bruch der Entente unvermeidlich schien; und um dies zu vermeiden, wurde das Moratoriumsgesuch Deutschlands der hilflosen Reparationskommission zur Behandlung überwiesen.

Der türkisch-griechische Krieg gestaltete sich indessen ebenfalls zu einem Problem, das die Ententekabinette auf lange Zeit sorgenvoll beschäftigte, England an den Rand eines neuen Krieges brachte und der notdürftig aufrecht erhaltenen Entente wiederum die schwersten Belastungsproben brachte, bis die interessierten Mächte endlich zu einer Friedenskonferenz in Lausanne versammelt werden konnten.

Und das Rad der Zeit und der Ereignisse rollt weiter! Drohender und beängstigender lauten die Berichte aus Deutschland. ..."

Es ist offensichtlich - darüber kann es kaum eine Frage geben - dass die Weltverhältnisse für viele furchterregend wirkten. Und prompt versäumt man es auch nicht, dass ganze vor den eigenen Karren zu spannen:

„Du trostloses Konferenzenjahr 1922, hast du denn wirklich der ratlosen Menschheit gar nichts zu bieten zu deinem Abschied als eine weitere, gescheiterte Konferenz? Und du bist gar so grausam und legst deinem Nachfolger gleich wieder eine aussichtslose Konferenz auf die Schwelle!

Wie lange sollen denn die Erdenbewohner noch mit dieser Konferenzenplage gequält werden?
Überall Gewaltherrschaft und Haß, überall politischer und wirtschaftlicher Streit, Bürgerkrieg, Blutgerichte, krisenhafte Zustände, bittere Not!"

Trotz alldem nahm die Weltgeschichte allem „beten" der WTG zum Trotz, ungerührt ihren Lauf. Das verheißene „Goldene Zeitalter" blieb im buchstäblichem Sinne aus. Selbst das „Goldene Zeitalter" musste seine programmatischen Titel später noch in „Trost" umbenennen.

Nun kann man sich wie Maxim Gorki in seinem berühmten „Nachtasyl" auf die Seite jener stellen, die da glauben solches nicht verkraften zu können. Die Frage bleibt trotzdem, ob eine illusionäre Weltsicht wirklich „hilfreich" ist:

"Ich kannte einen Menschen, der glaubte an das Land der Gerechten. Er war arm und es ging ihm schlecht und wies ihm schon gar zu schwer fiel, dass ihm nichts weiter übrigblieb, als sich hinzulegen und zu sterben - da verlor er noch immer nicht den Mut, sondern lächelte öfters vor sich hin und meinte: Hat nichts zu sagen - ich trags! Noch ein Weilchen wart ich, dann werf ich dieses Leben ganz von mir und geh in das Land der Gerechten. Seine einzige Freude war es - dieses Land der Gerechten."

Diese Parabel findet ihre Fortsetzung in der Feststellung, dass ein Gelehrter alle seine Bücher und Pläne durchforstet, aber nirgends das anvisierte "Reich der Gerechten" finden kann. Die Geschichte geht weiter mit den Worten:

"Der Mensch - will ihm nicht glauben. Es muss drauf sein, sagt er. Such nur genauer! Sonst sind ja, sagt er, all deine Bücher und Pläne nen Pfifferling wert, wenn das Land der Gerechten nicht drin verzeichnet ist. Mein Gelehrter fühlt sich beleidigt. Meine Pläne, sagt er, sind ganz richtig und ein Land der Gerechten gibts überhaupt nirgends. - Na, da wurde nun der andere ganz wütend. Was? Sagt er - da hab ich nun gelebt und gelebt, geduldet und geduldet und immer geglaubt, es gebe solch ein Land! Und nach deinen Plänen gibt es keins! Das ist Raub."

Die Geschichte endet damit, dass der Gläubige die Ernüchterung nicht verkraften konnte und seinen Frust in Aggressivität abreagierte und ein bitteres Ende fand.
Geschrieben von Drahbeck am 07. Januar 2008 05:45:00:

Als Antwort auf: geschrieben von Drahbeck am 06. Januar 2008 06:56:06:

Zu den beachtlichen Aspekten der-Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 1. 1923 gehört auch die Rubrik „Frage-Kasten".
Immer wieder gab es zum Teil bewusste Mißverständnisse, namentlich auch in der Nazizeit, aber auch schon davor, welche unterstellten, die Bibelforscher wollen ja „sowjetrussische Verhältnisse einführen". Diesen „Missverständnissen" auch in kirchlichen Kreisen nachweisbar, ist gegenüber festzustellen: Fehlgeurteilt.

Das solche Fehlurteile überhaupt möglich waren, spricht nicht gerade für die diesbezüglich „Unterbelichteten". Es ist allenfalls Ausdruck der großen Angst, welche die sowjetrussischen Verhältnisse auch bei ihnen auslösten.

Die Frage und ihre Beantwortung, die in dieser GZ-Ausgabe abgedruckt ist, sei nachstehend noch dokumentiert:

„Frage:
Wenn doch die derzeitige morsche Weltordnung fallen muß um der Einführung des Goldenen Zeitalters Platz zu machen, könnte man da nicht annehmen, daß die Umsturz-Elemenie des Anarchismus und Bolschewismus ein durchaus notwendiges, das Goldene Zeitalter förderndes Werk betreiben?

Antwort:
Wir antworten mit größter Entschiedenheit, nein! Auf keinen Fall! Ein solcher Gedanke wäre ebenso verkehrt, wie wenn man zur Lösung der Wohnungsnot in Großstädten eine Typhus-Epidemie einführen wollte, um die Bevölkerung zu dezimieren. Der Anarchismus und Bolschewismus wird nie das Goldene Zeitalter bringen, im Gegenteil, er stürzt die Menschheit in namenloses Elend, er zerstört nur, reißt nieder, verwüstet, vernichtet alles und jede Grundlage für ein ideales, glückliches Leben der Menschen auf Erden. Die schlechteste Regierung ist schließlich noch erträglicher und einem Zustand der Gesetzlosigkeit und Anarchie vorzuziehen.
Wie sonderbar, daß es immer noch Menschen gibt, die nicht erkennen können, daß dieser letzte verzweifelte Versuch einer Regierungsform unter den Menschen ein noch größerer Fehlschlag ist als alle früheren, bis zurück zum schwärzesten Autokratismus und Zarismus. Könnte man heute das russische Volk befragen, ohne Zweifel würde es erklären, daß selbst unter der eisernen Knute des Zaren die Zustände noch weit erträglicher waren als gegenwärtig. Und dennoch schreitet die Welt mit Riesenschritten weiter auf dieser abschüssigen Bahn, und es scheint als wolle sie nicht ruhen, bis auch die letzte Stütze des Wohlstandes, der Zufriedenheit und des Glückes zerstört sei. Ja, es muß einem denkenden Menschen erscheinen, als werde eine Anzahl Menschen von einem unbeschreiblich niedrigen Instinkt getrieben, um alles zu untergraben und wegzunehmen, was seinen friedlichen Mitmenschen noch ein einigermaßen erträgliches Dasein ermöglicht. Die Selbstsucht des Einzelnen und der Klassen hat so grausame Dimensionen angenommen wie nie zuvor in der Weltgeschichte."

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Geschrieben von Drahbeck am 18. Januar 2008 07:09:03:

Als Antwort auf:  geschrieben von Drahbeck am 07. Januar 2008 05:45:00:

Bezüglich ihrer schon im Zeitschriftentitel zum Ausdruck kommenden Grundsatzdoktrin, glaubt die Redaktion des „Goldenen Zeitalters" wieder einmal „fündig" geworden zu sein.
„Ein Vorgeschmack von paradiesischen Zuständen" titelt man in der Ausgabe vom 15. 1. 1923 (Ausgabe Magdeburg erst am 1. 7. 1923).
Diesmal hat es den GZ-Schreibern das sogenannte „Kaisertal" in Kalifornien angetan. Selbiges soll einmal eine Wüstengegend gewesen sein. „Stilgerecht" wird dem Leser vor Augen geführt:

„Unter ihnen - annähernd 4000 Fuß tiefer, also unter dem Meeresspiegel liegend - befindet sich in tiefer Einsamkeit ein tellerförmiges, ungefähr 160 km großes Becken. Die halbtropische Sonne brennt auf die trostlose Sandwüste dieses Landstriches und erzeugt eine so furchtbare Hitze, daß außer einigem verkrüppelten Strauchwerk keine andere Vegetation gedeihen kann. Die Winde fegen den Sand zu Dünen zusammen, in denen sich eine gewisse Krötenart vorfindet. Ein anderes Tier kann in dieser unwirtlichen Gegend nicht existieren. Sogar die Präriewölfe beginnen, wenn sie sich hierher verirren, ein Schreckensgeheul auszustoßen; ihr Instinkt warnt sie vor dieser schauerlichen, großen Einöde. Es ist ein grauenhaft sang- und klangloser Ort des Schweigens.

Dieses Land betretend, überlegt der müde Wandersmann bei sich selbst: Warum diese große Wüste? Weshalb schuf Gott eine so grauenvolle Stätte? Was trägt sie zu seinem Schöpfer-Ruhme bei? Und vor allen Dingen, was nützt sie dem Menschen?"

Wie man unschwer erraten kann, will es die GZ-Redaktion doch nicht bei der zuletzt zitierten kritischen Rückfrage belassen. Und wie man weiter unschwer erraten kann, muss in deren Sicht irgendeine „biblische Prophezeiung" herhalten.

Und welches tatächliches „Wunder". Da haben sich Initiativreiche Menschen dieser einst trostlosen Gegend angenommen. Offenbar sogar erfolgreich angenommen, wofür denn auch die Sätze stehen:

„Zwanzig Jahre später:
Wieder stellen wir uns auf denselben Bergrücken. Ein wundervoller Anblick entzückt das Auge. Einem weißen Bande gleich schlängelt sich quer durch das Tal hin eine schöne, neue Straße, die links und rechts mit hohen Bäumen geschmückt ist. Die grünen Äste schaukeln in dem linden Zephir und wie Fächer schwingen die Zweige in jubelnder Freude. Die Feldlerche, der Hänfling mit vielen anderen lieblichen Sängern stimmen fröhlich in Gottes Lob ein. Nicht mehr ist es ein Land des Schweigens und des Todes. Viehherden, Pferde, Ziegen und Schafe weiden friedlich auf den saftigen, grünen Kleewiesen.

Ergriffen von diesem entzückenden Bilde, fährt man in ganz modernen Wagen auf der Straße in eiligem Tempo dahin, bis zu einem mit Komfort ausgestatteten Hotel im Zentrum dieses Tales, wo noch vor kaum zwanzig Jahren nicht einmal ein Präriewolf leben konnte. In unserem Absteigequartier finden wir Kalt- und Warmwasserleitung und Bad vor, überhaupt alles, was zu einem modernen Hotelbetrieb gehört. Im geräumigen Pavillon finden Konzerte statt. Süße Musikklänge klingen durch balsamische Lüfte, und das alles an einem Orte, wo noch vor kurzer Zeit Stille und Öde dem Wanderer Grauen einflößte."

Das alles könnte man ja noch als relativ interessanten Bericht zur Kenntnis nehmen; aber ganz so einfach „zur Tagesordnung" übergehen, mag den das GZ doch nicht. Dafür steht dann auch ein von ihm herausgestellter Satz wie der:

„In Ihrem Hotelzimmer finden Sie eine Bibel auf dem Tisch und in ihr können Sie die vor Jahrtausenden durch den Propheten Gottes geschriebenen Worte lesen: "Das verwüstete Land soll bebaut werden, statt daß es eine Wüste war ...
Ist es nicht wunderbar, wie vor 2500 Jahren heilige Propheten dieses alles in Visionen sahen?"

Letztere Aussage ist eigentlich so überflüssig wie ein Kropf. Aber offenbar nicht in der Sicht der Bibelforscher/Zeugen Jehovas. Da gab es mal in den 1950er Jahren in den Kinos einen Film „Die Wüste blüht". Wenn der ein finanzieller Kassenrenner war, dann nicht zuletzt auch deshalb, weil Zeugen Jehovas (und Geistesverwandte) in Scharen in diesem Film strömten.

Der „Staunen"-Berichte sind noch mehr in dieser GZ-Ausgabe. Da wird dann wieder mal die bekannte Technik-Euphorie bemüht, um sie mit dem Satz zu „würzen":

„Wahrlich, die religiösen Schreiber der Vergangenheit konnten sich solche Wunder nicht vorstellen. Und doch sind diese Dinge die Erfüllung so mancher Prophezeiung."

Und weiter:
„Wie kann der ehrfürchtige Bibelleser im Hinblick auf solche Erfindungen neben anderen Erfüllungen der Prophezeiung bezweifeln, daß wir wirklich im Dämmerlicht des Goldenen Zeitalters leben, das ja wunderbar im Worte Gottes geschildert ist?"

Leider muss dass GZ dann aber doch beklagen:
„ Die Mehrheit des Volkes ist dieser großen Tatsache gegenüber blind."

O welcher Schreck! mag man dazu nur sagen. Der wird noch größer durch den Umstand, dass die spätere WTG selber in das Lager dieser „Blinden" übergewechselt ist, denn von Technikeuphorie, vermeintlicherweise in der Bibel „vorhergesagt". will sie heute auch nichts mehr wissen!

Tja mag man dann abschließend wohl nur sagen. Da war wohl das „Goldene Zeitalter" nicht einmal das Papier wert, auf dem es mal gedruckt wurde!

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Geschrieben von Drahbeck am 07. Februar 2008 06:58:36:

Als Antwort auf:  geschrieben von Drahbeck am 18. Januar 2008 07:09:03:

In einer ganzseitigen Anzeige über die Abonnements-Konditionen des in der Schweiz erscheinenden „Goldenen Zeitalters" (Ausgabe vom 15. 1. 1923) findet man auch die Angabe:

„Im Auslande kann ab 1. Januar 1923 in folgenden Ländern bei jeder Postanstalt abonniert werden."

Unter den dann aufgeführten Ländern auch der Name Deutschland. Dass das GZ seinen deutschsprachigen Start in der Schweiz begann, darf man getrost auch den relativ geordneten dortigen Wirtschaftsverhältnissen zuschreiben. Im Gegensatz zu anderen Ländern blieb der Schweiz der Kelch einer aktiven Weltkriegsbeteiligung erspart.

Beachtet man nun - wie zitiert - das auch deutschen Interessenten angeboten wurde, diese Zeitschrift aus der Schweiz über die Post beziehen zu können, ergibt sich der Eindruck, das eine eigenständige, direkt in Deutschland gedruckte Ausgabe, anfänglich wohl noch nicht unbedingt vorgesehen war. Sie trat aber, allen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Trotz, ab April 1923 in Aktion. Nicht zuletzt, weil sie sich auf entsprechende Dollarspritzen aus den USA stützen konnte. Für andere Zeitschriften in Deutschland zur fraglichen Zeit, hieß die Devise viel eher: Die Inflation haucht unser Leben aus.

Die Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" erschien aber (einstweilen) noch unabhängig von der deutschen Ausgabe, auch nach April 1923 weiter. Sie wurde also keineswegs eingestellt. So ist der Umstand zu registrieren, dass es in der Frühzeit tatsächlich zwei deutschsprachige Ausgaben des GZ gab. Mehr noch; von unterschiedlichen Redaktionen verantwortet. Zwar übernahmen beide Ausgaben sehr viele Artikel aus dem „Golden Age" in Übersetzung. Die aber in durchaus unterschiedlichen Ausgaben nachgedruckt wurden. Mehr noch. Es blieb nicht nur beim unterschiedlichen Artikel-Nachdruck. Es lassen sich auch unterschiedliche Beiträge nachweisen, die nur in einer der beiden genannten Ausgaben erschienen.

Man muss wohl daraus schlußfolgern. Es müssen wohl besondere Umstände gewesen sein, die Brooklyn dazu veranlassten, gleich zwei deutsche Ausgaben zu starten.
Diese Umstände lassen sich wie folgt definieren.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Schweiz waren zwar konsolidiert. Indes was den Zuwachs zur WTG-Organisation anbelangte, ging es in der Schweiz nicht recht vorwärts. Eher zeigten die „Zeichen der Zeit" auf Stagnation. Ganz anders hingegen in Deutschland zur fraglichen Zeit. Wirtschaftlich zwar daniederliegend, erwies es sich aber für die WTG als ausgesprochener „Boommarkt". Eben weil ihr Geschäft dort brummte; nur deshalb kam es zur Gründung der zweiten GZ-Ausgabe, um diesen Trend weiter zu befördern.

Im Februar 1923 war es zwar noch nicht so weit, aber in der Ausgabe des GZ vom 1. 2. 1923 findet man auch einige Angaben zur grassierenden Inflation in Deutschland, welche das Gesagte plastisch unterstreichen. Diese Angaben wurden vom Standort Schweiz aus recherchiert. Man kann ihnen also durchaus eine relative Objektivität bei der Beschreibung des Sachverhaltes zubilligen.
So liest man etwa bei der Beschreibung tagespolitischer Geschehnisse:

„Im Vordergrund aller Ereignisse steht die Ruhraktion, die mit dem Vormarsch der Franzosen auf Essen ihren Anfang nahm. Die Sanktion wird damit begründet, daß die Reparationskommission in Paris einen Verzug Deutschlands in den Holz- und Kohlen-Lieferungen an Frankreich feststellte.

Essen wurde am 11. Januar besetzt. Sogleich wurde der deutsche Botschafter in Paris sowie der deutsche Gesandte in Brüssel abberufen. - Die Besetzungslinie erreicht heute nahezu Barmen.- Die Nachrichten aus dem Ruhrgebiet sind beunruhigend. Nebst anderen führenden Persönlichkeiten der deutschen Staats-und Bankbeamten wurden die widerspenstigen Zechenbesitzer, unter ihnen Fritz Thyßen, verhaftet. Als Antwort darauf ist in den Bergwerken und auf den Bahnhöfen der Streik ausgebrochen. Ein jeder Tag hat bisher die Lage noch weiter verschärft. Die deutsche Regierung verbietet allen Stadtangestellten das Arbeiten für die Franzosen und ist geneigt, jede Kohlenlieferung an Frankreich als Landesverrat anzusehen; die Franzosen lassen die Widerspenstigen fühlen, wer die reale Macht hat. - Schon jetzt kann kein Zweifel daran bestehen, daß wir inmitten des wichtigsten Ereignisses stehen, das Europa seit dem Abschlüsse der Friedensvertrage betroffen hat. Nie hatte Europa einen Führer nötiger als heute, und nie wurde er schmerzlicher vermißt. -"

Ein weiterer Artikel widmet sich direkt Deutschland. In ihm ist auch zu lesen:
„Die Verhältnisse dieses Landes offenbaren von Tag zu Tag mehr und mehr die Unfähigkeit der Ärzte der menschlichen Gesellschaft, den Patienten von einem großen Übel zu befreien, welches das ganze Erwerbsleben vergiftet hat: der Selbstsucht. Die Katastrophe schreitet mit Riesenschritten voran, unaufhörlich sind die beiden Schrauben Preis und Lohn an der Arbeit, ohne ein Ende zu finden. Schon letzt sieht man deutlich, daß in Kürze Verhältnisse entstehen müssen, die einfach unhaltbar sind.

Zwar hört man zuweilen die Leute in Deutschland sagen:
"Ach ja, die Preise sind ja furchtbar hoch, aber in Rußland sind sie ja doch noch viel höher." Es wird dabei aber ganz offensichtlich vergessen, daß das deutsche Wirtschaftsleben ein viel empfindlicherer Apparat ist als der russische, und daß sich die Verhältnisse in Deutschland nie solange halten können wie in Rußland; es wird vorher zu einem Zusammenbruch kommen.

Eine Gegenüberstellung der Preise des täglichen Lebens mag dem unbeeinflußten Leser am besten den Umfang dieser sich in diesem Lande abspielenden Katastrophe vor Augen fuhren ...

Das werktätige Volk ist nahezu am Verzweifeln. Die notwendigsten Bedürfnisse des täglichen Lebens können trotz großer Löhne, die die Männer verdienen, nicht mehr beschafft werden. Daneben macht sich ein entsetzliches Schieber- und Wuchertum breit, indem einige Intelligentere es verstehen, Aasgeiern gleich, die Armut des Volkes auszunutzen. Wie von einem Taumel ergriffen, scheint in vielen der Wunsch zu leben, ihr Unglück durch große Ausgelassenheit vergessen zu machen. Eine Tanzwut an manchen Plätzen hat weite Kreise des Volkes ergriffen. Die Regierung scheint diesem Treiben machtlos gegenüber zu stehen. Trotz gegebener Verbote tanzt man heimlich Das Land liegt wie im Fiebertraum geschüttelt da und sieht dem Sterben entgegen."

Und dann folgt einige Preisvergleiche, welche Sachen jetzt wieviel in Deutschland kosten; und wie der Preis für dieselbe Sache früher in Deutschland war.
(Erst der frühere Preis; dann in Klammern der Preis Anfang 1923).
Brot Pfg. 25 (M 1000 - 1200)
1 Pfd. Kuhbutter Pfg. 75 (M 4000 - 4500)
1 Ei Pfg. 4 (M 200 - 250)
1 l Milch Pfg. 14 (M 300 - 340)
1 kg Kartoffeln Pfg. 3 (Mark 16 - 18)
1 Paar Stiefel M 6 - 8 (M 20000 - 30000)
1 Ztr. Steinkohle Pfg. 90 (M 4000 - 5000)

Angesichts all dessen wundert man sich nicht, wenn die WTG ihrerseits dann jubelt:
„Weite Kreise des Volkes fangen an, ein Verständnis zu gewinnen dafür, daß in der Tat menschliche Hilfe völlig versagt, und daß nur eins zu helfen vermag: das Königreich unseres Herrn Jesus Christus, ...

Und wenn unsere Augen bis jetzt sein Eingreifen vermissen, so ist sein Wort gewiß, daß sein Königreich kommt, und daß dann sein heiliger Wille hier auf Erden geschehen wird, wie er im Himmel geschieht."

Die WTG-Religion erweist sich somit als typischer Krisengewinnler

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Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 18. Februar 2008 07:54

GZ 15. 2. 1923

In der Leserfragen-Rubrik des „Goldenen Zeitalters" (Ausgabe Bern vom 15. 2. 1923), begegnet man einem „Eiertanz" darüber, wie man es denn mit Versicherungen halten - oder nicht halten - soll. (In der Ausgabe Barmen erst in der Folge vom 1. 6. 1923 gleichfalls abgedruckt). Sorgfältig formuliert, dass jeder daraus herauslesen kann, was er gerne möchte. Jene welche an das „unmittelbar" bevorstehende „göttliche Eingreifen" glauben, in ihrem Wahne zu bestärken, „dann wären ja Versicherungen eigentlich überflüssig". Und jenen, welche sich nicht so ohne weiteres auf dieses Glatteis begeben, auch nach dem Munde geredet.

Man wird bei diesen Ausführungen unmittelbar an Lukian von Samosta erinnert, der bei analogen „Weisheiten" schon mal verkündete. Zitat:


„Ein klassisches Beispiel war das Orakel des Königs Krösus (letzter König von Lydien, 560-546 v. u. Z.). Er bekam durch die Phytia im Apollo-Tempel zu Delphi auf seine Anfrage hin die Auskunft, "wenn er den Halys (Fluss zwischen Lydien und Persien) überschreite, werde er ein großes Reich zerstören." Lukian von Samosta (120 bis 180 u. Z.) setzte sich mit diesem Fall auseinander:

"Sprich mir nicht von den Orakeln, mein Bester, oder ich werde dich fragen, an welches du dich am liebsten erinnern lassen willst: ob an das, dass der delphische Apollo dem Könige von Lydia gab und das so doppelgesichtig war wie gewisse Hermon, die einem das Gesicht zuwenden, man mag sie nun von vorn oder von hinten betrachten - denn wie wusste nun Krösus, ob er nach dem Übergang über den Fluss Halys das Reich des Cyrus oder sein eigenes zugrunde richten würde? Und gleichwohl bezahlte der unglückliche Fürst diesen doppelsinnigen Vers mit vielen Tausenden." Indem nach Anfangserfolgen sein eigenes Reich zerfiel und somit zerstört wurde."


Der im GZ zu Worte kommende Fragesteller wollte also wissen:
„Im Hinblick auf die jetzt zusammenbrechende Gesellschaftsordnung möchte ich Sie fragen, ob die Teilnahme an Versicherungsgesellschaften, Lebensversicherungen, Unfallversicherungen etc. für einen ernsten Christen empfehlenswert sei?"

Als Antwort wird ihm mitgeteilt:
„Wir leben in einer Zeit, wo die Organisationen eine große Rolle spielen, und es ist unbestreitbar, daß es unter diesen Organisationen solche gibt, welche weise und vorteilhafte Einrichtungen sind. Die Versicherungsgesellschaften z. B. stehen zwar, wie es nicht anders sein kann, auf geschäftlichem Boden und betreiben ihr Geschäft nicht aus selbstloser Menschenliebe; sie sind aber gleichwohl als menschliche Bemühungen zu betrachten, über die Folgen der Unsicherheit des gegenwärtigen Lebens nach Kräften hinwegzuhelfen, die Not derer zu lindern, welche durch den Tod des Erhalters in Verlegenheit geraten können.

Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen Arten der Versicherung zu besprechen, nur das sei gesagt, daß es unseres Erachtens für die Kinder Gottes nicht eine religiöse, sondern eine geschäftliche Frage ist, ob sie sich versichern wollen oder nicht.
Wir haben Umstände gekannt, unter denen wir es als weise betrachteten, wenn der Vater sein Leben versicherte.
Das ist insbesondere der Fall, wenn die Gattin die Anschauungen des Mannes hinsichtlich der Nähe des Zeitalterwechsels nicht teilt und in der Versicherung eine Beruhigung für ihr Gemüt erblickt. Decken sich die Anschauungen von Mann und Frau auf geschäftlichem Boden in diesem Stück ungefähr, so mag er die bestehende Versicherung weiter bestehen lassen.

Wir möchten freilich nicht so verstanden sein, als ob wir die Versicherung empfehlen. Wir sind bloß der Meinung, daß die Schrift dem Christen in diesem Stück keine Vorschriften macht, und daß es dem Urteile eines jeden überlassen bleibt, ob er so oder anders handeln will.

Wir halten dafür, daß in Kürze unter großer Drangsal die neue Weltordnung geboren werden wird. Bei dieser Krisis werden der Handel, die Versicherungsgesellschaften und alle ähnlichen Institutionen, und die Vermögenstitel alle miteinander von der Sturzflut verschlungen werden; dies wird einer der Hauptzüge der großen Drangsal sein, und die Herzen aller derer werden trauern und erzittern, welche alsdann keine andere Sicherheit, keinen Schatz im Himmel haben.

Es ist sehr vernünftig, anzunehmen, daß die sogenannten Gegenseitigkeitsgesellschaften schon vorher und vor den anderen fallen werden, weil sie ohne Kapital arbeiten und von den Mitgliederbeiträgen abhängen, und weil beim Hereinbruch der Krisis die Mitgliederbeiträge nicht nur sich nicht mehr vermehren, sondern infolge des geschäftlichen Druckes zurückgehen werden. Der Zusammenbruch aller dieser Genossenschaften wird die Hoffnungen vieler zerschmettern und vielen große Verlegenheiten bereiten.

Jeder muß demnach nach bestem Wissen und Gewissen bestimmen, was für ihn bei der Verwendung seines Besitzes oder Einkommens das weiseste Verfahren sei; aber keiner, der durch den Glauben an den Herrn sich leiten läßt, wird im Hinblick auf die Zukunft so erschauern, daß Furcht sein Herz erfüllt; er wird aber auch sein Vertrauen nicht auf irgendeine menschliche Einrichtung setzen, aus keiner menschlichen Einrichtung seine Sicherheit, seinen Schatz machen und dann gebrochenen Herzens dastehen, wenn diese Sicherheit verloren geht."


Eine weitere Leserfrage in dergleichen Ausgabe des GZ offenbart ebenfalls das Charakteristikum „heiliger Einfalt", wenn da bezüglich der Frage:
„Welchen Beruf empfehlen Sie im besonderen für einen
demnächst der Schule entlassenen Jüngling?"

In der Antwort sich auch die Sätze finden:

„Anderseits können wir voraussehen, daß beispielsweise philosophische, theologische, juristische oder medizinische und viele andere Studien, die auf Grundsätze und das Wissen der alten Weltordnung aufgebaut sind, ihren Wert fast vollständig, wenn nicht gänzlich einbüßen werden."

Der Komplettext der GZ-Antwort lautet:
"Handwerk hat goldenen Boden". Es möchte zwar jemand geneigt sein, zu sagen: "Ja, nennen Sie mir ein Handwerk, das heute noch gut genannt werden kann!" Wir dürfen aber den Wert des Handwerks keineswegs an einer vorübergehenden Weltkrisis messen. Das oben zitierte Sprichwort ist und bleibt wahr.

Das Handwerk wird auch im goldenen Zeitalter, und ganz besonders in den ersten hundert Jahren seiner Einführung goldenen Boden haben, das heißt, es wird seinem Meister von allergrößtem Nutzen sein. Es wird zum Aufbau der neuen, auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Nächstenliebe gegründeten Weltordnung Maschinenbauer, Elektriker, Techniker, Konstrukteure, Mechaniker, Handwerker verschiedenster Art brauchen, besonders zur Herstellung modernster landwirtschaftlicher Maschinen und bequemster Verkehrsmittel.

Auch nach modernsten Forschungen arbeitende Landwirte, Förster, Baumschul- u. Ziergärtner etc. werden im goldenen Zeitalter reichliche Arbeitsgelegenheit finden.
Das alte, eingangs zitierte Sprichwort wird in der Tat den bevorstehenden Weltordnungswechsel überleben und sich auch in der Hinsicht bewahrheiten, daß gründlich erworbene Berufskenntnisse stets ihren Wert behalten und sich als sehr nützlich erweisen werden. Anderseits können wir voraussehen, daß beispielsweise philosophische, theologische, juristische oder medizinische und viele andere Studien, die auf Grundsätze und das Wissen der alten Weltordnung aufgebaut sind, ihren Wert fast vollständig, wenn nicht gänzlich einbüßen werden, ja sich vielmehr als ein Hindernis für den raschen Fortschritt und die Anpassung an die neue Weltordnung erweisen werden."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -

geschrieben von: Drahbeck
Datum: 19. Februar 2008 04:08

GZ 15. 2. 1923

„Halleluja - wir kommen in den Himmel".
Das ist vereinfacht dargestellt die Kernthese, welche vielerlei Christentumsformen offerieren. Das wird dann noch mit Thesen wie „Lösegeld" und allerlei anderem „frommen Beiwerk" angereichert.

Genau an diesem Punkte nahm nun die frühe Russellbewegung einen „Kulturbruch" vor. Das Thema „Himmel" stellte sie eher ins „zweite Glied". Das, was sie vordergründig „umtrieb" waren die Widersprüche „zwischen Kapital und Arbeit". Also sehr irdische Widersprüche. Dies wiederum hatte zur Folge, dass sie von den eingangs genannten „Hallelujasängern", nicht selten in die kommunistische Ecke gestellt wurde. Schlimmstenfalls (unberechtigterweise) gar aktive Teilhaberschaft mit letzteren unterstellt wurde.

Einem solchen Bespiel kann man auch in der Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" (Ausgabe Bern) vom 15. 2. 1923 begegnen. (Die in Deutschland gedruckte Ausgabe erst im Heft vom 15. 9. 1923). Da wird umfänglich aus frühen Russell-Schriften (zustimmend) zitiert, die genau dieses Thema (Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit) aufgriffen.
Angereichert auch noch durch ein entsprechendes Bild.

Als besonders „zeitgemäß" sah die GZ-Redaktion beispielsweise die nachfolgenden frühen Russell-Äußerungen an. Gipfelnd in der These der Erwartung des „unmittelbar bevorstehenden" „göttlichen Eingreifens". Man zitierte Russell wie folgt:

"Wir wollen die gegenwärtigen Verhältnisse der Welt eingehender bezeichnen, wie wir sie jetzt für den herannahenden Konflikt sich gestalten sehen, einen Konflikt, der, wenn sein fürchterlicher Höhepunkt erreicht ist, notwendig ein kurzer sein muß, sonst würde das Menschengeschlecht ausgerottet werden. Die beiden in diesem Streite sich gegenüberstehenden Parteien sind bereits erkennbar.

Besitz, Anmaßung und Stolz sind auf der einen Seite, und weit verbreitete Armut, Unwissenheit, blinder Eifer und ein scharfer Sinn für Ungerechtigkeit auf der anderen. Beide, von selbstsüchtigen Motiven getrieben, organisieren jetzt ihre Kräfte in der ganzen zivilisierten Welt. Mit unseren von der Wahrheit gesalbten Augen können wir, wohin wir auch blicken, sehen, daß das "Meer und die Wogen" schon brausen und an die "Berge" anprallen und ausschäumen, was sich in den Drohungen und Bestrebungen der Anarchisten und Unzufriedenen, deren Zahl beständig wächst, kundgibt; und auch das können wir sehen, daß die Reibung zwischen den verschiedenen Parteien oder Elementen der Gesellschaft mit Sturmeseile dem von den Propheten geschilderten Punkte entgegengeht, da die Erde (Gesellschaft) im Feuer stehen und die Elemente derselben in der gegenseitig hervorgerufenen Hitze schmelzen und sich auflösen werden.

Es ist natürlich schwer für die Leute, auf welcher Seite des Streites sie auch stehen mögen, eine gegen ihre eigenen Interessen, ihre Gewohnheiten, ihre Erziehung gerichtete Ansicht zu hegen. Die Reichen haben das Gefühl, daß sie mehr als nur ihren verhältnismäßigen Anteil an den Gütern dieser Welt zu beanspruchen hätten, daß sie im Rechte wären, die Arbeit und jegliche Bequemlichkeit so niedrig als irgend möglich zu erkaufen, daß sie ein Recht auf die Frucht ihrer Bemühungen hätten, und ein Recht, ihre Intelligenz zu gebrauchen, um ihr Geschäft so zu leiten, daß es ihnen etwas einträgt und ihren aufgespeicherten Besitz vermehrt, ohne fragen zu müssen, wer etwa durch die Gewalt der Umstände gezwungen sei, sich mit weniger Annehmlichkeiten zu begnügen, wenn auch das Notdürftigste für das Leben vorhanden sei.

Sie denken: Es ist unvermeidlich; das Gesetz von Angebot und Nachfrage muß herrschen; Reich und Arm ist immer in der Welt gewesen; und wenn der Besitz gleichmäßig am Morgen verteilt wäre, so würden vor dem Abend einige durch Verschwendung oder Unvorsichtigkeit wieder arm sein, während andere Behutsamere und Klügere reich sein würden. Zudem, so werden sie mit Erfolg argumentieren, darf es Menschen von größerer Verstandeskraft zugemutet werden, sich mit dem Risiko großer Verluste in weitreichende Unternehmungen einzulassen, Tausende von Menschen zu beschäftigen, ohne irgendwelche Hoffnung auf Gewinn und Vorteil?

Der Handwerker und Arbeiter hingegen wird sagen:
"Wir sehen wohl, daß die Arbeiter sich heute vor irgend einer früheren Zeit mancher Vorteile erfreuen, daß sie besser bezahlt werden und folglich sich mehr Annehmlichkeiten bereiten können. Doch darin genießen sie nur ihr Recht, aus dem sie seit langem gewissermaßen verdrängt waren, und nehmen nun, wie sich's gehört, einen Teil der Vorteile der Erfindungen, Entdeckungen, des zunehmenden Wissens usw. unserer Zeit in Anspruch. Wir betrachten die Arbeit als ehrenhaft, und, wenn sie mit rechtem Takte, mit Bildung, Ehrbarkeit und Prinzip Hand in Hand geht, als ebenso ehrenhaft und derselben Rechte wert, wie irgendeinen anderen Beruf. Ja, im Gegenteil, wir halten Müßiggang für eine schlechte Empfehlung und eine Schande für jeden, was auch sein Talent oder seine Beschäftigung im Leben sein möge. Jeder sollte irgendwie anderen nützlich sein, um geachtet und geschätzt zu werden.

Aber obwohl wir unsere gegenseitig verbesserte Lage und unsere Fortschritte, was Bildung, gesellschaftliche und finanzielle Lage betrifft, einsehen, so merken wir doch auch, daß dies mehr den Verhältnissen als dem Willen der Menschen, weder unserem noch dem unserer Arbeitgeber, zuzuschreiben ist. Wir sehen, daß unsere wie aller Menschen verbesserte Lage das Ergebnis der großen Zunahme von Bildung, von Erfindungen usw. der letzten fünfzig Jahre ist. Dies alles kam in so rascher Folge, daß sowohl Arbeit wie Kapital von dem Impuls gleich einer Flut emporgetragen und auf ein höheres Niveau gebracht wurde; und wenn wir die Aussicht hätten, daß die Flut noch fort und fort steigen und fortfahren würde, allen zu nützen, dann würden wir zufrieden sein; aber weil wir sehen, daß das nicht der Fall ist, darum sind wir beängstigt und beunruhigt.

Wir sehen, die Flut fängt an, sich zu wenden, und ob auch durch dieselbe viele zu Reichtum hoch emporgehoben wurden und fest und ruhig am Strande der Sicherheit, des Luxus oder der Üppigkeit geborgen sind, so ist doch die große Masse nicht so gestellt und gesichert, sondern in Gefahr, so tief, oder noch tiefer als je, von dem Rückströme der jetzigen Ebbe hinabgetragen zu werden. Daher kommt es, daß wir entschlossen sind, Maßregeln zu ergreifen, um unsere gegenwärtige Lage und unser künftiges Vorwärtskommen zu sichern, ehe es zu spät ist."

Um dieselbe Sache mit anderen Worten zu sagen: - "Wir (Handwerker und Arbeiter) sehen, wenn auch die Menschheit im großen und ganzen an den Segnungen unserer Tage teilgenommen hat, so haben doch die, welche vermöge größeren Geschäftstalentes, oder durch Erbschaft, oder durch Betrug und Unehrlichkeit Besitzer von Hunderttausenden und Millionen an Geld geworden sind, nicht nur diesen Vorteil allen anderen voraus, sondern sind auch mit Hilfe der Erfindungen von Maschinen usw. in der Lage, das Verhältnis der Zunahme ihres Reichtums im Verhältnisse zur Abnahme der Gehälter der Lohnarbeiter aufrecht zu erhalten. Wir erkennen, daß das kalte Gesetz des Angebotes und der Nachfrage uns vollständig verschlingen würde, wenn nicht Schritte getan werden zum Schutze der wachsenden Zahl der Handwerker gegen die wachsende Macht des Monopols, dem noch dazu die arbeitsparenden Maschinerien usw. zur Seite stehen.

Mehr wegen dieser über unserem Haupte schwebenden Gefahr, als wegen unserer jetzigen Lage organisieren wir uns und suchen nach schützenden Vorkehrungen. Durch natürliche Vermehrung und (in Amerika) durch Einwanderung vergrößert jeder Tag unsere Zahl zusehends; und fast jeder Tag bringt weitere arbeitsparende Maschinen hervor. Jeden Tag wächst daher die Zahl der Arbeitsuchenden und vermindert sich die Nachfrage nach ihren Diensten. Das natürliche Gesetz des Angebotes und der Nachfrage würde demgemäß gar bald, wenn es so ununterbrochen fortgehen dürfte, die Arbeit auf den Standpunkt bringen, den sie vor einem Jahrhundert einnahm, und würde alle Vorteile unserer Zeit in der Hand des Kapitals zurücklassen.
Das ist's, was wir zu vermeiden suchen."

Seit längerer Zeit haben Fernerblickende bemerkt, daß vieles was eigentlich Segen bringen sollte, schließlich zum Schaden gereichen werde, wenn es nicht durch weise und passende Gesetze in rechte Bahnen gelenkt würde, aber die Schnelligkeit, mit der eine Erfindung der anderen folgte, und die daraus folgende größere Nachtrage nach Arbeit zur Anfertigung dieser arbeitsparenden Maschinerien, ist so groß gewesen, daß das drohende Ergebnis aus den Augen verloren wurde, und die Welt statt dessen mit vollen Segeln dahinfuhr, ein Steigen aller Werte, der Löhne, des Eigentums, des Kredits (der Schulden) und der Ideen stattfand, wovon die unausbleibliche Rückwirkung und der unvermeidliche Rückschlag nun allgemach Platz zu greifen anfängt.

In den letzten paar Jahren sind Ackerbaugeräte aller Art in ungeheurer Menge verfertigt worden, die einen Mann befähigen, so viel zu leisten, wie früher von fünf geleistet werden mußte. Das hat eine zwiefache Wirkung:
Erstens dreimal so viele Äcker können bearbeitet werden. Dies setzt, da es nur dreien von den fünf Arbeitern Beschäftigung gewährt, zwei beiseite, um nach anderer Arbeit auszuschauen. Zweitens, die drei Zurückbleibenden können mit Anwendung der Maschinen eine ebenso große Ernte zuwege bringen, als fünfzehn ohne dieselben fertig gebracht hätten. Die gleiche oder eine noch größere Umwälzung wird in andern Tätigkeitszweigen durch ähnliche Mittel bewirkt, z. B. in der Eisen- und Stahlbereitung. Ihr Wachstum ist ein so großes gewesen, daß die Zahl der Angestellten sich sehr vermehrt hat, trotz der Tatsache, daß durch Maschinenkran jetzt einem Menschen soviel wie vorher zwölf und noch mehr zu tun möglich ist.

Eins wird daraus resultieren: Binnen kurzem wird die Leistungsfähigkeit dieser ausgedehnten Werke den gegenwärtig noch sehr großen Anforderungen mehr als genügen, die Anforderungen selbst aber, anstatt zuzunehmen, werden aller Wahrscheinlichkeit nach abnehmen; denn die Welt ist bald über den gegenwärtigen Bedarf an Eisenbahnen hinaus versorgt und die nötigen Reparaturen können wahrscheinlich von weniger als der Hälfte der jetzigen Fabriken besorgt werden.

So finden wir die sonderbare Sachlage vor uns, daß eine Überproduktion stattfindet, die gelegentlich sowohl Kapital wie Arbeit zur Untätigkeit zwingt, während manche zu gleicher Zeit die Beschäftigung entbehren, durch die sie imstande wären, sich das Nötige zum Leben und Luxusartikel anzuschaffen, wodurch die Überproduktion verhältnismäßig ausgeglichen würde. Und noch immer geht das Streben auf Überproduktion und Mangel an Beschäftigung hin und verlangt ein Heilmittel, das die Ärzte der Gesellschaft wohl suchen, der Patient aber nicht gebrauchen will.

"Während wir daher erkennen" (so fährt der Arbeiter fort), "daß, sowie das Angebot die Nachfrage übersteigt, der Gewinn des Kapitals und der Maschinen durch den Wettbewerb arg vermindert wird, und in aller Welt die Reichen durch dieses Beschneiden ihres Profits arg beunruhigt werden, ja in manchen Fällen wirklichen Verlust erleiden, so meinen wir doch, daß die Klassen, die von der "Flut" und dem Steigen am meisten profitiert haben, auch unter der Rückwirkung am meisten zu leiden haben sollten, anstatt der großen Masse. Darum, aus diesen Gründen, erstreben die Lohnarbeiter die folgenden Ziele, wenn möglich auf dem Wege der Gesetzgebung, oder, wie in Ländern, da aus diesem oder jenem Grunde die Stimme der Massen nicht gehört und deren Interessen nicht gewahrt werden, durch Gewalt und Gesetzlosigkeit"

Es ist vorgeschlagen worden, daß die Arbeitszeit im Verhältnis zur Kunst oder zur Schwere der Arbeit ohne Abzug des Lohnes verkürzt werden solle; damit so eine Anzahl Leute ohne Vermehrung der Produkte beschäftigt, und die künftige Überproduktion durch Verleihung der Mittel zum Kauf an eine größere Zahl ausgeglichen werden könnte. Man hat vorgeschlagen, den Zinsfuß für Geld herabzusetzen und so eine Nachgiebigkeit der Darleiher gegen die Borger oder die ärmere Klasse zu erzwingen, oder Untätigkeit oder Verrosten ihres Kapitals zu bewirken.

Man hat vorgeschlagen, daß Eisenbahnen entweder Volkseigentum sein sollen, betrieben durch dessen Diener, die von der Regierung Angestellten, oder daß die Gesetzgebung ihre Vorrechte, Preisforderungen usw. beschränken und ihren Betrieb auf solche Weise regeln solle, daß sie dem Publikum besser dienen. So wie es jetzt ist, haben die Eisenbahnen, die während einer Zeit der erhöhten Werte erbaut wurden, anstatt ihr Kapital zu beschneiden, um dem allgemeinen Zusammenschrumpfen der Werte, das in jedem anderen Handels-Zweige wahrgenommen wurde, Rechnung zu tragen, ihr ursprünglich schon großes Aktien-Kapital noch zwei- oder dreimal vergrößert (was gewöhnlich das Verwässern der Aktien genannt wird), ohne daß wirklicher Wert hinzugefügt wurde. So kommt es, daß die großen Eisenbahn-Gesellschaften Prozente und Dividenden auf Aktien und Hypotheken bezahlen wollen, die im Durchschnitt viermal so groß sind als diese Eisenbahnen tatsächlich heute neu kosten würden. Und die Folge ist, daß das Publikum darunter leidet.

Die Landleute müssen schwere Frachtpreise entrichten und finden es oft vorteilhafter, ihr Getreide als Brennmaterial zu verwenden, und der Preis der Nahrungsmittel für das Volk ist höher, ohne zum Vorteile des Landmannes zu sein. Man hat vorgeschlagen, die Sache so zu bessern, daß die Eisenbahnen ihren Aktieninhabern ungefähr 4 Prozent ihres gegenwärtigen wirklichen Wertes, und nicht 4 bis 8 Prozent für den drei- bis viermaligen gegenwärtigen Wert bezahlen sollen, wie von vielen geschieht, indem sie jede Wettbewerbung durch sogenannte "Pools" (Zusammenziehung aller an einem Geschäfte Beteiligten, resp. ihrer Kapitalanlage) ausschließen.

"Wir wissen gar wohl", sagt der Handwerker, "daß diese Herabsetzung des Profits von dem angelegten Kapital in den Augen derjenigen, die dieses verwässerte Aktienkapital besitzen, schrecklich erscheinen wird und ihnen wie Zähneausziehen vorkommen mag, und daß sie die Empfindung haben, daß ihr Recht (?), ihre vom Volke gewährten Freibriefe zu gebrauchen (dem Volke unermeßliche, auf erdichtete Wertschätzung gegründete Gewinne auszupressen), schmählich mit Füßen getreten würde, und daß sie auf alle nur denkbare Weise sich dem widersetzen werden. Aber wir meinen, daß sie dankbar sein sollten, daß das Volk so nachgiebig ist und von ihnen keinen Ersatz der auf solche Weise schon erlangten Millionen fordert. Wir meinen, die Zeit sei gekommen, daß auch die Massen des Volkes gleichmäßiger an den Gütern und Segnungen dieser segensreichen Zeit teilnehmen sollten, und um das zu erreichen, solche Gesetze zu erlassen, daß alle gierigen Körperschaften, die sich mit dem Gelde und der Macht (beides aus dem Volke stammend) gemästet haben, eingeschränkt und durch Gesetze gezwungen würden, dem Volke für angemessene Preise zu dienen.

Auf keine andere Weise können diese Segensgüter der Vorsehung den Volksmassen gesichert werden. So sehen wir täglich, daß das Kapital, wie es in großen Körperschaften vertreten ist (sonst in vieler Hinsicht gut und nützlich), nunmehr den Nützlichkeitspunkt überschritten hat, und zum Bedrücker des Volkes geworden ist, daß es eingeschränkt werden muß, wenn es nicht die Lohnarbeiter bald zur Dürftigkeit und Sklaverei herabdrücken soll. Körperschaften, aus einer Anzahl Leuten bestehend, die alle mehr oder weniger reich sind, kommen schnell dahin, dieselbe Stellung zur großen Masse des Volkes Amerikas einzunehmen, welche die "Lords" und Adligen Großbritanniens und Europas den Massen dort gegenüber einnehmen, nur daß die Körperschaften noch mächtiger sind."

"Um unseren Zweck zu erreichen", sagt der Lohnarbeiter, "bedürfen wir der Organisation; wir müssen die Mitwirkung der Massen haben, oder wir können nie etwas gegen solch ungeheure Macht und solchen Einfluß ausrichten. Und obwohl wir in "Vereinigungen" usw. organisiert sind, so darf das nicht so verstanden werden, als begehrten wir Anarchie oder wollten irgend jemand Unrecht tun. Wir, die große Mehrzahl des Volkes, wünschen einfach unsere eigenen Rechte und die unserer Kinder zu schützen, indem wir denen vernünftige Grenzen setzen, deren Reichtum und Macht uns sonst erdrücken würden, die aber, recht gebraucht und begrenzt, zum allgemeinen Besten dienen könnten. Mit wenigen Worten, wir wollen die goldene Regel erzwingen: Was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen."

Ein Glück wäre es für alle Beteiligten, wenn solche gemäßigten und vernünftigen Mittel von Erfolg gekrönt werden würden; wenn der Reiche sich mit seitherigen Errungenschaften zufrieden gäbe und mit der Mehrheit an der allgemeinen und beständigen Besserung der Lage aller Klassen mitwirken würde; und wenn die Lohnarbeiter bei solchen gerechten und billigen Forderungen stehen bleiben würden; wenn die goldene Regel der Liebe und Gerechtigkeit so zur Tat werden könnte. Aber in seinem gegenwärtigen Zustande wird der Mensch diese Regel ohne Zwang nicht beobachten.

Obwohl es unter den Handwerkern der Welt einige gibt, die so gemäßigte und gerechte Ideen haben, die große Mehrzahl hat sie nicht, sondern wird in ihren Ideen und Forderungen extrem, ungerecht und anmaßend sein, über alle Überlegung hinaus. Und jede Nachgiebigkeit von seiten der Kapitalisten wird solche Forderungen und Ideen noch steigern; und jeder, der Erfahrung besitzt, weiß, daß die Anmaßung und Herrschaft des unwissenden Armen doppelt schwer ist. Und so gibt es auch etliche unter den Reichen, die der Sache in voller Sympathie gegenüberstehen, ihr Mitgefühl gerne beweisen und solche Einrichtungen treffen würden, die nach und nach die nötigen Reformen bewirken; aber sie sind in der großen Minderzahl und gänzlich machtlos, die Korporationen zu beeinflussen oder in ihren Privatgeschäften viel zu ändern. Ob sie Kaufleute oder Fabrikanten sind, sie können die Arbeitszeit nicht kürzen noch den Lohn ihrer Angestellten erhöhen, denn Wettbewerber würden dann billiger verkaufen, und für sie selbst, ihre Gläubiger und ihre Angestellten würde finanzieller Zusammenbruch erfolgen.

So sehen wir die natürliche Ursache der großen Drangsal dieses "Tages Jehovas". Selbstsucht und Blindheit werden die Mehrheit auf beiden Seiten der Frage beherrschen. Lohnarbeiter werden sich organisieren und ihre Interessen vereinen, Selbstsucht aber wird das Band zerreißen, und jeder wird auf eigene Faust, von diesem Grundsatze getrieben, Pläne machen und auszuführen suchen. Die Majorität, unwissend und stolz, wird die Oberhand gewinnen, und die bessere Klasse wird machtlos sein, das im Zaume zu halten, was ihre Intelligenz organisierte.

Die Kapitalisten werden zu der Überzeugung kommen, daß, je mehr sie nachgeben, desto mehr wird gefordert werden, und werden bald zu dem Entschlüsse kommen, alle Forderungen zu verweigern.

Aufruhr und Aufstand werden folgen. Bei der allgemeinen Unruhe und dem Mißtrauen wird das Kapital aus öffentlichen und privaten Unternehmungen zurückgezogen werden, und Geschäftssperre und finanzielle Panik werden folgen. Tausende, hierdurch aus der Beschäftigung getrieben, werden schließlich in Verzweiflung geraten und tollkühn werden. Dann werden Gesetz und Ordnung hinweggefegt und die Berge (Reiche) vom stürmischen Menschenmeere verschlungen werden.

So wird die soziale Erde schmelzen, und die regierenden Himmel (Kirche und Staat) werden vergehen, und alle Stolzen, und alle, die da Unrecht tun, werden Stoppeln sein. Dann werden die Helden (Mächtigen) bitterlich weinen, die Reichen werden heulen, und Furcht und Schrecken wird über die ganze Menge kommen. Sogar jetzt schon verschmachten verständige, weitsehende Menschen vor Furcht und Erwarten der Dinge, die kommen sollen auf Erden, wie unser Herr vorhergesagt hat ... Die Schrift belehrt uns, daß bei diesem allgemeinen Zusammenbruch die Namenkirche (alle Denominationen) allmählich mehr und mehr auf die Seite der Regierungen und der Reichen gezogen werden und ihren Einfluß auf das Volk einbüßen wird, und daß sie darum schließlich mit den Regierungen zu Falle kommt. So werden die Elemente der Gesellschaft im Drangsalsbrande sich auflösen, während die Himmel (kirchliche Herrschaften) mit großem Krachen vergehen.

Diese Drangsal wird aber die Welt zubereiten, daß sie erkennt, daß, wenn die Menschen auch noch so gute Pläne machen und weise Anordnungen treffen, alle ihre Versuche so lange vergeblich bleiben werden, als Weltweisheit, Selbstsucht und Unwissenheit obwalten und die Herrschaft haben. Sie wird alle überzeugen, daß der einzig ausführbare Weg, die Schwierigkeit zu überwinden, der ist, eine starke und gerechte Regierung aufzurichten, die alle Klassen unterwerfen und die Grundsätze der Gerechtigkeit erzwingen wird, bis nach und nach die steinernen, harten Herzen der Menschen unter günstigen Einflüssen dem ursprünglichen Bilde Gottes den Platz räumen. Und das ist es, was Gott zum Besten aller hinauszuführen verheißen hat, welche Herrschaft von Jehova durch die Züchtigungen und Lehren dieses Tages der Drangsal eingeführt wird ...

Weil nun dieser Tag der Drangsal als natürliche und unvermeidliche Folge des gefallenen selbstsüchtigen Zustandes der Menschen hereinbrechen wird und vom Herrn vollständig vorausgesehen und verkündet worden ist (Gott sah voraus, daß seine Gesetze und Lehren von allen, außer von den wenigen, mißachtet werden würden, bis Erfahrung und Zwang sie zum Gehorsam nötigen würden), so sollten doch alle, die den Stand der Dinge erkennen, sich selbst und ihre Angelegenheiten dementsprechend in Bereitschaft setzen. ...

Niemand wird der Drangsal ganz entgehen, aber die nach Gerechtigkeit trachten und an der Demut sich ergötzen, werden vor den anderen manchen großen Vorteil voraushaben. Ihre Lebensweise, ihre Art zu denken und zu handeln, sowie ihr feines Gefühl für das, was recht ist, wird sie zur Erfassung der Sachlage, wie auch zur Würdigung des biblischen Berichtes über diese Drangsal und ihren Ausgang, befähigen und dazu beitragen, daß sie weniger als andere zu leiden haben; besonders nicht von peinigender Furcht und banger Erwartung.

Der Verlauf der Ereignisse an diesem Tage Jehovas wird für alle, die nicht in der Schrift bewandert sind, sehr betrügerisch sein. Er wird plötzlich daher kommen, wie Feuer, das die Spreu verzehrt ...

Im Vergleiche mit den langen Zeitaltern der Vergangenheit und ihrem langsamen Gange; aber nicht urplötzlich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, wie manche irrtümlicherweise erwarten, die voraussetzen, daß alles was über den Tag des Herrn geschrieben steht, in einem Tage von vierundzwanzig Stunden erfüllt werden wird. Er wird kommen "wie ein Dieb in der Nacht", in dem Sinne, daß sein Herannahen heimlich und von der Welt unbemerkt stattfindet. Die Drangsal dieses Tages wird wie in Krampfanfällen verlaufen; eine Reihe von Zuckungen wird stattfinden, die häufiger und heftiger auftreten, je mehr der Tag voranschreitet, bis zum letzten Krampf. ...

Jedesmal, wenn diese Arbeitswehen der neuen Zeit den gegenwärtigen politischen Körper ergreifen, werden sie denselben an Kraft und Mut gesunken finden, und die Schmerzen werden stärker sein. Alles, was die Heilkunst politischer Ärzte zur Erleichterung der Gesellschaft tun kann, ist, dem Verlaufe der unausbleiblichen Geburt zu helfen, nach und nach dem Ereignisse den Weg zu bahnen.

Vergeblich wäre es, sie hindern zu wollen, denn Gott hat beschlossen, daß es geschieht. Viele der Ärzte der Gesellschaft werden jedoch über ihr wahres Leiden und die Bedürfnisse und Dringlichkeit des Falles gänzlich in Unwissenheit sein. Sie werden Gegenmaßregeln ergreifen; und da jeder Krampfanfall wieder vorübergeht, so werden sie dies benutzen, die Rückhaltungsmaßnahmen zu verstärken, und dadurch die Qual nur vergrößern. Und während ihre verkehrte Handlungsweise die Geburt nicht lange verzögern wird, wird sie vielmehr den Tod des Patienten beschleunigen; denn die alte Ordnung der Dinge wird unter den Wehen zur Geburt der neuen den Tod erleiden.

Um deutlich zu werden, lassen wir dieses zutreffende Bild des Apostels beiseite und sagen: Die Anstrengung der Massen, sich aus dem Griffe des Kapitals und der Maschinen zu befreien, wird eine zu vorzeitige sein; Pläne und Vorkehrungen werden noch unvollständig und ungenügend sein, wenn sie von Zeit zu Zeit ihren Weg erzwingen und die engen Bande von "Angebot und Nachfrage" sprengen wollen. Jeder erfolglose Versuch wird die Zuversicht des Kapitals auf seine Fähigkeit, die Ordnung der Dinge aufrecht zu erhalten, stärken, bis endlich die zurückhaltende Macht der Organisationen und Regierungen ihre äußerste Grenze erreicht hat, und die Bande des gesellschaftlichen Organismus zerreißen werden. Gesetz und Ordnung sind dann dahin; und Anarchie wird weit und breit alles das herbeiführen, was die Propheten über diese Drangsal vorausgesagt haben, eine "Drangsal, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist" - und Gott sei Dank für die hinzugefügte Zusicherung - "noch je wieder sein wird."

Während der Herrschaft des Bösen und bis zu der für die Aufrichtung der gerechten und mächtigen Regierung Christi festbestimmten Zeit, wäre es für die gefallenen Menschen unbedingt schädlich gewesen, ihnen durch ein früheres Aufkommen der gegenwärtigen arbeitsparenden Maschinerien oder sonstwie viel müßige Zeit zu gestatten, Erfahrung hat das Sprichwort erzeugt: "Müßiggang ist aller Laster Anfang" und hat so der Weisheit Gottes Beifall gezollt, die bestimmte; "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis daß du wieder zur Erde werdest." ...
Die Drangsal des Tages des Herrn, die wir schon heraufziehen sehen, bestätigt die Weisheit dieser Anordnung Gottes; denn sie kommt, wie wir gesehen haben, als Folge der Überproduktion durch arbeitsparende Maschinen und durch das Unvermögen der verschiedenen Elemente der Gesellschaft, sich in ihrer Selbstsucht den neuen Verhältnissen anzupassen.

Ein unbestreitbarer Beweisgrund dafür, daß dies Gottes rechte Zeit zur Einführung der neuen Ordnung der Dinge ist, ist dies, daß er den Schleier der Unwissenheit lüftet und nach und nach das Licht der Erkenntnis und der Erfindungen über die Menschheit sich ausbreiten läßt, wie es vorhergesagt war, und mit den vorhergesagten Resultaten ...

Wäre die Erkenntnis früher gekommen, so wäre auch die Drangsal früher gekommen; und obgleich sich nach ihrem Sturme und Zerschmelzen die Gesellschaft wieder organisiert haben könnte, so würde es doch keine neue Erde (gesellschaftliche Ordnung), in welcher Gerechtigkeit herrscht, gewesen sein, sondern eine neue Ordnung, in der die Sünde und das Laster nur um so ärger hausen würden; und zwar darum, weil die geeignete Verteilung der Vorteile der arbeitsparenden Maschinen mit der Zeit kürzere und kürzere Arbeitszeit gebracht haben würde, und so der gefallene Mensch ohne die ursprüngliche Sicherheitsmaßregel mit seinen verderbten Meinungen seine Freiheit und Zeit nicht zur Förderung seiner geistigen, moralischen und physischen Anlagen verwandt hätte, sondern, wie die Geschichte der Vergangenheit beweist, der Zügellosigkeit und dem Laster verfallen wäre."


Und nachdem man so ausführlich Russell zitiert hat, meint man sich dann noch selbst mit den Worten „auf die Schulter klopfen zu können":

"Müssen nicht diese vor 40 Jahren geschriebenen Ausführungen als hochprophetische heute bis in die kleinsten Teile erfüllte Weissagung bezeichnet werden?
Sind das nicht gerade die führenden Geister, die unsere arme, zerrüttete Menschheit ihm Jahre 1923 braucht? Würden solche Männer, die mit einem so unvergleichlichen Scharfblick vor vielen Jahren unsere heutigen Zeitereignisse - den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch - voraussahen, nicht geeignetere Führer sein als diejenigen, die mit nationalistischen oder materiellen Fesseln gebunden sind und deren Maßnahmen und Abwehrmittel so offensichtlich den Stempel der Kurzsichtigkeit tragen?
Heute erkennen wir, daß die vorstehenden Ausführungen, die vor 40 Jahren die kommenden Ereignisse so genau beschrieben, zum voraus geschriebene Geschichte sind, die sich auf das Genaueste erfüllte. Zeitgenössische Schriftsteller und Zeitungsschreiber liefern tagtäglich die Bestätigung der Richtigkeit dieser Darlegungen."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 12. März 2008 13:53


GZ 1. 3. 1923

Auf die wundersame Geschichte, welche im „Goldenen Zeitalter" vom 1. 3. 1923 berichtet wird, wurde unter Hinweis auf den Zeitzeugen Fetz schon früher einmal hingewiesen. Zur Erinnerung Fetz berichtete:
„Wie wir neuerdings durch die Bibelforscher-Redner erfahren, wird ein um die Erde liegender Elektrizitätsring (den Saturnringen ähnlich!) platzen und der Erde paradiesische Fruchtbarkeit ermöglichen. Als Beweis, dass die große Fruchtbarkeit überhaupt möglich sei, berichtet
ein Bibelforscher-Redner 1923 im Bremerhafen, dass es schon jetzt einem Gelehrten gelungen sei unter dem Einflusse der Elektrizität eine Bohne zu züchten, an der 17 Personen sich hätten satt essen können."


Siehe zu diesem Thema:
Parsimony.19242

Und mit Textzitierung:
Parsimony.19243

Bekanntlich wurde anfänglich auch bei den Bibelforschern das Weihnachtsfest gefeiert. Einem ersten Anzeichen der Absetzung von diesem kulturellem Brauch, kann man in der Rubrik „Frage-Kasten" des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 3. 1923 (Ausgabe Bern. In der Ausgabe Barmen am 1. 5. 1923) begegnen. Da wurde angefragt:

„Wie denken Sie über die Gewohnheit mancher Eltern ihren Kindern zu Weihnachten oder Ostern zu erzählen, die Geschenke seien vom Christkind oder Weihnachtsmann, und die Ostereier habe der Osterhase gelegt?"

In der diesbezüglichen Anwort wurde ausgeführt:
„0, wir denken, daß das eine große Unsitte ist, die keinerlei moralischen Vorteil, aber viel Nachteil in sich birgt. Vor allen Dingen ist diese Gewohnheit der Entwickelung eines Geistes absoluter Wahrhaftigkeit hinderlich. Denn früher oder später erfährt das Kind doch die Wahrheit, erfährt, daß es weder einen Weihnachtsmann noch einen Osterhasen gibt und dann treten auch sofort die bösen Folgen dieser falschen Erziehung in Erscheinung. Wenn das Kind mit starkem Wahrhaftigkeitsgefühl ausgestattet ist, wird es sich dann der Tatsache bewußt: Die Eltern haben dir da etwas Unwahres erzählt, wovon sie ganz genau wußten, daß es nicht der Wahrheit entsprach. Sicherlich wird diese Erkenntnis zum Nachteil für Eltern und Kinder werden, denn sie erschüttert das Vertrauen und die Achtung, diese beiden wichtigen Grundpfeiler der Kindesliebe. Wünscht Ihr dieses, Mütter, Väter?"

Weiter meint man:
"Ach", sagt eine betrübte Mutter mit weinerlicher Stimme, "warum soll man den Kindern diese Freude nehmen. Man wüßte doch wirklich nichts Schöneres zu finden als die alte liebe Geschichte vom Weihnachtsmann und Osterhasen."

Dazu kommentiert das GZ:
„Wirklich nicht?" Und offeriert den nachfolgenden „Erfahrungsbericht":

„Einige Wochen vor Weihnachten: Die Familie sitzt im Wohnzimmer, die Kleinen sitzen auf dem Teppich und spielen, als der Vater sagt:
"Fred, Leni, wißt ihr auch, daß in drei Wochen Weihnachten ist?" Ohne eine Antwort abzuwarten fährt er fort:

"Weihnachten ist ein Fest, das die Menschen eingeführt haben, um Gott zu zeigen, daß sie voller Dankbarkeit daran denken, daß er uns seinen lieben Sohn geschenkt hat zur Erlösung von Sünde und Tod."
"Vati" - fragt der etwas nachdenklich veranlagte Fred - "was tun die Menschen denn zu Weihnachten?"
"O, sie singen Lieder, beten, schenken sich gegenseitig allerlei schöne Sachen und sind fröhlich und lieb miteinander."
"Warum schenken sie sich denn etwas?" fragt der kleine Grübler weiter. "Nun, es ist doch eine so schöne Sitte, welche die Herzen verbindet, und in so passender Weise an das große Geschenk erinnert, das Gott der Menschheit mit der Gabe seines lieben Sohnes machte."

"Papi" - läßt sich nun die etwas materiell veranlagte Leni vernehmen - "bekommen wir auch etwas geschenkt zu Weihnachten?"
"Wir wollen sehen", sagt der Vater. "Ich denke, wenn ihr recht schön lieb und brav seid, wenn ihr stets weiter bemüht bleibt, gehorsam zu sein, euch nie zu zanken und nie vergeßt, zum lieben himmlischen Vater zu beten, dann wird Gott mir es möglich machen, euch etwas Schönes zu schenken.

(Einfügung. Zitat: „wird Gott mir es möglich machen, euch etwas Schönes zu schenken". Offenbar gibt der GZ-Schreiber sich keine Rechenschaft darüber dass nicht „Gott" sondern eben die Eltern für die Geschenke verantwortlich sind. Man muss ihm also eine Inkonsequenz bescheinigen).

Weiter geht es im Text:
„Habt ihr denn besondere Wünsche?
Ich will sehen, was ich tun kann in der Sache. ... Auch am Weihnachtsabend, bei der Übergabe der Geschenke an die Kinder versäume ich nicht, darauf aufmerksam zu machen, wie gütig Gott ist, daß er es mir möglich machte, meine Lieben so reichlich zu beschenken. Das erzeugt Dankbarkeit. ...

Ähnlich handle ich heim Osterfeste, wo ich von der Süßigkeit der Freude spreche welche die zum Heil der Menschheit erfolgte Auferstehung Jesu erzeugte. Ich erzähle, wie diese Freude erst verborgen, und von banger Erwartung und Ungewißheit, wie sie bei den Jüngern des Herrn vorherrschte, verdeckt ward, dann aber offenbar wurde und das Herz erfreute.

Dann sage ich den Kindern, daß gleichsam als eine Illustration hiezu auch die ihnen zugedachte Süßigkeit versteckt sei, sie möchten aber mit Fleiß und Ausdauer suchen, dann werde Freude ihr Teil werden. Auch hierbei versäume ich nicht, denen die ihr Ostergeschenk in Form einiger Süßigkeiten gefunden haben, schon um des oben genannten Grundsatzes willen an die Süßigkeit der Liebe Gottes, die auch diese Osterfreuden bereitete, zu erinnern."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 21. März 2008 07:15

GZ 15. 3. 23
Christentumsvertreter der konservativen Art, zeigten sich nicht selten deutlich pikiert, über die ihrer Meinung nach, zu „irdische Orientierung" der Bibelforscherbewegung, welche sich ja auch in dem programmatischen Zeitschriften-Namen „Das Goldene Zeitalter" niederschlägt. Genannte konservative Kreise waren (und sind?) nicht selten der Meinung; „Hallelujagesänge" und der „Himmel" haben als eigentliches Ziel allen menschlichen Daseins zu gelten.

Zum Detail ihrer Weltsicht gehören dann auch solche Begriffe wie „Lösegeld" und ähnliches. Der Gott müsse „besänftigt" werden, am besten durch den „Tod seines Sohnes". Argwöhnisch wird alles beobachtet, was nicht mit diesem ihrem „Mainstream" übereinstimmt.

Nun haben sie allerdings bei den „Bibelforschern" dergestalt Pech, dass Russell den Begriff „Lösegeld" mit in sein System eingebaut hat. Er hatte in der Frühzeit (jedenfalls nach seiner Darstellung) sogar einen wesentlichen Disput mit seinem einstigen Mitkämpfen Barbour dem er vorwarf er wäre von der rechten Lehre abgewichen in dem er erklärte.


„Unseres Herrn Tod kann nicht mehr nützen zur Bezahlung der Strafe für die Sünden der Menschen als das Durchstechen einer Fliege mit einer Nadel (wodurch sie leiden und sterben würde). "

Dem wollte sich Russell nun keineswegs anschließen, und diese Kontroverse soll nach seiner Darstellung, der äußere Anlass der Trennung von Barbour gewesen sein.

In der Rubrik „Frage-Kasten" des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 3. 1923, begegnet man nun solch einem Argwohn (offensichtlich aus der konservativen Christentumsecke), welcher nicht so recht glauben will, dass auch die Bibelforscher den Begriff „Lösegeld" verwenden. Der Fragesteller formulierte seine Frage daher wie folgt:


„Wird es Gläubige nicht verwirren, wenn Sie in ihrer Zeitschrift oft darauf hinweisen, daß durch gewaltige Vorgänge in der Natur, sowie stete Entwicklung und Fortschritte der Wissenschaft der Menschheit unbedingte Aussicht auf ewiges Leben zugesichert ist, während uns der Plan Gottes nur - eine Gelegenheit - zeigt, dieses zu erlangen, das, was in Adam verloren ging, wieder zu erhalten - durch den Glauben an das Lösegeld Jesu Christi, - durch welchen allein die Auferstehung der Toten, die Aufrichtung des Königreiches Gottes, die Wiederherstellung aller Dinge und ewiges Leben der Menschheit geboten ist? Könnten Leute nicht in Versuchung kommen, wenn sie solches lesen, sich zu fragen:
"Ja, wozu denn das Lösegeld Jesu Christi und der Plan Gottes, wenn die Naturgesetze schon ewiges Leben garantieren?"- ...


In der Antwort darauf weist das GZ die Unterstellung zurück, man halte es nicht mit dem Lösegeld.
Zitat:
„Wenn also Zeichen der Zeit als Beweis für das Hereinbrechen des Goldenen Zeitalters beleuchtet werden, so wird damit nur auf die Segnungen aufmerksam gemacht, die der Menschheit werden können durch das Lösegeld und dessen Inanspruchnahme."

Ob denn diese Antwort den offensichtlich auf „Hallelujagesang" und „Himmel" eingestimmten Fragesteller wirklich befriedigt hat, mag man indes weiterhin mit einem Fragezeichen versehen.

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geschrieben von: Drahbeck
Datum: 04. April 2008 06:47


GZ 1. 4. 23
Die besondere Affinität der frühen Bibelforscherbewegung für den Berufszweig der Heilpraktiker, mit Nachwirkungen bis in die Gegenwart, ist bekannt. Einem diesbezüglichen Dokument kann man auch in der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 4. 1923 begegnen. Da versucht ein mit Dr. O. St. gezeichneter Artikel eine Lanze für „Biochemische Präparate" zu brechen. Seinen Artikel lässt er mit den Sätzen ausklingen:

„Wer biochemische Präparate gegen alle seine Übel und Mängel gebraucht, wird bald sein körperliches und geistiges Wohlbefinden so gehoben finden, wie es bei Anwendung von Medikamenten, durch ärztliche Eingriffe oder irgendwelche Natur-Heilmethoden nicht möglich wäre.
Die zwölf Salze, die als die Schüsslerschen Mittel bekannt sind, sind nicht völlig biochemisch, denn sie sind auf Analysen gegründet, die man von zu Asche verbrannten Körpern gemacht hat. Aber die mehr als 2000 Gewebe- Salze- und Drüsen-Präparate, die als Ensign-Mittel bekannt sind, sind wirklich biochemisch, weil sie auf Analysen von nicht nur lebenden, sondern auch gesunden Stoffen und Drüsenabsonderungen gegründet sind.

Sie müssen vorsichtig und zweckentsprechend ausgewählt und gebraucht werden, andernfalls werden sie mit geringem oder gar keinem Nutzen genommen werden. [Einfügung „geringem oder gar keinem Nutzen".Also das berühmte Hintertürchen]

Diejenigen, die Meister in ihrer Anwendung geworden sind, können wahrhaftig bezeugen, daß diese Mittel der Wiederherstellungsmöglichkeit am nächsten kommen und daß sie der stärkste wissenschaftliche Beweis dafür sind, daß im Goldenen Zeitalter, Krankheit, Not und Tod gänzlich verschwinden werden unter der weisen Herrschaft des gerechten Friedefürsten."


Und ferner liest man in diesem Artikel:
„Jahrelange Erfahrungen berechtigen mich, ein Zeugnis von der Wirksamkeit biochemischer Präparate zu geben. Seit zwanzig Jahren habe ich mich voll tiefen Interesses mit Körperpflege und Diätetik beschäftigt und vor zehn Jahren gewann ich besonderes Interesse für Biochemie.
Während dieser zwanzig Jahre kam ich wieder und wieder mit jeder Art von Krankenbehandlung, die es nur gibt, in Berührung, und es ist meine ehrliche Überzeugung, daß die Biochemie das wirksamste und vorteilhafteste Mittel ist, das zur Behebung fast aller unnormalen körperlichen und geistigen Zustände angewandt werden kann. Und mehr als das, sie kann einem jeden dazu verhelfen, völlig frei und unabhängig von Ärzten, Medikamenten, Serum-Impfungen und Operationen zu werden. In Amerika hat man die sogenannten Ensign-Mittel. Diese sind streng biochemisch - das heißt, sie sind in genauer Übereinstimmung mit den Gesetzen, die die Chemie des Lebens beherrschen, hergestellt. Sie sind weder Drogen noch Medikamente außer in dem Sinne, daß sie verbessernd oder heilend auf den Körper einwirken. Es sind physiologische Nährmittel. Darunter ist zu verstehen, daß diese Mittel absolut dasselbe sind wie der fertige Stoff, aus dem die Zellen, Gewebe und Drüsen des menschlichen Körpers bestehen. Darin unterscheiden sich die biochemischen Präparate von allen Drogen und Medikamenten.

Die Speisen, die wir zu uns nehmen, sind unverdaute, unverarbeitete, daher unfertige Stoffe. Um dem Körper zu nützen, müssen sie in fertige Stoffe umgewandelt werden, wie diese zum Aufbau gesunder Zellen, Gewebe und Drüsen erforderlich sind. Diese fertigen Stoffe werden in den "Mühlen und Fabriken" des Körpers hergestellt.
Wenn nun aus irgend einem Grunde diese "Mühlen und Fabriken" des Körpers verfehlen, vorschriftsmäßige Stoffe herzustellen, so werden die Zellen, Gewebe und Drüsen ungenügend gebildet und somit ein krankhafter Zustand geschaffen. Fast alle Krankheiten und Störungen, sowie körperliche und geistige Unvollkommenheiten sind die Folge davon, daß die "Mühlen und Fabriken" des Körpers nicht die vorschriftsmäßigen Stoffe erzeugten. Der einzige Weg, auf dem solche Zustände je wieder aufgebessert werden können, ist, den Körper wieder mit den Bestandteilen zu versehen, die ungenügend vorhanden sind, nicht in roher Form, wie sie sich in Speisen oder in Drogen und Medikamenten befinden, sondern in verarbeiteter Form, wie sie bei ordnungsgemäßer Verdauung und ähnlichen Vorgängen der Drüsen-Tätigkeit hergestellt werden. Oft hilft sich die Natur von selbst, aber in häufigen Fällen geht die Aufbesserung sehr langsam von statten, und nicht selten kann das Übel nicht wieder behoben werden. Da die biochemischen Präparate lediglich vollständige Ergänzung der verarbeiteten Stoffe, aus denen sich die Zellen, Gewebe und Drüsen des Körpers zusammensetzen, sind, wird dadurch auf natürliche Weise ergänzt, was die Natur nicht aus den genossenen Speisen herzustellen vermag. Dadurch werden Störungen, Krankheiten und Leiden behoben, wie es durch keine andere Methode möglich wäre.

Als Vorbeugungsmittel habe ich die biochemischen Präparate unerreicht gefunden. Bei der Behandlung von Krankheiten bewirken sie eine viel schnellere Besserung als irgend eine andere medizinlose Behandlung. Diese Mittel helfen in den meisten Fällen mit Leichtigkeit, wo andere medizinlose Methoden versagt haben. Und weiterhin werden sie jedem das zu erreichen helfen, was durch Körperpflege und Diät angestrebt wird."


Nun, da wird wohl bei der zeitgenössischen Leserschaft nur eine Assoziation „hängen geblieben" sein. Das sei ja das „wahre Wundermittel" Bekamen sie dann noch zu lesen, wie zitiert:
„Bei der Behandlung von Krankheiten bewirken sie eine viel schnellere Besserung als irgend eine andere medizinlose Behandlung. Diese Mittel helfen in den meisten Fällen mit Leichtigkeit, wo andere medizinlose Methoden versagt haben", dürfte wohl die anfängliche Euphorie ungeahnte Höhen erreicht haben.

Ob denn solcher Art „Wundermittel" wirklich die erhofften Wirkungen gezeitigt, muss aber doch wohl weiterhin mit einem Fragezeichen versehen bleiben. Das einzigst gesicherte „Wunder" dürfte sich allenfalls in den Finanzbilanzen der Hersteller solcher Mittel, und in den Finanzbilanzen der „Heilpraktiker" als Vermittler solcher „Erkenntnisse" abgespielt haben.

Offensichtlich war der GZ-Redaktion beim Abdruck dieses Artikels wohl selbst nicht so recht wohl, wovon denn ein geschraubt formulierter Nachsatz zu diesem Artikel kündet. Zitat:


„Zu dieser Betrachtung bringen wir nachstehend noch einen interessanten Nachsatz unseres geschätzten Mitarbeiters"
[Einfügung: Unklar bleibt wer der „geschätzte Mitarbeiter" ist. Der Autor des Artikels? Oder ein Mitglied der GZ-Redaktion ]

Weiter geht es mit dem Nachsatz:
„Die Aufnahme des vorstehenden Artikels halte ich nicht ohne weiteres für angezeigt. Nach meinen persönlich gemachten Studien nimmt der Körper künstliche chemische Produkte nicht an, sondern es ist gerade wesentlich, daß er die nötigen Nahrungsstoffe aus den natürlichen Nahrungsmitteln selbst entnimmt. Diese Ansicht wird in weiten Kreisen vertreten. Man sieht also wieder einmal, wie alle menschliche wissenschaftlich praktische Erkenntnis Stückwerk ist.

Bei der Aufnahme mußte wenigstens der Schluß dahin geändert werden, daß diese chemischen Produkte in der Übergangszeit eines der Mittel bilden werden, dem Menschen, durch Förderung seiner Gesundheit, die Widerstandskraft zu stählen; denn zum ewigen Leben im Goldenen Zeitalter wird ihm die vollkommen werdende Erde auch vollkommene Nahrungsmittel bieten, die den Körper erhalten, und weder Krankheit noch Dahinsiechen noch Altern aufkommen lassen."


Versteht man diesen Nachsatz recht, so wird mit ihm die vorhergehende Euphorie wieder relativiert, auf den Satz „genaues weis man nicht". Eben weil das so ist, hätte man sich diese Euphorie-Ausführungen auch ersparen können. Man stochert im Nebel herum. Und was hat man erreicht? Das weiterhin Nebel ist!

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 13. April 2008 07:08


GZ 1. 4. 23
Nun, ab 1. April 1923, erschien auch in Deutschland (Barmen) das „Goldene Zeitalter" als eigenständige Ausgabe. Die früher gestartete Schweizer Ausgabe blieb davon offenbar unberührt. Dies lässt sich beispielsweise an den nachfolgenden Indizien belegen.
Während für die Schweizer Ausgabe (in der Anfangszeit) ein E. Zaugg als verantwortlicher Redakteur genannt wurde, nimmt in der deutschen Ausgabe P. J. G. Balzereit, dieselbe Position war.
Während die Berner Ausgabe ihre Jahrgangszählung ungebrochen fortsetzt (die Berner Ausgabe des GZ vom 1. 4. 1923 wird als 1. Jg. Nr. 13 bezeichnet) fängt die Barmer Ausgabe vom 1. 4. 1923 bei Null an (diese Ausgabe bezeichnet sich als 1. Jg. Nr. 1).

Auch die Preisangabe der deutschen Ausgabe ist durchaus zitierenswert: 200 Mark die Einzelnummer! Das ist durchaus nachvollziehbar, grassierte zur fraglichen Zeit ja die Inflation in Deutschland. Schon aber der Ausgabe vom 1. 6. 1923 wurde auch diese Angabe geändert. Jetzt formulierter man vorsichtigerweise: „Preis veränderlich". Allein man wird sagen können. Ohne auch den finanziellen Background aus den USA, hätte das Unternehmen zur fraglichen Zeit, nur wenig Überlebenschancen gehabt.

Das wird in späteren GZ-Ausgaben noch deutlicher. So muss beispielsweise die Magdeburger Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 1. 8. 1923 die nachfolgende redaktionelle Mitteilung machen:

"Die Preise aller Materialien zur Herstellung unserer Zeitschrift erhöhen sich infolge der katastrophalen Entwertung der Mark von Stunde zu Stunde derart, daß eine Vorauskalkulation auch nur auf einen Monat zur Unmöglichkeit geworden ist. Während wir vor Drucklegung der Nummer 8 glaubten mit Mark 5000, - für alle 6 Nummern des zweiten Quartals auskommen zu können, kostet heute, kaum 8 Tage später, allein der nackte Bogen Papier für ein Stück des G.Z. 9-10000 Mk.

Wir sehen uns daher nicht nur gezwungen, die Bezugspreise wesentlich zu erhöhen, sondern auch die Abonnementspreise samt dem damit verbundenen Nachzahlungssystem aufzuheben und dafür Nummernpreise und nummernweise Zahlung einzuführen ....
Für diejenigen unserer Leser, die nicht beim Verlag sondern bei der Post abonniert und dort 1500 Mark bezahlt haben, muß aus posttechnischen Gründen das bisherige Zahlungssystem bis 1. Oktober beibehalten werden. Sie werden also gebeten, eine Nachzahlung in Höhe von 35.500 Mk. bis spätestens 15. August zu leisten, falls sie nicht wünschen, von der Bezieherliste gestrichen zu werden. ..."


Die Schweizer Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 15. 8. 1923 brachte mal (auszugsweise zitiert) den folgenden Vergleich bezüglich der deutschen Infation:
"Man erhielt in Deutschland für je 1000 Mark am 10. Juli 1923
l Anzugsknopf ... am 10. Juli 1913: 10 Anzüge nach Maß"


Selbstredend hatte die Inflation (Folgewirkung des ersten Weltkrieges) auch massive politische Verwerfungen zur Folge. Die WTG wäre nicht die WTG, hätte sie nicht auch das als vermeintliches „Wasser" für ihre Endzeitmühlen geleitet. So etwa in der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 10. 1923 in einem Standardkommentar unter der Überschrift „Von hoher Warte".

Da meinte sie folgendes (unter anderem wahrzunehmen) angereichert mit einem Bild.

„Seit unserer letzten allgemeinen Rundschau .am 15. Juni hat sich der europäische Horizont neuerdings stark verdunkelt. Gewitterwolken jagen einher, Blitze zucken, Donner rollen an allen Ecken und Enden. Mehr und mehr konzentriert sich ein unheilvoller Sturm über Deutschland. Dieser Teil der Erde erfordert deshalb in besonderer Weise unsere Aufmerksamkeit, denn dort wird offenbar die furchtbare Entladung des drohenden Gewitters beginnen.

Was geht in Deutschland vor sich?
Diese Frage wird in der Welt sehr verschieden beantwortet. Mancherorts besteht die Auffassung, als seien die derzeitigen krisenhaften Zuckungen dieses Volkes die sicheren Anzeichen einer langsam sich vorbereitenden Heilung des gesamten Wirtschaftskörpers dieses großen Landes.
In Frankreich und Belgien dagegen werden die derzeitigen deutschen Geschehnisse als Beweise einer nahe bevorstehenden endgültigen Kapitulation gebucht, die endlich gestatten werde, ein vernünftiges Wort mit dem ehemaligen Feinde zu reden. Man müsse nur ganz gelassen die Entwicklung der Dinge abwarten.
In England aber sieht man dieser Entwicklung der Dinge mit größter Besorgnis entgegen.

Rußland triumphiert und glaubt die Zeit gekommen, Deutschland bolschewisieren zu können. Auch die deutschen und besonders die Ruhr- und Rheinlandbolschewisten glauben dies. Der "Marin" Nr. 12617 bringt folgenden sensationellen Auszug einer kürzlich in Moskau gehaltenen Rede Zinovieffs:
"Die Ereignisse, die sich gegenwärtig in Deutschland abwickeln, bezeichnen deutlich den Anfang der Revolution in ganz Europa. Die Ereignisse entwickeln sich mit einer solchen Geschwindigkeit, daß die Endphase unbedingt in einigen Monaten, wenn nicht gar in einigen Wochen erzielt sein wird.
Die III. Internationale steht im Begriff einen Appell an alle Arbeiter der Welt zu erlassen. Wir müssen dem deutschen Proletariat zu Hilfe kommen, indem wir mit ihm zusammen eine Einheitsfront bilden gegen die Bürgerlichen."

Dieses befürchtend hat der Kapitalismus Polen zu einer militärischen Hochburg ersten Ranges ausgebildet. Dieses Land soll die Schutzmauer für Europa gegen eine weitere Ausdehnung des Bolschewismus bilden. Polen hat aber keine natürliche Grenze, die als Schutzmauer dienen könnte, denn es ist ein weit offenes Land. Wenn also die 60 Millionen Deutschen beschließen mit den 80 Millionen Russen gemeinsame Sache zu machen, so wird die Schutzmauer von 24 Millionen Polen vollkommen wirkungslos sein.

Die Nationalisten in Deutschland selbst halten den jetzigen Zeitpunkt für denkbar geeignet, um ihre Träume zu verwirklichen. In Bayern und anderswo wird frisch und froh für den Bürgerkrieg gerüstet; die bayrische Faust werde schon alles wieder in Ordnung bringen.
Wer hat nun Recht?
Was geht gegenwärtig in Deutschland vor sich?
Sind die heutigen Ereignisse Zeichen des bevorstehenden Aufbaues oder des völligen Zerfalles?
Wer die wirtschaftliche. und politische Lage Deutschlands sorgfältig prüft, wird unbedingt zum Schluß kommen, daß in diesem Lande ein fortschreitender Zerfall, eine unleugbare Zersetzung des gesamten Volks- und Wirtschaftskörpers vor sich geht. Weder die Nationalisten und Royalisten, noch die Bolschewisten werden dabei auf ihre Rechnung kommen. Es ist der große Auflösungsprozeß, welcher der Aufrichtung des Goldenen Zeitalters unmittelbar vorangeht. ...

Die sich täglich mehrenden weltenweiten Schwierigkeiten sind somit ein untrüglicher Beweis, daß der König aller Könige nun tatsächlich an der Arbeit ist, das alte Haus abzubrechen. Ferner kann heute jeder denkende Mensch sehen und erkennen, daß dieses vorausgehende schmerzvolle Abbrechen einen durchaus unumgänglichen Vorläufer einer besseren Gesellschaftsordnung bildet, und daß ohne diese tiefgehende Operation die Menschheit nie genesen kann. Diese Geschehnisse beschreibt der Prophet Gottes
in erhabener Sprache, wenn er sagt: "Jene [die das Goldene Zeitalter kommen sehen] werden ihre Stimme erheben, werden jubeln. Ob der Majestät Jehovas [die sich nun schon im Abbruch des alten Hauses offenbart] jauchzen sie vom Meere [Völkermeer] ..."


Auch die deutsche Ausgabe des GZ schwelgt in der Konzeption euphorischen Meldungen. Russell hatte es vorgemacht, indem er den wissenschaftlich-technischen Fortschritt mit in sein System einbaute. Und der Zeitschriftentitel „Das Goldene Zeitalter" unterstreicht das dann noch.
So weis auch das GZ Barmen schon in der ersten Nummer einen entsprechenden Bericht zu offerieren. Unter der Überschrift „Moderne Wunder" liest man dort:


„Die Zeit der Wunder liegt weit zurück in der Vergangenheit - so denken die Menschen im allgemeinen, wenn von diesem Gegenstand die Rede ist. Wenn wir nun aber ein Stück Kohle und ein Glas Wasser nehmen mit der Behauptung, daß dies Kraft ist, mit welcher alle Maschinen betrieben werden können, so wird jeder zugeben, daß, sofern dies tatsächlich der Fall ist, ein Wunder vorliegt. Dieses Wunder verrichtet die Dampfmaschine, welcher Kohle und Wasser die erforderliche Kraft seit langer Zeit spendet.

Ebenso unglaublich klingt die Behauptung, man könne Wasser in ein großes Feuer verwandeln. Die beiden Hauptelemente des Wassers aber - Sauerstoff und Wasserstoff - verursachen im Knallgasgeblase eine Flamme von solch intensiver Hitze, daß sie nur vorn elektrischen Ofen übertroffen wird.
Daß wir mit derselben, die Dampfmaschine speisende Kohle und dem Wasser, Zucker herstellen können, ist nicht weniger wunderbar. Das brachten unsere Chemiker tatsachlich zustande durch die Verbindung von Kohlenstoff mit Wasserstoff und Sauerstoff.

Nun laßt uns das Stück Kohle in geschmolzenem Eisen auflösen und die weißglühende Masse langsam ins Wasser gießen. So wie das Eisen mit Chlorwasserstoff ausgeschieden ist, bleiben Diamanten zurück - allerdings nur winzig klein, aber immerhin Diamanten. Wir brauchen außer diesen Beispielen, wo Kohle und Wasser in Kraft, Hitze, Zucker und Diamanten verwandelt werden kann, kaum noch weitere anzuführen, um den Beweis zu erbringen, daß die Zeit der Wunder durchaus nicht etwa hinter uns liegt, sondern daß wir direkt darin leben und daß die nächste Zukunft uns noch viel größere Wunder dieser Art offenbaren wird."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 18. April 2008 07:25

Zwei Lieblingsthemen der zeitgenössischen Bibelforscher begegnet man im „Goldenen Zeitalter (Ausgabe Bern) vom 15. 4. 1923
Einmal dem berühmt-berüchtigten „Wunderweizen". (Ausgabe Barmen erst in der Ausgabe vom 1. 10. 1923). Der Fall wurde schon an anderer Stelle referiert. Siehe dazu:
Wunderweizen

Angereichert wurde der Wunderweizen-Artikel im GZ auch noch durch drei Bilder, um so seine Bedeutung zu unterstreichen. (Probehalber sei mal versucht diese Bilder hier wieder zu geben. Bezüglich der schlechten technische Qualität wird um Nachsicht gebeten).

Das zweite die zeitgenössischen Bibelforscher "aus dem Häuschen geraten lassende" Thema war der sogenannte „elektrischen Ring" dessen Einsturz vermeintlicherweise eine ungeahnte Fruchtbarkeit auf Erden bewirken würde. Dieser auf der Vail'schen Ringtheorie beruhende Artikel mit dem Kulminationspunkt "elektrischer Ring" wurde zeitgleich in der Ausgabe Bern und Barmen vom 15. 4. 1923 abgedruckt
Siehe dazu:Parsimony.19243

Auch später noch hatte es dieser vermeintliche „elektrische Ring" der GZ-Redaktion angetan. So liest man etwa in der Schweizer Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 15. 1. 1925 (Ausgabe Magdeburg 1. 4. 1925) unter der Überschrift: "Wird ein elektrischer Ring einstürzen":

"Manche Gelehrte behaupten, daß die Erde von einem elektrischen Ring umgeben ist, der zusammenstürzen wird. Wenn dies geschehen würde, welche Veränderung würde auf der Erde stattfinden? Zweifellos würde die Wirkung der elektrischen Kraft den Erdboden reinigen und Insekten, Parasiten und Mikroben vernichten, die ein Schaden der Pflanzenwelt sind. Welch wunderbare Segnungen würde das auch für die Tierwelt mit sich bringen.

Die Behauptung, daß die Erde von einem elektrischen Ring umgeben ist, der sich dieser immer mehr nähert, bis er schließlich zusammenstürzen wird, gründet sich auf eine Theorie der Kosmoponie der Weltentstehung, die in der Valiamschen oder Ringtheorie von der Erschaffung der Erde erklärt ist. Nach dieser Theorie stürzten zu verschiedenen Zeitperioden mehrere Wasserringe auf die Erde herab, deren letzter die Sintflut verursachte. Um die Glaubwürdigkeit dieser Theorie zu beweisen, wird auf die Tatsache hingewiesen, daß der Planet Saturn von Ringen umgeben ist, die noch nicht eingestürzt sind. Auch der Planet Jupiter mit seinen ihn umgebenden Gürteln kann uns als Beispiel für die Entwicklung der Erde dienen.

Die Valianische Theorie lehnt sich dicht an die Schöpfungsgeschichte an, wie sie im 1. Buche Mose berichtet wird. Wenn nun die Entwicklung der Erde während der vergangenen Zeitalter in allmählich fortschreitender Weise vor sich gegangen ist, und wenn das frühere Einstürzen von Ringen dazu gedient hat, die Erde mehr und mehr zur Wohnstätte des Menschen passend zu machen, scheint es da nicht eine vernünftige Schlußlolgerung zu sein, daß der Einsturz des letzten Ringes, der elektrischer Natur ist, zur Vollendung der Erde führen muß?

Sicherlich lassen die gegenwärtigen wunderbaren Entdeckungen auf dem Gebiete der Elektrizität und die verschiedenen technischen Errungenschaften, wodurch der jetzt lebenden Generation große Erleichterung und Annehmlichkeit geschaffen wird, darauf schließen, daß der Menschheit in der Zukunft ungeahnte Möglichkeiten offen stehen.

Es dürfte uns nicht überraschen, wenn in naher Zukunft eine Methode zur Absonderung der Elektrizität aus der Luft entdeckt würde, wodurch es dann der Menschheit ermöglicht würde, aus dem Krafthause der Natur genügend dynamische Energie für den täglichen Bedarf zu entnehmen.
Man denke sich ein Automobil oder einen Aeroplan mit einem Mechanismus ausgerüstet, der elektrische Kraft aus der ihn umgebenden Luft zu erzeugen vermag! Man denke sich all die Maschinen und Fahrzeuge, die jetzt mit Benzin oder Dampf betrieben werden, durch andere von autoelektrischer Natur ersetzt! Wieviel weniger Unglücksfälle und Versagen der Motoren würde es geben!

Auch der menschliche Organismus würde durch sanfte elektrische Strömungen im Verein mit einer Nahrung, die gereinigter, vollständig keimfreier und gekräftigter Boden hervorgebracht hat, gestärkt werden. Die Folge davon würde eine bessere Blutzirkulation und Blutreinigung sein, ein mächtiger Faktor bei der Wiederherstellung der Menschheit zu körperlicher, geistiger und sittlicher Vollkommenheit und sich daraus ergebendem.

Solchen Einflüssen unterworfen, würden die klimatischen Verhältnisse eine vollständige Veränderung erfahren und an den Polen gemäßigter werden. Die Eisfelder würden schmelzen [denke an Prof. Ricci's Wärmestrahlen] und dadurch weite Länderstrecken zum Anbau und zur Bevölkerung frei werden...."


Irgendwelche Pressemeldungen, die in dieses Korsett hineinpassend erschienen, wurden dann auch prompt im "Goldenen Zeitalter" präsentiert. So etwa jene Meldung im GZ vom 1. 10. 1924, dass nachfolgendes zu berichten wusste:

„Tomaten, bei denen infolge Bestrahlung durch Elektrizität last der doppelle Ertrag hervorgebracht wurde.
Nachstehend berichten wir von einer Erfindung, deren Folgen vielleicht einmal unsere Gewohnheiten vollständig umwälzen werden und die unseren Urenkeln eine, den frühern Generationen unbekannte, Lebensweise offenbaren wird. ...

Dies wurde kürzlich wiederum durch zwei Experimente bewiesen, und zwar einmal auf der Universität Columbia, durch den Gebrauch von gewöhnlichem, starkem elektrischem Licht, und dann in Dahlem (Deutschland), wo der Versuch durch Neo-Lampen vorgenommen wurde. In beiden Fällen waren die Resultate geradezu überraschend. Pflanzen, die nur den Strahlen des Sonnenlichtes ausgesetzt waren, erreichten nicht die Hälfte der Größe derjenigen Pflanzen, die künstlich beleuchtet worden waren ...

In Dahlem wurde der Versuch mit Tomaten und Gurken vorgenommen, die tagsüber dem Sonnenlicht ausgesetzt waren, die man aber, sobald der Himmel sich bedeckte und die ganze Nacht über, mit Neo-Licht bestrahlte, Das Resultat war sehr erfreulich. Man erntete 500 Früchte mit einem Gewicht von 555 Pfund, während die anderen Versuchsexemplare, mit Tagesbelichtung, nur 370 Früchte ergaben mit einem verhältnismäßig viel geringeren Gewicht ...

Diese Experimente interessieren uns umso mehr, als gewisse Gelehrte behaupten, es bestehe um unsere Erde ein elektrischer Ring. Wenn sich nun dieser elektrische Ring lösen würde, könnten wir da nicht in einer verhältnismäßig kurzen Zeit in der Natur überraschende Veränderungen eintreten sehen, die die Ertragsfähigkeit des Erdbodens gewaltig steigern würden?"


Meinte zumindest damals das „Goldene Zeitalter". Ob denn die seriöse Wissenschaft sich diesem Votum so mit anschliesst, muss wohl weiterhin mit einem Fragezeichen versehen bleiben!

Bei der Sichtung der zeitgenössischen Presse war die GZ-Redaktion (GZ Bern vom 15. 4. 1923; Ausgabe Barmen 15. 5. 1923) bei einem dritten Beispiel "fündig" geworden. Ein Pressartikel über das Radium erschien ihr so bedeutsam, dass sie ihn mit einem kommentierenden Nachsatz, auch in ihrer Zeitschrift nachdruckte. Eingeordnet in ihre Rubrik "Zeichen der Zeit" wurde da unter der Quellenangabe "Genossenschaftliches Volksblatt" Nr. 6 das nachfolgende berichtet:

„Schon mancher Leser wird in den Zeitungen von den wunderbaren Wirkungen des Radiums gelesen haben. Beinahe jeder Tag deckt neue Wunder dieses rätselhaften Stoffes auf, der, ohne selbst zu leuchten, alles in seiner Umgebung zum Leuchten bringt und auch in allen anderen Eigenschaften so widerspruchsvoll ist, daß er alle unsere Grundbegriffe von Stoff und Kraft und die Grundlagen der physikalischen Wissenschaft ins Schwanken bringt. Aber gerade aus diesem Grunde eröffnen die neuen "Strahlen" ganz neue Gesichtspunkte über das Walten der Naturkräfte, die wir mehr und mehr in unseren Dienst zu zwingen vermögen.

Dieser Strahlstoff, das Radium selbst, gehört an sich zu den schwersten Stoffen, die wir kennen. Solche Stoffe sind immer sehr wenig flüchtig. Vom Radium aber geht erwiesenermaßen beständig ein Etwas aus, das wir in vieler Hinsicht vergleichen können mit den Riechstoffen, die von flüchtigen, ätherischen Substanzen ausgehen. Sie verbreiten sich schnell in ausgedehnten Räumen und müssen dabei doch offenbar der Luft etwas beimengen, das auf unsere Riechnerven eben den betreffenden, deutlich zu unterscheidenden Eindruck hervorbringt, während doch durch keine andere Wirkung ihr Vorhandensein nachzuweisen ist.

Ebensowenig ist in vielen Fällen eine Verminderung der Substanz zu erkennen, von der jener Riechstoff beständig ausgeht. In der Tat zeigt es sich, daß vom Radium ein Etwas ausgeht, das seine eigentliche Wunderwirkung ausmacht. Mit einer ganz unvorstellbar großen Gewalt, aber wieder ganz aus eigener Kraft schleudert es beständig verschwindend kleine Teile von sich, die so schnell fliegen, wie das Licht selbst, also 300.000 Kilometer in einer Sekunde zurücklegen. Aber die Körper besitzen keine Wellenbewegung, sie sind kein Licht selbst. Dagegen sind sie elektrisch. Das kleinste Spürchen Radium macht in weitem Umkreise die Luft elektrisch, daß sie leitend wird, während sie sonst ein guter Isolator war. Auf einem Weltkörper, der größere Mengen Radium auf seiner Oberfläche besitzt, wären deshalb keine Gewitter mit Blitzschlägen möglich.

Noch nicht genug mit diesen Wundern! Läßt man unseren Strahlstoff eine Zeitlang neben anderen Substanzen liegen, so nehmen sie alle seine Eigenschaften an, sie werden gleichfalls radioaktiv, und auch diese Sekundärwirkung geht allmählich verloren, während die ursprüngliche Wirkung bisher durch keinerlei Mittel dauernd zu zerstören war. Unter Umständen verliert sich zwar die rätselhafte Wirkung vorübergehend, wenn das Präparat erhitzt wird, aber nach einigen Tagen erholt es sich von selbst und gewinnt seine volle, frühere Kraft wieder. Auch Feuchtigkeit hebt die Wirkung zeitweilig auf, indem dafür das mit dem Strahlstoffe zusammengebrachte Wasser radioaktiv wird, aber auch in diesem Falle tritt die Wirkung nach dem Trocknen wieder ein.

Überall, wohin die von diesem Wunderstoffe ausgeschleuderten Projektile mit ihrer rasenden Geschwindigkeit hintreffen, üben sie eine unerklärliche Wirkung aus. Glas, das doch nur von den allerkräftigsten Stoffen chemisch angegriffen wird. färbt sich schwarz, wenn ein Radiumpräparat während einiger Tage darauf liegt, und wenn man eine Kapsel, mit demselben angefüllt, einige Zeit lang, sagen wir in der Westentasche bei sich fühlt, so bekommt man auf der Haut eine Brandwunde, die sehr schwer heilt.

Kleinere Tiere werden durch die Fernwirkung des Radiums sogar getötet, zum Beispiel Mäuse, über deren Behälter man wenige Milligramme jenes rätselhaften Stoffes ausgestreut hatte. Bakterien werden sicher vernichtet, und es ist wohl kaum ein Zweifel, daß bei richtiger Einschränkung auch heilsame Wirkungen von ihm zu erwarten sind.

Daß das Radium Blinde sehend macht, wird nach alledem kaum mehr wunder nehmen. Legt man im Dunkeln auf das geschlossene Augenlid ein Radiumpräparat, so hat man den Eindruck einer allgemeinen, großen Helligkeit, während es doch selbst nicht leuchtet. Ganz denselben Eindruck haben Blinde; und wenn man nun auf die das Radium einschließende Kapsel irgend eine Figur, etwa einen Buchstaben, befestigt, der die Strahlung vermindert, so erscheint dieser auch dem Blinden als Schattenriß, und man berichtet, daß zwei russische Knaben von 11 und 13 Jahren, die im ersten Lebensjahr ihr Augenlicht verloren hatten, das Alphabet mit ihren leeren Augenhohlen lesen lernten.
Freilich, alle diese Anwendungen liegen noch in den Kinderschuhen, denn solche Experimente können nicht nur, wie wir gesehen haben, Gefahren für die Gesundheit mit sich bringen, sie sind auch ganz ungemein kostspielig. Gegen das Radium hat Gold ,den Wert von Eisen.

Die Aufzählung der Wunder des Strahlstoffes ist aber noch längst nicht zu Ende. Frau Curie, jene geniale Pariser Chemikerin, welcher es zuerst (jedoch fast gleichzeitig mit Professor Giesel in Braunschweig) gelang, ein reines Radiumsalz herzustellen, hat die Entdeckung gemacht, daß ihre Präparate beständig eine etwa anderthalb Grad höhere Temperatur besitzen, als ihre Umgebung. Radium strahlt also nicht nur Licht und Elektrizität, sondern auch Wärme aus, wieder ohne jemals zu ermüden. Hätte man genügende Quantitäten davon, so brauchte man keinen Ofen mehr zum heizen und unsere Maschinen würden nach einmaliger Anschaffung des nötigen Radiums beständig laufen, ohne Kohlen, oder überhaupt noch weiter etwas für ihren Betrieb zu gebrauchen. Welch ein Idealzustand! Diese Erzeugung von Wärme aus sich selbst wirft wieder ein Naturgesetz um, das man bisher für eines der unumstößlichsten gehalten hatte. Das Radium ist eben revolutionär auf der ganzen Linie. Die Liste der Wunder geht noch weiter. Man war imstande, die Größe der Körperchen der Bomben zu messen, die von unserem Strahlstoffe ausgehen, natürlich nur durch theoretische Rechnung. Da man auch ihre Geschwindigkeit kennt - sie ist eben die des Lichtes - so kann man also die Größe der abgeschleuderten Teilchen durch das Experiment bestimmen.
Da fand man nun wieder etwas Staunenswertes und ebenfalls Revolutionäres: Die Teilchen sind etwa noch zweitausendmal kleiner als das kleinste Atom des Chemikers, das des Wasserstoffes, welches man zum Vergleich bei den Experimenten herbeiziehen konnte. Freilich kennt man die Größe des Wasserstoffatoms auch nicht, aber man weiß doch, daß unter normalen Umständen davon auf einen Kubikmillimeter 50000 Billionen gehen, und dabei immer noch ihre Bewegung behalten. Professor Kaufmann, der sich mit solchen Messungen befaßt hat, konnte deshalb sagen, daß jene allerkleinsten Teile, die vom Radium ausgeschleudert werden und die man Elektronen genannt hat, sich zu einem Bazillus, also den kleinsten Körpern, die wir unterm Mikroskop noch direkt sehen können, etwa so verhalten, wie dieser Bazillus gegen die Erdkugel!

Diese verschwindende Kleinheit der vom Radium beständig ausgeschleuderten Teilchen macht uns nun allerdings manche Erscheinung an ihm erklärlicher. Es ließ sich berechnen, daß tausend Millionen Jahre verfließen müssen, bis unter normalen Bedingungen erst ein einziges Milligramm Radium sich in den Raum "verflüchtigt" hat. Da begreift man, daß es vor unseren Augen bisher keinerlei Veränderungen erfuhr. Daß diese Elektronen trotzdem eine so große Kraft entfalten, erklärt sich dann aus ihrer ungeheuren Geschwindigkeit. Eine Flintenkugel tut keinerlei Schaden, wenn sie uns aus der Hand fällt, durchschlägt aber dicke Platten, wenn sie abgeschossen gegen diese fliegt. Daß aber diese "Korpuskeln" mit einer solch gewaltigen Kraft ohne jede äußere Einwirkung ausgeschleudert werden, das bleibt das große Geheimnis.

Der Strahlstoff schenkt uns alles. Er ist eine unerschöpfliche Quelle von Licht, Wärme, Elektrizität, kurz von aller Kraft, und auch alle Stoffe, die unser Herz nur begehrt, müssen einstmals aus ihm gemacht werden können. Es ist mehr als der langgesuchte Stein der Weisen, er ist ein Talisman, der die Menschheit von aller Not und Sorge zu erlösen verspricht. Aber wo finden wir diesen Talisman? In wertlosen Abfällen. In Joachimstal, im böhmischen Erzgebirge, wurde früher viel Uran gewonnen, mit dem ein schön gelbes Glas hergestellt wurde. Als Schlacke blieb die sogenannte Pechblende übrig. Aus einer Tonne solcher Uranabfälle wird ein Gramm, also der millionste Teil davon, durch langwierige Prozesse, abgeschieden, das sich als radioaktive Substanz erweist, uns; um hieraus nun das reine Radiumsalz zu gewinnen, muß dieses Gramm noch wohl tausendmal umkristallisiert werden. Durch diese Arbeit wird der ursprünglich wertlose Stoff zum kostbarsten und wunderbarsten, den wir kennen."


Und als eigenen Kommentar zu vorstehendem fügt die GZ-Redaktion dann noch hinzu:
„Daß dieser wunderbare Stoff gerade in dieser Übergangszeit von einer untergehenden Weltordnung zu einer neuen, besseren entdeckt wurde, ist ein weiterer Beweis, daß die Zeit gekommen ist, da der allweise Schöpfer verborgene Naturkräfte und Elemente gebrauchen will, den Fluch von der Erde und der Menschheit wegzunehmen, um die seufzende Kreatur endgültig zu befreien auf Grund des auf Golgatha vor mehr als 1800 Jahren bezahlten Loskaufpreises für das ganze Menschengeschlecht."

Auch die Ausgabe Barmen vom 15. 4. 1923 weiß mit einem euphorischen Bericht aufzuwarten. Unter der Überschrift "Zwei Ernten in einem Jahr" liest man dort u. a.:

"Das "Goldene Zeitalter" wünscht seine Leser auf alle Anzeichen der hereinbrechenden neuen Ära aufmerksam zu machen und deshalb ist es bemüht, alle diesbezüglichen Beweise wissenschaftlicher, biblischer und historischer Art, wie auch besonders die charakteristische Übereinstimmung der Prophetie der Bibel mit den Ereignissen unserer Zeit hervorzuheben; es macht gleicherweise aufmerksam auf die besonderen politischen Merkmale dieser Übergangsperiode, sowie auf die klimatischen Veränderungen, wie sie nachweisbar auf unserem Planeten vor sich gehen und sich in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse erweisen.

Wie die Polarforschungen zeigen, verringern sich die Eisregionen in den arktischen Zonen zusehends. Während der vergangenen Jahrzehnte haben Erdbeben einige Kanäle des japanischen heißen Stromes geschlossen und gleichzeitig andere geöffnet, wodurch das Klima von Alaska und anderen Polargegenden erheblich beeinflußt wird. Allmählich verringern sich die Eisgebiete durch äquatoriale Strömungen. So wird das Klima auf der ganzen Erde nach und nach gemäßigt und ausgeglichen.

Die Hauptjahreszeiten werden verlängert, die Sommer durchschnittlich kühler und die Winter milder. Diese Veränderungen sind durchaus positiv und sehr leicht wahrnehmbar, wenn wir einen größeren Zeitraum von zehn oder zwanzig Jahren überblicken, Vor zwanzig Jahren z. B. konstatierte man schon als neue Erscheinung in den Neu-England Staaten eine zweite Himbeerernte. In den letzten Jahren sind zweimaliges Blühen der Apfel- und Kirschbäume durchaus keine Seltenheit mehr. 1921 war diese Erscheinung in den amerikanischen Staaten New - York, Michigan, Pennsylvania, Maryland und Virginia eine ganz allgemeine. Selbst in nördlichen Gegenden Europas wurden im gleichen Jahre an verschiedenen Orten zweimal Kirschen geerntet und vielerorts blühten die Apfelbäume zum zweitenmal.

Zeitungsberichte meldeten aus Amerika, daß dort die Kirsch- und Apfelbäume zweimal Früchte trugen. In Roanoko (Virginia) brachte ein Farmer anläßlich einer öffentlichen Versammlung einen halbreifen Apfel und bemerkte dazu, es sei die zweite Ernte und der betreffende Baum sei mit diesen Früchten voll behangen.

Auch unsere Redaktion erhielt ein solches Muster mit dem Bemerken: „Beachten Sie, bitte, das angenehme Aroma dieser Frucht".

Es sei damit nicht behauptet, daß im Goldenen Zeitalter jeder einzelne Baum stets zweimal Früchte tragen wird. Wir zitieren diese angeführten Tatsachen lediglich als unwiderlegbaren Beweis von der Verlängerung der Hauptjahreszeiten sowie vom Anbruch der neuen Zeit mit all ihren lieblichen Segnungen, in deren Gefolge dann auch Frost und Mehltau, sowie lästige Nager nicht mehr sein werden."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 11. Mai 2008 06:05


Ohne ihn direkt beim Namen zu nennen, geht das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe Bern) vom 1. 5. 1923 in einem ganzseitigen Beitrag auf das fraglos als Hetzschrift einzustufende Pamphlet des Antisemiten August Fetz mit dem reißerischen Titel „Der große Volks- und Weltbetrug durch die 'Ernsten Bibelforscher'" etwas ein.

Ich habe Fetz und Co mit Sicherheit nicht zu verteidigen. Es gilt den Kontext dabei auch zu sehen. Fetz (Beruflich ein Schuldirektor) war unfraglich einer jener „welche die Jugend in die Schützengraben des ersten Weltkrieges hineingepredigt" hatte, um einen anderen Bibelforscherslogan zu bemühen. Das Naziregime ist ja nicht „aus dem heiterem Himmel" gefallen. Es hatte Vorläufer. Einer dieser Vorläufer eben auch Fetz; organisatorisch (bis zum Verbot anläßlich des Rathenau-Mordes) dem „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund" zugehörig. Der wiederum ein faktischer Nachfolger des „Alldeutschen Verbandes" der als wesentlicher Kriegshetzer im Vorfeld des ersten Weltkrieges auf deutscher Seite bezeichenbar ist.

In seinem Artikel schreibt das GZ unter anderem:

„EIN GROSSER WELTBETRUG ENTLARVT
So lauten in neuester Zeit die Titel zahlreicher Vortragsreklamen und verschiedener Flugschriften und Broschüren, mit denen fanatische Dcutschvölkische in engster Interessengemeinschaft mit Adventisten und anderen Sekten zusammen die Welt überschwemmen."


Hier allerdings muss ich schon mal kritisch zurückfragen. Die konstatierte Interessenidentität zwischen Deutschvölkischen und Adventisten, ist mir schlichtweg unergründlich. Indem das GZ in seiner Abwehr so argumentiert, offenbart es seinerseits selber eine hochgradige Oberflächlickeit.

Weiter schreibt das GZ:

„Und siehe da, diese armen Menschen, sie fühlen sich berufen, die hoffnungsfrohe und zuversichtliche Verkündigung einer besseren Zeit DAS HEREINBRECHEN EINES GOLDENEN ZEITALTERS als einen großen und gefährlichen Weltbetrug zu entlarven. Was es da nur zu entlarven gibt bei einer Sache, die mit solcher Freimütigkeit in der breiten Öffentlichkeit verkündigt wird? -
Ein gefährlicher Weltbetrug ist es also in den Augen dieser Ärmsten, wenn wir und manch andere Freunde mit uns noch nicht alle Hoffnung aufgegeben haben, wenn wir NICHT GLAUBEN KÖNNEN UND WOLLEN daß die Menschheit in sinnlosem Haß sich gänzlich ruiniert, Wohlstand, Glück, Friede und Freude in Volks- und Hausgemeinschaft unabwendbar der Auflösung und Zersetzung entgegen gehen. Wenn wir uns weigern, uns einem solchen trostlosen, Fatalismus zu überlassen, der nicht nur jeden Hoffnungsschimmer auf eine bessere Zeit ablehnt, sondern ihn gar als schlimmsten Weltbetrug brandmarken zu müssen."


Bei diesem Punkt muss man in der Tat innehalten. Ist die Hoffnung der Bibelforscher nun deren alleiniges Privileg? Doch wohl nicht. Es gibt sehr wohl auch politische Strömungen, welche ähnliches zu kanalisieren sich mühen (ob erfolgreich oder nicht; wäre wider ein anderes Thema. Dann müsste man thematisieren, was es zu den jeweiligen „Rezepten" pro und contra zu sagen gibt).

Das Rezept des GZ allerdings ist klar. Der große Zampano namens Gott soll und werde alles „richten". Spätestens bei den brennenden Krematoriumsöfen von Auschwitz, war zu registrieren, was er denn „richtet".

Insofern ist die Grundsatzposition des GZ schon mal ablehnbar. Wie der in Rede stehende Fetz einzuordnen ist, wurde schon gesagt: Als Vorläufer des Nazismus. Insofern, das sei nochmals betont, ist seine Detailargumentation nicht die meinige. Heutige „Nachbeter" von Fetz sind vielfach (wenn auch unbewusst) im Lager der Verschwörungstheoretiker zu finden. So schliesst sich auch diesbezüglich der unheilvolle Kreis.


Was zu Fritsch gesagt wurde, gilt analog auch für Fetz

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -

geschrieben von: Drahbeck
Datum: 19. Mai 2008 02:00
Wie denn die zeitgenössischen Bibelforscher in ihrer Euphorie so „tickten", kann man auch einem Artikel des „Goldenen Zeitalters" (Ausgabe Barmen) vom 15. 5. 1923 entnehmen. Unter der Überschrift „Zeichen der Zeit" liest man dort unter anderem:
„Die geschätzten Leser des Goldenen Zeitalters beobachten mit beständig wachsendem Interesse die in der Natur, wie auf allen anderen Gebieten sich mehrenden Zeichen des Beginnes einer glücklichen Zeitepoche für die Menschheit, sehen den Anfang der goldenen Zeit auch in den Fortschritten, welche die Wissenschaft zu verzeichnen hat, und warten gelegentlich mit Mitteilungen auf, die wert sind, dem Beweismaterial für die Unantastbarkeit der Glaubwürdigkeit der Bibel und der bevorstehenden Aufrichtung des messianischen Königreiches unter welchem die Menschheit Freiheit, Glück und ewiges Leben auf Erden erlangen soll, hinzugefügt zu werden. Einer unserer Leser schreibt: ...

Das Aussterben des Winters
Daß der strenge Winter, mit seinen starken Frösten und Schneefällen allmählich ausstirbt, ist eine Bemerkung, die man jetzt hören kann. Mit Ausnahme des Winters 1916/17 hat man ja wirklich in letzter Zeit außergewöhnlich milde Winter gehabt, und diese Erscheinung tritt in diesen Jahren besonders hervor. In erster Linie klagt man aus den verschiedenen Gegenden über die geringen Schneemengen. Die Schweiz hatte selten in Höhen, die sonst immer eingeschneit waren, fast gar keinen Schnee. Aus Rußland wird berichtet, daß der besonders diesmalige katastrophale Mangel an Brennmaterial zum großen Teile dem Umstand zuzuschreiben sei, daß infolge des fehlenden Schnees, das Holz nicht auf den bequemen Schlitten befördert werden konnte. Auch sonst wird von überall her ungewöhnlich warme Witterung gemeldet. Nun hat es solche milden Winter auch zu früheren Zeiten gegeben, und die Chroniken aus ferner und naher Vergangenheit wissen zu erzählen, daß im Januar die Blumen blühten und man sich bereits in den Frühling versetzt glaubte. Danach aber kamen auch wieder Perioden sehr strenger Winter und man wird daher zwar vorsichtig sein mit der Behauptung, daß der Winter aussterbe, weil die Winter in Europa allmählich immer milder geworden sind. Immerhin ist festzustellen, daß seit dem Jahre 1879 der Bodensee nicht mehr zugefroren ist, und daß die Themse zum letzten Male im Jahre 1914 bis in die Gegend der Londoner City vereist war. Die Schweizer Gletscher zeigen seit den letzten 50 Jahren eine beständige Abnahme, und es gibt Meteorologen, die dieses Zurückgehen der Gletscher mit der allmählichen Milderung des Winterklimas in Mitteleuropa in Zusammenhang bringen. Aber die Vereisung der Erde geht nicht nur in der Schweiz zurück, sondern man hat eine Abnahme des Eises auch auf dem Südpol-Kontinent beobachtet, und in den letzten 80 Jahren ist die ungeheure Eisbarriere die ihn umgibt, um viele Kilometer zurückgewichen. Dieses Zurückweichen des Eises am Südpol hält beständig an. Worauf diese Verringerung der Eismasse der Erde zurückzuführen ist, ist vom Standpunkt der Wissenschaft aus schwer zu sagen; vom Standpunkt der Bibel aus aber ist dies alles unzweifelhaft ein weiterer Beweis für das nahe Bevorstehen der Zeit, die in den Prophezeiungen der Bibel als die Wiederherstellung eines paradiesischen Zustandes der Erde angekündigt wird.


[Einfügung: In einer im Internet zugänglichen Wochenschau aus der Nazizeit, vernimmt man auch die Klage, dass der Herr Hitler jammerte, der Winter zur Zeit seines Rußlandkrieges sei so streng wie seit Jahrhunderten nicht. Aber seine Soldaten würden das schon „meistern". Irgendwie ist die Widersprüchlichkeit beider zitierter Voten doch bemerkenswert. Ende der Einfügung]

Das Thema Klimawandel, dass bekanntlich auch heutzutage von vielen nicht gerade „sorgenfrei" beobachtet wird, findet sich verschiedentlich in den frühen Ausgaben des „Goldenen Zeitalters". Aber, das ist wohl entscheidend. Die Deutung die ihm zuteil wurde, ist schon bemerkenswert. Es wurde in der Regel immer als „Bote des heraufziehenden Goldenen Zeitalters" gedeutet.
Auch die GZ-Ausgabe vom 1. 10. 1923 (Ausgabe Bern; Ausgabe Magdeburg erst am 15. 12. 1923), enthielt solch einen Artikel, der im nachfolgenden in seinen wesentlichen Aussagen einmal etwas näher vorstellt werden soll.

Einleitend wird gefragt:

„Verändert sich das Klima der Erde? Wenn ja, auf welche Weise geschieht es? Wird ein großes Erdbeben kommen müssen, um die Eisgebirge an den beiden Polen der Erde zu entfernen, oder werden diese Eismassen auf natürliche Weise verschwinden?"

Dann äußert der Artikelschreiber:
„Lange Zeit haben mich diese und ähnliche Fragen beschäftigt, besonders weil diese Gedanken durch das "Goldene Zeitalter" angeregt wurden. Seit längerer Zeit bin ich davon überzeugt, daß die Wiederherstellung der Menschheit aus ihrem gefallenen Zustande und die Befreiung der Erde von ihrem Fluche bald erfolgen muß, und daß wir jetzt in der Zeit leben, wo sich "die Wiederherstellung aller Dinge" vorbereitet. ... Weil ich dieses glaube, halte ich meine Augen offen für die Zeichen der Zeit und beachte die Geschehnisse, die die Zubereitung der ganzen Erde zur vollkommenen Wohnstätte der Menschen zu bewirken scheinen.

Der Glaube wissenschaftlich gebildeter Erforscher der Bibel ist durch eifriges Erforschen und Beobachten mehr und mehr bestätigt worden. Ohne die heiße Zone zu beeinträchtigen, hat sich in kurzer Zeit eine wärmere Temperatur in den kalten Zonen gebildet. Grönlands Eisberge werden bald zu den Dingen der Vergangenheit gehören.

An den Polen wird es wärmer. Die Eisfelder sind im Schwinden begriffen. Der vergangene Winter wurde die "Jahreszeit der Strohhüte von Alaska" genannt, weil die Temperatur höher war als je zuvor. Es ist nicht nur interessant, wie diese Tatsachen mit den Aussagen der Bibel übereinstimmen, sondern es stärkt den Glauben an Gott und seine Vorsehung, wie auch an die Bibel überhaupt, und ist sehr hilfreich, die unbestimmten Vermutungen der Gelehrten, die der Bibel nicht glauben und sie herabzuwürdigen suchen, richtig einschätzen zu lernen.

Der plötzliche Einsturz einer oberhalb des Luftraumes der ganzen Erde befindlichen Wasserdecke ließ nicht nur die Sintflut an den beiden Polen herniederkommen, um sich in großen Fluten nach dem Äquator zu ergießen, wie uns Geologen heute erklären, sondern rief auch eine plötzliche und intensive Kälte an den Polen hervor. Das Wasser muß ungeheuer schnell gefroren sein, was man daraus schließen kann, daß man in den letzten Jahren im Eise eingefrorene Tiere fand, die grünes Gras zwischen ihren Zähnen hatten.

Es ist so einfach, wie zweimal zwei zu vier zu machen, eine Kette von Beweisen zu erhalten, die uns zur Bibel führt. Es besteht zum Beispiel die Frage, warum es damals an den Polen kälter war als jetzt. Die Antwort lautet: Damals, wie heute, fielen die Sonnenstrahlen direkt auf den Äquator, aber die heiße Zone war bedeutend heißer als jetzt, bis sich dann die Passatwinde erhoben. (Ich lege besonderen Nachdruck auf die Erwähnung dieser Winde, weil ich später noch speziell über Winde und über den großen Einfluß, den sie auf das Klima haben, sowie über die Momente, welche Winde, wie dies in den letzten Jahren geschehen ist, veranlassen, ihre Richtung zu ändern, sprechen werde.) Die .Passatwinde tragen und verteilen die Hitze über die ganze Erde. Die Äquatorwasser müssen damals heißer gewesen sein, wie auch die Pole kälter waren, bis zu der Zeit, wo die Meeresströmungen einsetzten.

Diese Meeresströmungen übten einen mächtigen Einfluß auf Richtung und Temperatur der Luftströmungen aus. Wie der Golfstrom warmes Wasser vom Äquator an die Küsten Amerikas und Europas trägt und verteilt, so führen japanische Strömungen des Ozeans das am Äquator gewärmte Wasser nach den Polen.

Dieses seit 4400 Jahren fortdauernde Geschehen hat allmählich die Polargebiete aufgetaut, wie die Wissenschaft dies exakt beweist. Das ist die Ursache dafür, daß sich in letzter Zeit Eisberge in größerer Anzahl in der Polar-Gegend lösen und als eine Gefahr für die Schiffahrt im Meere treiben. (Die Titanik wurde, wie jedermann weiß, durch ein solches schwimmendes Eisfeld, welches einen Monat früher als es in den Vorjahren vorzukommen pflegte, südwärts trieb, zerstört; und das war eine Folge des warmen Winters von Alaska.)

Dieser allmähliche Erwärmungsprozeß, der seit der Sintflut im Gange ist, bemächtigt sich mehr und mehr der Eisgebiete an den Polen und bereitet die Erde für die Wiederherstellung zu, auf daß die Worte Jesu (Johannes 5:25-29) in Erfüllung gehen können. Während dies auf die meisten zwischen den Äquator- und Polargegenden liegenden Länder wenig Einfluß gehabt haben mag, hat in den Vereinigten Staaten und Amerika während der letzten zweihundert Jahre eine große Milderung des Klimas stattgefunden, so daß jetzt in den nördlichen Gegenden manche Gartenbau-Erzeugnisse wachsen, die früher, wegen zu kalter Temperatur dort niemals hätten gedeihen können.

Veränderungen, die während der Lebenszeit des Verfassers zu bemerken waren
Im Jahre 1876 siedelte mein Vater nach Central-Kansas über. Niemand versuchte in dieser Gegend Obstbäume anzubauen, weil es zu rauh war. Die Winter waren zu streng, sogar im Sommer gab es Fröste. Ungefähr seit dem Jahre 1881 trat eine allmähliche, anfänglich kaum bemerkbare Veränderung des Klimas ein; die Gegend wurde im Sommer von Zyklonen und Hagelstürmen heimgesucht. In ein paar Jahren hatte sich fast jedermann Zyklonenkeller gegraben. In dieser Gegend halte man zuvor niemals etwas von Zyklonen gehört; warum war das wohl so?

Die japanische Strömung halte ihre Richtung geändert. Die warmen Luftströmungen halten sich mehr nach Norden zu gezogen und natürlich war das Klima in den nördlichen Ländern dadurch beeinflußt und etwas wärmer geworden.

Mein Vater, der ein aufmerksamer Beobachter dieser Dinge war, hielt im Jahre 1886 das Klima für warm genug, um einen Obstgarten anpflanzen zu können. Er kaufte einige Obstbäume, pflanzte sie und hatte guten Erfolg. Wir haben seitdem immer reiche Obsternten erzielt.

Im Jahre 1891 kam ich im östlichen Staat Washington in die Stadt Colfax und arbeitete dort auf einer großen Farm. Als es Frühjahr wurde, schaute ich mich nach Gärten und Obstbäumen um und fragte den Farmer, warum es dort keine gäbe. Es wurde mir gesagt, das Klima sei dafür zu kalt, weil es strenge Fröste im Sommer gäbe, was ich dann selbst bestätigt fand. Aber sieh', welch ein Wechsel fand während nur 30 Jahren statt.
Heute werden sowohl in dem weilen Polouse-Gebiet im östlichen Washington, sowie in Idaho alle Arten von Früchten und Gemüsen gebaut, sogar Mais und Tomaten. Tatsächlich füllen sich dort die Scheunen mit Getreide von Tausenden von Ackern Land, das sonst brach gelegen hat, und das alles in einem Lande, wo es vor 30 Jahren im Sommer so kalt war, daß Weizen und Gerste häufig erfroren,

Nachdem ich von einer Wiederherstellung aller Dinge hörte, begann ich meine Augen für diese Dinge noch mehr offen zu halten und den Klimawechsel noch aufmerksamer zu beobachten; ich suchte das Wirken Gottes in Bezug auf die Wiederherstellung zu verstehen. In dieser östlichen Gegend von Oregon und Washington hatten wir gewöhnlich im Winter und im beginnenden
Frühjahr einen ganz besonderen Wind. Dieser wurde "Chinook-Wind" genannt. Er schien sehr kalt zu sein, aber seltsam genug; der Schnee schien dabei auffallend schnell zu verdampfen und verschwand in wenigen Stunden, wenn der Chinook-Wind anfing zu blasen. Ich habe viel über diesen Wind nachgedacht, von dem niemand zu wissen schien, was ihn verursachte und woher er kam.

Aber im Jahre 1912 ereignete sich etwas, was mir bei der Prüfung dieser Frage bedeutungsvoll erschien. Ich hatte damals die Zeitschrift "Der Pfadfinder" und fand darin einen Artikel, in dem gesagt war, daß sich plötzlich aus unbekannten Gründen die Ozeanströmungen verändert hätten; daß die große japanische Strömung, die bis dahin gegen die Küste von Oregon, Washington und Britisch-Columbia geflossen war, jetzt um 1600 Kilometer nördlicher endete; und daß infolgedessen die Aleuten, Alaska und Ostasien die warme japanische Strömung bekämen, während ebenfalls eine starke warme Strömung nordwärts durch die Bering-Straße fließe.

Kurze Zeit darauf wurde berichtet, daß der Golfstrom seine Richtung mehr nach der östlichen Küste der Vereinigten Staaten genommen habe und in vielen Badeorten fanden sich so viele Haifische ein, daß es lebensgefährlich wurde zu baden. Ungefähr zur selben Zeit stellte die Wissenschaft fest, daß die Meeresströmung, die zwischen Australien und Neuseeland fließt, plötzlich bedeutend zugenommen habe, und jetzt als ein Strom heißen Wassers südwärts eilt.

Man könnte fragen, welche Wirkung hat alles dieses auf das Klima? Nun in der Gegend östlich von Oregon, wo ich seit jenem großen Klimawechsel lebte, gibt es keine Chinook-Winde mehr wie einst. Wenn sie während der letzten zehn Jahre überhaupt einmal auftauchten, so war es höchstens für ein oder zwei Stunden.

Schon sechs Monate nach diesem Klimawechsel fand auch ein bemerkbarer Wechsel in Alaska statt. Im nächsten Herbst trug das Eis auf dem Yukonfluß erst einen ganzen Monat später als es jemals früher geschah. In diesem Winter feierten die Bewohner in Alaska das Weihnachtsfest in Strohhüten und Leinenanzügen. Nie zuvor halte man in der Weihnachtszeit so warmes Wetter in Alaska gehabt.

Ein Reisender, der Alaska vielfach besucht, schrieb damals, wenn dieser Zustand zwei Jahre anhalte, es in Kürze keine Eisfelder in Alaska mehr geben würde. In einer der letzten Ausgaben von "Der Welt Arbeit" finden wir einen interessanten Bericht von Stephenson, einem Erforscher der nördlichen Gebiete Alaskas. Auch da werden viele Tatsachen berichtet, die beweisen, daß das Klima in jenen Gegenden wirklich zusehends wärmer geworden ist. Vor 40 Jahren war es dort noch ganz unerträglich kalt. Wer diesen Schmelzprozeß der Eiszonen aufmerksam verfolgt, der wird Gelegenheit haben, die Weisheit und Allmacht des großen Gottes zu bewundern.

Laßt uns einmal annehmen, daß der letzte Wasserring, (oder richtiger das zusammenhängende Wolkendach) bei der Sintflut an den Polen nicht als Schnee und Eis, sondern als reines Wasser herniedergekommen wäre; was würde dann geschehen sein? Die Erdkruste, die damals noch weich und nachgiebig war, würde den ungeheuren Wassermengen nachgegeben haben; das Wasser hätte sich in Tiefen gestürzt und gleichzeitig würden sich durch den Drude aufs Neue gewaltige hohe Gebirge gebildet haben, sodaß die Gestalt der Erdoberfläche vollkommen verändert worden wäre und der größte Teil der Erde würde der zerklüfteten Küste Südamerikas oder dem Himalajagebirge Asiens gleichen.

Wie anders lernen wir dies alles ansehen, wenn wir die großen Eisgebirge als einen Teil des Planes Gottes für die Zubereitung der Erde als Wohnstätte des Menschen betrachten. Laßt uns einmal sehen, was diese großen Eisgebirge bewirkt haben:
Erstens half das ungeheure Gewicht des Eises große Landgebiete gleichmäßig niederzuhalten, als sich die, Wasserfluten in den Meeresbetten niederließen (die bis zu jener Zeit natürlich noch sehr unbedeutend waren).
Weil sich die Wasser in den Vertiefungen der Erde niederließen und sie vergrößerten, mußte sich gleichzeitig die Landoberfläche erheben, da sie vom Wasser verdrängt wurde. Weil nun aber in den Polargegenden mutmaßlich nur ein sehr kleiner Teil der Sintflut Wasser war und der weitaus größere Teil Schnee und Eis, so vermochte die große Flut in den Tagen Noahs nur verhältnismäßig geringe Veränderungen der Erdoberfläche zu bewirken.

Zweitens hat das allmähliche Schmelzen des Eises der Erdkruste Zeit gelassen, sich mehr und mehr zu verdichten und die Eisgebirge haben, wie oben gezeigt, weite Strecken Landes niedergehalten, sodaß wir heute vielerorts fruchtbare Ebenen haben, wo wir andernfalls wildzerklüftetes unfruchtbares Gebirge haben würden. So sehen wir auch in diesen, als Katastrophe bezeichneten Ereignissen eine allweise und intelligente Überwaltung des erhabenen Schöpfers. Zur rechten Zeit mußten unter seiner weisen Leitung auch wieder Naturereignisse eintreten, die unseren Planeten umgestalten und ein Klima bewirken, das der Gesundheit und Wohlfahrt der Menschen günstig ist.

Bald werden alle Menschen erkennen müssen, daß Zyklone, Schneestürme, Wirbelwinde, Erdbeben und Fröste im Sommer zu den Dingen der Vergangenheit gehören und ein Teil des Fluches waren, den der Schöpfer infolge des Ungehorsams Adams auch über den Erdboden aussprechen mußte.

Diese vorerwähnte klimatische Veränderung setzte die Weltweisen in Staunen. Ein französischer Astronom schrieb über die plötzliche Kursänderung dieses heißen Windes, der bisher immer über Indien dahingeweht hatte und der oft die Ernte jener Gegend versengen ließ. Aber er konnte keine Erklärung finden für die aus unbekannter Ursache eingetretene totale Änderung der Richtung dieser Strömung. Er stellte nur fest, daß diese Strömung nun viel heißer und trockener als je zuvor durch die Mitte Asiens weht und in den Tälern der Flüsse Jenissei und Lena die Ernte verdorren läßt. Andere bedeutende Forscher ergaben sich allen möglichen Mutmaßungen über die Ursache dieser neuen Strömung, von denen aber einem denkenden Menschen keine als befriedigend erscheinen kann.

Wenn wir aber auch hier die Quelle aller Weisheit - Gottes Wort - zu Rate ziehen, so finden wir, daß der weise Schöpfer dies auf natürlichem Wege bewirkt hat, um jetzt zur rechten Zeit die Erde für die Segnung aller Geschlechter der Erde vorzubereiten.

Diese Veränderung der Windrichtung ist ohne Zweifel eine Folge der Veränderungen der Laufbahn des Japanischen und des Golfstromes; die diese Strömungen begleitenden heißen Luftströmungen verursachen diese Winde, die nun fast nordwärts blasen, anstatt wie ehedem nordostwärts. Natürlich hat das wiederum eine Einwirkung auf alle übrigen Luftströmungen der Erde, und als Folge davon haben wir überall in der Welt seit 8-10 Jahren ein merklich verändertes Klima und Wettererscheinungen, wie sie früher kaum beobachtet wurden. Dies alles ist ohne Zweifel ein Übergangszustand einem gleichmäßigen gesunden Klima entgegen.

Nun zirkulieren zur Zeit in der Tagespresse Berichte, die in der Tat feststellen, daß es am Nordpol wärmer wird. Ein solcher Bericht sagt:
Wie norwegische Forscher und Kapitäne berichten, zeigt sich im Nordpolgebiet seit einigen Jahren eine auffällige Erwärmung. So fand der norwegische Geologe Dr. Boel im August 1922 infolge der geringen Eisbedeckung an der Ostseite der Adventbucht auf Spitzbergen große Kohlenlager. Er konnte mit seinem Schiff bis zum 81. Breitegrad in eisfreiem Wasser vordringen und wies den Golfstrom so hoch im Norden als Oberflächenströmung nach. Ein norwegischer Kapitän, der seit 14 Jahren das östliche Polarmeer befährt, meldete, daß die Abnahme des Eises 1918 begonnen habe. Viele Gegenden haben sich seitdem vollkommen verändert. Wo früher große Eismassen waren, sind jetzt Moränen von Erde und Steinen; an manchen Stellen sind die Gletscher, die bis ins Meer reichten, gänzlich verschwunden. Flora und Fauna sind durch die Zunahme der Wärme stark beeinflußt. So war der Robbenfang im Sommer 1922 gering, weil es diesen Tieren zu warm war, dagegen trafen große Schwärme von Heringen, von der Brut bis zum ausgewachsenen Fisch, an der Westküste von Spitzbergen auf; ebenso beobachtete man Stintschwärme. Das Wasser, das sonst kaum 3 Grad Celsius hatte, war bis zu 13 Grad erwärmt.

Soweit würde dieser Bericht die Tatsache bestätigen, die im "Goldenen Zeitalter" des öfteren als Beweis zitiert wird, daß die Zeit der Wiederherstellung in ihren früheren Zustand auch für die Polargegenden gekommen sei.

Nun kommt aber ein Prof. Kaßner und behauptet, es handle sich bei diesen Erscheinungen nicht um Klimaänderung, sondern lediglich um periodische Klimaschwankungen, die durchschnittlich alle 35 Jahre in Erscheinung treten und wahrscheinlich mit den Vorgängen auf der Sonne im Zusammenhange sieben.
Hierauf erwidern wir, daß eine solche These jeder Begründung entbehrt. Eine periodische Erwärmung der Polargegenden läßt sich nicht nachweisen. Es genügt heute denkenden Menschen wahrlich nicht mehr, daß irgend ein Professor eine These aufstellt. Was hat die moderne Wissenschaft sich in dieser Hinsicht nicht alles geleistet. Die ehrliche und exakte Wissenschaft verwirft selbst solche voreilige Thesen und wartet lieber ab, bis sie der Menschheit, gestützt auf unumstößliche Tatsachen, nicht nur Thesen, sondern unanfechtbare Aufklärung verschaffen kann.

Die derzeitigen Erscheinungen in Alaska sowohl als auch auf den Spitzbergen und an der Adventbucht sind so außerordentlich und einzigdastehend, daß keine These irgend eines überklugen Gelehrten sie abzuschwächen vermag.

Die Tatsache, daß der Fürst dieser Welt diesen weiteren Beweis der nahe bevorstehenden Einführung des Goldenen Zeitalters zu entkräften sucht, ist selbstverständlich. Es entspricht dies durchaus seiner allgemeinen Verfahrungsweise. ...

Der Fürst dieser Welt aber sagt: Ach, dummes Zeug. Kriege hat es immer gegeben und wird es immer geben. Auch teure Zeiten gab es öfters in der Vergangenheit. Hungersnöte sind ebenfalls eine uralte immer wiederkehrende Plage der Menschheit; und wer könnte so töricht sein und behaupten, daß der Schrecken der Pestilenz eine neuzeitliche Erscheinung sei, oder wer wollte gar den Unsinn aufstellen, daß es früher keine Erdbeben gegeben habe?

Möchte der geschätzte Leser des "Goldenen Zeitalters" es wohl beachten, daß das die Sprache des wohlbekannten Fürsten dieser Welt ist. ...

Genau so verhält es sich mit der derzeitigen Erwärmung der Pole, und das forschende aufrichtige Menschenherz wird sie mühelos, in Verbindung mit den tausend andern Zeichen der Zeit als eine auffallende und kraftvolle Begleiterscheinung der bevorstehenden Wiederherstellung unseres Planeten zu einer paradiesischen Wohnstätte für die Menschheit erkennen.

Laßt uns nun noch einen anderen Stein des Anstoßes prüfen:
"Und die Wasser nahmen gar sehr überhand auf der Erde und es wurden bedeckt alle hohen Berge, die unter dem ganzen Himmel sind, fünfzehn Ellen darüber nahmen die Wasser überhand, und die Berge wurden bedeckt" (l. Mose 7:19-20). Diese Bibelstelle ist oft dazu benützt worden, Zweifel an die Glaubwürdigkeit der Bibel zu erregen.

Wenn man aber die wirklichen Tatsachen in Betracht zieht, hört dieser Bericht auf, ein Stein des Anstoßes zu sein. Wenn man die Ursache und Wirkung der Sintflut so recht in Betracht zieht, so kann man sehr wohl annehmen, daß die Berge und Gebirgsketten vor der Sintflut im Vergleich zu denen, die wir heute kennen, nur sehr niedrig waren. Man sollte nicht vergessen, daß eben gerade die Wasser der Sintflut durch den ungeheuren plötzlichen Druck die Unebenheiten der Erde verursachten, und daß dabei die hohen Berge, die wir heute kennen, sich bildeten. Es steht geschrieben, daß die Arche auf dem Gebirge Ararat landete und dort soll sie vor einigen Jahren durch eins wissenschaftliche Expedition entdeckt worden sein, aber auf einer Bergspitze, die unbesteigbar ist und die sich jetzt in einer Eiskuppe in einer Höhe von 17000 Fuß befindet. Ich kann mir nicht denken, daß die Bergspitze so hoch und steil wie heute war, als Noah die Arche verließ. Wie hätten all die Tiere aus der Arche gebracht werden sollen? Das würde, wenn dieser Standort der Arche einwandfrei erwiesen sein wird, ein weiterer Beweis dafür sein, daß, je mehr die Wasser in die Tiefen abzogen, sich die Berge höher und höher erhoben.

Wenn diese Tatsachen in Betracht gezogen werden, so wird der biblische Bericht aus l. Mose 7:19-20 sehr gut verständlich und es erscheint als durchaus wahrscheinlich, daß die bestehenden Berge damals tatsächlich vom Wasser bedeckt waren. Ich sehe keinen besonderen Grund zu der geäußerten Annahme, daß nur ein beispielloses ungeheures, die Erde in ihren Grundfesten erschütterndes Erdbeben, die Eiszonen der Pole verschwinden machen könnte. Gott kann die Umgestaltung der Pole auch mit anderen Mitteln bewerkstelligen, und er vermag dies zu tun, indem er von Zeit zu Zeit eine Veränderung der Meeresströmungen hervorruft, er, dem Wind und Wellen gehorchen. "Er führte den Ostwind hei bei am Himmel, und durch seine Stärke trieb er herbei den Südwind" (Psalm 78: 26).

Können wir uns einen allweisen und allmächtigen Schöpfer des Universums vorstellen, der nicht imstande wäre, seine eigenen Schöpferwerke zu gebrauchen nach seinem Wohlgefallen und zu der von ihm vorgesehenen Zeit? 0 du Tor, der du in deinem Herzen sprichst: ,Es ist kein Gott, oder Gott vermag dieses oder jenes nicht zu tun; die Winde, die er geschaffen, die Wasserwogen, die er gerufen, vermag er nicht zu lenken!' ...

Möchte doch bald alle Welt sich von ihren selbstgemachten, hilflosen, ohnmächtigen Götzen abwenden und zu diesem majestätischen, erhabenen, allweisen und allmächtigen Gott der Bibel zurückkehren, den sie in ihrer Torheit und Selbstüberhebung verlassen."


„Passend" publizierte das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe Magdeburg vom 1. 10. 1923; Ausgabe Bern schon früher 15. 4. 1923) auch noch ihren euphorischen Bericht in Sachen des „Wunderweizens", der ja seiner Tendenz nach, auf ähnlicher „Wellenlänge" lag.
Siehe dazu auch:
Wunderweizen

Der Kategorie „Euphorie" ist auch die nachfolgende Pressemeldung zuordnen, die dem „Goldenen Zeitalter" (Schweizer Ausgabe vom 15. 10. 1923) so bedeutsam erschien, um sie auch ihrerseits zu publizieren:

„In Amerika verfolgt man zur Zeit mit gespannter Aufmerksamkeit die ans Wunderbare grenzenden Ergebnisse der Züchtungsversuche, die der einfache Farmer Burbank auf Grund der Darwinschen Gesetze der Zuchtwahl und Auslese bei seinen Versuchen der Obstzüchtung erzielt. Vor Jahren hatte Burbank in einer verlorenen 'Ecke' Kaliforniens eine Baumschule angelegt und hier in aller Heimlichkeit ohne fremde Hilfe seine auf die Schaffung neuer Arten gerichteten Versuche ausgeführt. Aber trotz aller Mühe und allen Geldopfern blieben ihm die Erfolge versagt, bis ihm der Zufall zuhilfe kam.

Ein Obstzüchter, der es besonders eilig hatte, wünschte 20000 Schößlinge von Pflaumenbäumen, die aber in zehn Monaten geliefert werden sollten. Keine amerikanische Baumschule wollte angesichts der vorgeschrittenen Jahreszeit den Auftrag übernehmen. Burbank erklärte sich zur Lieferung bereit und war seiner Sache so sicher, daß er mit dem Auftraggeber einen regelrechten Vertrag abschloß, der bei Nichteinhaltung der Lieferfrist eine empfindliche Konventionalstrafe vorsah.

Es war ihm der Gedanke gekommen, die gewünschten Pflaumbäumchen aus Samen der Mandelbäume zu züchten. Burbank pflanzte also 20 000 Stecklinge von Mandeln in feuchten Sand, den er mit einer dichten Planleinwand bedeckte, um eine gleichmäßige Temperatur zu erhalten. Die Keime gingen auf; als die Schößlinge eine gewisse Höhe erreicht hatten, überpflanzte er auf sie die Augen von Pflaumenbäumchen und erreichte es dadurch, daß er dem Auftraggeber in weniger als sechs Monaten die gewünstchen Pflaumenbäumchen liefern konnte, für deren Wetterfestigkeit er sich verbürgte. Seither ist sein Name in aller Munde und seine Methoden werden zum unschätzbaren Vorteil der Landwirtschaft überall angewandt.

Hat doch nach den Berechnungen des amerikanischen Ackerbauamts durch die Einführung einer von Burbank durch Zuchtwahl erzeugten Kartoffelsorte die Kartoffelerzeugung der Vereinigten Staaten eine Wertsteigerung von 17 Millionen Dollar erfahren. Weiterhin gelang es Burbank einen Kaktus zu züchten, der Früchte trieb, ohne gleichzeitig die lästigen und gefährlichen Stacheln zu entwickeln, kurz, seine Erfolge sind zahllos. Er züchtet beispielsweise Pflaumen ohne Kerne, herrliche Nußbäume, die statt wie bisher in hundert, bereits in zehn Jahren Bauholz liefein. Er erzeugte ferner Rosen, die drei verschiedene Farben zeigen und Nüsse mit so dünner Schale, daß man sie durch einen leichten Druck der Finger aufbrechen kann.
Berner Tagwacht Nr 230."


Einen eigenen Kommentar zu diesem eben zitierten Pressebericht fügt das GZ allerdings nicht hinzu. So sei denn wenigstens dem Berichterstatter die Frage gestattet, 85 Jahre nach diesem „Wunder". Ob es sich dabei nicht letztendlich um „faule Pflaumen" gehandelt hat! Die Welt hat schon viele „Wunder" erfahren. Dieses ist offenbar auch eines gewesen, dass so „wunderbar" war, dass es heute der Vergessenheit angehören würde, gäbe es da nicht das GZ als seinen Multiplikator!
Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: . +
Datum: 14. Juni 2008 20:39

 

Neuster Erwachet August 2008

picture: http://i298.photobucket.com/albums/mm244/Recherchenwahnsinn/File0003-45.jpg

Wie war das eigentlich mit dem Waldsterben der 80er Jahre?

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 07. Juni 2008 01:29
Namentlich Antisemiten und ihre kirchlichen Schleppenträger, bezichtigten in den 1920er Jahren die Bibelforscher, die wollen ja „sowjetrussische Verhältnisse einführen".
Eine solche These entbehrt zwar jeder sachlichen Grundlage. Gleichwohl stand sie am Markt der Polemik hoch im Kurs.

Die Bibelforscher hatten gegenüber den sowjetrussischen Verhältnissen genauso viele Ressentiments wie auch andernorts. Das auch kirchliche Kreise sich diese Vorurteile zu eigen gemacht, muss auch als in dem Umstand begründet gesehen, dass die Kirchen in der Regel „stramm verweltlicht" waren.

Anstelle des „Reiches Gottes kam die Kirche als Heilsanstalt". So fasste etwa Loisy einmal die Quintessenz der Kirchengeschichte zusammen. Die Erwartung auf ein dereinst mal eintretendes wundersames „göttliches Eingreifen", ist zwar in den Kirchen theoretisch auch vorhanden, aber doch in den Rang einer nichtssagenden „Fußnote" abqualifiziert.

Die kirchlichen Kreise gaben sich eben keine echte Rechenschaft darüber, dass sie weitgehend verweltlicht sind. Sie setzen ihren Verweltlichungsstatus in den Rang eines „Non plus ultra". Und von ihrer verweltlichten Position registrieren sie nun, dass da andernorts vermeintliche „Urchristentums-Neuaufbrüche" begannen sich zu etablieren. Dieweil deren Ideologie nicht mit der eigenen übereinstimmt, ist schon mal ein massives Konfliktpotential vorhanden.
Die nüchterne Erkenntnis, dass es ein Geschichtsgesetz ist, auch diese „Urchristentums-Neuaufbrüche" werden in gleicher Weise verweltlichen. Lediglich eines ist dabei vonnöten. Etwas Zeit. Das geschieht nicht von heute auf Morgen; aber schleichend garantiert. Aufgrund ihrer eigenen Schwäche indes glauben sie diese Zeit nicht zu haben, und sehen deshalb ihr „Heil" im ausrufen des großen „Hallerli". Registrieren sie zudem noch Entwicklungen wie etwa in der Sowjetunion, die auch ihren Interessen grundlegend quer gegenüberstehen, ist es nur noch ein kleiner Schritt, sich zum Schleppenträger der Deutschvölkischen und sonstigen prononciert antisemitischen Kreise zu degradieren.

Genauso so ist die Kirchengeschichte im Hinblick auf die Bibelforscher in Deutschland abgelaufen. Wenn da einige Apologeten aus diesem Milieu, die Bibelforscher in die kommunistische Ecke stellten, zeigen sie nur eines: Ihre maßlose Unkenntnis auch grundlegender Bibelforscher-Aussagen.

Hätten sie beispielsweise einmal Aussagen wie im „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe Bern) vom 1. 6. 1923 zur Kenntnis genommen, hätten ihre Zerrbilder nie auf den „Markt" kommen dürfen.

Die einzigst relevante Gegenargumentation gegen die Bibelforscher besteht in dem Umstand. Nach der Beschreibung allerlei „Erschröcklichkeiten" setzen sie ihren „Joker" namens Gott ein, der da alles auf wundersame Weise „richten" soll. In der Praxis indes nichts bis Null komma nichts „richtet".

Dieser Argumentation indes gehen die kirchlichen Kreise bewusst aus dem Wege, haben sie doch nicht zu unrecht, das ungute Gefühl. Da wird ja auch das eigene „Eingemachte" mit tangiert.

Jedenfalls ist es für wirkliche Sachkenner klar. Die Einordnung der „Bibelforscher" in die „kommunistische Ecke" ist eine grandiose Fehleinordnung.

In der genannten Ausgabe des GZ bringt selbiges auch Beispiele, weshalb es sich die „kommunistische Ecke" nicht zu eigen machen kann, und sie als zum Scheitern verurteilt einschätzt. Man liest in dieser Ausgabe unter anderem:


„In Deutschland konnte man auf der Staatseisenbahn vier Meilen für vier Pfennige reisen, während zu gleicher Zeit die Löhne um 120 % höher waren als früher.
Hat sich ein solches System schädlich gezeigt? Nein. Die Reingewinne haben zu jener Zeit um 41°/o zugenommen und dem deutschen Staate 100 Millionen Gewinne eingebracht.

Man hat schätzungsweise gesagt, daß durch Verstaatlichung der Eisenbahnen in den Vereinigten Staaten Milliarden von Dollars dem Volke gespart und die Löhne der Angestellten verbessert würden. Anstatt 700.000 müßten dann wenigstens zwei Millionen angestellt werden.

In Berlin waren die Gaswerke, Elektrizitätswerke, die Wasserwerke, die Straßen-, Untergrund- und Hochbahnen, die Telephonanlagen und selbst die Feuerversicherung städtisch. Auf diese Weise erzielte die Stadt abzüglich aller Unkosten einen Reingewinn von fünf Millionen Mark und dabei konnte jeder Einwohner jeden Tag, so oft er wollte, fünf Meilen fahren, was ihn das ganze Jahr nur 18 Mark kostete, wohingegen zwei Fahrten täglich auf der Hochbahn in New York zu gleicher Zeit im Jahre 146 Mark kosteten.

Herr F. G R. Gordon hat in dem "Twentieth Century" Statistiken veröffentlicht über die Lichtverhältnisse in verschiedenen Städten Amerikas, und er stellt fest, daß der Jahrespreis für Bogenlicht durchschnittlich 208,50 Franken beträgt, wenn die Anlagen städtisch verwaltet werden.

Der durchschnittliche Preis, der an Privatgesellschaften gezahlt wird durch verschiedene Städte, beträgt 420,52 Franken, oder etwas mehr als das Doppelte von dem, was er betragen würde, wenn die Städte selbst die Anlagen betreiben würden.

Der durchschnittliche Preis eines Telegrammes betrug in Amerika vor dem Kriege Fr. 1,30. In Deutschland, wo die Telegraphenanlagen staatlich waren, wurden Nachrichten, die zehn Worte umfaßten, für fünfzig Pfennige nach allen Teilen des Landes gesandt. Wie vorteilhaft es ist, daß die Stadtverwaltungen selbst für Gas, Wasser, Kohle und Straßenbahnen sorgen, haben Birmingham, Glasgow und andere britische Städte gezeigt.

Jahrzehntelang vor dem Kriege wurde die Welt mit derartigen Statistiken überschüttet, sodaß in der Tat die breiten Volksmassen mehr und mehr den Eindruck bekommen mußten, die Verstaatlichung aller Betriebe sei das Universalheilmittel.

Alles das ist gut und schön, antworten wir. Gleichwohl wird kein vernünftiger Mensch behaupten wollen, daß sich die Armen in Europa des Millennium-Segens erfreuen mit ihren sozialistischen Theorien. Kein Mensch, der über den Gegenstand unterrichtet ist, wird behaupten, daß die europäischen Arbeiter es gleich angenehm haben, wie diejenigen in den Vereinigten Staaten im allgemeinen. Amerika ist noch immer das Paradies der Arbeiter, und es werden jetzt Gesetze erlassen, die verhindern sollen, daß noch Tausende hinzukommen, um an diesem Paradiese einen Anteil zu haben.

Während wir aber zugeben, daß der Zustand der Armen in Europa vor dem Kriege gebessert worden ist, wollen wir nicht vergessen, daß die Nationalisierungsbewegung in allen Ländern, ausgenommen Großbritannien, nicht aus der größeren Weisheit seitens des Volkes resultierte, auch nicht aus dem Wohlwollen oder der Gleichgültigkeit der Reichen, sondern aus einer anderen Ursache, die sich in den Vereinigten Staaten nicht wirksam erweist - sie wurde von den Regierungen selbst unternommen. Sie haben von diesen Anlagen Besitz ergriffen, um zu vermeiden, daß sie bankrott machen. Sie hatten ungeheure Ausgaben bei der Unterhaltung von Armeen, Flotten, Festungen usw., und sie brauchen eine Quelle, aus welcher sie Einnahmen schöpfen könnten. Die billigen Fahrpreise hatten vielfach den Zweck, das Volk bei guter Laune zu erhalten, und auch, Geschäft zu machen; denn wenn die Fahrpreise nicht niedrig wären, so könnten die Vielen, welche nur geringe Löhne haben, nicht reisen. In Deutschland waren früher die Wagen vierter Klasse bloße Frachtwagen, ohne irgendwelche Sitzgelegenheiten.

Angesichts dieser Tatsachen wollen wir uns nicht der Täuschung hingehen, daß solche Maßnahmen das Arbeiterproblem zu lösen, oder den Zustand auch nur für mehr als sechs Jahre zu bessern vermöchten.

Wir haben Grund zu der Annahme, daß der Sozialismus bereits seinen Kulminationspunkt überschritten hat. Oft war er nicht weise und mäßig. Der Erfolg hat manche seiner Verteidiger berauscht, wahrend sein Fehlschlag andere zur Verzweiflung bringen wird, und als Folge wird die Ungeduld Unheil bewirken. Der Kapitalismus und der Monarchismus sehen in dem Sozialismus einen Feind, und sie brandmarken die Bewegung in der öffentlichen Meinung. Obgleich die Namenkirche voll ist von Scheinweizen, so ist sie doch ein wichtiger Faktor in diesem Falle, denn sie beherrscht und überwacht die mittleren Klassen, in deren Hand sich der Ausgleich der Macht zwischen den oberen und den unteren Klassen befindet. Diesen mittleren Klassen ist der Sozialismus bisher falsch dargestellt worden, da die Freunde desselben noch dazu im allgemeinen Ungläubige waren. Die Herrscher, die Kapitalisten und die Geistlichen werden, wie die Erfahrung zur Genüge lehrt, auch in Zukunft mit wenigen Ausnahmen die Extreme des Sozialismus benutzen, um denselben anzugreifen und zu brandmarken.

Wir können uns nur freuen, wenn wir sehen, wie die Grundsätze der Gleichheit belebt werden, wenn auch nur vorübergehend und teilweise. Alle, deren Interessen dabei in Frage kommen, sollten weitherzig sein und einen Teil ihrer persönlichen Vorteile dem Allgemeinwohle opfern. Wie bereits angedeutet, wird die Bewegung durch die vereinte Macht von Kirche, Staat und Kapital unterdrückt werden, was wir an den Tagesereignissen stets deutlicher wahrnehmen, und späterhin wird es zu dem großen Ausbruche der Anarchie führen, in welcher, wie die Heilige Schrift uns sagt, alle gegenwärtigen Einrichtungen werden erschüttert werden; "es wird eine Drangsal sein, dergleichen nicht gewesen ist, seitdem eine Nation besteht."

Selbst wenn der Sozialismus aber freie Bahn finden würde zu seiner normalen Entwicklung, so würde die Erleichterung, welche er bieten könnte, nur vorübergehend sein, so lange die Selbstsucht in den Herzen der Mehrheit herrscht. Er würde die Intelligenteren nicht verhindern, den Rahm von der Milch abzuschöpfen. Solange das Volk einen Grundsatz anerkennt und verehrt, wird es sich derselben anpassen, darum könnte der Sozialismus wohl in seinem Anfangsstadium verhältnismäßig rein sein, und seine Vertreter und Beamten können zuerst treue Diener der Allgemeinheit sein. Wenn der Sozialismus aber erst volkstümlich geworden sein würde, so würden die Gleichen, die sich ihm jetzt widersetzen, sich mit der neuen Ordnung abfinden, ans Ruder zu gelangen suchen und wie ehedem die Gesamtheit zu ihren eigenen Zwecken ausnützen. Kommunisten und Sozialisten sehen, daß die Selbstsucht, Gerechtigkeit und Wahrheit so lange verdreht und entstellt wird, als Unterschiede hinsichtlich der Vergütungen gemacht werden, und daß sie, um den Stolz und die Ehre zu befriedigen, alle Schranken gegen die Armut welche Menschen errichten können, zu übersteigen sucht. Um diesen Übelständen abzuhelfen, schreiten sie zu ihren undurchführbaren Forderungen; undurchführbar, weil die Menschen Sünder sind, nicht Heilige, selbstsüchtig, nicht liebevoll

Zwei praktische Versuche des Sozialismus lenken die Aufmerksamkeit der Erforscher sozialer Wirtschaftspolitik im Auslande auf sich. In beiden Fällen benehmen sich die Gründer der sozialistischen Gemeinwesen ziemlich gut, eines der beiden ist sogar ziemlich gedeihlich. Der Versuch, den sozialistischen Theorien zu entsprechen, hat sich aber in beiden Fällen als unmöglich erwiesen. Die ursprünglichen Kommunisten sind zu Methoden zurückgekehrt, die sich kaum von den bürgerlichen der Umgebung unterscheiden,

Zirka zwei Jahrzehnte vor dem Kriege wanderte eine Gesellschaft australischer Arbeiter nach Paraguay aus, wo sie ein Land erwarben, welches sich für Farmer eignet, die keine großen landwirtschaftlichen Maschinen zur Verfügung haben. Sie waren des Lebens der Lohnsklaverei, welches in seiner harten Arbeit nur durch die Not des unfreiwilligen Müßigganges abgewechselt wurde, müde. Sie nannten ihre Niederlassung Neu-Australien und hofften, sie zu einem Eldorado für Arbeiter machen zu können. Aus einem später erschienenen amtlichen Bericht des britischen auswärtigen Amtes entnehmen wir folgendes:

„Das Ziel der Kolonie wurde in der Verfassung niedergelegt, von der ein Artikel folgendermaßen lautete: ,Wir suchen ein Gemeinwesen zu gründen, in dem alle Arbeit zum Nutzen eines jeden Mitgliedes verrichtet werden soll, und in welchem es unmöglich sein soll, daß einer den anderen tyrannisiert. Es wird die Pflicht eines jeden einzelnen sein, das Wohl des Gemeinwesens stets als höchstes Ziel zu betrachten, so einen Grad von Bequemlichkeit, Glück und Bildung sichernd, der unmöglich ist in einer Gesellschaft, in der niemand sicher ist, daß er nicht verhungert.'

Dieses Ideal wurde nicht verwirklicht. Fünfundachtzig der Kolonisten wurden bald der Einschränkungen überdrüssig, welche ihnen durch die Mehrheit auferlegt wurden, und sie weigerten sich, zu gehorchen. Aus Australien neu Ankommende füllten die Lücke aus, welche durch die Absonderung der fünfundachtzig entstanden war. Die neu Angekommenen aber waren bald unzufrieden mit dem Führer der Bewegung und wählten einen eigenen, so daß aus der einen Kolonie drei Parteien entstanden waren. Die gleiche Verteilung des Ertrages der Arbeit machte einige der Arbeiter unzufrieden, welche im Gegensatze zu der sozialistischen Regel einen Anteil verlangten, der der von ihnen vollbrachten Arbeit entsprach. Die strickte Durchführung der Statuten wurde weiterhin die Ursache von Unzufriedenheit, besonders da bei Übertretung der Ausschluß ohne Rückvergütung des zugesteuerten Kapitals angedroht war. Die Kolonie war im Begriffe, zusammenzubrechen, als es dem ursprünglichen Führer gelang, sich von der Regierung von Paraguay zum Statthalter machen zu lassen und sich mit einer Polizeimacht zu umgeben, welche nun statt des sozialistischen Statuts für Ordnung sorgte. Jetzt besteht nun Hoffnung, daß die Kolonie gedeihen wird, die sozialistischen Grundsätze sind aber aufgegeben worden."

Die Erfahrungen, welche die Bergarbeiter von Monthieux bei St. Etienne machten, sind etwas anders. In ihrem Falle war es das Aufblühen, welches die sozialistischen Theorien beiseite setzte. Wir entnehmen einem Bericht folgendes:

"In Monthieux bei St. Etienne ist eine Grube, welche von der Gesellschaft, die sie einige Jahre innegehabt hatte, aufgegeben wurde, worauf die Bergleute entlassen wurden. Da letztere keine Aussicht hatten, in der Nachbarschaft Arbeit zu finden, baten die Bergleute die Gesellschaft, sie möchten ihnen die Grube übergeben, und da die Gesellschaft glaubte, die Grube würde sich ja doch nicht bezahlt machen, willigte sie ein. Die Bergleute hatten keine Maschinen, sie arbeiteten aber mit einem guten Willen, und es gelang ihnen, neue Adern zu entdecken. Sie machten fast übermenschliche Anstrengungen, und es gelang ihnen, genug zu sparen, daß sie Maschinen kaufen konnten; und die aufgegebene Grube wurde zu einer Quelle großen Reichtums für die neuen Besitzer. Die früheren Besitzer bemühten sich nunmehr, die Grube wieder in Besitz zu nehmen, verloren aber ihren Prozeß, und die Zeitungen der Arbeiter versäumten natürlich nicht, den Geiz der Kapitalisten dem Edelmut der Arbeiter gegenüberzustellen, welche den Ertrag ihrer Arbeit gleichmäßig untereinander verteilten. Die Minen von Monihieux wurden als Beispiel des Triumphes des Kollektivismus über die Ausbeutung durch Privatkapital gepriesen.

Inzwischen vergrößerten die Bergleute ihren Wirkungskreis, so daß sie die Arbeit nicht mehr ohne andere Hilfe verrichten konnten. Andere Bergleute wurden herbeigerufen und sie taten ihr Bestes, um das Werk zu fördern. Die Bergleute aber, welche die Grube lohnend gemacht hatten, weigerten sich nun, auch den neu eingetretenen gleichen Anteil zu bewilligen. Sie wußten, daß der Schatz, der unter ihren Füßen lag, durch fast übermenschliche Anstrengung ihrerseits entdeckt worden war; sie hatten sozusagen aus nichts ein Etwas gemacht, warum sollten sie denn nun die Früchte ihrer Arbeit mit anderen teilen, die zwar immer gearbeitet hatten, aber nicht bei ihnen? Warum sollten sie den neuen Kameraden von der Ernte geben, welche sie nicht gepflanzt halten? Die neuen Bergleute sollten gut bezahlt werden, besser als in anderen Gruben, aber sie sollten nicht Miteigentümer werden. Und als die neu gekommenen eine Störung verursachten, holten die "kapitalistischen" Arbeiter die Polizei, und sie ließen sie aus ihrem Beratungszimmer hinauswerfen."

Viele Beispiele ähnlicher Art könnten noch angeführt werden, doch mögen diese wenigen genügen, zu beweisen, daß auch das Ideal des Sozialismus nicht verwirklicht werden kann, solange die Selbstsucht das menschliche Herz beherrscht.

Der Nationalismus ist eine Theorie, welche neben dem Sozialismus aufgekommen ist. Er verlangt, daß die ganze Industrie durch die Nation betrieben werden soll, auf der Grundlage gemeinsamen Arbeitszwanges und einer allgemeinen Garantie des Unterhalts. Alle Arbeiter sollen gleichviel arbeiten und gleichviel verdienen.

Der Nationalismus behauptet:
"Die Verbindungen, Trusts und Syndikate, über welche sich das Volk jetzt so beschwert, beweisen die Durchführbarkeit unserer Grundsätze. Wir wollen ihren Grundsatz nur ein wenig erweitern und veranlassen, daß alle Industriezweige zum Gemeinwohle von der Nation - dem organisierten Volke - der organisierten Einheit des gesamten Volkes - betrieben werden.

Das gegenwärtige industrielle System beweist selbst, daß es unrecht ist, durch das vielseitige Unrecht, welches es bewirkt; es beweist selbst, daß es absurd ist, wegen der Vergeudung von Energie und Materie, welche es zugestandenermaßen im Gefolge hat. Gegen dieses System erheben wir Protest: für die Abschaffung der Sklaverei, die es bewirkt hat, setzen wir unsere besten Kräfte ein."

Einige der Punkte, welche bei beiden zu rühmen sind, haben wir schon bei der Behandlung von Sozialismus oder Kollektivismus betrachtet. Als Ganzes ist aber auch der Nationalismus völlig undurchführbar. Wir haben gegen dieses System im allgemeinen dieselben Einwände zu machen wie gegen den Kommunismus. Obgleich der Nationalismus nicht wie der Kommunismus das Menschengeschlecht in direkter Weise mit Vernichtung bedroht, so würde seine Neigung doch sicherlich nach derselben Richtung gehen. Unter seinen Verteidigern gibt es viele weitherzige, menschenfreundliche Seelen, von denen manche ohne Hoffnung auf persönlichen Vorteil mitgeholfen haben, Kolonien zu gründen, die als Beispiel der Grundsätze des Nationalismus dienen sollten. Manche derselben sind als vollständige Fehlschläge zu bezeichnen gewesen, und selbst diejenigen, welche Erfolge zu verzeichnen hatten, mußten der Außenwelt gegenüber ihre nationalistischen Grundsätze verleugnen, und, wie zu erwarten war, haben sie alle beträchtliche innere Reibungen gehabt. Wenn die Heiligen Gottes mit "einem Herrn, einem Glauben und einer Taufe" finden, daß es schwer ist, die "Einheit des Geistes in dem Bande der Liebe" zu bewahren, und wenn sie der Ermahnung bedürfen, einander zu tragen in Liebe, wie könnte man da erwarten, daß gemischte Gesellschaften, die kein solches Band zu besitzen behaupten, Erfolg darin haben, den selbstsüchtigen Geist der Welt, des Fleisches und des Teufels zu überwinden?

In den Vereinigten Staaten haben sich einige Kolonien, welche auf nationalistischer Grundlage aufgebaut worden sind, in den letzten Jahren als Fehlschlage erwiesen. Eine der Kolonien, welche sich letzthin so zeigten, war die Altruria-Kolonie in Kalifornien, die Hochw. E. B. Payne mit dem Grundsatze "Einer für alle, alle für einen", gegründet halle. Sie hatte insofern große Vorteile, vor anderen Kolonien, als sie nur aus ausgewählten Mitgliedern, nicht aus allen hinzudrängenden, gebildet wurde. Der Gründer legt die Ursachen, weshalb die Kolonie sich auflöste, in dem "Examiner" San Franzisco dar. Er sagt:

"Die Alturia-Kolonie war nicht von Anfang an ein Fehlschlag; - wir zeigten, daß Vertrauen, guter Wille und Aufrichtigkeit, die eine Zeitlang herrschten, ein glückliches Gemeinschaftsleben bewirken, und anderseits, daß Argwohn, Neid und selbstsüchtige Beweggründe die menschliche Natur verteuflischen und das Leben unerträglich machen. - Wir hörten auf, einander zu vertrauen und einander so zu betrachten, wie zu Anfang, wir verfielen vielmehr wieder auf die Methoden, die in der Welt üblich sind. ..."


Im gleichem Kontext ist auch die Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 2. 1924 mit ihrem einleitenden Artikel „Der Kommunismus" zu nennen, der im wesentlichen das nachdruckte, was man bei einigem Suchen bereits schon in den „Schriftstudien" von Russell vorfinden kann. Unter anderem die Aussage:
„Wäre das Tausendjährige Reich auf Erden aufgerichtet, hätten die für diese Zeit verheißenen göttlichen Regenten ihre Herrschaft angetreten, würden sie gemäß unfehlbarer göttlicher Weisheit ihre volle Macht ausüben und nicht durch den Beifall der Mehrheit, sondern durch Gerechtigkeit als wie mit 'eiserner Rute' regieren, dann könnte der Kommunismus gedeihen; dann wäre es wohl die beste Gesellschaftsordnung, und wenn dies so ist, dann wird ihn sicher der König der Könige zu seiner Methode machen. Aber auf das warten wir. Uns geht die Weisheit und Macht solch einer theokratischen Regierung ab, und darum beten wir nur: 'dein Reich komme, dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.'"

Aber auch der eben zitierte GZ-Artikel wartet schon mit der einleitenden Definition auf:
„Der Kommunismus ist eine Organisation der Gesellschaft, bei welcher die Güter der Gesamtheit gehören, im Interesse der Gesamtheit verwaltet werden, und der dabei erzielte Nutzen für die allgemeine Wohlfahrt verwendet wird, wobei jedem zuteil wird, was er bedarf. Der Kommunismus bedeutet die Abschaffung des Erbrechts, der Familie, der Nationalitäten, der Religion und des Eigentums.

Gewisse Züge am Kommunismus könnten wie empfehlen (etwa den Sozialismus), aber als Ganzes ist er undurchführbar. Er setzt vollkommene Menschen voraus, die nicht selbstische Herzen haben. Er würde alle zu Faulenzern machen, sodaß die Menschheit rasch in Barbarei zurückfallen und dem Ruin entgegentreiben würde."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 17. Juni 2008 05:55
Das die Grundkonzeption auch des „Goldenen Zeitalters" darin besteht, vorrangig die „Mühseligen und Beladenen" zu erreichen, um ihnen das WTG-Opium einzutrichtern, kann man an einem von mehreren Beispielen auch an einem Werbeartikel im „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe Barmen) vom 1. 6. 1923 entnehmen. (In der Ausgabe Bern schon am 15. 2. 1923 abgedruckt). Indem „Wie ein Seefahrer über das 'Goldene Zeitalter' denkt" überschriebenen Artikel liest man unter anderem:

„Ihre Zeitschrift "Das Goldene Zeitalter wird auf unserem Schiff sehr hoch geschätzt. Jede Nummer wird immer wieder von neuem gelesen, bis das Blatt beinahe auseinander fällt. ...

"Das Goldene Zeitalter"
ist immer sehr vielseitig und weder Kritik noch Geldinteressen vermögen dasselbe von dem vorgezeichneten, einmal eingeschlagenen Weg abzubringen. ...

Ein Wort an Schiffsmannschaften.
Gestatten Sie mir, auf diesem Wege noch einige Worte an Seefahrer zu richten. Da ich selber schon 15 Jahre als Seemann die Meere durchkreuze, so kann ich tatsächlich aus eigener Erfahrung sagen, daß, wenn überhaupt eine Menschenklasse das herrliche Goldene Zeitalter von Herzen begrüßen wird, es diese einfachen, tapferen, oft verbannten und geschmähten Seeleute sind. Jahraus und jahrein mit den Naturelementen kämpfend, sind sie sicher empfänglich für diese frohe Botschaft. Ein Lichtblick dieses neuen Tages bedeutet einem Matrosenjungen so viel wie ein Leuchtfeuer nach großem Sturm, das ihm den Weg zum nahen Hafen der Ruhe weist. "Das Goldene Zeitalter" brachte in die Reihen meiner Seejungen wesentliche Veränderungen. Der in den Tag hinein lebende, sorglose Typ ist allmählich verschwunden; Erleuchtung, wachsendes Interesse für Lebensfragen, neues Erwachen machen sich bei ihnen geltend.

Noch etwas anderes habe ich beobachtet: die neue Zeit wirft ihr Dämmerlicht auch schon auf das wenig beneidenswerte Dasein des Seemanns. Wie auf allen anderen Gebieten, so hat sich auch im Seemannswesen in den letzten 10 Jahren eine bedeutende Umwälzung vollzogen. Mehr Licht, mehr Leben, mehr Freiheit ist auch da die Losung. Der Seemann will nicht nur Zuschauer sein an all den Segnungen der Neuzeit, nein, er will selbst Mitgenießer sein. Er will sich nicht länger als "Schiffshund" behandeln lassen; er verlangt gleiche Rechte mit seinen Brüdern auf dem Lande.

Verbände wurden organisiert und während des Weltkrieges wurde tatsächlich die Lage des Schiffspersonals durch diese Organisationen fast allgemein gebessert. Drei Schiffswachen wurden eingeführt, bessere Löhnung, geschlossene Werkstätten, reichlichere Nahrung und bessere sanitarische Verhältnisse gestalten nunmehr den Seemannsberuf eher zu einem menschenwürdigen Dasein. Alte Segelschiffe, die eine sehr anstrengende Bedienung erforderten, sind fast vollständig verschwunden und wurden überall ersetzt durch moderne Schiffstypen, wodurch sich die Lage der Seeleute ebenfalls zusehends verbesserte. Auch wird heute für die ganze Seemanns-Ausrüstung gesorgt, während früher die
Mannschaft selber dafür aufzukommen hatte. Für immer ist vorbei die Zeit der auf den alten Schiffen erduldeten unerhörten Mühsale, denen damals ein Seemann ausgesetzt war. Der Morgen einer besseren Zeit hat begonnen.

Gleichwohl aber steht die menschliche Gesellschaft noch tief in der Schuld der tapferen, unerschrockenen Seemänner. Ihre Dienste wurden eigentlich nie richtig gewürdigt ...

Ich empfehle deshalb allen Schiffsleuten angelegentlich die Zeitschrift "Das Goldene Zeitalter" und bin überzeugt, daß die Seeleute voller Begeisterung an der Einführung der neuen Weltordnung mitwirken werden. ..."
Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 18. Juni 2008 05:29
Erstmalig weist die deutsche Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 6. 1923 als Erscheinungsort Magdeburg aus. In den davor liegenden Ausgaben (meistens als Kurznotizen) fanden sich diverse Angaben über die französischen Militärbesetzungen im Rhein-Ruhr-Gebiet. Es war offenkundig, dass der WTG-Standort Barmen, davon in gleicher Weise bedroht war. Es hätte zur Folge haben können, dass die Zeitschriften-Expedition ins übrige Deutschland, zumindest zeitweise unterbrochen worden wäre. Offenbar gelang es der WTG, noch „rechtzeitig die Kurve zu kratzen".

Dafür steht auch die Kurznotiz in der Berner Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 7. 1923:

„19 Juni. Die Abschnürung des Ruhrgebietes: Die Besetzung der letzten Eisenbahnlinien im Ruhrgebiet und der wichtigsten Bahnhöfe hat den deutschen Eisenbahnverkehr nunmehr vollkommen stillgelegt und die großen Industriestädte vom unbesetzten Deutschland abgeschnitten. Das Ruhrbecken ist, wie die heutigen Blätter melden, nunmehr vollständig blockiert."
Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 19. Juni 2008 05:37
Wieder mal bekommt das „Goldene Zeitalter" anlässlich eines Technik-Jubiläums, den „Mund vor Staunen nicht zu". Was die Beschreibung der Entwicklung einer technischen Innovation anbelangt, die da das GZ liefert, mag man ihr ja noch weitgehend zustimmen. Das GZ indes will mehr. Es möchte diese Entwicklungen in einem ganz bestimmten Sinne gedeutet wissen. Quasi als Motivationsschub für die eigene Anhängerschaft. Es macht also einen „Deal" daraus, technische Innovationen als vermeintliche Bestätigung ihrer sonstigen Grundsatzthesen - namentlich des heiß erwarteten „göttlichen Eingreifens" (am Sankt Nimmerleinstag) - zu deuten.

Das kommt auch in dem Kommentar des „Goldenen Zeitalters" (Ausgabe Bern vom 15. 6. 1923; Magdeburg 1.9. 1923) zum Ausdruck indem man liest:


„Hast du, lieber Leser, je über die wunderbaren Veränderungen nachgedacht, die seit dem Jahre 1870 platzgegriffen haben - ein Datum, an das sich Millionen heute lebender Menschen noch gut erinnern? - Von diesem Zeitpunkt an sind Eisenbahnen und elektrische Verbindungen in so großer Anzahl gebaut worden, daß fast jede Stadt und jedes Dorf mit einer oder mehreren dieser Linien verbunden ist. Wir können jetzt an einem Tage eine Reise machen, zu der unsere Großväter eine Woche brauchten oder mehr, ja, es ist nicht nur möglich, auf der Oberfläche der Erde zu reisen, sondern auch unter derselben und durch die Luft.

Warum hat wohl die Erfindung Arbeit ersparender Maschinen seit dem Jahre 1900 so großen Fortschritt gemacht? Ist das Menschengeschlecht klüger geworden und hat es größere Fähigkeiten des Gehirns bekommen?
Diese Erscheinung ist in Harmonie mit den prophetischen Aussagen Daniels, Nahums, Zephanjas etc. ...

Diese Aussprüche lehren deutlich, daß das Goldene Zeitalter durch wunderbare Erfindungen eingeleitet wird; und weil diese Erfindungen von selbstsüchtigen Menschen selbstsüchtig ausgenützt worden sind, wird das Goldene Zeitalter ferner eingeleitet durch eine Zeit großer Drangsal. Die ganze Welt wird in der kommenden Drangsal gerade diese Erfindungen, beziehungsweise die selbstsüchtige Ausnützung derselben als Ursache zur Drangsal erkennen."


Äußerer Anlass für diesen GZ-Kommentar war für selbiges das folgende:


"Im Jahre 1844 erfand Samuel Morse den Telegraphenapparat. Damals lächelte man über die Idee dieses Sonderlings, eine Botschaft über Drähte zu senden, und betrachtete Morse als einen harmlosen, aber etwas überschnappten Menschen. Als die Telegraphenlinie zwischen Baltimore und Washington vollendet war, waren die ersten schönen Worte, die übermittelt wurden: "Was hat Gott gewirkt!"

Während der letzten achtundsiebzig Jahre sind Telegraphenlinien auf Hunderttausenden von Kilometern gelegt worden und der Ozean ist mit Kabeln durchquert. Nach einiger Zeit schien aber den Leuten die Telegraphie zu langsam zu arbeiten. Man mußte sich noch schneller benachrichtigen. Konnte man nicht etwas erfinden, wodurch es möglich würde, sich über große Entfernungen mündlich zu verständigen? Die Menschen begannen darüber nachzudenken und daran zu arbeiten, und in den ersten sieben Jahren gelang es Alexander Graham Bell, ein Gespräch über Drähte zu leiten. Die Stimme wurde übertragen und von jener Zeit an haben wir das Telefon.

Während der letzten fünfzig Jahre wurden Millionen von Telephoneinrichtungen in Geschäfts- und Wohnhäusern in allen Ländern angelegt. Das, was vor hundert Jahren als höchste Phantasie und Märchen galt, ist heute unentbehrlich geworden, nicht nur für Geschäftszwecke, sondern auch zum Vergnügen, und alle Welt betrachtet diese wunderbaren Einrichtungen als ganz selbstverständlich.

Doch immer weiter hat der menschliche Geist nachgedacht. Sollte es nicht möglich sein, Nachrichten ohne Draht zu übermitteln? Man dachte an die Kosten, die entstehen durch Tausende Kilometer Draht und ungezählte Telegraphenmasten, ganz zu schweigen von der Arbeit und den Kosten, die das Errichten der Telegraphen- und Telephon-Linien und die durch Sturm und Feuer gelegentlich notwendig werdende Erneuerung verursachen. Nach vielen Versuchen auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans wurde im Jahre 1900 die drahtlose Telegraphie erfunden.

Als die Leute es hörten, hielten sie den Bericht wiederum für ein Märchen und dachten, so etwas sei unmöglich. Aber wiederum war das scheinbar Unmögliche Tatsache geworden, und heute, nur zweiundzwanzig Jahre später, haben wir Tausende
von Land-Stationen und jeder Ozeandampfer muß nach Vorschrift des Gesetzes eine drahtlose Telegraphenstation tragen. So kann ein Schiff in Not jetzt um Hilfe rufen und dadurch sind Tausende von Menschenleben schon gerettet worden, die sonst auf dem Meere umgekommen wären.

Während das Wunder der drahtlosen Telegraphie besprochen wurde und während man Station um Station errichtete, machten die Menschen beständig Versuche, auch die Stimme ohne Drähte in die Ferne tragen zu lassen. Auch hierin haben sie schon große Erfolge erzielt. Wie dem Telegraphen das Telephon folgte, so ist dem Radiograph das Radiophon gefolgt, sogar nach einer viel kürzeren Spanne Zeit.

Wer nun heute ein Radiophon in seiner Wohnung hat, kann Konzerte, Zeitungs-Depeschen, Wetter- und Börsenberichte etc. anhören. Der Schreiber hat einen Radio-Apparat in seinem Hause und kann die Stationen New-York und New-Jersey, die 950 Kilometer entfernt sind, Pittsburgh, Chicago und andere Großstädte hören. Irgendein Haus, das eine elektrische Leitung hat, kann in den Vereinigten Staaten eine Empfangs-Ausrüstung für einen Umkreis von 38 Kilometern zum Preise von 25 Dollar bekommen.

Der Erfinder, Mr. Maxim, hielt kürzlich in New-Jersey einen Vortrag, der, wie er sagt, von 20.000 Leuten durch das Radiophon gehört wurde. Er ist überzeugt, daß es in drei Jahren einem Redner möglich sein wird, auf diesem Wege zu einer Million Menschen zu sprechen.

Was würde George Washington denken, wenn er heute wieder kommen könnte und die Verkehrs- und Verbindungsmittel sehen würde, die wir täglich benützen? Würde er nicht die Worte, mit denen die erste Telegraphenleitung in Amerika eingeweiht wurde, ausrufen: "Was hat Gott gewirkt!"

Nicht nur Nachrichten wurden ohne Draht durch den weiten Raum übermittelt, sondern neuerdings sind auch Photographien in ähnlicher Weise drahtlos übermittelt worden. Eine der ersten wurde auf diese Weise mit gutem Erfolg im Juli 1921 von New-York nach Paris gesandt, und heute werden auf diesem Wege nun ganze Zeitungsseiten in wenigen Stunden über den Ozean gesandt und dort reproduziert aufgenommen, und unbeschränkte Möglichkeiten liegen auf diesem Gebiete noch vor uns."

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Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 10. Juli 2008 06:49
Die Grundsatzhaltung des „Goldenen Zeitalters" kommt auch in einer Leserfrage (Ausgabe Bern vom 1. 7. 1923; Ausgabe Magdeburg 15. 7. 1923) zum Vorschein. Da wurde angefragt:

„Was denken Sie von Matthäus 24:36:
"Von jenem Tage aber und jener Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel, noch der Sohn, sondern mein Vater allein."


In seiner Antwort äußert das GZ dann:
„Viele sehen in diesen Worten viel mehr als sie sagen, sie sehen sie gleich als ein Schloß an, das die Bibel verschließt und alle ihre Prophezeiungen zwecklos macht.
Wer zweifelt daran, daß jetzt der Sohn und die Engel im Himmel wissen, wann das eintreffen soll? Darum dürfen auch die Heiligen Gottes heute forschen und alle Wahrheit zu verstehen suchen, die zuvor für unsere Belehrung geschrieben wurde. Es war des Vaters Wille, daß sein Volk damals es nicht wissen sollte, noch bevor die Siegel erbrochen worden wären; aber denen, die wachen und beten und treu bleiben wurden, hat Gott verheißen, daß er sie zur rechten Zeit nicht werde im Dunkeln, im Ungewissen lassen. ..."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 11. Juli 2008 03:01
Eine Lanze für das Heilpraktikertum bricht wieder mal das „Goldene Zeitalter". Zwischen religiöser und medizinischer Scharlatanerie und Geschäftemacherei, ist der Weg kurz. Oftmals sehr kurz!
Diese Feststellung ist nicht neu. Das die Heilpraktikerszene mit Auswirkungen bis in die Gegenwart, besonders (auch) bei den Zeugen Jehovas eine lukrative Klientel hat. Auch diese Feststellung ist wahrlich nicht neu. Dennoch verdienen es, diesbezügliche Beispiele, durchaus im Detail dokumentiert zu werden. Im „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe Bern vom 1. 7. 1923; Magdeburg 1. 9. 1923) wird beispielsweise der nachfolgende sinnige Vergleich bemüht:


„In ähnlicher Weise machen sich die unheilvollen Folgen einer kurzsichtigen Politik auf dem Gebiete der Entdeckungen bemerkbar. So wurden z. B. zahlreiche Erfindungen, die der Welt große Segnungen hätten bringen können, schleunigst aufgekauft und alsdann dem traurigen Schicksal der Vergessenheit übergeben - damit nicht etwa die Profite einiger Korporationen infolge der Vorzüglichkeit des Neuen geschmälert würden.

Vor noch nicht allzulanger Zeit wurde in Amerika ein vorzüglicher Ersatz für Gasoline angepriesen und überall bekannt gemacht. Plötzlich aber hörte man kein Wort mehr darüber, und man fragte sich, ob das Rezept wohl habe verschwinden müssen, um nicht etwa den Standard Oil Profiten in den Weg zu kommen; denn die Herstellung dieses Gasolinersatzes kam weit billiger zu stehen, als das Gasoline selber.

So ging es ferner, als es sich darum handelte, in den Vereinigten Staaten die Eisenbahnen zu elektrifizieren, was doch, wie jeder vernünftige Mensch ohne weiteres zugeben wird, einen großen Fortschritt im Verkehrswesen bedeuten würde. Aber die gutmütigen Amerikaner dürfen sich weiter am Rauch ärgern und Ruß aus den Augen reiben, und nur deshalb, weil durch die Einführung der elektrischen Lokomotive Aktionäre ein klein wenig an Dividenden hätten einbüßen müssen.

Selbst auf medizinischem Gebiet macht sich diese kurzsichtige Politik der Unterdrückung bemerkbar. Die Entwicklungsgeschichte der Naturheilvereine liefert dafür genügendes Material. Die Anwendung dieser neuen naturgemäßen Heilmethoden hat bei vielen Krankheiten und Leiden unleugbar auch von der Medizinwelt anerkannte Erfolge gezeitigt, aber trotzdem ist ihre Anwendung in manchen Ländern gesetzlich verboten. Aber, wie auf allen andern Gebieten, so auch hier. Der Widerstand der Männer vom Fach vermochte nicht die breiten Massen zu verhindern, sich die Errungenschaften der Naturheilkunde zu eigen zu machen. Würde aber die medizinische Welt sich rasch die unschätzbaren Vorzüge der Naturheilmethode angeeignet haben, sie wäre zur großen Wohltäterin der Menschheit geworden, statt in den Geruch zu kommen, als bekämpfe sie dies neue Heilverfahren nur aus Berufsinteressen."


Also das GZ unterstellt somit, die „Naturheilvereine" (sprich die Heilpraktikerszene) sind die „Guten". Und wenn auch nicht so deutlich ausgesprochen; aber gleichwohl gemeint.
Die Schulmedzin gehöre im Umkehrschluss zu den Nichtguten.

So stellt sich das „Lieschen Müller vom Lande" vor,
Der Aufwand der Schulmedizin sei überflüssiger denn überflüssig.
Man nutze einfach Gottes Apotheke oder noch „besser". Man befolge jene Wunderrezepte, die ja schon der Herr Russell in Petto hatte

Und das Sprachrohr, dass „Lieschen Müller vom Lande" die „Superschlaue", die da alles „besser" weis, in ihrer Auffassung bestätigt, ist ohne Zweifel das „Goldene Zeitalter"
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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 20. Juli 2008 04:26
Wieder mal muss die bekannte Technikeuphorie der Bibelforscher herhalten, als „Endzeitbeweis". So auch in dieser Ausgabe des GZ (Bern) vom 15. 7. 1923.

„Vom Jahre 1820 an, begannen Eisenbahnen, und Lokomotiven sehr schnelle Fortschritte zu machen. 1821 wurde die erste Eisenbahn von der britischen Regierung bewilligt. Man hatte erst eine Pferdebahn projektiert, doch auf Stephensons Rat wurden Dampfmaschinen an Stelle der Pferde verwendet. Diese Bahn verkehrte zwischen Stockton und Darlington. Bei der Eröffnungsfeierlichkeit am 27. September 1825 wurde ein Zug von vierunddreißig Wagen mit einer Ladung von ungefähr neunzig Tonnen von einer Maschine gezogen, die Stephenson selbst führte, und auf der vorn rittlings ein Mann saß, um die Signale zu geben. Der Zug legte 16 Kilometer in der Stunde zurück und erreichte auf günstigen Strecken der Linie eine Schnelligkeit von 24 Kilometer.

Diese neuen Eisenbahnen dienten vorerst hauptsächlich zur Beförderung von Erzen, Kohlen und Frachtgütern. Doch am 10. Oktober 1825 wurde ein Personenwagen in Betrieb gesetzt, der sechs Innenplätze und fünfzehn bis zwanzig Außenplätze hatte, und 65 Kilometer in zwei Stunden zurücklegte. ...

Bald wurden andere kleine Linien errichtet, aber die Liverpool-Manchester-Bahn, die im Jahre 1830 eröffnet wurde, war doch die erste, die dem Volke allgemein die Tatsache vor Augen führte, daß eine gewaltige Umwälzung auf dem Gebiete der Verkehrsmittel stattgefunden hatte.

Für diese Bahn wurde auch die Hochdruck-Lokomotive erfunden und gebaut. ...

Nachdem die Strecke im Jahre 1829 vollendet war, und Lokomotive nun vorhanden waren, aber sie hatte noch einen sehr langen Entwicklungsweg vor sich, in Bezug auf Größe, Kraftleistung und 1000 anderen Verbesserungen, bis sie schließlich die heutige Vollkommenheit erreichte.

Wie schnell auch die Entwicklung der Dampfmaschine während der letzten Jahrzehnte vor sich ging, so wurden doch die schnellsten und größten Fortschritte erst in den letzten fünf Jahren gemacht. Unsere heutige Zeit steht in dieser, sowie manch anderer Beziehung einzig da in der Geschichte unseres Planeten. Jedermann weiß, daß unterstützt durch die Erfindung der Buchdruckerkunst auf allen Gebieten die Erkenntnis im letzten Jahrhundert mehr zugenommen hat, als je zuvor in den vergangenen Jahrhunderten. Telegraphie und Telephonie (drahtlos), Elektrisch- und Gaslicht, Eisenbahnen, Straßenbahnen, Automobile und viele Maschinen und Erleichterungen unserer Tage waren vor einem Jahrhundert noch gänzlich unbekannt.

Wir kennen das Dampfschiff seit 1807, die erste Getreidemähmaschine seit 1831, den Telegraph seit 1844, und tausende von Fahrzeugen befördern heute Menschen und Waren auf dem schnellsten Wege "hin und her".

Der inspirierte Prophet Daniel beschreibt diese Zeit des Endes und sagt: "Sie werden hin- und herrennen und die Erkenntnis wird sich mehren" (engl. Übersetzung). Die Erfüllung dieser Prophezeiung sehen wir jetzt vor Augen. [Hervorhebung nicht im Original].

Der Erfindungsgeist des Menschen ist während des letzten halben Jahrhunderts so tätig gewesen, daß wohl fast alle Mittel zum Hin- und Herrennen nun erfunden sind, denn die Menschheit reist jetzt über die Erde und unter der Erde, über dem Wasser und unter dem Wasser und durch die Luft.

Obwohl wir wissen, daß diese Entwicklung tatsächlich sehr schnell vor sich gegangen ist, so erscheint dies der heranwachsenden Generation fast unbegreiflich, denn wenn wir die Zeit nach kurzen Tagen von vierundzwanzig Stunden berechnen, so erscheinen uns fünfzig Jahre als eine lange Zeit, und diese Dinge scheinen langsam und allmählich gekommen zu sein."


Und alles sei, man ahnt es schont
„daß alle diese wunderbaren Verkehrsmittel das Resultat der allerletzten Jahrzehnte sind, aber nur wenige erkennen, daß diese Dinge sichere Vorboten eines besseren Tages sind - des Goldenen Zeitalters, das auf die "Zeit des Endes" folgt."

Unterstrichen werden derartige Thesen auch durch Aussagen der Art, wie sie das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe Magdeburg) vom 15. 7. 1923 mit den Worten bemühte:

„Zum Nutzen der Ungläubigen zitieren wir einige Worte des bekannten Atheisten Ingersoll über sein zukünftiges Millennium. Er sagt unter anderem:

"Ich sehe eine Welt ohne Sklaven. Die Naturgewalten wurden durch die Wissenschaft unterjocht; - Elektrizität, Hitze, Frost, Feuer samt den wunderbaren Kräften der Erde und Luft werden die unermüdlichen Arbeiter der Menschen sein."

Er sah ganz recht, aber er verfehlte, zu erkennen, daß nur göttliches Eingreifen diese Zustände herbeiführen wird, weil menschliche Kraft hierfür nicht ausreicht."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: . +
Datum: 20. Juli 2008 10:33
picture: http://i298.photobucket.com/albums/mm244/Recherchenwahnsinn/Bewahrt8.jpg

Zitat:

Drahbeck

Der inspirierte Prophet Daniel beschreibt diese Zeit des Endes und sagt: "Sie werden hin- und herrennen und die Erkenntnis wird sich mehren" (engl. Übersetzung). Die Erfüllung dieser Prophezeiung sehen wir jetzt vor Augen.



picture: http://i298.photobucket.com/albums/mm244/Recherchenwahnsinn/Bewahrt7.jpg

Zitat:

Drahbeck

„daß alle diese wunderbaren Verkehrsmittel das Resultat der allerletzten Jahrzehnte sind, aber nur wenige erkennen, daß diese Dinge sichere Vorboten eines besseren Tages sind - des Goldenen Zeitalters, das auf die "Zeit des Endes" folgt."



picture: http://i298.photobucket.com/albums/mm244/Recherchenwahnsinn/Bewahrt4.jpg

Mein absoluter Favorit ist der Artikel in dem die Wachtturm Gesellschaft behauptet die Klimaerwärmung sei der Vorbote für das Tropen-Paradies-Klima in dem Königreich Gottes:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,797,4195#msg-4195

picture: http://i298.photobucket.com/albums/mm244/Recherchenwahnsinn/Bewahrt2.jpg

PS.:
Eine Frau (EX-NAK) erzählte mir bei dem Stuttgarter Infolinktreffen, sie hätte einem Zeugen im Straßendienst die Zeitschriften abgenommen, weil auf einer blauen Fläche ein weißer Eisbär zu sehen war.
Sie dachte dort an Knuth…

Neuster Erwachet vom August 2008

picture: http://i278.photobucket.com/albums/kk102/Pfefferminzia/File0001-16.jpg

Den Inhalt der Zeitschriften bezeichnete sie befremdend Naiv.

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 21. Juli 2008 06:39
In einer redaktionellen Mitteilung der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 7. 1923 konnte man lesen:
„Mitteilung an den geschätzten Leserkreis unseres Blattes. Umständehalber sieht sich die Redaktion des "Goldenen Zeitalters" genötigt, die beiden Nummern 20 und 21 in eine Doppelnummer zusammenzufassen. Demzufolge erscheint die nächste Nummer am 15. August."

Für die Magdeburger Ausgabe galt das offenbar nicht. Die behielt ihren gewohnten Erscheinungsrythmus bei.
Weiter meint die genannte Ausgabe des Berner GZ verkünden zu können:


„Die Geschichtsschreiber berichten vom alten Babylon, daß die Eroberung der als uneinnehmbar gedachten Stadt nur durch Ableitung der rings um dieselbe in breitem Wallgraben umfließenden Euphratgewässer möglich gemacht wurde. So ihres Hauptschutzes beraubt, konnte die Stadt mit Leichtigkeit eingenommen werden. Wem die Heilige Schrift bekannt ist, weiß, daß dieses buchstäbliche, längst in Trümmern liegende Babylon als ein bedeutsames Vorbild gebraucht wird, dessen gegenbildliche Bedeutung in Offenbarung 16:12 erwähnt wird. In dieser Weissagung handelt es sich um die Trockenlegung des großen Stromes Euphrat, die nur ein Vorläufer großer, gewaltiger Ereignisse ist. Die Freunde und Leser des "Goldenen Zeitalters" wird es interessieren, zu vernehmen, wie sich buchstäblich dieses Vorbild in Deutschland erfüllt.

Zahlreiche Geistliche müssen sich nach einer anderen Beschäftigung umsehen, weil das Volk (nach Offenbarung 17:15 durch Wasser vorgeschattet) den Kirchen die finanzielle Unterstützung mehr und mehr entzieht
Als typisches Beispiel erinnern wir an das kirchenfeindliche Verhalten der sächsischen gesetzgebenden Organe und Regierung, wodurch die Kirche verarmte und eine große Anzahl ihrer Geistlichen, um nicht direkt hungern zu müssen, ihren Lebensunterhalt auf andere Weise zu verdienen gezwungen wurden. Sofern ihr nicht bald Hilfe zukommt, wird der Zusammenbruch der sächsischen Landeskirche unvermeidlich sein."


Und als Detail wird unter anderem angeführt:
„Auch die evangelische Presse und die theologischen Zeitschriften müssen eine nach der anderen ihr Erscheinen einstellen."

Bei letzterem waren die WTG-Anhänger in der Tat besser dran. Wie schon früher ausgeführt, startete die deutsche Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" mitten in der Inflationszeit. Ohne die Dollar-Spritzen aus den USA wäre das schwerlich möglich und vor allem durchzuhalten gewesen.

Auch jene Gruppen aus dem Umfeld der WTG, die sich von ihr separiert hatten, waren von diesem wirtschaftlichen Niedergang mit betroffen. Sie mussten ihre angefangenen Projekte, etwa „Edgar's Miniatur-Bibliothek" (in deutscher Übersetzung) und ähnliches, weitgehend einstellen.

Was die zitierte Sächsische Landeskirche indes betrifft, ist festzustellen. Sie hat diese Durststrecke überlebt. Insofern erwiesen sich die euphorischen Erwartungen der WTG-Anhänger, als nicht durch die Wirklichkeit gedeckt.

Noch so ein charakteristischer Satz für die Geisteshaltung der GZ-Macher.
Nachdem man allerlei Erschröcklichkeiten aus der politischen und wirtschaftlichen Landschaft bemüht hat, äußert man dann:


„Der Statthalter von New York soll sich kürzlich dahin geäußert haben:
"Die Welt braucht heute einen Despoten, wenn wir nur den richtigen finden könnten!"


Und dazu der Kommentar der GZ-Redaktion:
„Wir stimmen ihm bei."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 06. August 2008 03:04
In der Rubrik „Frage-Kasten" der Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 8. 1923 wird angefragt:
„Auf Grund vorgeschichtlicher Ausgrabungen glaubt die Wissenschaft das Dasein des Menschen seit sehr viel längerer Zeit (10.000 Jahre?) Als die Bibel (6.000 Jahre) nachweisen zu können.
Wie ist hier die Bibel und Wissenschaft in Einklang zu bringen?'
Der Fragesteller sandte zu dieser Frage nachfolgenden Zeitungsausschnitt mit ein:

'Ein vorgeschichtlicher Fund in Dänemark. Spuren einer vorgeschichtlichen Ansiedlung, deren Alter auf 7.000 bis 8.000 Jahre geschätzt wird, sind nach einem Bericht aus Kopenhagen in der Bucht von Holingrad, etwa 10 Kilometer von Nestoed im südlichen Seeland entdeckt worden. Die Überreste, die hauptsächlich aus Waffen und Werkzeugen bestehen, wurden von Torfstechern in einer Tiefe von einigen Faß gefunden, und zwar in einer Schicht, die aus einer früheren Eiszeitepoche herrührt. Man konnte 40 Feuersteinäxte bergen, zusammen mit anderen Äxten und Harpunen, die aus Tierknochen verfertigt sind. Die Knochen der verschiedenen Tiere, so von Elchen, wilden Ebern, Füchsen, Bibern, Hunden usw., wurden ebenfalls ans Licht gebracht und von Sachverständigen des Kopenhagener Nationalmuseums sorgfältig geborgen.'"


In ihrer Antwort darauf, kritisiert die GZ-Redaktion insbesondere den zitierten Pressebericht. Man wirft diesem und ähnlichen Presseberichten vor, sie stammten ausschließlich von solchen ... die da wünschen, ihre eigene Weisheit, die wirklicher Beweise entbehrt, weil sie Menschenweisheit ist, durch solche völlig inhaltlose Meldungen zu unterstützen."
Die GZ-Redaktion meint weiter:
„Das Hergesuchte und Spekulative aller solcher Berichte tritt auch in dem vorgenannten Artikel zutage. Keine definitiven Angaben sondern, wie auch diese Zeitungsnotiz sagt, nach einem Bericht von 'irgendwem', - weder Name noch sonst etwas wird genannt - angeblich aus Kopenhagen kommend, soll dort in 'irgendeiner' Bucht, diesmal in der Bucht von Holingaard, wo da? eine Ansiedlung entdeckt sein. Als einzigsten Beweis dafür, daß diese Ansiedlung angeblich 7000 bis 8000 Jahre alt sein soll, gibt man an, daß diese Überreste, aus Waffen und Werkzeugen bestehend, von Torfstechern in einer Tiefe von 'einigen Fuß' gefunden wurden in einer Schicht, die aus einer früheren Eiszeitepoche herrührt. Man läßt auch hier die naheliegende Möglichkeit gewaltsamer, das Erdobere, also auch die Schichten der Erdkruste wild durcheinanderwerfender Naturereignisse außer acht und konstruiert, weil man mit so außerordentlicger Beharrlichkeit sucht, eine Zugehörigkeit zur Affenfamilie zu stützen, im Handumdrehen eine vorbiblische Ansiedlung. Absicht dieser Erzählung? Nur der Wunsch, Menschenweisheit vor Gottes Weisheit zu setzen".

Nun mag man dieser GZ-Kritik in der Tat zubilligen. Es wird mit Hypothesen gearbeitet. Es kann so oder auch anders sein. Indes auf dem gleichen „Level" ist dann auch die These von der nur 6.000jährigen Menschheitsgeschichte anzusiedeln. Selbige geistert zwar schon seit Altjüdischen Zeiten in etlichen von Menschen geschaffenen Schriften herum. Damit indes ist noch lange nicht der Umstand widerlegt, dass sie gleichfalls dem Bereich der Hypothesen zuzuordnen sind.
Im „Goldenen Zeitalter" vom 1. 3. 1931 konnte man beispielsweise lesen:.


„Die Kenner der Bibel haben oft in einem harten Kampf gestanden mit den Verfechtern der Lehre von der Entwicklung der Arten. So mancherlei Reibung war aber nicht ganz berechtigt. Die Darwinisten gehen zu weit, wenn sie behaupten, dass die verschiedenen Arten der Pflanzen und Tiere und auch der Mensch sich aus niedrigeren Arten fortentwickelt haben.

Ihre Gegner gehen aber gelegentlich auch zu weit, weil der Bericht in 1. Mose nur vom Mensch und den höher organisierten Tieren deutlich erklärt, dass sie von Gott geschaffen wurden, jedes nach seiner Art. Von den Pflanzenarten sagt die Bibel, sie seien auf Gottes Geheiss von der Erde hervorgebracht worden. Dagegen heisst es hier nicht ausdrücklich, Gott habe sie, jedes nach seiner Art gemacht. Darum kann man den Gedanken, dass sich vielleicht die niedrigeren Arten von noch niedrigeren entwickelt haben, nicht mit biblischen Einwänden wegtun. Die Bibel sagt ja nichts Ausführliches über die Entstehung der ersten Pflanzen."


Was besagen diese geschraubten Ausführungen? Doch wohl dieses. Auf der Ebene der Pflanzenwelt wäre so etwas wie eine Art Evolution denkbar.

So so, mag man da nur sagen. Heutige Anti-Evolutionisten, auch im Zeugen Jehovas Bereich, etwa der Herr Lönnig bestreiten dies aber.
Die Frage soll hier und jetzt nicht entschieden werden; kann nicht entschieden werden.
Immerhin ist da eines offenkundig. Ein Widerspruch. Womit man wieder an dem Punkt angelangt wäre:
Es kann so - oder auch anders sein!

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 18. August 2008 03:22

Eine Karikatur der Schweizer Satire-Zeitschrift „Nebelspalter" war dem „Goldenen Zeitalter" vom 15. 8. 1923 (Ausgabe Bern) es wert, bei der dortigen Redaktion um die Erlaubnis zum Nachdruck zu bitten, die auch gewährt wurde. Ein vom GZ seinerseits dazu angefügter Kommentar macht auch deutlich, was die „Klientel" des „Goldenen Zeitalters" im eigentlichen „beschwingte".
Gesellschaftskritik in religiöser Verbrämung.



Das gravierende Handicap dieser Kritik indes ist, dass sie nur auf das „Hoffen und Harren" hin orientiert und sich damit als Quadratur des Kreises oder als ein Irrgarten wo der Ausweg nicht gefunden wird, erweist.

In ihrem Kommentar zur „Nebelspalter"-Karikatur schreibt das GZ:

„Einige wenige Tausende und einige Großbanken haben sich in den letzten Jahren ungeheuer bereichert durch das Steigen und Sinken der Kurse, währenddem Millionen und ganze Völker zusehends verarmen und verelenden.
Welch ein Fluch lastet doch auf unserer heutigen Gesellschaftsordnung. Das hochprophetische Wort des Apostels
Jakobus erfüllt sich hier in ganz ungeahnter Weise: "Wohlan nun, ihr Reichen, weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommt! .... Ihr habt Schätze gesammelt in den letzten Tagen. Siehe, der Lohn der Arbeiter, die eure Felder geschnitten haben, der von euch vorenthalten ist, schreit, und das Geschrei der Schnitter ist vor die Ohren des Herrn Zebaoth gekommen."

Wo sind die Führer des Volkes, die den Mut haben, solchen Zuständen durch einschneidende Maßnahmen entgegenzutreten? und wie soll eine Gesundung der heutigen Zustände möglich sein, wenn das Übel nicht bei der Wurzel angefaßt wird? Alle Ministerberatungen, alle Weltkonferenzen, alle Vorschläge zur Wiederherstellung Europas werden und müssen wirkungslos bleiben, solange nicht Verordnungen und Gesetze mit eiserner Energie eingeführt und durchgeführt werden, die die Selbstsucht fesseln und die Menschen verhindern, auf Kosten der Allgemeinheit und des Nächsten die Selbstsucht in irgend einer Weise zu betätigen. ..."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 06. September 2008 03:16
Die Ausgabe Magdeburg des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 9. 1923, nimmt eine Leserfrage zum Anlass, um Ihrerseits eine umfängliche „Abrechnung" mit der katholischen Kirche zu publizieren. Als Quellenbeleg verweist man dazu auf das Buch „Das vollendete Geheimnis" also einer eigenen Publikation („Schriftstudien", Band VII). Die diesbezüglichen GZ-Ausführungen sollen inhaltlich jetzt nicht bewertet werden. Aber sie machen schon deutlich, welche Abgründe da bestanden (bzw. noch bestehen). Das GZ schreibt bzw. zitiert in seiner Antwort u. a.:

„Papst Honorius I., 625 - 638, ist verdammt worden als einer, der eine Ketzerei ex cathedra (in seiner amtlichen Eigenschaft) begangen haben sollte. Das Merkwürdigste bei dieser Angelegenheit liegt darin, daß das Vatikanische Konzil im Jahre 1870 die Unfehlbarkeit in ihren ex cathedra Äußerungen erklärte. Der Papst aber, der den Honorius für einen Ketzer erklärte, tat dieses ebenfalls ex cathedra (amtlich). Hunderte von „gelehrten" Büchern sind abgefaßt worden in dem Bemühen, diese köstliche Konfusion und Verzwicktheit in den Augen der römischen Geistlichkeit zu rechtfertigen und sie ihr mundgerecht zu machen.

Anderen ist die Sache aber ganz klar. Der 'heilige' Agathon, 678 - 682, behauptete von sich ein Wunderwirker zu sein. Er war der unfehlbare Papst, der die Lehren des unfehlbaren Honorius I. verdammte. Der 'heilige' Nicholas I., 858 bis 867, 'zähmte Könige und Tyrannen und beherrschte die Welt wie ein unumschränkter Souverän; in den Augen aller Bösen und Unbekehrten war er ein Schrecken.' So sagt von ihm ein katholischer Historiker.

Johann VIII., 872 - 882, muß einen der 'Brüder' im Vatikan schwer gekränkt haben; dieser Würdenträger versuchte nämlich zuerst, ihn zu vergiften, und als das Gift nicht schnell genug wirkte, machte er kurzen Prozeß, indem er dem Papst Johann den Schädel mit einem Hammer einschlug. -

Stephan VII., 897 - 898, war erbost darüber, daß sein Vorgänger ihm einmal den päpstlichen Thron geraubt hatte. Demgemäß war seine erste Handlung die, den Leichnam des Papstes Formosus ausgraben, verstümmeln und in den Fluß Tiber werfen zu lassen. Später erdrosselte ihn dann einer der 'Brüder'.

Christopher, 900 - 903, entsetzte durch einen kühnen Handstreich seinen Vorgänger Leo V. seines Amtes, indem er ihn unfähig zur Regierung erklärte, was zweifellos der Wahrheit entsprach. Leo starb im Gefängnis 'aus Kummer' weniger als vierzig Tage nach seiner Thronbesteigung. Es wurde ihm wahrscheinlich etwas zur Beschwichtigung seines Kummers eingegeben. Christopher selbst aber wurde durch seinen Nachfolger ermordet.

Nachdem Sergius III., 904 - 911, seinen Vorgänger Christopher ermordet hatte, bestieg er den Thron und machte es den Königen früherer Zeiten nach. Seine Geliebte Marosia gebar ihm mehrere Kinder. Johannes X., 915 - 928, und Leo VI., 928 - 929, wurden beide durch Marosia getötet, um für andere, an denen sie größeres Interesse nahm, Platz zu machen.

Johannes XI., 931 - 936, war der Sohn der Marosia und hatte zum Vater den Papst Sergius III. Einer der 'Brüder' vergiftete ihn.

Johannes XII., 956 - 964, wurde ermordet, während er Ehebruch beging. Er war von ausschweifendstem Lebenswandel, gab sich mit Frauen aus jedem Stande ab, und führte den Lateran, den päpstlichen Palast, mit dem Lärm und liederlichen Treiben eines Bordells. Eine seiner Geliebten war Johanna, volkstümlich in der Geschichte unter dem Namen Päpstin Johanna bekannt. Sie war ein geistreiches Weib und übte in der Tat den Haupteinfluß in Rom während des Pontifikats von Johann aus.

Benedict VI. 972 - 973, wurde von einem der 'Heiligen' erdrosselt oder vergiftet.

Bonifacius VII., 984 - 985, wurde gleich nach dem Aufruhr, der durch die Ermordung von Benedict VI. verursacht wurde, gewählt, mußte aber aus der Stadt flüchten, um wegen seines ausschweifenden Lebenswandel und seiner Grausamkeit einem ähnlichen Geschick zu entgehen. Nach elf Jahren aber kehrte er zurück, steckte den Papst Johann XIV. ins Gefängnis, ließ ihn des Hungertodes sterben und bestieg an seiner Stelle den Thron.

Gregor V., wurde von einem, der zu der 'vorschriftsmäßig ordinierten' Geistlichkeit gehörte, vergiftet.

Benedixt IX., 1033 - 1045, der Knaben-Papst, dessen Eltern das Papsttum für ihn kauften, als er zwölf Jahre alt war, war das schlimmste Ungeheuer, daß jemals auf dem päpstlichen Thron saß.

Andere hingegen erklären, daß diese Ehre und Auszeichnung dem Papst Alexander VI., 1492 - 1503, zukomme, der sieben anerkannte uneheliche Söhne hatte und viele Geliebten. Alexander machte den Versuch in einer einzigen Sitzung neun Kardinäle zu vergiften, um ihre Ämter als klingende Münze zu verschachern, und damit seiner Brut die Taschen zu füllen. Ein Dummkopf von einem Diener gab ihm das verkehrte Glas, sodaß er vor der Zeit aus dem Leben verschied.

Benedicts liederliche Lebensführung veranlaßte die Römer ihn aus der Stadt zu verjagen.

Sylvester III. wurde ordnungsgemäß gewählt, um seinen Platz einzunehmen; nach drei Monaten aber kehrte Benedict zurück und riß die päpstliche Gewalt wieder an sich. Bald darauf verkaufte er das Papsttum an Gregor VI, um freie Hand zu haben, eine italienische Prinzessin zu heiraten.

Zu einer Zeit gab es in Rom drei Päpste auf einmal, und die Stadt war immer voll wüstem Toben und Mordtaten.

Ein vierter Papst, Klemens II., wurde noch hinzugewählt, aber nachdem er neun Monate im Amte gewesen war, mischte ihm ein Anhänger des Papstes Gregor bei einer Mahlzeit außer den regulären Zutaten einer Speise noch etwas anderes hinein, und er wachte niemals wieder auf. Daraufhin kehrte Benedict zurück und regierte noch weitere drei Jahre. ..."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 12. September 2008 04:52
In einem Artikel überschrieben. „Ein Wort zu Gunsten des Hebräischen", meint das GZ (Ausgabe Bern vom 15. 9. 1923) unter anderem ausführen zu können:
„Daß die hebräische Sprache in der Tat die Ursprache Adams darstellt."

Und weiter:
"Wir sehen, wie mit der Wiederherstellung Palästinas ein wunderbares Aufleben des uralten Hebräisch vor sich geht; schon erblüht eine neue hebräische Universität, das Hebräisch ist buchstäblich von den toten Sprachen auferstanden, und die Gnade Gottes kehrt sichtlich zu seinem alten Bundesvolk und damit gleichzeitig auch zu der ursprünglichen Sprache Adams zurück.

Das beweist nach meinem Dafürhalten, daß die hebräische die zukünftige Weltsprache sein wird. Wie sehr auch die Judenhasser sich dagegen auflehnen mögen, so werden sie sich in Bälde dennoch mit diesem Gedanken vertraut machen müssen. Männer wie Abraham, Isaak und Jakob werden, wenn sie mit dem Anbruch des Goldenen Zeitalters aus dem Grabe auferweckt und zu Fürsten auf dem ganzen Erdkreis eingesetzt werden, die alte Sprache Adams wieder sprechen und einführen."


Wenn jener Artikel zwar mit einem nicht näher verifizierbarem Namenskürzel versehen ist, und somit als „Privatmeinung" deklariert werden kann, so ist diese „Privatmeinung" dennoch weitgehend als identisch mit sonstigen zeitgenössischen WTG-Verlautbarungen zu bezeichnen. Lediglich das nun Hebräisch quasi als „Amtssprache" gehandelt wird, findet man andernorts nicht so deutlich formuliert.

Auf jeden Fall kann man dieses aber sagen. Zumindest in Deutschland (weniger in der Schweiz) zur fraglichen Zeit, führten die Antisemiten - allen voran - das „große Wort" in der Anti-Bibelforscher-Agitation. Hier nun wurde diesen Kreisen quasi frei Haus, das gesuchte Futter zum Fressen geliefert!

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 14. September 2008 03:22

Mit einer sicherlich die Befindlichkeit der zeitgenössischen Bibelforscher ansprechenden Zeichnung, wartet das „Goldene Zeitalter" (Schweizer Ausgabe vom 15. 9. 1923; Ausgabe Mageburg, 1. 10. 1923) auf. Im dazugehörigem Bildtext liest man:
„Nach einer alten Zeichnung von Schell, die uns zur Aufnahme im 'Goldenen Zeitalter' freundlichst überlassen wurde."


http://www.manfred-gebhard.de/Saemann.jpg

Offenbar kann man diesem Bild, in etwas abgewandelter Form, auch andernorts im Internet begegnen. Etwa auf der Webseite www.payer.de/
Dort der Rubrik Religionskritik zugeordnet


http://www.payer.de/religionskritik/karikatur113.gif

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -

geschrieben von: Drahbeck
Datum: 07. Oktober 2008 05:24

Offenbar in Reaktion auf einige eingegangene Protestschreiben, sah sich das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe Magdeburg vom 1. 10. 1923) genötigt, eine frühere Publikation zu korrigieren. Bei selbiger handelte es sich nicht um einen Eigenbericht, wohl aber um die Übernahme eines Artikels aus der „großen Tagespresse". Sein Tenor war klar. Er schwamm im breiten antikommunistischen Mainstream.

Nachstehend zur eigenen Urteilsbildung, seien sowohl die Berichtigung, als auch der ihr zugrunde liegende Artikel einmal kommentarlos vorgestellt werden.

In ihrer Berichtigung schrieb das „Goldene Zeitalter":

„Die Kinder der Moskauer Straßen"
Zu unserem Artikel in Nr. 10, 'Die Kinder der Moskauer Straßen', bekommen wir aus unserem Leserkreise mehrfach Zuschriften dahingehend, daß in der Veröffentlichung des Artikels eine Ungerechtigkeit liegt insofern, als der Artikel bereits vor vier Jahren geschrieben wurde.

Wir anerkennen die Berechtigung dieses Einwandes voll und ganz. Wir wünschen niemals Verhältnisse anders darzustellen, als wie sie sind, und geben gerne zu, daß sich in Rußland während dieser vergangenen vier Jahre vieles geändert haben mag. Mit Bedauern stellen wir fest, daß diese uns aus unserem Leserkreise gemachte Einsendung bereits vier Jahre alt war. Wir hätten sonst dieselbe nicht veröffentlicht, denn indem sie heute erscheint, mag der Eindruck entstehen, als ob die Verhältnisse noch dieselben sind wie zurzeit des Erscheinens bewußten Artikels.

Wir vermögen zwar Bestimmtes über die heutige Lage der Einwohner Rußlands, bezw. der Kinder Moskaus nicht zu sagen, fühlen uns aber der Gerechtigkeit willen veranlaßt, den Einwendungen eines Teiles unserer Leser in vorgenannter Weise Rechnung zu tragen."


Zu dieser Berichtigung ist noch bemerkenswert. Obwohl die Berner Ausgabe des GZ den gleichen Artikel mit publiziert hatte, gab es dort keine Berichtigung.

Nachstehend dann noch der inkriminierte Artikel. „Goldenes Zeitalter" Ausgabe Bern 15. 7. 1923; Ausgabe Magdeburg 15. 8. 1923).


Die Kinder der Moskauer Straßen
Von Georg Popoff. - Aus der 'Frankfurter Zeitung'
Mehr als 15.000 elternlose, verlassene Kinder irren, notdürftig gekleidet, ohne Obdach, ohne Nahrung, bettelnd, vagabundierend durch die Straßen der bolschewistischen Residenz. Täglich sterben vor Hunger oder vor Kälte Dutzende von ihnen. Täglich kommen zehn bis zwanzig dieser hilflosen Geschöpfe unter die Räder der Straßenbahnen und Autos. Kleine, blutende, verstümmelte Körperchen liegen im Schnee, im Schmutz der grausam gleichgültigen Straße. Und täglich strömen von allen Enden des Riesenreiches hunderte neue kleine Menschenwesen herbei, die der unersättliche Bauch der "revolutionären" Hauptstadt gierig verschlingt.

Der gigantische Umsturz riß diese schwachen Existenzen von den Wurzeln des Landes los und schleuderte sie, wie willenlose Holzspäne, achtlos in den verderblichen Strudel der großen Stadt. Man hat nie zuvor in Moskau oder irgendwo anders eine so große Anzahl von vagabundierenden Kindern gesehen. Eine Folge von Krieg, Revolution und Bolschewismus. Doch besonders erschreckende Dimensionen hat diese Erscheinung nach Einführung der "neuen Wirtschaftspolitik" angenommen, als die Liquidation der staatlichen Versorgungswirtschaft Millionen von Menschen einfach ihrem eigenen Schicksal überließ.

An den Haltestellen der Straßenbahnen kommen zahlreiche verlauste, kranke, schmutzige Kinder in den Waggon, drängen sich an die Passagiere heran und betteln. Auf den Eisenbahnstrecken stehen sie, da die Züge überall in Rußland stundenlang halten, oft zwei, ja mitunter sogar sechs Stunden in Regen und Kälte vor den Fenstern irgend eines "besseren" Waggons und jammern mit der unglaublichsten Ausdauer um Brot. "Djadenka - dai dileb" - "Väterchen, gib Brot." Sie wiederholen es hunderttausendmal, stundenlang, mit monotonen, enervierenden, hoffnungslosen Stimmen. Ein verzweifeltes Flehen, welches für immer im Gedächtnis haften bleibt . . .

In die Eisenbahnzüge, in Privathäuser, in Theater, in Kaffees - überall dringen sie wie ein Schwärm wandernder Ratten ein, betteln und stehlen. Manche treiben irgend einen Handel. Doch "Minderjährigen unter 14 Jahren ist das Handeln auf den Straßen verboten" lautet ein Gesetz der Sowjet-Regierung, die in der Theorie eine sehr verständnisvolle "Kinderpolitik" predigt. In Wirklichkeit wird das humane Prinzip sehr entstellt: man sieht oft, wie ein Milizsoldat irgend einen acht- oder neunjährigen Bengel "verhaftet", weil er, .als unbefugter Nepman, Zigaretten oder Stiefelschnüre feilbot. Der Kleine sträubt sich mit Händen und Füßen und heult jämmerlich. Es kommt dann stets zu den widerwärtigsten Szenen.

Das Kind wird mitten auf der Straße blutig geprügelt und gewaltsam ins Gefängnis entführt. "In die Tscheka" sagen die Passanten, und schmerzerfüllten Herzens sieht man dem kleinen "Verbrecher" nach, den eine blöde, rohe Gewalt zu unverdienten Qualen verurteilt. Nicht selten gewahrt man auch, wie Kinder von 10 bis 12 Jahren von hünenhaften Milizsoldaten mit blankem Säbel und schußbereiter Waffe wie Schwerverbrecher eskortiert werden.

Es gibt verschiedene Kategorien unter diesen vagabundierenden Kindern der Moskauer Straßen. In der Mehrzahl sind es die wirklich Obdachlosen, Verstoßenen, Hungernden. Sie haben zum ersten Mal im Leben ihr heimatliches Dorf, das ihnen bisher die Welt war, verlassen. Die Großstadt mit dem wilden Trubel, dem äußerlichen Glanz, der lockenden Reklame, den hellerleuchteten Kinos und anderen Vergnügungsstätten macht sie völlig verwirrt. Sie irren ziellos umher. Die Möglichkeit, irgend eine Arbeit oder menschenwürdige Unterkunft zu finden, besteht nicht. Auch der Weg zu den Fiüchtlingsasylen ist ihnen noch nicht bekannt.

So kampieren sie die ersten Wochen bettelnd auf den Straßen und sterben massenweise vor Hunger, vor Kälte oder als Opfer des Großstadtverkehrs.
Die zweite Kategorie sind die Handeltreibenden.
Zehnjährige Burschen und Mädels stehen an jeder Ecke und handeln mit Zigaretten, Streichhölzern, Blumen und anderen Dingen, Kinder, die sich völlig an dieses Leben gewöhnt haben; sie sind in der Großstadt heimisch. Energische, kleine Existenzen, die den Kampf mit dem Schicksal mutig aufnehmen, und den Kampf mit der Staatsgewalt, den Milizsoldaten, die auf ständiger Jagd nach diesem flinken Wild sind.

Zur dritten Kategorie würde ich die Kinder jener Verbrecherwelt zählen, die den Bettel, im Verein mit organisiertem Straßenraub, als eine Profession betreibt, für die im heutigen Rußland ein überaus günstiger Boden zu sein scheint. Kleine Geschöpfe, oft unter sieben Jahren, werden von beredenden Eltern als "hungernde Flüchtlingskinder" geschickt maskiert, an den Straßenecken postiert. Und dann, nicht zu vergessen, die im Dienste der Tscheka stehenden Kinder. Diese Institution, deren Raffinement und Pefidie keine Grenzen kennt, hat es nicht versäumt und scheut sich nicht, aus der Notlage, dem Unglück und der Unwissenheit unschuldiger Kinderseelen Nutzen für sich zu ziehen.

Die Tscheka sucht sich die intelligentesten unter den Straßenkindern aus und beauftragt sie, gewisse, ihr verdächtig erscheinende Personen besonders beharrlich zu verfolgen und, ständig bettelnd, ihre Gespräche zu belauschen oder ihr auch zufällig erhaschte Worte aus dem Munde ganz fremder Menschen zu hintergingen. (Nach dem bewährten Prinzip der Tscheka ist nichts belanglos.) So zieht das in Sowjetrußland florierende abscheuliche System der allseitigen Bespitzelung auch die harmlosesten Geschöpfe in ihre Netze.

Hierbei muß natürlich die allgemeine Demoralisation der Jugend in Rußland mit berücksichtigt werden. Man hört oft Müller klagen, daß sie ihr Haus nicht verlassen können, weil die eigenen Kinder sonst alles stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die moralische und sittliche Verkommenheit der Schuljugend übersteigt alle Grenzen. Ein großer Teil der Schulkinder ist mit den schlimmsten Krankheiten behaftet. Dreizehn- und vierzehnjährige Mütter sind eine gewöhnliche Erscheinung.

Die Kinder der Moskauer Straßen sind von allen Enden des russischen Reiches, namentlich aus den Hungerdörfern, herbeigeströmt. Das Ziel aller ist Moskau. Sie kommen aus dem Reiche des Hungers, ihre Heimat ist zu einer Wüste geworden, das Schicksal stößt sie mit geheimnisvoller Macht irgendwohin, ihr Weg ist ein Leidensgang ohne Beispiel und ihr Ende - elendes Verkommen. Moskau - eine nervöse, blutlose, daseinsverzweifelte, gleichgültige Stadt, gewahrt ihnen Unterschlupf: in schmutzigen Höfen, unter Brückenbogen, in Aborten, in versteckten Winkeln der Bahnhöfe, in Verbrecherkaschemmen usw.

Wie räudige Hunde suchen sich diese kleinen Menschenwesen oft die unglaublichsten Schlafstätten aus - sie zwängen sich hinter die Heizungsrohre der Bahnhofshallen oder bauen sich in Müllhaufen ein Bett, um sich wenigstens vor der Kälte zu retten. Wie überhaupt viele russische Elendserscheinungen nur begriffen werden können, wenn man stets an die grausame Wirkung der fast sieben Monate herrschenden Kälte denkt. Der Frost ist es meistens, der diese obdachlosen Kinder zu Tode würgt.

Die Sowjet-Regierung tut gegen das geschilderte Elend allerhand. Aber sie kann wenig. Eine propagandistische Losung der Kommunisten lautet: "Alles fürs Kind". Ein humanes Wort, das von der Wirklichkeit leider zu einer schreienden Ironie gestempelt wird. Die Regierung hat zahlreiche Kinderasyle und Isolationsheime gegründet, die einem besonderen Ministerium, der "Kommission zur Fürsorge der Minderjährigen", unterstehen. Die Funktionen dieser Körperschaft sind folgendermaßen formuliert: "Die Asyle sollen verbrecherisch veranlagte Kinder aufnehmen und als Ersatz für Zuchthäuser, Gefängnisse usw. dienen, weil im Gefängnis das Kind weiter demoralisiert wird und dort nur neue verbrecherische Neigungen annimmt. Die Kommission zur Fürsorge der Minderjährigen ist keine Gerichtsinstitution, sondern ein Organ der medizinisch-pädagogischen Beeinflussung, dessen Ziel auf die moralische Erziehung der Kinder gerichtet sein muß. Es hat alle Anstrengungen zu machen, um den minderjährigen Verbrechern die Rückkehr zum Laster, zur Tiefe, zum Verbrechen zu versperren."

Diese Asyle, die ursprünglich einem so schönen Zweck dienen sollten, sind nun in Wirklichkeit ohne Ausnahme in einem unglaublich schmutzigen, ärmlichen, halbverfallenen Zustande. Es mangelt an allem. Die Kinder haben fast keine Kleidung und keine Nahrung. Sie gehen dort ebenso sicher zu Grunde wie auf der Straße. Deshalb nennt der Sowjetwitz diese Asyle - die "Totenkammern". Ein Besuch in irgend einem dieser "Kinderheime", die stets zu Ehren einer kommunistischen Größe - Marx, Lenin, Rosa Luxemburg, oder sogar der ganzen 3. Internationale - benannt werden, gibt besonders günstige Gelegenheit zu melancholischen Betrachtungen über den in Rußland so krassen Gegensatz zwischen Theorie und Praxis.

Ein ehemaliges Herrenhaus mitten in der besten Gegend Moskaus. Heute ist das Gebäude so vernachlässigt, daß es jeden Augenblick zusammenzubrechen droht, ein Schicksal, welches übrigens einige in der nächsten Nachbarschaft gelegene Gebäude schon ereilt hat. Die meisten Fensterscheiben sind zerbrochen und dürftig mit Zeitungspapier verklebt. Im Innern eine feuchte, eisige Kälte. Von der Decke sickert Nässe.

Eine Rotte unsauberer, halbnackter Kinder wälzt sich auf dem Boden oder drückt sich scheu in den Ecken herum. Die meisten bieten einen unerfreulichen Anblick: degenerierter Schädel, niedrige Stirn, schielender Blick, schmutzige Wunden am Körper, Stumpfheit und Gleichgültigkeit im Wesen. Die Leiterin des Heimes schickt sich an, den Kleinen Unterricht zu erteilen. Doch für 50 Kinder sind höchstens 10 Hefte und Bleistifte von übelster Qualität vorhanden. Sie besinnt sich also eines besseren und teilt die Kinder in zwei Gruppen ein - Russen rechts, Tataren links. Dann gibt sie ein Zeichen. Und diese erbärmlichen, frierenden, kleinen Würmer mit rachitischen Gliedern, von Hunger aufgeschwollenen Bäuchen und idiotischen Wasserköpfen stimmen plötzlich, zu Ehren der ahnungslosen Besucher, mit ihren schrillen, jämmerlichen, fast sterbenden Kinderstimmchen - - - die Internationale an.

Zuerst von der ersten Gruppe in russischer und dann von der zweiten in tatarischer Sprache gesungen. Ein erschütterndes Schauspiel, ein ergreifendes Konzert, das nicht so leicht vergessen werden kann ....

Die Tatsache, daß auf den Straßen und in den Asylen der bolschewistischen Hauptstadt 15000 elternlose Kinder zu zählen sind, daß ihre Zahl, trotz der Todesopfer, täglich wächst, daß im Laufe der letzten Jahre fast 50000 Kinder allein in einer Stadt von der Straße aufgelesen worden sind, wirft ein grelles Schlaglicht auf die trostlose Lage der russischen Gesamtbevölkerung, des ganzen Landes überhaupt. Spiegelt sich nicht mit erschütternder Deutlichkeit in dieser Erscheinung das große Menschen-Elend wieder, welches überall, auch in den entferntesten Winkeln des Sowjetreiches herrschen muß? Wie mächtig muß dieser vernichtende Taifun gewesen sein, daß noch immer neue und neue Existenzen von seiner Wucht zermalmt werden. ..."


Obwohl, wie ausgeführt, das deutsche „Goldene Zeitalter" in Sachen des Horror-Schriftstellers Georg Popoff einen Rückzieher machen musste, war die Schweizer Ausgabe selbigen offenbar völlig unbeeindruckt davon.
Nun sollen die Sowjetverhältnisse keineswegs „heroisiert" werden. Offenbar lies es sich aber dieser Popoff im besonderen angelegen sein, eine Horrormeldung nach der anderen zu präsentieren. Und offenbar fand er auch im „Goldenen Zeitalter" (zumindest in dessen Schweizer Ausgabe). einen aufnahmebereiten Boden dafür.
So zitierte die Berner Ausgabe des GZ, als Fortsetzungsserie, beginnend am 1. 3. und 15. 3. 1924, diesen Herrn Popoff erneut, umfänglich. Grundlage dafür ein Zeitungs-Artikel („Kasseler Tagblatt"), der wiederum auf ein Buch des Herrn Popoff mit dem Titel „Unter dem Sowjet-Stern" bezug nimmt. Unter anderem wusste selbiger die nachfolgenden Erschröcklichkeiten zu berichten:


„Unter den vielen sonderbaren Typen, denen man heute auf den Strassen Moskaus zu Hunderten begegnet, fällt namentlich eine zerlumpte Frau auf, die man täglich in den verschiedensten Stadtgegenden, doch meistens im Arbat, dem einstigen Aristokratenviertel, trifft. Wahrlich, eine mehr als merkwürdige Erscheinung. Eine Bettlerin. Doch das Gesicht weist Spuren ehemaliger Schönheit auf und hat ungewöhnlich edle Züge. Nur das Kostüm, das diese Frau trägt, ist so grotesk, dass es schreiend mit dem feinen Rassekopf kontrastiert : an den nackten Füssen riesengrosse, völlig abgetragene Herrenstiefel, aus denen die Zehen hervorlugen. Der fröstelnde Körper in einen Mantel gehüllt, der aus mehreren Mehlsäcken scheinbar mit eigener Hand verfertigt worden ist. Um den Hals eine kleine, schmutzige Hermelinstola gewickelt. Auf dem Kopfe ein elender Sommerhut mit ein paar traurigen, vom Regen durchnässten Straussenfedcrn. Auf dem Rücken ein Rucksack, in dem sich Brot, Holz und irgendwelche Lumpen befinden. In der Rechten ein Pilgerstab, der fast noch mal so gross ist, wie die Frau selbst.
So schreitet sie schon jahrelang, langsam, Schritt für Schritt, wie der Ewige Jude, täglich durch die Strassen. Mit den viel zu grossen Stiefeln auf dem Pflaster schleifend. Jeden Schritt den Stab schwer auf den Boden stossend. Nur an den Strassenecken bleibt sie irren Blickes stehen, erhebt ihre beiden Hände gen Himmel und schreit unartikuliert, verzweifelt, anklagend.

Manche geben ihr eine Gabe. Andere aber wenden sich erschüttert von ihr ab und eilen weiter, weil sie in dieser Bettlerin ihr eigenes Unheil tausendfach gesteigert widergespiegelt sehen, weil sie diese Frau noch vor kaum sechs Jahren gekannt haben, als eine der elegantesten, der reichsten und umworbensten Damen der Moskauer Gesellschaft; denn diese Bettlerin, die nicht nur ihr Vermögen, ihre Schönheit, ihren Gatten und ihr alles, sondern auch ihre Scham und ihren Verstand verloren hat, ist - eine Fürstin Trubetzkoy.

Geistesabwesend streift sie vom Morgen bis zum Abend müden Schrittes durch jene einst ,,aristokratischen" Strassen, durch die sie früher in eigener zweispänniger Karosse einherkutschiert ist, von einem Fest zum ändern eilend.

Der Krieg hat in allen Ländern die Zahl der Notleidenden, der verschämten Armen und Bettler unglaublich vermehrt. Aber in keinem Lande der Welt ist die Zahl und das Elend dieser Unglücklichen so gross, wie in Russland.
Denn nirgends gingen die Wogen des Umsturzes so hoch wie hier. Nun beginnen sie sich zu glätten. Das Staatsschiff der Bolschewisten fährt auf verhältnismässig stillem Wasser dahin. Aber nun gewahrt man erst die wirklich erschreckend grosse Zahl der Schiffbrüchigen, die ringsumhcr dahintreiben - ins Ungewisse, hoffnungslos, ziellos.

Einst nannte man Indien das Land der Bettler. Und Reisende beschrieben, wie dort überall Dutzende, Hunderte von Bettlern sie bestürmten. Ich bin nie in Indien gewesen. Aber ich glaube, dass es in Moskau heute sicher mehr Bettler gibt als in Kalkutta. Da ist zunächst die Armee der Flüchtlinge aus dem Hungergebiet. Nur wer selbst in diesen vom schrecklichsten Menschenjammer betroffenen Gegenden gewesen ist und dort an der Wolga, am Ural alle diese halbnackten, halberfrorenen Gestalten mit eigenen Augen gesehen hat, kann mit sicherem Blick die wirklich Hungernden von den Verbrechertypen unterscheiden, die es verstehen, aus jenem Volksunglück ein Geschäft für sich zu machen.

Ach, reichlich die Hälfte der ,,Hungernden" auf den Strassen Moskaus sind leider wirklich Hungernde. Mit eingefallenen Wangen, zum Skelett abgemagert, die Haare verlaust und in Strähnen ins Gesicht fallend, am ganzen Körper zitternd und blaugefroren, winseln diese Erbarmungswürdigen an jeder Strassenecke, wälzen sich im Schnee und im Strassenschmutz oder fallen auch den Passanten unverhofft unmittelbar vor die Füsse. Diese wirklich Hungernden sind, im Gegensatz zu den anderen, die sich nur verstellen, nicht zudringlich. Sie revoltieren nie. Sind nur in alles ergebene, willenlose, schwache Geschöpfe.

Eine ganz andere Menschensorte sind die ,,professionellen Hungertypen". Wenn man einige Wochen in Moskau lebt, kennt man sie alle ,,persönlich". So wird jeder ,,europäisch" Gekleidete an der Petrowka sofort von einem schmutzigen, dreisten Frauenzimmer angesprochen und beharrlich eine längere Strecke Weges verfolgt. Seit Monaten surrt sie dasselbe Lied. "Ich verhungere, von der Wolga geflüchtet, fünf Kinder sterben zu Hause an Typhus" usw. Wehrt man sie ab und bedeutet ihr, dass man sie bereits kenne, so wird sie keinen Augenblick verlegen, sondern ruft wutschnaubend dem Fremden nach; "Ich sterbe und du elender Parasit lustwandelst. Die Tscheka soll dich holen, Verfluchter!"

Ein anderer bekannter Moskauer Bettler ist ein scheinbar halbidiotischer Mann, dem die rechte Hand fehlt. Zur Förderung des Geschäftes hat er den unsauberen, ekelerregenden Stumpf entblösst und hält ihn mit der Linken, dabei laut schreiend, allen Passanten vors Antlitz. Eilig durchfliegt er die Stadt, und man kann ihm im Laufe eines Vormittags, auf geschäftlichen Gängen wohl zwanzigmal in den verschiedensten Stadtteilen begegnen.

Diese Bettler sind ungewöhnlich zudringlich. Sie laufen überall den Passanten nach. Sie springen sogar mitunter auf die Trittbretter vorüberfahrender Droschken und lassen nicht locker. Es ist eine entsetzliche Plage, eine förmliche Belagerung. Ueberall wird man von Bettlern am Aermel gezupft, und ehe man sichs versieht, ist man bestohlen. Da die Ausländer nicht so freigebig mit Millionen um sich werfen wie der Russe (der sie druckt), sind die Fremden bei den Bettlern nicht sehr gut angeschrieben.

Ein Freund von mir wurde einmal von zwei ,,gänzlich Erblindeten" um ein Almosen gebeten. Als er aber, ohne darauf zu reagieren, vorüberging, hörte er, wie der eine "Blinde" zum anderen mit philosophischer Ruhe bemerkte;
"Das ist ein Ausländer, Die geben nichts, sie wollen sich hier selbst etwas holen".

Und dann die bettelnden Kinder. Eine Armee von fast 15000 vagabundierenden Kindern bettelt, stiehlt und irrt ständig auf allen Strassen und Bahnhöfen Moskaus umher. Aus allen Enden Russlands kommen sie herbeigeströmt. Vater und Mutter sind gestorben, verhungert. Oft waren diese Kinder monatelang unterwegs, - bis sie endlich Moskau erreichten. Viele kommen unterwegs buchstäblich unter die Räder der Eisenbahnzüge. Die anderen kommen in Moskau, in der Grosstadt unter die Räder des Lebens. Vierzehnjährige Knaben morden, stehlen und rauben.

Zwölfjährige Mädchen werden zu Prostituierten, leben von Kokain und Schnaps und betteln. Die Sowjetregierung hat Dutzende von Asylen eröffnet. Aber sie ist gegen das Kinderelend so gut wie machtlos. Ein Sturm hat diese Millionen von kleinen hilflosen Schiffbrüchigen über Bord geworfen, ein Sturm, der mächtiger war als die Kräfte derer, die ihn entfesselten, ohne alle furchtbaren Folgen ihres Handelns vorauszuahnen.

Moskau - die Stadt der Bettler. Bettelnde Hunger-Flüchtlinge, bettelnde Verbrecher, bettelnde Mönche, bettelnde Kinder. Zu all diesen Menschen, denen das Leben arg, allzu grausam mitgespielt hat, gehört aber noch als letzte Kategorie - die halbvernichtete, "noch nicht zu Ende geschlachtete" Bourgeoisie, der völlig an den Bettelstab gebrachte Teil der russischen Intelligenz. Ich würde sie die ,,Bettler, die nicht betteln", nennen. Es wäre ein hoffnungsloses Beginnen, wollte man der russischen Intelligenz ein Loblied singen. Sie hat kläglich versagt. Aber - es muss einmal ausgesprochen werden - sie trägt tapfer ihr Kreuz. Sie arbeitet nach Kräften und bestem Wissen, Sie bettelt nicht.

Bei einem deutschen Freunde, der geschäftlich in Moskau weilt, scheuert das Zimmermädchen den Fussbodcn. Als ich ins Zimmer trete, höre ich, wie er, der kein Russisch versteht, sich mit der bäuerisch gekleideten Scheuerfrau, die kniend buchstäblich im Schweisse ihres Angesichts arbeitet, in französischer Sprache unterhält. Auf meine erstaunte Frage erfahre ich dann, dass das Zimmermädchen eine Gräfin B. ist, deren Mann, ein Gardeoffizicr, im Bürgerkrieg gefallen war. Da sie kein Deutsch sprach, unterhielten sich die beiden französisch,

Ueberhaupt kommen die Sprachkenntnissc den Letzten aus den Reihen der russischen Bourgeoisie oft zustatten. Ein zerlumptes Bettelweib kam einst zu mir ins Bureau und bot sich als Uebersetzerin für englische und französische Arbeiten an. "Ich schreibe auch einen sehr guten Stil", bemerkte sie dabei nicht ohne Stolz, "ich habe meinem Gatten, als er noch Botschafter war, stets bei seinen Arbeiten geholfen." Sie log nicht. Es war die Witwe des verstorbenen Barons B. G., der vor dem Kriege russischer Botschafter an einem der europäischen Höfe war. Die jetzige Bettlerin war als Kammerfräulein der Zarin-Mutter einst eine der gefeiertsten Erscheinungen der Petersburger Hofgesellschaft.

In dem Moskauer Hotel "Savoy", dem Wohnort der ausländischen Journalisten, erschien täglich ein Makler, der Theaterbillette, Schnaps, Pelzwerk und allerlei andere Dinge offerierte. Mit den Engländern und Amerikanern sprach er dabei englisch, mit den Deutschen und Skandinaviern deutsch, mit den Franzosen und Italienern französisch. Nach Belieben. Er war in einen schäbigen, alten Generalsrock gekleidet und hatte abgetragene Lackschuhe an. In der ganzen Erscheinung dieselbe erschütternd-tragische Lächerlichkeit, wie sie all diesen zertrümmerten Existenzen eigen ist.

Dieser Mann stand immer stramm wie ein Soldat an der Tür, er wagte sich nie richtig herein und trug ein sonderbares, halb devotes, halb würdevolles Wesen zur Schau. Wie es sich nachher herausstellte, war es der General N., der noch während des Krieges eine Kavalleriebrigade befehligt hatte. Armer Mann! Um zu dieser Stufe menschlichen Daseins herabzusinken, hat er es wahrlich nicht nötig gehabt, für die "Befreiung Russlands vom deutschen Joch" zu kämpfen.

Es gibt übrigens einen Ort in Moskau, wo man gar keine Bettler sieht. Dieser Ort ist - der Kreml. Weil das Betreten des Kreml nur mit einem besonderen Ausweis gestattet ist. Sogar die Bettelmönche haben hier keinen Zutritt. All die ehrwürdigen alten Kirchen des Kreml sind von den Bolschewisten fest verschlossen worden. Im Kreml wird nicht gebetet, "Religion bedeutet Opium für das Volk". Im Kreml wird gearbeitet, Tag und Nacht. Von hier aus wird das Staatsschiff Russlands geleitet. Da hat man keine Zeit, sich um die paar tausend Schiffbrüchigen zu kümmern, die ringsumher ihrem völligen Verderben entgegentreiben."


Eine Art „Ventilfunktion" kann man auch in der nachfolgenden Leserfrage sehen, welches das Schweizer „Goldene Zeitalter" in seiner Ausgabe vom 15. 3. 1924 veröffentlichte. Das GZ schreibt dazu:

„In längeren Ausführungen, die auf die ungerechten Zustände dieser Welt aufmerksam machen, fragt uns ein Abonnent, warum wir den Kommunismus bekämpfen."

In der Antwort darauf wird dann vom GZ ausgeführt:
„Unsere Sympathie gehört, wie die Ihrige, den Armen und den Bedrückten dieser Welt. Wenn wir dessen ungeachtet den Kommunismus nicht gutheissen, so geschieht es darum, weil er wie ein Feuerbrand nur vermehrte Unruhe stiftet Es ist leicht, uns und andere unzufrieden zu machen. Alle Bestrebungen aber, die nicht imstande sind, die Verhältnisse durchgreifend zu bessern, die nicht Gewähr bieten, die gegenwärtigen Wirrnisse zu beheben, sollten besser unterbleiben. Russland bietet ein Beispiel dafür, dass das Volk unter solchen Experimenten ungeheuer zu leiden hat, ohne dass ein befriedigendes Resultat erzielt worden ist.

Auch die Aufrichtigen unter den Kommunistenführern werden zur Erkenntnis kommen müssen, dass es ausserhalb menschlicher Macht liegt, alle sozialen, physischen und moralischen Unvollkommenheiten zu beseitigen, die uns umgeben. Die Bestechlichkeit der öffentlichen Verwaltungen, das Anwachsen der Macht von Konzernen und Trusts, die Gewalttätigkeit gewisser Volksschichten, überhaupt alle Uebel, die das öffentliche und private Leben vergiften, liegen in der unvollkommenen moralischen Natur, in der unvollkommenen Geistesverfassung der Menschen im Allgemeinen begründet. Die Verdorbenheit beschränkt sich nicht auf einzelne Volksklassen.

Auch Regimewechsel vermag daran nichts zu ändern, denn überall drängen sich jene Elemente in den Vordergrund, die darauf ausgehen, die Ehrlichen auszunützen und aus allen Dingen Kapital zu schlagen, wenn es ihnen gelingt, auf angängige, sonst aber auf unehrliche Weise.
Nur eine der Welt überlegene Macht, die Böses unverzüglich bestraft und Gutes belohnt, vermag Wandlung zu schatten, d. h. gerecht zu regieren. Eine Macht, die nicht nach dem Hören des Ohres und Sehen des Auges urteilt, sondern den Menschen auf den Grund des Herzens zu blicken vermag.

Sicherlich ist zu keiner Zeit Reichtum so sehr missbraucht worden, wie in unserer Zeit, sodass an eine Versöhnung der widerstrebenden Elemente gar nicht zu denken ist. Wenn aber, wie es heute geschieht, eine grosse Klasse von Reichen sich über die allgemein gültigen Regeln der Ehrbarkeit hinwegsetzt, so zeigt das, dass diesen an einer Verständigung überhaupt nicht gelegen ist, und sie haben sich die Suppe selber eingebrockt, wenn das Proletariat seinerseits mit Gewalt die Gesetze des Landes durchbricht und seine und die Existenz seiner Arbeitgeber zerstört.

Trotzdem aber möchten wir alle davor warnen, diesen Zustand herbeizuführen, denn das Beschreiten dieses Weges bringt der Welt unbeschreibliche Drangsal. Für uns kann einzig und allein der Standpunkt der Bibel, d. i. der Standpunkt Gottes massgebend sein. Die Bibel aber weist zur Erlangung der Gerechtigkeit einen ändern Weg, als denjenigen der Gewalt."


Flankierend sei vielleicht auch noch jener Artikel zitiert aus der Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 3. 1924, überschrieben:
„Das Elend arbeitender Kinder in Amerika".
In ihm war zu lesen:


„Im vorigen Jahre feierte man den hundertjährigen Gedenktag an die Gründung der ersten Organisation arbeitender Frauen, der Scheiderinnen New Yorks. Viele tausend Frauen sind seitdem in die Reihen der Arbeiter getreten, und neben ihrer Zahl wächst in vielen Ländern die Zahl der arbeitenden Kinder.

In Missisippi arbeitet mehr als der vierte Teil der Kinder im Alter von zehn bis vierzehn Jahren beruflich. In Rhode Island muß ein Achtel der Kinder des Landes arbeiten. In Kalifornien, Washington und Oregon dagegen nur drei Prozent. Aber in den Vereinigten Staaten insgesamt arbeiten mehr als eine Million Kinder für Geld. Der Kongreß hat zweimal versucht diese Kinderarbeit zu verhindern, aber in beiden Fällen hielt der Oberste Gerichtshof ein solches Gesetz nicht für verfassungsgemäß.

Seit der letzten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, daß der Kongreß kein Recht habe, Kinderarbeit zu verbieten oder einzuschränken, hat die Sklaverei der amerikanischen Kinder bedenklich zugenommen. Vor kurzem erfuhr das Arbeiter-Department, daß in Newark und Jersey-City Tausende von Kindern unter den ungünstigsten Verhältnissen Lasten von Arbeit zu bewältigen haben. In Waterbury, Connecticut, sind infolge dieser Gesetze achtmal soviel Kinder an der Arbeit als im vorigen Jahr. Unter den arbeitenden Kindern ist Tuberkulose allgemein verbreitet.

Als eine traurige Folge dieser unglücklichen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes fand man in Jersey ein schwächliches kleines Mädchen von 10 Jahren tuberkulös, welches einen bestimmten Fabrikationsteil für sprechende Puppen machte und außerordentlich bei der Arbeit überanstrengt war. Es war vor kurzem operiert worden, weil es bei der Arbeit eine Nadel verschluckt hatte. Eine häufige Arbeit für die Kleinen ist auch die Herstellung von Rosenkränzen. Kann man unter solchen Umständen nicht richtiger von einer 'grausamen Maria' anstatt von einer 'heiligen Maria' sprechen? Der Arbeitslohn beträgt vier bis zehn Cents für die Stunde. So können sich die Kleinen mit ihrer Tagesarbeit kaum eine Mahlzeit verdienen.

1350 Kinder arbeiten in den Krebskonservenfabriken an der Golfküste. Die Hände dieser Kinder sind vollständig aufgerissen und wund von der Krebssäure und den Stacheln der Krebsscheren, womit sie sich verletzen. Ein kleines Mädchen berichtete, daß es jede Woche für 25 Cents Alaun verbraucht, um seine Hände wenigstens in einem solchen Zustande zu erhalten, daß es weiterarbeiten kann. In den Rübenfeldern von Michigan und Colorado sind die Kinder so überanstrengt, daß sie weinen und jammern und nicht zu essen vermögen.

Wenn wir neben all diesen in Berufsarbeit frühzeitig dahinwelkenden Kindern noch an jene unzähligen denken, die in ungesunden Wohnungen weit über ihre schwachen Kräfte hinaus Hausarbeit verrichten müssen, während ihre Eltern zur Arbeit ausgehen, so lernen wir so recht die Mühsal verstehen ..."

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Siehe auch: Medizinische Okkultisten wo bezüglich des nachfolgend genannten "Dr. Abrams" eine Zusammenfassung erfolgte

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 18. Oktober 2008 06:54
Beginnend mit der Berner Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 10 1923 (Magdeburg 1. 11. 1923), und über (mit Aussetzer) etliche Fortsetzungen (Berner Ausgabe bis zum 15. 2. 1924; Ausgabe Magdeburg 15. 3. 1924) sich erstreckend, beginnt eine Artikelserie mit der Überschrift: „Dr. Abrams und die Elektronen-Theorie".
An Superlativen in diesem Artikel mangelt es sicherlich nicht. Schon der hinzugefügte Untertitel macht das deutlich:


„Mit besonderer Autorisation für die Veröffentlichung im 'Goldenen Zeitalter'
- Alleiniges Verlagsrecht für Europa."


Was die GZ-Redaktion damit „rüberbringen" wollte, macht auch das von ihr angefügte redaktionelle Nachwort deutlich:

„Der geschätzte Leser des ,,Goldenen Zeitalters", der verstanden hat, dass wir nun in der Zeit leben, von der die Propheten Gottes vor alters redeten, dass beim Anbruch des Goldenen Zeitalters die Erkenntnis sich unerwarteter Weise mehren wird, werden sich mit uns freuen, auch in der Abramschen Entdeckung einen weiteren Zeitbeweis zu finden. Diese Enthüllungen Abrams sind natürlich nur ein Glied an der ganzen Beweiskette. Wer könnte aber leugnen, dass die Erkenntnis auf allen Gebieten des Wissens sich fast täglich mehrt, und in dieser Tatsache liegt ein sehr starker Beweis, dass die Zeit der Einführung des Goldenen Zeitalters nahe vor der Türe sein muss. Fassen wir erst die vielen Geschehnisse und Zeitbeweise zusammen, die Gottes Wort uns gibt auf allen anderen Gebieten, so entsteht dadurch eine lückenlose Beweiskette, der sich kein logisch denkender Mensch auf die Dauer verschliessen kann."

Nimmt man nun die Suchfunktion etwa von Google als Hilfestellung, gewinnt man schon erstaunlich zu nennende Ergebnisse. Jener Dr. Abrams ist in der Tat nachweisbar. Mehr noch. Etwa die „Wikipedia" widmet ihm gar einen eigenen Artikel. Da sein System vor Weiterentwicklungen nicht verschont blieb, findet man diesem Artikel unter dem Stichwort „Radionik"

http://de.wikipedia.org/wiki/Radionik

Noch erstaunlicher, was man dort inhaltlich mitgeteilt bekommt. Unter anderem dieses: (Nachfolgend zitiert wird eine frühere Variante des Wikipedia-Textes)

Radionik ist eine alternative Heilmethode. Sie besteht aus einer so genannten energetischen Analyse des Erkrankten und der anschließenden Therapie.
Die Radionik wurde von dem Pathologen Albert Abrams (1863-1924) um 1920 in den USA begründet, damals noch unter dem Kürzel ERA (Electronic Reaction of Abrams). Der Begriff Radionik entstand durch die Annahme (so der Autor Edward Russell), dass Radiowellen Träger von aufmodulierten Heilinformationen seien. Der englische Begriff 'radionics' wurde eingedeutscht. Als man später erkannte, dass Radiowellen keine Rolle spielten, war der Begriff bereits etabliert.

Radiästhesie und Radionik gehen wie zahlreiche ähnliche Systeme der Komplementärmedizin (siehe auch: Bioresonanz, Geistiges Heilen, Reiki) von der Existenz einer Aura um den menschlichen Körper aus, die je nach Quelle als "Bioenergie", Chakra, "Schwingungen" oder "Information" bezeichnet wird ... Diese Aura sei bei Kranken gestört, was der Therapeut fühlen könne (Radiästhesie). Krankheit entstehe zunächst auf einer energetischen Ebene und könne so schon nachgewiesen werden, bevor sie Symptome hervorrufe. ...

In der Radionik spielt eine spezielle Diagnostik anhand von Proben des Patienten eine große Rolle. Der Therapeut legt eine Speichelprobe, Haare oder lediglich ein Foto des Patienten in eine Apparatur und bestimmt dann "verstimmte" Frequenzen. Zur Heilung werden dann korrigierende Frequenzen eingestrahlt. Das soll auch in Abwesenheit des Patienten, selbst Jahre später funktionieren.
Für die Diagnose und für die Therapie gibt es mittlerweile PC-Software. Jeder Computer kann dann nach Ansicht der Radionik-Vertreter Krankheiten anhand des pathologischen Zustandes der morphogenetischen Strahlung ohne weitere Hardware-Komponenten erkennen. Diagnosen wie etwa Gebärmutterkrebs bei einem männlichen Patienten, werden mit einer charmischen Belastung des Patienten aus einem früheren Leben begründet. Blutstropfen auf einem Aluminiumplättchen, welches an den Kopfhörerausgang des entsprechenden Computers angeschlossen ist, soll die Diagnosegenauigkeit erhöhen

Erklärungsmodelle liefert die Radionik nicht, vielmehr wird in den wenigen theoretischen Abhandlungen eine ganzheitliche Vereinheitlichung von Biologie, Quantenphysik, Chaostheorie etc. behauptet. In der klassischen Radionik gibt es jedoch auch spirituelle Erklärungsmodelle.
Geräte und Fernheilungen werden auch im Internet vertrieben. Radionik ist in Deutschland nur wenig verbreitet. Sie wird bei jeder beliebigen Erkrankung eingesetzt, insbesondere gegen Krebs, Rheuma und Herzerkrankungen. Darunter fallen auch Krankheitsbilder, die in der evidenzbasierten Medizin unbekannt sind und im Widerspruch zu grundlegenden Erkenntnissen über die menschliche Physiologie stehen (vgl. „Wasserallergie"). Die Therapeuten in der Radionik werden von wissenschaftlicher Seite als Quacksalber angesehen.
Der Skeptical Inquirer veröffentlichte 2002 einen Artikel über Abrams und die Radionik unter dem Titel 'The king of quacks'."


Nun interessiert es natürlich, was das „Goldene Zeitalter" über diesen „König der Quacksalber" zu berichten weiß. In der genannten Ausgabe unter anderem dieses:

"Dr. Albert Abrams von St. Franzisko, ein Pionier auf diesem Forschungsfeld, machte Entdeckungen von solcher Tragweite, daß sie unbedingt weitesten Volkskreisen zugänglich gemacht werden müssen.
Dr. Fr. A. Cave, M. D. D. O., Vorsteher des Physikalischen Instituts in Boston, Mass., hat in dankenswerter Weise die kritische Nachprüfung dieser volkstümlichen Ausgabe vor der Drucklegung übernommen.

Die neue Wissenschaft der Elektronenstruktur der Materie bewirkte auf nahezu jedem Wissensgebiet eine völlige Umwälzung bestehender Begriffe. Selbst das große fruchtbare Arbeitsfeld der praktischen Heilkunde macht dabei keine Ausnahme. Es darf deshalb nicht verwundern, daß insonderheit die amerikanische Presse sich eingehend mit Dr. Abrams neuer Theorie und ihrer Anwendung bei der Diagnose befaßt.

Dr. Albert Abrams, M. D., LLD., F. R. M. S., ist heute etwa 60 Jahre alt. Mit neunzehn Jahren bezog er die Universität zu Heidelberg und später absolvierte er noch einige Semester in London, Berlin, Paris und Wien, Bald nach seiner Rückkehr in seine Heimat galt er in medizinischen Kreisen des westlichen Amerikas als eine Autorität. Als Sechsundzwanzigjähriger wurde er schon zum Vice-Präsidenten der Medizinischen Gesellschaft des Staates Kalifornien gewählt und nahm eine Professur der medizinischen Fakultät der Leiland Stanford Universität an. Mit dreißig Jahren wurde er Präsident der Emanuel Poliklinik.

In diese Zeit fallen verschiedene seiner medizinischen Entdeckungen und entstanden mehrere Bücher über Krankheit und Diagnose. Aber seine letzte Erfindung war von solch umfassender Natur, daß er, wie er selbst erklärte, dieselbe lange Zeit, aus Furcht kein Gehör zu finden, vor seinen Kollegen geheim hielt. ...

Das Organ der Medizinischen Gesellschaft spottete unverhohlen über die neue Heilmethode, indem es Dr. Abrams den "König der Quacksalber" nannte.

... Bemühungen ist es zu verdanken, daß schließlich doch Dr. Abrams Entdeckungen als eine der größten Errungenschaften des Jahrhunderts geoffenbart wurde."


Auf welcher Seite das GZ in diesem Streit steht, macht es auch gleich deutlich, indem es diesen „berühmten Doktor" mit einer Illustration vorstellt.

http://www.manfred-gebhard.de/Abrams.jpg

Aber am Interessantesten ist dann vielleicht noch, wie dieser Dr. Abrams in der Praxis vorging. Ein Blutstropfen allein reichte ihm offenbar schon aus. Dazu berichtet das GZ:

„Er ging in seiner Behauptung sogar noch viel weiter und erklärte, daß seine neuen Apparate ihm gestatten, den Schleier noch mehr zu lüften und daß er damit aus dem untersuchten Blutstropfen auch genau feststellen kann, ob es sich bei der erkannten Krankheit um Vererbung oder um andere Ursachen handelt.

Selbst Geschlecht und Völkerschlag verraten diese Blutproben. Ungläubigen, die bezweifeln, daß das Blut derartige Enthüllungen gestatte, erwidert Dr. Abrams ungefähr folgendes:

Ein Mineraloge braucht, um die Natur des Produktes festzustellen, nicht erst ein ganzes Bergwerk zu untersuchen. Eine kleine Probe des betreffenden Gesteins genügt ihm. Ebenso genügt ein Blutstropfen, um das Ganze zu beurteilen, denn dieser Blutstropfen mit seinen Billionen Elektronen stellt nur eine Verdichtung der unzähligen Vibrationen des Gesamtorganismus dar."


Der Blutstropfen hatte es dem GZ-Artikelschreiber im besonderen angetan, den nun schwebt er „auf Wolke sieben":

„Wenn ein Tropfen Blut daher solche Dinge zu offenbaren vermag, so verstehen wir auch die erhabene Philosophie und ungeahnte tiefe Bedeutung des Wortes, das sich im dritten Buch Moses aufgezeichnet findet: "Das Leben ist im Blut".

Bei dieser Methode ist die Gegenwart des Patienten zur Feststellung der Krankheit also überflüssig. Er kann Tausende von Meilen von seinem Diagnostiker (Krankheitsbestimmer) entfernt sein; alles was er dabei zu tun hat, ist die Sendung einer Blutprobe in die Klinik. Das Eintrocknen des Blutes auf dem Wege zum Arzt ändert nichts an der Sache, denn die Atome sind im trockenen wie im flüssigen Zustande vorhanden und die Krankheit, die auf die elektronischen Bewegungen einwirkte, beeinflußt dieselben gleicherweise auch in diesem Zustand. Dies gestattet somit, die Diagnose ebensogut an einer jahrealten Blutprobe vorzunehmen, wie an einem eben dem Körper entnommenen Bluttropfen. ...

Das vielseitige Ausfragen des Patienten über Beschwerden und Symptome durch den Arzt und die oft irreführenden Antworten des Patienten fallen ebenfalls weg, weil der Bluttropfen zuverlässigere Auskunft erteilt."


Und auch das meint das GZ zu wissen:
„Es werden wunderbare Heilerfolge gemeldet."

Bemerkenswert auch der Nachsatz der GZ-Redaktion (Schweizer Ausgabe vom 15. 2. 1924; Ausgabe Magdeburg 15. 3. 1924)

„Auf verschiedene Anfragen hin, ob Blutproben eingesandt werden können, hat sich die Redaktion des ,,G. Z." in Amerika erkundigt. Die Antwort lautet dahingehend, dass allerdings Blutproben gemacht werden können, dass aber die Vornahme derselben keinen praktischen Zweck hat, so lange dem Betreffenden kein Apparat zur entsprechenden Behandlung zur Verfügung steht."

A ja. Nun weis man's. „Realisieren" lässt sich das ganze nur - getreu Scientology aus der Neuzeit mit ihrem „E-Meter" - wenn die „Beherrscher" dieser „Erkenntnisse" dabei auch ihr Geschäft machen können. An Hintertürchen mangelt es also nicht!

An Details sei noch aus den Fortsetzungsserien zitiert
(GZ Ausgabe Bern, 1. 11. 1923; Ausgabe Magdeburg 15. 11. 1923). Zum Beispiel dies:
„Die Versuchsperson muß, wie die Illustration ... zeigt, den Oberkörper entblößen und mit nach Westen gewandtem Angesicht auf zwei Zinkplatten stehen, die mit der Decke und mit dem Boden durch einen Draht verbunden sind. Es mag noch erwähnt werden, daß die Bodenverbindung dadurch hergestellt wird, daß der Draht in ein Dampfrohr gelötet ist. Dieses Dampfrohrsystem befindet sich durch den Kellerraum in Verbindung mit der Erde und stellt daher einen vollständigen Bodenkontakt her. In technischer Weise ausgedrückt, sind somit der Dynamizer und die Versuchsperson "geerdet".

„Interessant" auch die Angabe:
„Diese Versuchsperson ist sonderbarerweise nicht etwa der Patient selber, obwohl das keinesfalls ausschließt, daß auch der Patient gelegentlich dieses Amt übernimmt. Irgend eine Person kann als Versuchsobjekt verwendet werden."

Und in einer einzigen der vorbeschriebenen Prozedur würden zugleich „mehrere Dutzend verschiedene Blutproben zur Untersuchung gelangen".

Das muss man sich mal rekapitulieren. Diese Blutproben sind zudem noch anonymisiert. Das Personal des „Arztes" führt zwar Buch darüber, welche Blutprobe welcher Person gehört, um sie mit dem „Resultat" dann noch „beglücken" zu können. Indes weis der „Wunderdoktor" bei seiner „Untersuchung" nicht, welche Blutprobe, welcher Person zuzuordnen sei!

„Der als Versuchsperson verwendete Mann teilt mir ferner noch mit, daß er die Reaktionen in seinem Leib früher fühle, als der Arzt dieselben durch Abklopfen festzustellen vermag. Seine Nerven reagieren ganz automatisch auf die verschiedenen Geschwindigkeitsgrade der Schwingungen, wie dieselben eben durch den Rheostat hervorgerufen werden"

Und weiter:
„Vor kurzem kündigte nun Dr. Abrams an, er habe endlich einen Apparat, den er "Oszillophon" nennt, erfunden, der die Versuchsperson vollständig ersetze. Er behauptet, dieses Instrument besitze eine ebenso große Empfindlichkeit wie das menschliche Nervensystem, um die Reaktionen auf mechanischem Wege genau anzeigen zu können."

Angesichts der aktenkundigen Impfgegnerschaft der frühen Bibelforscher ist auch ein Satz charakteristisch wie der:
„Dr. Abrams behauptet, Syphilis bilde die allgemeine Basis für alle übrigen Krankheiten und nahezu jeder Mensch sei mehr oder weniger mit diesen Krankheitskeimen behaftet, entweder infolge Vererbung, oder durch eigene Erwerbung. Er behauptet dieser Krankheitskeim werde häufig durch Impfung erzeugt. Diese Art der Krankheit bezeichnet er als "Rinder-Syphilis". Syphilitische Reaktionen können von Impfwunden herrühren. Die gleichen Reaktionen können durch "reinen", in den Dynamizer gebrachten Impfstoff, hervorgerufen werden. Dr. Abrams erklärt deshalb, der Impfstoff müsse zuvor gereinigt werden und dies könne geschehen, indem derselbe für einige Minuten einer Bestrahlung mit blauem und dann mit gelbem Licht ausgesetzt wird, da die Vibrationskraft dieser Strahlen auf die dem Rinderimpfstoff anhaftende syphilitische oder tuberkulöse Disposition zerstörend einwirkt."

Wie kaum anders zu erwarten, hat auch dieser „Wunderdoktor" sich sein berühmt-berüchtigtes „Hintertürchen" in seine Theorie eingebaut. Dafür steht dann auch solch ein Satz wie der:

„Diese Elektronen-Diagnose erfordert natürlich große Sorgfalt und ein reiches Maß von Geschicklichkeit. Wenn der Diagnostiker zum Beispiel beim Abklopfen irgend eine Stelle des Unterleibes aus Versehen übergehen würde, so könnte dies leicht gerade diejenige sein, die das erkrankte Organ anzeigt; und diese Nachlässigkeit würde zu einer unzulänglichen Diagnose über den Zustand des Patienten führen. Der Arzt darf auch nicht vergessen, den Dynamizer mit dem Hufeisenmagnet zur Zerstörung aller radioaktiven Kräfte der vorangehenden Blutprobe zu entmagnetisieren und 48 Stunden vor dem Blutentzug sollen keine Arzneimittel eingenommen werden, da diese als ein störendes Moment die Genauigkeit der Diagnose beeinflussen. ...
Zuweilen verhindert schon ein überfüllter Magen die Beobachtung von Reaktionen durch Abklopfen oder andere Methoden. Mancherlei Ursachen können die Untersuchung beeinträchtigen."


Ein „Wunderdoktor" begnügt sich selbstredend nicht nur mit einem. Nein, wenn schon denn schon. Dann sollen es auch gleich mehrere „Wunder" sein. Dafür spricht auch die Angabe im GZ (Ausgabe Bern vom 15. 11. 1923; Ausgabe Magdeburg vom 15. 12. 1923):

„Somit ist das Blut nicht das einzige Mittel zur Feststellung der Krankheit. Auch Fleisch- oder Gewebeteilchen vom Körper des Patienten leisten den gleichen Dienst wie das Blut, jedoch ist eine Blutprobe am leichtesten zu bewerkstelligen.
Dr. Abrams erklärt, er habe den Staub von über 3000 Jahre allen Mumien in dieser Weise untersucht und dabei noch krankhafte Reaktionen konstatieren können."


Angesichts solcher Aussagen fragt man sich, warum wohl die „Schulmedizin" nicht zum „alten Eisen" gelegt wird; weis das GZ doch auch zu berichten:

„Ebenso wird behauptet, daß man mittels des Dynamizers das Geschlecht eines noch ungeborenen Kindes und die Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Verdachtes der Vaterschaft festzustellen vermag."

Was den Vaterschaftstest anbelangt, soll ja die Schulmedizin wohl auch mit Blutuntersuchungen arbeiten. Allerdings doch wohl ohne den „Dynamizers" des Wunderdoktors.

Die neuere Technik, Satellitengestützt, Autofahrer werden es vielleicht wissen, ermöglicht Navigationssysteme. Offenbar hätte man sich den dazu notwendigen Aufwand ersparen können; denn auch das soll ja dieser Wunderdoktor bereits gekonnt haben, zumindest in den Augen seiner gläubigen Jünger. Da auch das GZ zu letzterer Kategorie zählt, ist es für selbiges eine Ehrenpflicht, auch darüber zu unterrichten.


Zitat:
„Ein weiterer Nutzen der Apparate Dr. Abrams ist, daß man mittels derselben den Aufenthaltsort einer Person annähernd bestimmen kann. Zu diesem Zweck wird zunächst die Vibrationsgeschwindigkeit der zu suchenden Person, vermittelst der Handschrift oder einer Blutprobe, bestimmt. Dann wird die damit übereinstimmende und fortgesetzt ausstrahlende Energie des betreffenden Individuums vom Dynamizer aufgenommen und speziell angebrachte Hilfsapparate übernehmen gleichsam wie eine Empfangsstation der Funkentelegraphie die Funktionen als Empfänger."

Zum Ausklang der GZ-Artikelserie wird auf die Entdeckung der Röntgenstrahlen und der Radioaktivität hingewiesen. Und man meint, dass der fragliche Wunderdoktor ähnlich einzuordnen sei.

Es ist aber immer noch so, dass neuere technische oder medizinische Innovationen, theoretisch begründbar und durch Experimente verifizierbar und wiederholbar sind. Diesem strengen Maßstab indes entspricht dieser Dr. Abrams nicht.

Mag man auch ein gewisses Nachsehen für die zeitgenössische Euphorie, zu deren Multiplikator sich auch das „Goldene Zeitalter" machte haben, bleibt aus der rückschauenden Sicht dennoch der relevante Vorwurf bestehen, es letztendlich mit einem „König der Quacksalber" zu tun gehabt zu haben, und dass dessen Selbstdarstellungstribüne eben auch die Zeitschrift „Das Goldene Zeitalter" war.

Angesichts all dessen ist es wohl eine „Nebensächlichkeit" wenn in einem Überblicksartikel von Ingo Heinemann. Siehe dazu:
http://www.agpf.de/Zahlen.htm

sich auch die Angabe findet:

„Prächtig verdient wird ferner am Verkauf von allerlei Gegenständen und Geräten, mit denen 'geistige' Heileffekte angeblich noch verstärkt werden können: von Edelsteinen, Mineralien, Amuletten über Energiepyramiden und Organstrahlern bis hin zu den mehrere tausend Euro teuren Radionik-Vorrichtungen."

Dafür steht dann auch die Angabe im „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe Bern) vom 1. 7. 1925:
„Die Kosten einer Blutdiagnose und der erforderlichen zwei- oder dreimonatlichen Behandlung belaufen sich so hoch, daß sie die Mittel des Durchschnittes der Menschheit weit überschreiten und für Arme ganz unerschwinglich sind."

Offenbar nur die deutsche Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 2. 1924 (nicht aber die Schweizer Ausgabe), sah sich zur Aufnahme der nachfolgenden Entgegnung genötigt:

„Durch die Zeitungen verschiedenster Richtungen unseres Landes geht augenblicklich eine Notiz, welche behauptet, daß die im Goldenen Zeitalter behandelte Dr. Abramsche Elektronen-Theorie ein sogenannter großer ärztlicher Schwindel sei. Verschiedene Leser des G. Z. bitten uns dazu Stellung zu nehmen.
Dem aufmerksamen Leser dieser Zeitungsartikel wird sofort auffällig werden, daß in dem Artikel gesagt wird, daß die Erfindung selbst ein Gegenstand erbitterter Kämpfe innerhalb der Ärzteschaft gewesen ist. Wenn die Erfindung ein großer Schwindel ist, dann braucht sie nicht Gegenstand erbitterter Kämpfe unter der Ärzteschaft gewesen zu sein, sondern wäre als 'erwiesener Schwindel' sofort erledigt; es zeigt sich hier vielmehr, daß, wie es bei jeder Neuerung der Fall ist - man braucht nur an die großen Kämpfe zu denken, die der Einsteinschen Theorie entgegengetreten sind - auch hier ist. Irgendwelche interessierten Kreise befürchten einfach, daß, wenn diese Abramsche Elektronen-Theorie Eingang im Volke findet, dies unbedingt den Stand der Zahl ihrer Patienten und den Fortgang ihrer Praxis beeinträchtigen werde. Daraus erklärt sich dann die große Gegnerschaft und das Bemühen, eine Idee und ein Unternehmen, das segensreich ist, auf jede Art und Weise zu verdächtigen und möglichst lächerlich zu machen.

Auffällig ist auch der Schluß des Artikels in welchem es heißt, daß Dr. Abram sich zurückgezogen habe, um in Ruhe die Früchte seiner Erfindung zu genießen. Wenn die Sache ein großer ärztlicher Schwindel wäre, dann würde unbedingt die Behörde eingreifen und ihn in Haft gesetzt haben, sodaß er also nicht 'in Ruhe die Früchte seiner Erfindung genießen' könnte. Wenn er aber, wie diese Notiz sagt, in Ruhe die 'Früchte seiner Erfindung' genießt, dann bedeutet dies, daß es wirklich eine Erfindung ist, die Früchte bringt. Vielleicht handelt es sich übrigens bei diesen ganzen Notizen, die augenblicklich durch die Zeitungen schwirren, um nichts weiter als um ein Unternehmen der Gegner des Goldenen Zeitalters, die den im Goldenen Zeitalter behandelten Stoff lächerlich machen wollen, um auf diese durchsichtige Art und Weise die Verbreitung des Goldenen Zeitalters, die einen immer weiteren Umfang annimmt, zu hindern und zu beeinträchtigen.

Aus Amerika selbst ist uns nichts bekannt geworden in dem Sinne besprochener Notiz. Die nächste Zeit wird gewiß wunderbare Errungenschaften für die gesamte Menschheit bringen, die noch viel weiter gehen als die in dem Artikel 'Elektronen-Theorie' sich eröffnenden Aussichten."


Noch in der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 5. 1925 wird dieser Dr. Abrams mit der Aussage bejubelt:
„Dr. Abrams war tatsächlich der erste, der diese Theorie durch ein mechanisches Instrument bewies. Dadurch werden auch die bisherigen Geheimnisse der sogenannten geistigen Telepathie (des Gedankenübertragens) und des Gedankenlesens aufgeklärt. Personen in sehr regem und starkem Geiste können ihren Geist auf die Schwingungen Anderer einstellen oder deren Gedanken fühlen."

Aber meint das GZ weiter:
„Es ist jedoch gefährlich, solche Versuche auszuführen, weil wir uns vor den giftigen Pfeilen des Bösen hüten müssen, vor dem gefährlichen Einfluß hypnotischen und spiritistischen Kultus."

Und als Vergleich wird auch noch angeführt:
„Die christliche Wissenschaft heilt in vielen Fällen nur, indem dem Kranken eine andere Gedankenrichtung gegeben wird, indem ihm neue Hoffnung eingeflößt wird, während sie die Heilung ,,göttlicher Kraft'' zuschreibt."

Die besondere Perfidie dieser Artikelserie besteht auch in dem Umstand, in ein pseudowissenschaftliches Mäntelchen gekleidet zu sein. Wohl kaum einer der Leser des „Goldenen Zeitalters" konnte berechtigt für sich in Anspruch nehmen, etwa die Atomphysik im Detail wirklich zu verstehen. Genau diese Suggestion versucht aber diese Artikelserie zu erwecken. Etwa, wenn man in deren letzter Folge (Schweizer GZ vom 15. 2. 1924) den Satz liest:

„Plancks ,,Quantentheorie" wurde 1901 wegen der damals noch beschränkten Erkenntnis über die Atomstruktur von den Gelehrten keineswegs mit offenen Armen aufgenommen. Die Plancksche Konstante jedoch wurde später durch Einstein neu belebt, indem er sich ihrer zur Berechnung der spezifischen Wärme der Körper bediente, und zwar mit so bemerkenswertem Erfolg, dass ihre Genauigkeit nicht länger bezweifelt werden konnte."

Wie aus den eingangs zitierten Lebensdaten ersichtlich, verstarb dieser Wunderdoktor Dr. Abrams im Jahre 1924. Indes fanden sich offenbar „würdige" Nachfolger. In der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 6. 1925 gab es dann unter der Überschrift „Eine automatisch elektronische Diagnose", eine offenbar als Fortsetzung zu wertenden Bericht über diese Story. Er ist namentlich gezeichnet mit: Dr. med. Gambles, Dechant des elektronischen Instituts zu Norfolk. Damit ist offenbar jenes Norfolk in Virginia (USA), nicht aber jenes in Großbritannien gemeint. Nun bin ich über in den USA verwendete Titel nicht sonderlich informiert. Zumindest erscheint mir der Titel „Dechant" für deutsche Verhältnisse, keine sonderliche Verwendung zu haben. Lexikaeinträge setzen hierzulande einen „Dechant" mit einem „Dekan" gleich, welcher einer höherer Beamter in Großkirchlichen Dienst zu sein pflegt.

Aber lassen wir die Titelfrage. Viel bezeichnender ist der Untertitel jenes Artikels.


Zitat:
„Im besonderen geschrieben für das ,,Goldene Zeitalter".

Und letzteres versäumt es denn auch nicht seinem Autor einen „Persilschein" auszustellen, wenn es denn mitteilt:
„Wir haben das größte Vertrauen zu den Darlegungen Herrn Dr. Gambles. Er hat einen bedeutenden Ruf in den Vereinigten Staaten."

Und selbiger „revanchierte" sich dann wie folgt (GZ, Ausgabe Bern vom 1. 7. 1925):
„Ich habe diese neue Methode, von der ich glaube, daß sie einen Wendepunkt in der Geschichte der Krankheitsbehandlung bedeuten wird und die ich ausschließlich in dieser Zeitschrift bekannt gebe, ehe ich sie irgendwie allgemein veröffentliche, die ,,elektronische Radio-Biola" genannt.

Das „Golden Age" bringt denn auch prompt in seiner Ausgabe vom 22. 4. 1925 ein ganzseitiges Inserat dazu:
 

Siehe auch
http://www.seanet.com/~raines/biola.html
Wenn dem so ist, dann kann man unschwer erraten, dass in der GZ-Leserschaft, eventuell noch vorhandene kritische Vorbehalte „ausgeschaltet" wurden.
Im Artikel selbst teilt dieser Dr. Gambles dann auch noch mit:


„Daß Dr. Abrams die Kuren, von denen er berichtet, wirklich machte, weiß ich mit Bestimmtheit, denn ich ging im Jahre 1922 nach San Francisco, studierte mit ihm und assistierte ihm in vielen Fällen."

Versteht man das richtig, sonnt sich also dieser Dr. Gambles in der Rolle desjenigen, dem nun die Abram'sche Erbschaft zugefallen ist.
Erstaunliche Thesen weis er in seinem Artikel auch zu verkünden. Zum Beispiel die:


„Es war eine Aufsehen erregende Entdeckung für die Wissenschaft und die Medizin, als es offenbar wurde, daß alle Bestandteile der Materie mehr oder weniger Sendestationen sind, die Signale in die Luft senden, die ebenso verschiedenartig von einander sind, wie die Zusammensetzungen und die Geschwindigkeit der ,,Elektronen", von denen sie ausgehen. ... Darum kann die medizinische Wissenschaft unmöglich das Radio übersehen, auch wenn sie es wollte. Die Erkenntnis der ungeheuren Bedeutung dieser Tatsachen trieb mich dazu, der Theorie von den elektronischen Wirkungen Aufmerksamkeit zu schenken."

Schon diese Sätze machen deutlich, dass der „König der Quaksalber" offenbar einen „würdigen" Nachfolger bekam.

Natürlich verstand er es auch auf die Befindlichkeit seiner Leserschaft einzugehen. Beleg dafür ist auch seine in diesem Artikel gleichfalls enthaltene These:


„Was man bei der Behandlung von Krankheiten stets bedenken sollte, ist, daß die Natur die Heilung bewirkt. Die Natur befindet sich in einem ständigen Kampfe, die Krankheit in unserem Körper zu verhindern und zu unterdrücken. ... Darum sollte sich niemand durch den Spott und die bitteren Anklagen sogenannter Fachleute beirren lassen."

Genau das wollte doch die Leserschaft des „Goldenen Zeitalters" hören. Danach japste sie doch förmlich. Und nun bekam sie es via Dr. Gambles wieder mal zu hören. Schande und Hass über den, der eventuell diese fromme Wunschgebäude kritisch hinterfragen wagen sollte. Man kann sich die Leser des „Goldenen Zeitalters" förmlich vorstellen, wie sie denn eigenhändig Scheiterhaufenmaterial sammeln würden; um solch einen unbotmäßigen Kritiker darauf zu befördern. Und der Dr. Gambles dürfte dabei sicherlich nicht abgeneigt gewesen sein, den so geschaffenen Scheiterhaufen, nebst Inhalt, eigenhändig anzuzünden.

So ist halt das Leben!

Und sein „Patentrezept" beschreibt er mit der Selbstdarstellung:


„Die elektronische Radio-Biola bedeutet eine Erneuerung durch Radiowellen oder Elektronen. Die Biola stellt automatisch Diagnosen und behandelt Krankheiten durch Anwendung elektronischer Schwingungen. Die Diagnose ist zu 100 Prozent richtig und sicherer, als sie der erfahrenste Diagnostiker stellen kann und mit keinerlei Unterhaltungskosten verbunden. Dieser kleine Apparat mißt die Energie des Körpers, seine Widerstandskraft gegen Krankheit und im Krankheitsfall, oder wenn die Energie unter Pari ist, bringt er sie ins Gleichgewicht. Dies geschieht durch Radio-Schwingungen, was dem menschlichen Körper zu seinem eigenen Dynamizer oder Gegengifterzeuger macht. Er stellt das Gleichgewicht der erkrankten Gewebe allmählich selbst wieder her."

Er bringt auch einen Vergleich dazu. Letzterer wirkt allerdings, angesichts der Impfgegnerschaft der Bibelforscher, etwas skurril. Jedenfalls, um seine „Erfindung" weiter schmackhaft zu machen, bringt er dann den Vergleich:

„Eine der größten Erneuerungen der Medizin ist die Erfindung und Herstellung des Gegengiftes für Diphteritis. Früher starben neunzig Prozent der Kinder, die von dieser schrecklichen Krankheit befallen wurden; aber seit das Gegengift in Anwendung gekommen ist, ist das Verhältnis gerade umgekehrt geworden und werden neunzig Prozent gerettet.
Dieses Gegengift wird dadurch hergestellt, daß ein gesundes Pferd mit einer kleinen Menge der Diphteriebazillen geimpft wird. Das bewirkt einen leichten Diphteritisanfall bei dem Pferde. Nachdem es davon genesen ist, wird ihm eine stärkere Dosis der Bazillen verabreicht und das wird so fortgesetzt, bis das Pferd schließlich gegen Diphterie gefeit ist und man ihm soviel Diphteriebazillen einimpfen kann, wie zur Vernichtung eines ganzen Regimentes Soldaten genügen würde. Dann wird ihm eine Halsader geöffnet und ein Liter oder mehr seines Blutes abgenommen, Dieses wird sterilisiert und behandelt und eine kleine Menge davon wird dem diphteritiskranken Kinde eingeimpft mit dem Erfolge, daß sofort eine Heilung erfolgt.

Die Heilmethode mit dem elektronischen Radio-Biolaapparat ist ähnlich, mit dem Unterschied, daß statt der toten, stets schädlichen Krankheitskeime die in dem Diphterieserum dem Körper eingeimpft werden, der Biolaapparat die Krankheitswellen (das Gegengift) aus dem Körper aufnimmt und sie ihm wieder zuführt, wo sie denselben Zuständen, durch die sie hervorgerufen sind, begegnen und sie aufheben."


Natürlich darf die obligate „Verbeugung" vor dem Weltbild der Bibelforscher, auch in diesem Artikel nicht fehlen. Deshalb wird weiter belehrt:

„Auch diese Erfindung liefert uns einen deutlichen Beweis, daß wir an der Schwelle des goldenen Zeitalters uns befinden, nachdem sich alle Bewohner dieser Erde so lange gesehnt haben - das goldene Zeitalter, in dem einem, jeden seines Herzens Verlangen nach Leben, Freiheit und Glück unter vollkommenen Verhältnissen gestillt werden wird."

Nun kann man sicherlich nicht der WTG unterstellen, selbst das „große Geschäft" mit der „Radionik" zu machen. Allenfalls einigen der in ihrem Windschatten segelnden aus der Heilpraktikerszene. Aber entscheidend ist ja, dass die WTG sich als Multiplikator dieser Theorien betätigte. Und dabei muss man unweigerlich den Namen des C. J. Woodworth nennen, denn er war der verantwortliche Redakteur des „The Golden Age" von 1919 - 1946, aus dem dann auch seine deutschsprachigen Ableger „abkupferten".

Nun mögen noch zwei thematisch damit zusammenhängende Zeugnisse zitiert werden. Einmal von Jerry Bergman und zum anderen von Ken Raines. Eine Schlüsselperson, die in diesen Zeugnissen mit vorkommt ist
Roy Goodrich.
Somit mag zuerst zu letzterem etwas gesagt werden. In ihrer Nr. 101 berichtete die CV:


„Am 28. Dezember 1976 verstarb in ein m Krankenhaus in Fort Lauderdale, Florida, USA, einer der erfolgreichsten Kritiker der WTG und des Wachtturms, Bruder Roy D. Goodrich. Seit dem Jahre 1944 hatte er in den USA seine Stimme gegen alle Arten unchristlicher Abwege der WTG erhoben. Er gab die periodische Schrift "Back to the Bible Way" (Zurück auf den Weg der Bibel) heraus. Mit seinem Tode wurde die Schrift eingestellt. Bruder Roy D. Goodrich erhielt 1944 von der WTG den "Gemeinschaftsentzug". Er veröffentlichte daraufhin einen offenen Brief an WTG-Präsident Nathan H. Knorr, den dieser nie beantwortete. Bruder Roy D. Goodrich wurde wie kaum ein anderer als "neuzeitlicher böser Knecht" verschrien. Viele Änderungen, Korrekturen, Widerrufungen, Falschauslegungen und Neudeutungen, die die WTG vornahm, nahm sie jedoch stillschweigend vor auf Grund der selbstverständlich nur zu berechtigten Kritik von Bruder Roy D. Goodrich. Was die WTG als ihr "Licht von Gott", das "immer heller scheint", ausgibt, war und ist allzu oft nur die Übernahme dessen, was ihre Kritiker, die einerseits als "Rebellen gegen Gott" und "böse Knechte" ausgeschlossen werden, aufgedeckt haben."

Nun das Votum von Jerry Bergman, der sich in der Substanz seiner Aussage auch auf Goodrich stützt.
Bergman schreibt:


„Goodrich sandte einen Brief an einen Mr. M.A. Howlett in der Wachtturm-Weltzentrale, in dem er seine Sorge über den Gebrauch der E.R.A.-Maschine durch die Wachtturm-Gesellschaft zur Behandlung von Krankheiten ausdrückte. E.R.A. ist eine "oszilloklastische Maschine", erfunden von Dr. Abrams, einem notorischen Quacksalber, der den Historikern wissenschaftlicher Quacksalberei gut bekannt war. Goodrich war in Sorge, weil er zu dem Schluss kam, die E.R.A.-Technik beinhalte Dämonismus.

Aus diesem Grunde schrieb er Howlett, um festzustellen, ob die Gerüchte, die er über die E.R.A.-Maschine gehört hatte, die immer noch im Bethel (der Wachtturm-Weltzentrale) Verwendung fand, stimmten.
Howlett antwortete Goodrich wie folgt:
"Sie sind offensichtlich über meine Verbindung zu E.R.A. falsch informiert. Ich weiß nichts darüber und habe sie auch nie benutzt. Im Bethel gibt es keine solche Maschine".

Goodrich wusste, dass Howletts Behauptung falsch war, weil er aus erster Hand wusste, dass ein gewisser Chester Nicholson mit der E.R.A.-Maschine von Howlett "behandelt" worden war.
Goodrich wusste auch, dass die E.R.A. seit 1922 von einem "Dr." Work im Bethel verwendet wurde. Da Howlett mit seiner Tätigkeit im Bethel vor 1922 angefangen hatte, wusste Goodrich überdies, dass Howletts Behauptung, "nie auch nur etwas von E.R.A. gehört" zu haben, absurd war, da Howlett Arzt im Bethel war. Folglich "glaubte Goodrich daher, dass Howlett ihn belog."

Als Antwort auf Howletts Brief schrieb Goodrich einen längeren Brief sowohl an das Direktorium der Wachtturm-Gesellschaft als auch an den Wachtturm-Präsidenten Nathan Knorr. Goodrich, damals ein Zeuge in gutem Ruf, schrieb ausdrücklich darüber, was er glaubte, was Howletts Missbrauch der theokratischen Kriegslist sei (in den 1940er Jahren


Das zweite Urteil stammt nun aus einem Aufsatz von Ken Raines, der in deutscher Übersetzung auch auf der vormaligen Webseite von „Ottonio" lesbar war
Nach Raines habe Goodrich in einer Veröffentlichung aus dem Jahre 1969

„sich fortwährend bei Rutherford und anderen wie Woodworth beschwerte, dass die von ZJ gebrauchte ERA-Maschine (der Oszilloklast) nichts weiter als ein Ouija-Brett (Alfabettafel) war. ..."

Eine „Krönung" erfuhr die umfängliche GZ-Serie über "Dr. Abrams Elektronentheorie" dann noch mit der Veröffentlichung und Beantwortung von Leserfragen im „Goldenen Zeitalter" (Schweizer Ausgabe vom 15. 1. 1924; Ausgabe Magdeburg vom 1. 2. 1924).
Nachdem einleitend ein Fragesteller mit Lob nicht geizte, etwa indem er äußert:
„Mit regem Interesse las ich den Artikel "Dr. Abrams Elektronentheorie" in Ihrem gesch. Blatt und muss sagen, dass ich so etwas von Klarheit der Auffassung und Geschicklichkeit, die überaus schwierige Materie auch Laien verständlich, ja geradezu handgreiflich zu machen, bisher noch nicht gelesen habe."

Wird dann ein weiterer Leserbrief zitiert, der es wohl „in sich hat". Die GZ-Redaktion gab das in der Form indirekter Zitierung wie folgt zu Protokoll:

„Bei der Diskussion über obigen Artikel wurde von einem anderen Leser Ihrer gcsch. Zeitschrift folgende Frage aufgerollt;
Ist anzunehmen, dass im Goldenen Zeitalter die Nahrungsaufnahme in bisheriger Weise weitergeht und demzufolge auch Fäkalien ausgeschieden werden? oder wirkt der Elektronenring veredelnd auf diese peinlichen Vorgänge? ..."


Nun hätte es ja im Bereich der Möglichkeit gelegen, diesen Leserbrief einfach dem Papierkorb zu überantworten, wo er sicherlich am besten aufgehoben gewesen wäre. Nichts von dem. Offenbar war das für die GZ-Redaktion eine gesuchte Steilvorlage, denn sie geht lang und breit darauf ein.

Als erstes doziert das GZ:

„Zunächst mochten wir Ihrer Frage noch zwei andere vorausschicken:
Ist anzunehmen, dass das aus des Schöpfers Meisterhand hervorgegangene Menschenpaar - Adam und Eva - in seinem vollkommenen Zustand und in der herrlichen Umgebung diesen, das feine Gefühl störenden Vorgängen unterworfen war?
Könnte der Mensch als wahrhaft königliches Wesen betrachtet werden, so lange sich sein Stoffwechsel in dieser Weise vollzieht?"


Und die Antwort auf diese selbst gestellte Frage lautet dann:
„Die Antwort braucht nicht weit gesucht werden. Liebig sagt zutreffend; 'Die Menge der Exkretionsstoffe ist ein Gradmesser der Kultur'".
Man meint weiter zu wissen:
„Adam und Eva besassen als irdische Ebenbilder ihres grossen Schöpfers nicht nur einen in jeder Hinsicht vollkommenen Organismus, sie befanden sich ebensowohl in vollkommenen Naturverhältnissen und entsprechender Umgebung, die von vornherein irgendwelche Verunreinigung und Unreinheit undenkbar erscheinen lassen. Der für sie eigens vom Schöpfer zubereitete Wonnegarten lieferte ihnen nur vollkommene Nahrung, die göttliche Liebe und Weisheit für sie selber gewählt hatte - ihrem Organismus vollkommen angepasste Früchte und Kraut; die gesamte Nahrungsaufnahme konnte vom Körper bis zum letzten Atom aufgenommen werden und Gifte oder unbrauchbare Statte mussten keine entfernt werden.

Aber dann kam die Katastrophe, der Fall und die Austreibung aus dem herrlichen Garten in eine unwirtliche Wildnis hinaus, wo der um ihres Ungehorsams willen verfluchte Erdboden statt der wie bis dahin vollkommenen Nahrung zwischen Dornen und Disteln höchst spärliche und dazu unvollkommene Produkte lieferte, die als Speise genossen, nicht mehr restlos verdaut werden konnten. Das Körperlaboratorium vermochte trotz des vom Schöpfer vorgesehenen wunderbaren Anpassungsmechanismus und der erstaunlichen Leistungen Einbezug auf die chemischen Umsetzungen der Nahrungsstoffe nicht alles zu verwerten; es gab dadurch Abfallsprodukte, die unter allen Umständen ausgeschieden werden mussten. Und je mehr unverdauliche Stoffe mit der Nahrung eingenommen wurden, um so reichlicher die Ausscheidungen.

Von diesem Standpunkt aus betrachtet, stellen diese 'Vorgänge' eine Begleiterscheinung der über Adam und seine ganze Nachkommenschaft verhängten Todesstrafe dar, die mit der Aufhebung derselben während des Goldenen Zeitalters allmählich verschwinden wird ..."


Weiter geht es dann mit der definitivem Aussage:
„Dann müssen die heute den Menschen verunreinigenden, verschiedenen Verdauungsgifte, mit denen Leber und Darm täglich so schwer zu kämpfen haben, bei der neuen und vollkommenen Ernährungsweise endgültig das Feld räumen, und die Ausscheidungen, die von jeher ein peinliches Kapitel für Stadt und Land bildeten, hören auf natürliche Weise auf. Sie vertragen sich auch nicht mit der dann weltweiten Paradiesesherrlichkeit der neuen Erde, so wenig als mit der Königswürde, zu der das Menschengeschlecht bestimmt und berufen ist von seinem Schöpfer, und die es unter den Bedingungen der neuen Herrschaft des Lebensfürsten am Ende der ersten tausend Jahre seiner Herrschaft erlangen wird."

Etwaige ungläubige Thomasse angesichts dieser Theorie, werden dann noch wie folgt belehrt:
„Ob der Einsturz des immer noch stark hypothetischen elektrischen Ringes die erwarteten und verheißenen vollkommenen Naturverhältnisse und Zustände herbeiführen wird oder ob der allweise Gott dies auf anderem Wege und mit anderen Mitteln zuwegebringen will, bleibt vorläufig noch eine offene Frage."

Offenbar galt für die Schweizer GZ-Redaktion der Grundsatz „wiederholen bis zum Erbrechen". Wie bereits ausgeführt veröffentlichte das Schweizer GZ in seiner Ausgabe vom 15. 1. 1924 (Seite 127) erstmals diese fragwürdige Fäkalientheorie. Damals noch mit Bezugnahme auf den Dr. Abrams.


Offenbar wähnte man wohl da ein besonderes Highlight geliefert zu haben. Man traut seinen Augen kaum, registriert man, dass in der Schweizer Ausgabe des GZ vom 15. 8. 1924 (Seite 350) einem erneut diese Fakalientheorie begegnet! Lediglich diesmal ohne Bezugnahme auf Abrams.


[Es wird ausdrücklich in diesem Kontext noch darauf hingewiesen; dass es zwischen der Schweizer und der deutschen Ausgabe des „Goldenen Zeitalters", sowohl terminliche Unterschiede gab, was den Abdruck einzelner Artikel anbelangt. Als auch inhaltliche Unterschiede. Es gibt etliche Beiträge, die nur in einer der beiden Ausgaben nachweisbar sind. Wer also lediglich zitiert „Goldenes Zeitalter", ohne die Zusatzangabe Deutsche oder Schweizer Ausgabe, läuft Gefahr ein Verwirrspiel zu betreiben. Zumal ja wohl in Deutschland, überwiegend nur, die Deutsche Ausgabe Verbreitung fand. Nicht jedoch die Schweizer Ausgabe, und umgekehrt. Im konkreten. In der Magdeburger Ausgabe vom 1. 2. 1924 ist auch jene „Leserfrage" nachweisbar, welche die Schweizer Ausgabe auf ihrer Seite 350 abdruckte. Also die Variante, wo der Dr. Abrams eben nicht mit vorkommt. Hingegen die andere Variante (Schweizer Ausgabe S. 127,wo Abrams mit erwähnt wird), ist so nicht in der Magdeburger Ausgabe nachweisbar.

Die fraglichen Repros in Sachen "Fäkalientheorie" wurden der Schweizer Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" entnommen.]

Was den genannten „elektrischen Ring" anbelangt, der bei den zeitgenössischen „Kaffesatz-Bibelforschern" auch besonders massiv herumspukte, kann man auch vergleichen

Parsimony.19243

Parsimony.19242

Man vergleiche thematisch auch den Bericht über den „Wunderdoktor Schwarz"
In
Parsimony.25112

Post Skriptum:
Da die deutsche Übersetzung des Ken Raines-Artikels, auf der vormaligen Ottonio-Webseite, nicht mehr zugänglich ist, sei er hier noch einmal dokumentiert.
(Anmerkung: Details der Ausführungen von Raines, sind nicht zwangsläufig mit meiner eigenen Meinung „identisch")

C. J. Woodworth:
Der dämonenbesessene Herausgeber von
The Golden Age (zu deutsch: "Das Goldene Zeitalter")
Ken Raines

„Ich kam direkt unter den Einfluß böser Geister, so sehr, daß ich drei Tage lang so vollständig unter dämonischer Kontrolle war wie damals Mrs.Eddy, als sie "Science and Health" ("Wissenschaft und Gesundheit") schrieb." [1]

C. J. Woodworth war eine Hauptfigur der Watchtower Bible and Tract Society (Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft) während der Rutherford-Ära. Er schrieb den Kommentar zu Offenbarung in dem 1917 herausgegebenen Buch „Das Vollendete Geheimnis." Rutherford ernannte ihn zum Herausgeber der Zeitschrift „The Golden Age" (Das Goldene Zeitalter, später in Trost umbenannt), von seiner Eröffnungsausgabe in 1919 bis zum Jahre 1946.
In „Das Vollendete Geheimnis" schrieb Woodworth folgenden seltsamen Kommentar:

„Hat euch dies Werk soweit Freude gemacht? Seid ihr überzeugt, daß es die Arbeit des Herrn ist - unter seiner Leitung vorbereitet und angelegt? Habt ihr sorgfältig und gebetsvoll die Besprechung zu Offenbarung 7,1 gelesen? Dann stählt und festigt euch für die Wahrheit und bereitet euch darauf vor, daß es offenbar Gottes Absicht ist, es bald zuzulassen, daß Sinn und Herz vieler der Seinen zu einem offenen Tummel- und Kampfplatz werden wird, auf dem die gefallenen Engel gerichtet werden sollen; und die Art und Weise, wie wir die Prüfungen und Erprobungen aufnehmen und bestehen, wird es an den Tag legen, ob wir würdig sind, die Krone des Lebens zu empfangen, während zugleich diese ungehorsamen Geister sich des Lebens auf irgendeiner Stufe unwürdig erweisen. Das ist eine Sache, mit der manche, aber nicht viele, um diese Zeit vertraut sind. [...] ohne wirkliche eigene Erfahrung ist es ganz unmöglich, die außerordentliche Heftigkeit eines solchen Ringens und Kämpfens [...] zu verstehen.

Der Hauptsitz der Denkfähigkeit und des Empfindens, das Gehirn, wird bei solchen Versuchungen in einer Weise angegriffen, als wenn es in einen Schraubstock eingeklemmt wird, wobei es dem furchtbaren Druck ausgesetzt wird. Dabei wird das Gehirn mit zwar scharfsinnig ausgedachten, aber trotzdem irreleitenden Deutungen des göttlichen Wortes bestürmt, und zwar so irreleitend, daß es aller Beschreibung spottet, und diese Lockungen und Versuchungen werden in den Denkapparat ähnlicherweise eingeträufelt, wie etwa Wasser durch einen Schlauch geleitet wird. Es werden dem Sinn vielleicht lockende Visionen vorgespiegelt. Das betreffende Wesen bildet sich ein, daß es mit wunderbaren Erleuchtungen begnadet ist, die wie in einem zarten und lieblichen Nebelschleier seine Sinne umgaukeln. Vielleicht auch bedient sich der Verführer aller möglichen verlockenden Einflüsterungen und Vorspiegelungen, die sich auf die örtliche Umgebung des Opfers, seine Lebenslage, Familienverhältnisse usw. stützen mögen. Vielleicht wird auch dem Opfer vorgespiegelt, daß ihm eine besondere Inspiration zuteil wird. Das Schlafbedürfnis wird vielleicht tagelang unterdrückt, und der Betreffende findet es fast unmöglich, Ruhe und Ausspannung zu finden. Alles dies hat den Zweck, den Unglücklichen geistig so herunterzubringen und zu zerrütten, daß er zeitweise beinahe an den Rand des Wahnsinns gebracht wird; [...] der Sinn [mag] mit Gedanken angefüllt werden, die so niedriger Art sind, daß sie der Beschreibung spotten. DANN GEDENKET DES GELÜBDES." [2]

Die Anmerkungen zu Offenbarung 7:1, auf die er sich bezieht, enthalten Zitate von Russell aus den „Watch Towers" der Jahre 1911 und 1914. In ihnen sagte Russell, die gefallenen Engel, die seit der Flut in der Finsternis gefesselt oder gefangengehalten werden, würden bald freigelassen und gerichtet werden durch die Kirche und durch ihre Taten. Russell sagte sie würden zuerst seine Anhänger angreifen, die er als die "gesalbte" kleine Herde betrachtete. Dies würde zur Zeit der Drangsal gehören, die mit Harmagedon im Jahre 1914 ihren Höhepunkt erreichen würde. Eines dieser Zitate von 1911 sagt:

„Soweit wir es beurteilen können, gibt es nur eine Möglichkeit, die gefallenen Engel auf die Probe zu stellen, und zwar in der Weise, daß ihre Prüfung in einer reichlicheren Gelegenheit zum Sündigen besteht - wenn ihr Wunsch dahin geht - oder einer Gelegenheit, den Beweis zu erbringen, wenn sie dies wünschen, daß sie der Sünde überdrüssig sind und zur Harmonie mit Gott zurückkehren möchten.... kommen wir also zu dem Schluß, daß die Prüfung dieser gefallenen Engel in nächster Zukunft liegt - in gewissem Maße vielleicht schon begonnen hat. „[3]

C. J. Woodworth erfüllte diese "Prophezeiung" von Russell. In seinen oben zitierten Anmerkungen aus „Das Vollendete Geheimnis" scheint er aus eigener Erfahrung zu sprechen. Seine Beschreibung der Besessenheit durch Dämonen ist lebhaft:

"Der Hauptsitz der Denkfähigkeit und des Empfindens, das Gehirn, wird bei solchen Versuchungen in einer Weise angegriffen, als wenn es in einen Schraubstock eingeklemmt wird, ... Deutungen des göttlichen Wortes [...] werden in den Denkapparat ähnlicherweise eingeträufelt, wie etwa Wasser durch einen Schlauch geleitet wird. Es werden dem Sinn vielleicht lockende Visionen vorgespiegelt. ... wie in einem zarten und lieblichen Nebelschleier ..."

Woher kannte er diese Dinge, wenn nicht aus eigener Erfahrung? Er sagte, dass es ohne eigene Erfahrung unmöglich wäre, die ausserordentliche Heftigkeit des Kampfes gegen die Dämonen-Besessenheit zu begreifen.

Dass er persönlich solche Kämpfe mit Dämonen hatte, bezeugt er höchstpersönlich beim Bibelforscher-Treffen von 1913 in Asheville, North Carolina. Ein Bericht seiner Aussagen wurde in den (durch die Gesellschaft ausgestellten) Versammlungs-Bericht von 1913 aufgenommen. Er gestand es als er über das Gelübde sprach. Er begann, indem er sagte:

„ICH MÖCHTE zu euch über etwas sprechen, das zu erwähnen ich in diesem Treffen bestimmt nie vorhatte. Ich nehme an, dass ihr das Gelübde abgelegt habt, einige von euch aber vielleicht auch nicht."

Er sagte, dass er das Gelübde zuerst nicht akzeptierte und dachte, dass es etwas war, das sich Russell "selbst ausgedacht hat", und dass er es nicht akzeptieren würde, es sei denn, er fände es in der Bibel vor. Er sagt weiter:

„Dann begannen meine Probleme. Ich begann zu beten und auf meine Weise mit den Schriften dagegen anzukämpfen. Nach wenigen Monaten begann die Schrift sich anscheinend zu erschließen ... indem es seine Unschriftmässigkeit aufzeigte. Ich dachte, dass... Bruder Russell sich irrte..."
After corresponding with Russell on the issue he said his nonacceptance of the vow led him to eventual demon possession and even automatic writing:

Nachdem er mit Russell das Problem besprochen hatte, sagte er, seine Ablehnung des Gelübdes habe ihn in eine eventuelle Dämonen-Besessenheit geführt und ihn sogar geistschreiben lassen:

„Ich konnte einmal fünf aufeinander folgende Nächte lang kein Auge zutun; dann kam eine Zeit, in der die Anstrengung zu viel wurde; meine Gedanken wurden unausgeglichen, und ich kam direkt unter den Einfluß böser Geister, so sehr, dass ich drei Tage lang so vollständig unter dämonischer Kontrolle war wie damals Mrs.Eddy, als sie "Science and Health" ("Wissenschaft und Gesundheit") schrieb.

Zuvor hatte ich ein 36-seitiges Buch gegen das Gelübde vorbereitet, in zwei Spalten gedruckt, in der alle Schrifttexte, die direkt oder indirekt gegen das Gelübde zu sein schienen, aufgeführt waren. Ich weiß jetzt, dass all diese Schrifttexte durch die bösen Geister in meine Gedanken eingeflößt wurden. Eine der Einflößungen war ... (und ich glaube dass es eine Wahrheit war, denn diese "lügnerischen Geister" erzählen manchmal die Wahrheit), dass im fünfzehnten Kapitel von 4.Mose, wo die "blaue Schnur" erwähnt wird, es sich auf das Gelübde bezog und es vorschattete.

Aber dann verwandelten diese lügnerischen Geister die Wahrheit in eine Lüge, als sie behaupteten, dass das Gelübde dem Bruder Russell durch die bösen Geister vorgeschlagen worden war. Derart gerissen waren sie!" [4]

Er berichtet weiter, er habe, nachdem ihn Russell auf einen "Fehler" in seinem Buch aufmerksam machte, all seine Kopien genommen und verbrannt. Dann sagte er:

„Bis zu dieser Zeit hatte ich den Gedanken nicht ernsthaft erwogen, dass Bruder Russell "Jener Diener" war.... Ich habe die Angelegenheit nie so gesehen, bis ich mich geschlagen gab und das Gelübde ablegte, das er allen Heiligen des Herrn empfahl abzulegen.... Ich glaube fest daran, dass diese "blaue Schnur" das Gelübde bedeutet und von Gott inspiriert ist... „[5]

Goodrichs Erinnerung und Anmerkungen
1969 äußerte sich Roy Goodrich in seiner Broschüre „Demonism and the Watchtower" (Dämonenglaube und der Wachtturm) über Woodworths "Geständnis" der Dämonen-Besessenheit. Goodrich war ein hochgeachteter ZJ während der Rutherford-Ära, der in Schwierigkeiten geriet und schließlich ausgeschlossen wurde, weil er sich fortwährend bei Rutherford und anderen wie Woodworth beschwerte, dass die von ZJ gebrauchte ERA-Maschine (der Oszilloklast) nichts weiter als ein Ouija-Brett (Alfabettafel) war. Er gebrauchte Woodworths Geständnis (und die ERA-Maschinen) als klaren Erweis des "Dämonismus" in der Wachtturm-Gesellschaft.

Goodrich behauptete, beim Treffen dabei gewesen zu sein und ihn diese Dinge sagen gehört zu haben, die ihn, um das mindeste zu sagen, überraschten. Er zitiert in seiner „Dämonismus"-Broschüre nicht aus dem Bericht des Treffens, aber er scheint aus dem Gedächtnis heraus zu schreiben. In der Broschüre schrieb er:

„WEITERE STREIFLICHTER AUF DEN DÄMONISMUS DER GESELLSCHAFT - C. J. Woodworths Geständnis und Kühne Prophezeiung
Es war unser Vorrecht, unserem zweiten Treffen „Wahrheit" im Sommer 1913 in Asheville, N C, beizuwohnen… Bei diesem Treffen hielt Bruder C. J. Woodworth, der ununterbrochen der Herausgeber von DAS GOLDENE ZEITALTER von der ersten Ausgabe im Jahre 1919 an bis zur letzten Ausgabe von TROST im Juli 1946 war, eine bemerkenswerte und unvergessliche Rede.

Wir erinnern uns lebhaft daran. Es war ein öffentliches Geständnis von Bruder Woodworth, mit dem Inhalt, dass er eine Zeitlang sehr ernsthaft unter der Kontrolle der Dämonen stand; dass er unter deren Einfluß ein Buch gegen die Lehren Russells geschrieben hatte; dass sein Kampf gegen diese intelligenten Wesen schrecklich gewesen sei; und dass er nur durch das größte persönliche Ringen durch Gottes Gnade fähig gewesen sei, ihren Einfluß abzuschütteln, genug, um das von ihm geschriebene Manuskript zu verbrennen." [6]

Er fügte später hinzu :
„..., which was completed and released for circulation in jig time the following July." [7]

Knapp viereinhalb Jahre später, im Winter des Jahres 1916 und 1917, fand man diesen Bruder, so kürzlich und zugegebenermaßen unter Dämonen-Kontrolle, beim fieberhaften und geheimen Schreiben des Offenbarungs-Teils von "Das Siebente Band", "DAS VOLLENDETE GEHEIMNIS", der im folgenden Juli fertiggestellt und freigegeben wurde. [7]

Aber worum es uns geht ist dies: Auf den Seiten 126 und 127 dieser Ausgabe... schreibt Bruder Woodworth, zweifellos ausgehend von seiner eigenen persönlichen Erfahrung, die er viereinhalb Jahre zuvor in Asheville derart anschaulich beschrieben hatte, das Folgende nieder: [8]

„He then quotes excerpts from these pages. It seems that Goodrich here is implying that since The Finished Mystery was completed "in jig time" and was written only a couple years after Woodworth publicly confessed to being demon possessed and that the book itself seems to promote the idea that his type of struggles are to be expected almost as a test from God (both of the fallen angels and the Church), that Woodworth was probably still under their control."

Er zitiert dann Auszüge aus diesen Seiten. Es scheint, dass Goodrich hier andeutet, dass da „Das Vollendete Geheimnis" "in Rekordzeit" fertiggestellt wurde und nur ein paar Jahre, nachdem Woodworth öffentlich zugegeben hatte von Dämonen besessen zu sein, geschrieben wurde, und dass das Buch selbst den Gedanken nahelegen zu wollen scheint, dass seine Art von Kämpfen fast als eine Prüfung von Gott (sowohl für die gefallenen Engeln als auch für die Kirche) angesehen werden sollten, dass Woodworth wahrscheinlich immer noch unter ihrer Kontrolle stand.

Man nimmt an, dass Woodworth dachte, dass seine Kämpfe vorüber wären (er sagt in seinem "Geständnis" nicht aus, dass sie es waren), aber vielleicht weist was er 1917 schrieb auf den Versuch einer rationalen Rechtfertigung für die weitergehenden Kämpfe hin. Dämonenbesessen zu sein war jetzt anscheinend ein Zeichen, ein treues hingegebenes Kind Gottes zu sein, für würdig befunden die Geister "zu prüfen" und die Geister zu richten, indem man von ihnen besessen ist!

Was Woodworth schrieb und im Goldenen Zeitalter veröffentlichte, weist für mich nicht auf ein Ende bzgl. dämonischer Einflüsse in seinem Leben hin. Vielleicht schimmert hier meine evangelikale Vorbelastung durch, aber sie sind voll mit okkultem und dämonischem Stoff.

Das Goldene Zeitalter
„.... The previous journal documented one such occultic and demonically inspired item he endorsed; the automatic writing book Angels and Women. ... „

Dieser geistige Zustand oder Geisteszustand von Woodworth, wenn er fortdauerte, könnte nicht nur den Inhalt von „Das Vollendete Geheimnis", sondern auch des Okkultismus und "Dämonenglaubens" in der Zeitschrift „Das Goldene Zeitalter" erklären, die er herausgab. Die vorhergehende Abhandlung dokumentierte eine solche okkulte und von Dämonen inspirierte Einzelheit, wo er das automatisch geschriebene Buch „Angels and Women" (= Engel und Frauen) gutheisst.

Er glaubte, dass das Buch dem Autor von einem gefallenen Engel "diktiert" wurde, der "der Sünde müde" war und bereuen wollte. Dieser gefallene Engel wurde durch dieses hochrangige, dämonenbesessene Mitglied der Organisation Gottes als aufrichtig und reuig "beurteilt" (im Gegensatz zu denjenigen die früher mit ihm kommunizierten, die er als böse beurteilte). Er sagte, der gefallene Engel würde im Buch etwas Licht auf die Zustände vor der Flut werfen. Er förderte daher "neues Licht" oder biblische Deutung und Geschichte von den Dämonen; solange sie reuig und aufrichtig wären, und nicht einfach nur "lügnerische Geister". Wie er in seinem "Geständnis" sagte: "Diese lügnerischen Geister erzählen manchmal die Wahrheit" und wenn sie dies taten, glaubte und verbreitete er ihre Gedanken!

Ein großformatiges Buch, oder drei, könnte viele weitere Beispiele von seinem veröffentlichten und gutheissenden Materials im Goldenen Zeitalter dokumentieren und besprechen, was okkulter Natur war. Ein Hauptgebiet, das okkulte oder "dämonische" Verbindungen hatte, sind die zahlreichen im „Goldenen Zeitalter" gedruckten Themen über Nahrung, Gesundheit und Medizin. Eines davon, die "ERA"-Theorie und –Geräte von Dr. Albert Abrams wird in dieser Abhandlung dokumentiert, wovon ich glaube, dass es zeigt, wie diese Gutheissungen viele in der JZ-Bewegung, einschließlich der prominenten ZJ, in das Okkulte involvierten (Teil Eins befindet sich in dieser Ausgabe).
„I may decide to document others at some point. ..."

Ich könnte ann mich dafür entscheiden, andere an etwas Punkt zu dokumentieren.
Worum es in der vorliegenden Reihe geht, ist die Verwicklung Rutherfords in den Okkultismus und Dämonismus zu dokumentieren, und wieso ich der Meinung bin, dass er ein Geister-Medium war. Rutherford selbst behauptete, dass Geistpersonen Biblische Interpretationen in seine Gedanken projizierten und er daher ähnliche Kanalisierungs-Erfahrungen wie Woodworth gehabt zu haben schien. Der Unterschied war, dass Rutherford fest glaubte, dass diese Geister nicht böse sondern heilig waren.

Rutherfords Leitung zog ebenso andere der Bibelforscher-/ZJ-Bewegung in das Okkulte hinein. Ich bin der Meinung, einiges davon sollte dokumentiert werden, um die Wirkung aufzuzeigen, die seine Leitung und sein Beispiel auf andere hatten. Die Stellung von Woodworth als Herausgeber des Goldenen Zeitalters trug viel dazu bei, viele in der Wachtturm-Gesellschaft dem okkulten und daher dämonischen Einfluß auszusetzen.

Bezugnahmen und Fußnoten:

1. Thirteenth Souvenir Convention Report, p. 274.
[1.] Der dreizehnte Andenken-Versammlungs-Bericht, S.274.

[2.] Das Vollendete Geheimnis, 1917, S.162-164

[3.] Das Vollendete Geheimnis, 1917, S.159

4. Thirteenth Souvenir Convention Report, p. 274.
[4.] Der dreizehnte Andenken-Versammlungs-Bericht, S.274

[5.] Ebenda, S.274,275

6 Roy D. Goodrich, Demonism and the Watchtower (Ft. Lauderdale, FL: The Bible Way Publications) 1969, p. 11.
[6.] Roy D. Goodrich, Dämonismus und der Wachtturm (Ft. Lauderdale, FL: Die Bibel-Weg Veröffentlichungen) 1969, Seite 11.

[7.] Ebenda, S.11,12

[8.] Ebenda, S.12

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 06. November 2008 03:53
Da hatte das „Goldene Zeitalter" (Ausgabe Bern, 1. 11. 1923), das ja auch von Strohfressenden Löwen träumt, ein Problem bekommen. Es sah sich genötigt in seiner Fragekasten-Rubrik auch auf eine „nicht vorgesehene" Frage einzugehen. Ob denn diese peinliche Situation gemeistert wurde oder nicht, diese Frage mag denn jeder für sich selbst beantworten.

Die gestellte Frage lautete:

„Wird es im Goldenen Zeitalter noch Fabriken und Industrien geben?"

Als Antwort dazu meint das GZ:
„Unsere Auffassung geht dahin, dass der Übergang ein ganz allmählicher sein wird. Es scheint vernünftig zu sein, anzunehmen, dass die Überlebenden, die von dieser gegenwärtigen, bösen Gesellschaftsordnung, die jetzt der Auflösung entgegengeht, in das Goldene Zeitalter hinüberleben, selbstverständlich eine Produktion der für das Leben notwendigen Bedarfsartikel aufrecht erhalten. Da aber alle diese Menschen durch bittere Erfahrungen der Vergangenheit von dem tief inneren Wunsche getragen sein werden, das Gesetz der Nächstenliebe zu verwirklichen und dem Mitmenschen das Dasein so angenehm wie nur möglich zu gestalten, so werden sie sehr bald durch gesetzliche Massnahmen Zustände schaffen, die Idealmenschen der Gegenwart schon lange herbeisehnten, aber die durchzuführen unter der Herrschaft der Selbstsucht ihnen nicht möglich war.

Wenn wir berücksichtigen, dass im Goldenen Zeitalter keine vornehmen Müssiggänger mehr sein werden, sondern die Herrschaft der Gerechtigkeit jedem Gliede der menschlichen Gesellschaft einen vernünftigen Anteil der Gesamtarbeitsleistung zuweisen wird, so wird es nicht mehr vorkommen, dass Einzelne zeitlebens in Fabriken wie Sklaven eingesperrt sein müssen. Modernste Erfindungen werden zudem das Leben stets einfacher gestalten, und wenn die Natur im Überfluss die auserlesensten und herrlichsten, alle Lebenselemente enthaltenden Früchte hervorbringen wird, so werden selbstverständlich viele Produkte unserer heutigen Industrie vollkommen überflüssig werden. Es wird keine Nachfrage mehr dafür vorhanden sein, und damit wird selbstverständlich auch die Produktion in einer späteren Entwicklung mehr und mehr verschwinden."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 07. November 2008 06:29
Keine Irreführung ist auch ohne positive Elemente möglich. Das wird man auch der frühen Bibelforscherbewegung konzedieren müssen. Deren Klientel war ja den „traditionellen" Kirchen weitgehend entfremdet. Ein Beispiel weshalb das so war, kann man auch dem „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe Magdeburg) vom 1. 11. 1923 entnehmen. Der darin zitierte Pressebericht und der Kommentar, den das GZ ihm angedeihen lies, sei im nachfolgenden in seiner wesentlichen Aussage einmal vorgestellt:

„Die "Nordbayrische Zeitung" bringt aus Hamburg folgenden interessanten Bericht:
Im hiesigen Conventgarten wurde am Pfingstmontag der Kongreß der Grenz-, Kolonial- und Auslandsdeutschen feierlich eröffnet. Gesandter a. D. Exzellenz von Dirksen, der Vorsitzende des Vereins für das - Deutschtum im Auslande, hielt die Begrüßungsrede.
Darauf führte der Bischof von Osnabrück, Dr. Berning, Mitglied des Vereins für das Deutschtum im Auslande, aus;

"Jeder, der ein deutsches Herz in der Brust trägt, muß sich in den Dienst dieser Sache stellen. Wir wollen unserem zertretenen Vaterlande wieder aufhelfen.
Lassen Sie uns alle Parteiunterschiede vergessen,
LASSEN SIE UNS VERGESSEN ALLE KONFESSIONELLEN UNTERSCHIEDE.
Meine schönste Pfingstfreude war es, als ich hörte, daß in Flensburg aus berufenem Munde
FRIEDE ZWISCHEN DER EVANGELISCHEN UND DER KATHOLISCHEN KIRCHE VERKÜNDIGET wurde.
Ich schlage in die dargebotene Rechte ein und erkläre: Auch wir wollen Hand In Hand und Schulter an Schulter eintreten für die Erhaltung des Deutschtums und kämpfen für unser heißgeliebtes Vaterland . . .

Nachdem der minutenlange Beifall verrauscht war, sprach Missionsdirektor D. Schreiber, in demselben Geiste Worte der Versöhnung.
ER BETONTE, DASS DIE ZUSAMMENARBEIT ZWISCHEN DEN BEIDEN KIRCHEN BEREITS TATSACHE GEWORDEN SEI.
In dieser Zelt, da alles zusammenhalte, müssen AUCH DIE KATHOLIKEN UND DIE EVANGELISCHEN ZUSAMMENSTEHEN, wie sie im Schützengraben brüderlich nebeneinander gekämpft haben, (Eine merkwürdige Sorte von ,Christen', d. Red.) Uns alle eint das Zeichen des Kreuzes und - 'In hoc signo vinces'. - -

Auch hier wieder minutenlanger Beifall, ein Zeichen dafür, wie der neue Bund ein tiefinnerstes Bedürfnis ist.
Das Schlußwort der Pfingstmontagtagung sprach Dr. von Lösch vom 'Deutschen Schutzbund' (die bekannte antisemitische Vereinigung, d. Red.)
Dann sang man stehend 'Deutschland, aber alles'."


Dazu kommentiert das GZ:
„Dieser Bericht der bayrischen Zeitung ist in verschiedener Hinsicht sehr interessant für die Leser des „Goldenen Zeitalters". Einmal liefert er den Beweis, daß die ... prophetische Ankündigung für den großen Tag des Zornes Jehovas sich heute ebenfalls erfüllt. - Die beiden Kirchenhimmel, katholisch und protestantisch, werden nach vierhundertjähriger Fehde wieder zusammengerollt. Der Friede wird proklamiert und die Zusammenarbeit der beiden Himmel wird als vollendete Tatsache verkündigt. -

Wer ein Verständnis für erfüllte Prophezeiung hat, wird sich mit uns freuen, auch in dieser Erfüllung einen neuen gewaltigen Beweis zu besitzen, daß die ZEIT ZUR AUFRICHTUNG DES LÄNGST ERSEHNTEN REICHES DER GERECHTIGKEIT UND DES FRIEDENS GEKOMMEN IST ...
Gewiß wird der liebe Gott Freude haben an dieser neuesten nationalistischen Aktion der beiden Kirchen, ebensosehr wie er sich gefreut haben wird. an der brüderlichen Einheit, mit der diese katholischen und protestantischen Christen während dem Weltkrieg im Schützengraben brüderlich zusammen kämpften, und ihrer christlichen Nächstenliebe dadurch Ausdruck verliehen, daß sie ihre katholischen und protestantischen Brüder im gegenüberliegenden Schützengraben, die ebenso brüderlich miteinander kämpften, einfach rücksichtslos umbrachten." -
Wahrlich, auch die Kirche ist reif zum Gericht und wird das GERICHT NICHT ZU BESTEHEN VERMÖGEN am Tage des Grimmes Jehovas."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 18. November 2008 07:08
„Sicherlich stehen der Erde und der Menschheit noch weit größere Überraschungen bevor, wenn im nahen Königreiche Gottes der neue König der Erde der Menschheit vermehrte Weisheit und Intelligenz geben wird, sodaß durch ihre Arbeit die ganze Erde ein weltenweites Paradies werden soll, wenn Gottes Gunst ihre Arbeit segnen wird."

Diese euphorische, das „Goldene Zeitalter" wieder einmal beschwingende Aussage, kann man als Schlusssatz eines Artikels in der Magdeburger Ausgabe des GZ vom 15. 2. 1924 (Berner Ausgabe bereits am 15. 11. 1923) lesen.
Was ist es was das GZ da so beflügelt? Nun es ist der Bericht über eine „neue Frucht" Loganbeere genannt.

An Details berichtet das GZ dazu:

„Wenn man uns an der Küste des Stillen Ozeans von der Loganbeere als von einer neuen Frucht reden hören würde, so stellt man uns unbedingt mit einem Schläfer auf eine Stufe und könnte denken, daß wir mindestens vierzig Jahre verschlafen haben. In jenen sich so riesenhaft entwickelnden Gegenden ist alles, was zehn Jahre alt ist, alt, was zwanzig Jahre alt ist, sehr alt, was dreißig Jahre alt ist, altertümlich und was vierzig Jahre alt ist, vorzeitlich.

Ungewollt und durch Zufall züchtete im Sommer 1884 der Richter J. H. Logan in Santa Cruz, in Californien, in seinem Garten durch eine Kreuzung zwischen der roten Antwerpener Himbeere und der dürftigen schwarzen wilden Brombeere, die Loganbeere, die er nach sich selbst benannte. Farbe und Äußeres der Frucht sind wie bei der Himbeere und ihr Geschmack ist wie bei der Himbeere und Brombeere gemischt und viel pikanter, auch die Farbe ist viel leuchtender als wie bei den Elternfrüchten. Die Frucht ist manchmal 1 ½ Zoll lang und hat die Form der Brombeere. Der Geschmack ist ganz ausgezeichnet.

Die Loganbeere kann, wie die Kalifornier selbst, einen Winter, wie wir ihn gewohnt sind, nicht aushalten. Sie gedeiht besonders gut in Kalifornien, in Teilen von Washington und Britisch Columbia westlich des Caskadischen Gebirges ebenso in den wärmeren Tälern von Luano, nicht aber in anderen Gegenden der Vereinigten Staaten. Die Pflanze ist sehr empfindlich gegen rasche Übergänge von Wärme zur Kälte. Seit 1885 hat sich die Frucht sehr verbreitet und viele befassen sich mit ihrer Aufzucht."


In dem eben zitierten Artikel wurde der Geschmack dieser Frucht als „pikant" und „ausgezeichnet" definiert. Was das „Pikante" anbelangt, mag man sogar zustimmen wollen. Allerdings in einem etwas anderem Sinne als die GZ-Verfasser es taten.

Diese „Pikanterie" eröffnet sich dann, versucht man sich etwa andernorts etwas weiter sachkundig zu machen. Und da wird diese „Pikanterie" etwas anders definiert, mit säuerlich!

Wenn das mal nicht ein grundsätzlicher Fingerzeig zur GZ-Berichterstattung ist!

 

Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 19. November 2008 06:21
Der Rubrik „Euphorie" ist sicherlich auch die nachfolgende Meldung aus dem „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe Magdeburg, 15. 11. 1923, Ausgabe Bern vom 15. 2. 1924) zuzuordnen:

„Luftelektrizität als Kraftquelle der Zukunft
In dem unsere Erde umhüllenden Luftmantel werden durch Reibung fortwährend grosse Mengen an Elektrizität erzeugt. Das ist auch dem Laien aus der Erscheinung des Blitzes bekannt; aber wie ungeheuer gross die zeitweise in der Atmosphäre aufgespeicherte elektrische Energie in Wirklichkeit ist, kann sich doch nur derjenige annähernd vorstellen, welcher einmal die Entladung bei tropischen Gewittern zu beobachten Gelegenheit gehabt hat.
Wie nun, wenn der Mensch sich die innewohnende Energie zunutze machte?
Die praktische Durchführbarkeit, dieser Idee wird in einem Werk von Pladson ,,Gewinnung und Verwertung der atmosphärischen Elektrizität" eingehend erörtert. Pladson schlägt vor, grosse, metallische, zum Auftrieb mit Wasserstoff gefüllte Fesselballons zu verwenden, die ihrerseits durch metallische Seile miteinander verbunden sind. Durch scharfe Spitzen kommt es dann zu sogenannten "stillen Entladungen" und zur Ansammlung von elektrischer Energie zunächst in dem Sammelsystem der Ballons. Dieses Sammelsystem der Ballons in der Luft wird dann von Zeit zu Zeit mit geeigneten Apparaten auf der Erde verbunden, in welche die gesammelte Energie überfliesst und nun genau so verwendet werden kann, wie der elektrische Kraft- und Luftstrom unserer Elektrizitätswerke.

Praktische Versuche haben bisher pro Quadratkilometer Erdoberfläche 200 Pferdestärken ergeben. Das erscheint wenig, doch ist bisher keine bahnbrechende Erfindung gleich in höchster Vollkommenheit geboren worden.
Wahrscheinlich lässt sich das System noch verbessern und dadurch die Menge der gewonnenen Elektrizität vermehren.

Das System an sich ist vorteilhaft da es ausser der einmaligen Anschaffung der Ballons und der Apparate so gut wie gar keine Kosten macht, und da die Luft vorläufig wenigstens weder beschlagnahmt noch in Privatbesitz übergegangen ist. Ausserdem ist das System überall verwendbar, da elektrische Energie überall gleichmässig in der Luft vorhanden ist. Nach Berechnung Pladsons würden sich bei Ausnutzung von 175 000 Quadratkilometer Boden-Luft-fläche täglich 720 Millionen-Pferdestärken aus der Luftelektrizität gewinnen lassen, wodurch ein grosser Teil des Gesamtbedarfes der Industrie obiger Gebiete gedeckt werden könnte."


Nun werden diese Meldung wohl nur wirklich sackkundige Techniker beurteilen können. Das Thema: Weg von fossilen Brennstoffen, hin zu Alternativ-Energiequellen, ist ja auch heutzutage hochaktuell. Ohne diese Ausführungen inhaltlich bewerten zu können, scheint es doch wohl so zu sein, dass genannte Erfindung in keiner Weise sich durchgesetzt hat. Warum hat sie sich nicht durchgesetzt?

Das können nur sachkundige Techniker beantworten.
Aber als einer der sich nicht unbedingt zur vorstehenden Gruppe dazu zählt, kann man doch soviel sagen.

Sicherlich ist dem „Goldenen Zeitalter" eines zu danken. Die Überlieferung einer „Erfindung" für die Nachwelt, einortbar in die Rubrik:
„Erfindungen auf welche die Welt gewartet hat - und sie dennoch nicht gebrauchen kann"!

Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 20. November 2008 06:53
Die Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 11. 1923 (Ausgabe Bern schon am 1. 9. 1923) versucht sich in der Rolle eines Märchenerzählers. Eine detaillierte Quellenangabe dafür wird allerdings nicht mit geliefert. Lediglich im Untertitel mitgeteilt: „Aus dem Norwegischen übersetzt". So kann man nun rätseln. Ist das eine Art Eigenbericht? Oder lediglich eine Zitierung dessen, was andernorts bereits geschrieben steht?

Diese offene Frage soll allerdings nicht überbewertet werden. Will doch das GZ mit diesem Bericht etwas „über die Religion auf dem Monde" mitteilen. Da ist man dann doch baff. Religion auf dem Monde? Davon hat man doch andernorts bisher kaum bis nichts gehört. Also nimmt man es schon in einem gewissen Umfange interessiert zur Kenntnis, was das GZ da mitzuteilen weis. Und schon nach den ersten Sätzen ist es klar. Das ganze ist in die Form einer Geschichte gekleidet. Gäbe es da nicht die GZ-Angabe „aus dem norwegischen übersetzt", könnte man sogar rätseln. Vielleicht einem Freidenker-Journal entnommen. Warum sollte es ein solches nicht auch in Norwegen geben?

Wie auch immer, tauche man nachstehend mal selbst hinein, in die wundersame Geschichte von der „Religion auf dem Monde".


„Meine Mutter hatte eine religiöse Veranlagung und glaubte allen möglichen Priestern und Propheten. Mein Vater glaubte dagegen an gar nichts.
Meine Mutier wünschte, daß ich Religionsunterricht, erhalten und zur Kirche gehen sollte. Da stampfte mein Vater mit dem Fuß und sagte: „Nein!" So wuchs ich ohne Religion heran. Als ich jedoch älter wurde, rührte mich meiner Mutter Betrübnis über mein Heidentum, und ich fing an über Religion nachzusinnen. Doch als ich horte, daß es viele hundert verschiedene Religionen auf der Erde gibt, von denen man sich eine wählen kann, fragte ich meinen Vater, welches wohl die richtige sei.

Er antwortete entschieden, "alle miteinander sind Lügen!"
Nun kannte ich meinen Vater als einen ehrlichen, grundaufrichtigen Mann, an dessen Worten sonst nicht zu zweifeln war. Andererseits sagte ich mir aber auch, daß es doch etwas Gutes um eine Religion sein müsse; das bezeugte mir meine Mutter; die Frage war nur, wie man unter den vielen die richtige finden könnte.

So beschloß ich eines Tages, eine Reise in eine andere Sphäre zu unternehmen, in der Hoffnung, daß vielleicht die Bewohner eines anderen Planeten die richtige Religion haben möchten. Ich ging zu meinem Vater und bat diesen um Erlaubnis, eine Reise unternehmen zu dürfen.
"Wohin?" fragte er. "Nach dem Monde!" antwortete ich. Was willst du dort, mein Sohn?" "Ich möchte die wahre Religion suchen."
Er sagte: „Schön, aber ich gehe jede Wette ein, daß du genau so klug wiederkommst, wie du fortgehst. Immerhin, es kann nichts schaden, wenn du es versuchst." So machte ich mir einen Luftballon und flog davon.

Nach einigen Monaten sehr beschwerlicher Reise kam ich an die Grenzen des Mondes, in der Gegend, wo ich ankam, schien ein großer Tumult und Verwirrung zu sein. Die Luft war mit Rauch erfüllt. Als ich näher herankam sah ich, daß ein großer Krieg im Gange war. Blut floß auf den Straßen, Tausende von Toten lagen ringsumher zerstreut. Plötzlich floh die eine Partei mit einem gellenden Geschrei. Auf der anderen Seite wurde ein Jubel- und Siegesgesang angestimmt.

Da nun keine Gefahr mehr zu sein schien, ließ ich meinen Ballon auf einem hohen Berge niedergehen. Am Fuße des Berges warf sich die .ganze siegreiche Armee auf den Bauch und alle hielten den linken Daumen hoch.
Ich verließ meinen Ballon und stieg langsam den Abhang hinunter. Die Armee stimmte wieder einen Siegesgesang an. Bald war ich in ihrer Mitte.

Wiederum warf sich alles auf den Bauch und hob den linken Daumen gen Himmel.
Dann kam der Anführer auf mich zu und legte seine Hand auf meine Brust, während das Volk blaues Gras und Blätter auf meinen Weg streute, immer den linken Daumen dabei hoch haltend. Bisher halte ich noch nicht versucht, mit ihnen zu sprechen, da ich glaubte, sie würden mich nicht verstehen können. Doch, stellt euch meine Überraschung vor, als sie meine Muttersprache redeten.

Sie sagten mir, daß sie nur zu großem Danke verpflichtet seien, weil ich gerade in diesem Augenblick mit meinem Ballon angekommen sei. Sie waren nahe daran den Kampf aufzugeben, als sie mich plötzlich sahen. Ihre Freude war unbeschreiblich, weil sie dachten, ich sei ein Gott, der gekommen sei, ihre Sache zu führen. Darum stimmten sie den Siegesgesang an, wodurch der Feind in große Panik versetzt wurde und floh.

Ich fragte warum sie den Krieg geführt haben. Sie antworteten: "Wir kämpften für Gottes Sache. Unsere Feinde sind Kinder des Teufels und ungläubige Hunde, die nicht den wahren Glauben haben, sondern sich selbst eine Religion zurecht gemacht haben, die zweifelsohne Tod und Elend über alle Mondbewohner bringen wird."

Darauf fragte ich, wieviel Religionen es auf dem Monde gäbe. Sie antworteten: "Vierhundert" "Und welches ist die wahre?" erlaubte ich mir weiter zu forschen. Die Antwort war: "Natürlich die unsere. Wenn du einen anderen Glauben hast wirst du gewißlich verdammt werden!"

Ich bat sie, mir die Richtlinien ihres Glaubens zu erklären. Darauf stieß der Anführer viermal in seine Trompete. Sofort warf sich das Volk wieder auf den Bauch und hielt den linken Daumen hoch. Darauf erschien eine Prozession von Männern in grünen Gewändern aus einer Höhle des Berges. Einer dieser grün bekleideten Männer hatte eine merkwürdige, hohe Kopfbedeckung und über dem grünen Gewand ein kurzes, blaues Obergewand, worauf ein riesiger Daumen gestickt war. Dieser Mann schien eine Art Bischof oder Kardinal zu sein, eine hohe Persönlichkeit der Hierarchie.

Er erhob seinen Daumen und sagte mit lauter Stimme: „Die einzig wahre Religion ist diese: Gott muß geehrt werden, indem man sich auf den Bauch wirft und den linken Daumen in die Höhe hält, und jeder Gläubige muß viermal im Jahre Blaubeersaft trinken und Hafermehlkuchen essen. Wer daran glaubt und dieses tut, wird errettet werden, doch wer sich weigert daran zu glauben, wird gewißlich verdammt werden."

Ich muß gestehen, diese Religion kam mir sehr merkwürdig vor, darum war ich doch neugierig, zu erfahren, was es denn sonst noch für andere Religionen auf dem Monde gäbe. Der mit dem Kopfputz antwortete: "Es gibt vierhundert, aber alle außer der unsrigen sind falsch."

Noch neugieriger fragte ich: "Was glauben denn die Anderen?" Er antwortete: "Manche glauben, daß es nicht nötig ist, sich auf den Bauch zu werfen, sondern, daß es genügt, sich niederzulegen. Andere glauben, daß man den rechten Daumen hoch halten muß, anstatt den linken, während wieder andere glauben, daß es der Mittelfinger sein muß und noch andere den Ringfinger für richtiger halten. Dann glauben manche, daß es genügt, den Blaubeersaft und den Hafermehlkuchen nur zweimal im Jahr zu genießen, andere meinen, es müsse täglich geschehen, wieder andere sind überzeugt, daß beides alle Sonntage eingenommen werden muß, noch andere denken, es müsse monatlich geschehen, während andere glauben, einmal im Jahre sei genügend. Einige arme Ungläubige denken sogar, daß es genug ist, wenn sie Hafermehlkuchen allein essen, andere wieder verwerfen den Hafermehlkuchen und trinken nur Blaubeersaft. In der Tat, der falschen Lehren und Propheten sind unendlich viele", sagte der ehrwürdig aussehende Priesterfürst.

"Dabei versucht ein jeder, den andern davon zu überzeugen, daß seine Religion die wahre ist; darum haben wir ewigen Krieg. Der Kampf, der wütete, als du eben bei uns ankamst, richtete sich gegen eine Schar, welche den Irrtum vertritt, daß man den kleinen Finger in die Höhe halten müsse, und daß Blaubeersaft ohne Hafermehlkuchen selig machen könne. Wir haben schon viele Schlachten mit Ungläubigen ausgefochten, aber unsere Losung war immer "Gott mit uns" und auf irgendeine Weise haben wir stets gewonnen. Nun haben wir die größte Hoffnung, bald alle auf dem Monde zu besiegen, was zur Folge hätte, daß diese armen Sünder auch den rechten Glauben annehmen würden, wodurch sie von Verdammnis und ewiger Qual errettet würden."

Als er seine Rede beendet halle, warf er sich sofort mit Pomp und großer Fertigkeit auf den Bauch und reckte seinen linken Daumen in die Höhe. Alles Volk folgte natürlich unverzüglich seinem Beispiele. Nach dieser Zeremonie gingen sie daran, ihre Toten zu begraben, wohl 3000 an der Zahl oder mehr, und währenddem priesen sie Gott, daß er an einem Tage einen so glänzenden Sieg errungen habe.

Gegen Abend lud mich der Hohepriester in sein Haus ein. Als wir allein waren, fragte er mich ganz vertraulich über meine Religion, und als ich ihm freimütig sagte, ich habe keine, sah er mich erstaunt an und fragte, ob ich nicht ihren Glauben teilen und ihrer Kirche angehören wolle. Ich sagte ihm, daß ich nicht völlig überzeugt sei, daß dies die wahre Religion sei.

"Überzeugt," rief er, nun, das ist das letzte, was man auf dem Monde zu sein braucht. Das ist durchaus nicht nötig. Alles, was du zu tun hast, ist, daß du glaubst, was ich sage; und ich werde sofort eine heilige Handlung an dir vollziehen, dir einen Hafermehlkuchen zu essen und Blaubeersaft zu trinken geben und dich mit Milch salben. Dann wirst du ein Glied der wahren Kirche sein."

"Mit Milch salben?" fragte ich, "bitte, was soll das bedeuten?" Er antwortete: "O, das ist eine heilige Handlung, wodurch jemand in sofortige Gemeinschaft mit Gott aufgenommen wird. Ich gieße ein wenig Milch auf deinen Kopf und sofort bist du ein Glied der wahren Kirche.
Komm, laß es mich sofort tun!"

Nun war ich nicht gerade entzückt von dem Gedanken, daß Milch auf meinen Kopf gegossen werden sollte und so sagte ich, "ich glaube nicht, daß ich mich dieser Operation unterziehen werde," worauf sich folgendes Zwiegespräch entspann:

Er: "Was glaubst du denn eigentlich?"
Ich: "Ich habe keinen Glauben!"
Er: "Aber sicherlich glaubst du an Gott?"
Ich: "Ich weiß es nicht, ich habe ihn weder gesehen noch gehört."
Er: „Aber sicherlich glaubst du an ein Leben nach dem Tode?"
Ich; "Ich weiß es nicht, es ist noch niemand aus den Toten zurückgekommen und hat uns davon erzählt."
Er: "Da bist du also ein Freidenker oder schlimmer als das, ein Atheist?"
Ich: "Ja, das bin ich."
Er: "Sicherlich bist du der einzige auf der Erde, der an nichts glaubt!"
Ich: "O nein. in den letzten Jahren denken viele nach ihrer eigenen Meinung."
Er: "Und läßt man solche Leute leben?"
Ich: "Ja, in der heutigen Zeit. Aber in früheren Zeiten wurden sie verfolgt und in das Gefängnis geworfen. Doch jetzt kann ein jeder denken und glauben, was er will, und man muß nicht zu einer Kirche gehören, wenn man nicht will."
Er: "Ist das möglich!? Man darf nach seinem eigenen Gewissen denken und handeln?"
Ich: "Ja, wir dürfen auch ehrlich und vernünftig sein, wenn wir wollen."
Er: "Mit anderen Worten, du meinst, daß die, die blind glauben, was ihnen die Priester sagen, unehrlich sind oder unvernünftig?"
Ich: "Sicherlich!"
Er: "Ich vermute, du denkst dasselbe auch von mir?"
Ich: „Nun - - -"
Er: "Bitte, sprich dich aus!"
Ich: "Nun, eine direkte Frage ist eine direkte Antwort wert. Ich kann mir wirklich nicht denken, daß ein vernünftiger Mensch glauben kann, daß er dadurch errettet wird, indem er sich auf den Bauch wirft und den linken Daumen in die Höhe hält und Blaubeersaft trinkt und Hafermehlkuchen ißt. Und ich kann auch nicht glauben, daß du selbst davon überzeugt bist"

Als ich dieses gesagt hatte, legte er seine Hand auf meinen Mund und bat mich, nicht so laut zu reden; dann schloß er sorgfältig und fest die Türe zu. Nachdem er sich versichert hatte, daß wir ungestört waren, setzte er sich dicht zu mir und sagte:

"Höre, junger Mann, wir wollen von jetzt ab als zwei aufrichtige Männer miteinander reden. Du scheinst ein sehr vernünftiger, selbständig denkender, junger Mann zu sein, und es wird mir eine gewisse Erleichterung sein, mich dir gegenüber auszusprechen. Ich will dir ehrlich gestehen, daß ich durchaus keinen Glauben an die Daumenzeremonie und an das Seligwerden durch Blaubeersaft und Hafermehlkuchen habe; aber siehst du, meine Stellung verlangt es von mir, daß ich den Leuten diesen Unsinn predige, weil sie dafür bezahlen und mich verehren wie einen Gott.

Ich kann dir versichern, daß mich die Leute so sehr lieben, daß sie sofort bereit sind, den in Stücke zu zerreißen, der das nicht glaubt, was ich sie gelehrt habe. Darum, siehst du, ist es absolut notwendig, daß ich sie unter meinem Daumen halte, andernfalls würde ich meine Stellung, mein Gehalt, meine Ehre und schließlich all meine Gemeindemitglieder verlieren. Dann haben wir hier einen König, der in einem großen Palast, wohnt. Er hat einen Harem mit vielen Frauen, die alle mit goldgestickten Kleidern bekleidet sind. Der König hat auch eine große Armee und einen großen Hofstaat und viele Diener. Wir haben auch viele Großgrundbesitzer, die das ganze Land besitzen. Für alle diese Leute muß Sorge getragen werden.

Und ohne Religion würde bald Unordnung und Verwirrung sein. Das Volk würde den König; und seine vielen Frauen töten, sie würden sich weigern, im Heere zu dienen, und würden sich weigern, all die überflüssigen Hofleute und Diener zu erhalten. Und was noch schlimmer wäre, sie würden den Großgrundbesitzern das Land wegnehmen und unter sich verteilen. Wenn sie aber von den Kanzeln herab gelehrt werden, daß sie eine Belohnung im Himmel erhalten werden, wenn sie meinen Geboten folgen, während sie andernfalls in die Hölle kommen, geht alles in der guten, alten Ordnung weiter, von einem Jahrhundert zum andern und alle scheinen zufrieden zu sein.

Tatsächlich scheinen alle vollkommen glücklich zu sein, - die Aristokratie, weil sie ein gutes Leben hier auf dem Monde führt, und die übrige Menschheit, weil sie die Hoffnung hat, im Himmel tausendmal mehr zu besitzen als hier. Warum es also anders machen wollen, wenn alle glücklich sind? Was sagst du dazu?"

Meine Antwort war: „Alles", was ich sagen kann, ist das es überrascht mich, wie sehr die Zustände hier denen auf der Erde gleichen. Dort errafft auch die Minderheit des Lebens Güter und lebt in völliger Unabhängigkeit, während die große Mehrheit auf alle mögliche Weise unter Mangel und Entbehrung leidet. Die Ursache zu alledem ist, daß manche Prediger die Sinne der Menschen mit Unwahrheiten verdunkelt haben und sie veranlaßten, ihren Unsinn zu glauben."

Er: "Wie seltsam, daß es auf der Erde, die ein viel älterer und größerer Planet ist, auch so sein soll! Sehr seltsam, daß sie nicht weiter fortgeschritten sind als wir. Bist du auch sicher, daß kein Unterschied besteht?"

Ich; "Es besteht gar keiner, Ja."
Er: „Glauben sie auch an den Daumen und an den Blaubeersaft und Hafermehlkuchen und an die Milchsalbung?"
Ich: "Nicht gerade das, aber was sie glauben, ist dem Sinne nach diesen Dingen so sehr ähnlich, daß es füglich als dasselbe bezeichnet werden kann."
Er: "Bitte, erkläre mir das näher."
Ich: "Nun, anstatt den Daumen in die Höhe zu halten, falten sie die Hände. Die Priester tragen schwarze Gewänder, anstatt grüne. Anstatt, daß sich die Leute auf den Bauch werfen, knien sie nieder. Anstatt die Leute mit Milch zu salben, spritzen die Priester kleinen Kindern und auch manchmal Erwachsenen etwas Wasser auf den Kopf. Anstatt Blaubeersaft, trinken sie Wein, und anstatt Hafermehlkuchen, essen sie Weizenbrot.

Wie der Mond, ist auch die Erde mit Religionskriegen erfüllt. Um des Glaubens willen haben sich die Menschen zu Millionen getötet und die Geistlichkeit hat dabei gesessen und gelächelt, während die Welt immer wieder auf denselben alten Weg zurückgekommen ist, weil man nichts Besseres wußte. Es gibt in Afrika schwarze Heiden, die sagen, daß ein guter Geist die Welt gemacht habe, aber ein böser sie regiere."


Soweit also die vom GZ präsentierte Erzählung. Irgendwie wird man dabei auch an die spätere Erzählung von Hank erinnert.
Siehe dazu:
Die Geschichte von Hank

Ein eigenes redaktionelles Nachwort fügt die GZ-Redaktion dann auch noch an, in dem unter anderem zu lesen ist:


In dieser kleinen Erzählung "die Religion auf dem Monde" liegt manches Körnchen Wahrheit. Wir müssen zugeben, daß die verschiedenen Religionen wie Betäubungsmittel gewirkt haben, stärker als Opium. Sie haben den Verstand des Menschen eingeschläfert und tatsächlich das Menschengeschlecht gelähmt. Ich habe einmal ein Bild gesehen, woran ich bei dem lesen dieses Geschichtchens erinnert wurde, es hieß: "Der Pilger fragt nach dem Weg zum Himmel." Geistliche der verschiedensten Denominationen zeigten ihm die verschiedensten Richtungen und der arme Reisende stand erstaunt und ratlos da. ..."

Trotz dieser Einlassung kann es sich das GZ nicht verkneifen zu betonen, es gäbe eine wahre Religion. Unschwer zu erkennen auf sich selbst bezogen. Mir indes erscheint, diese vermeintlich wahre Religion hat inzwischen denselben Status erreicht, dem sie in der vorgenannten Erzählung dem Priester zubilligt:

„... Ich will dir ehrlich gestehen, daß ich durchaus keinen Glauben an die Daumenzeremonie und an das Seligwerden durch Blaubeersaft und Hafermehlkuchen habe; aber siehst du, meine Stellung verlangt es von mir, daß ich den Leuten diesen Unsinn predige, weil sie dafür bezahlen und mich verehren wie einen Gott. ..."

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 21. Dezember 2008 05:44
Zwei Meldungen aus dem „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe Bern vom 15. 12. 1923; Ausgabe Magdeburg, 15. 1. 1924) sollen im wesentlichen kommentarlos vorgestellt werden.
In einem namentlich mit Jacques Blumer, Riga gezeichneten Bericht unter der Überschrift „Der Gipfel des Irrsinns in Sowjetrußland. Ein Denkmal für Judas Ischariot" liest man:


„Die Bekämpfung der 'religiösen Vorurteile' bildet bekanntlich einen wichtigen Bestandteil der 'aufbauenden Tätigkeit' des Bolschewismus, der sich nicht mit der alleinigen Zerstörung materieller Werte begnügt. Das widerliche Gebaren der roten Phrasendrescher nimmt dabei oft einen lächerlichen grotesken Charakter an der die ganze Hohlheit der weltbeglückenden bolschewistischen Theorien erbarmungslos enthüllt. So berichtet ein Däne namens Köhler, den berufliche Pflichten nach Sowjetrußland führten, über die Enthüllung eines Denkmals für Judas Ischariot in der Stadt Swiaschsk an der Wolga unweit Kasanj, zu der er von den bolschewistischen Behörden eingeladen war, wie folgt:

'Ich fuhr zu der Feier in einem Panzerzuge. Während der Fahrt stattete ich der Genossin Doily Michalowna einen Besuch ab, einer früheren Varietesängerin aus Reval, die im Zuge die Funktionen einer älleten barmherzigen Schwester und der Wirtin ausübte. Ich traf das Persönchen in einem Sonderabteil, dessen Wände mit Bildern futuristischer Nacktheit behängt waren. Den Fußboden bedeckte ein prachtvoller Perserteppich. Die barmherzige Schwester empfing mich in einem Neglige von dünner Gaze; die nackten Füße steckten in goldenen Pantöffelcnen. Sie machte gerade "Gesichtstoiletie" mit roter und schwarzer Schminke. Nach unserer Ankunft in Swiaschsk marschierte Dolly an der Spitze der Paradetruppen, die aus zwei Abteilungen der roten Armee (zusammen etwa 200 Mann) bestanden und die sich hauptsächlich aus ehemaligen ungarischen Kriegsgefangenen zusammensetzten. Die Schwester trug jetzt eine Marinemütze, weiße Jacke, schwarzen Rock und hohe gelbe Stiefel.

Vor dem Denkmal, einer Kolossalstatue, hielt in Gegenwart einer großen Volksmenge ein rothaariger Mann die Festrede. Er setzte den Zuhörern auseinander, daß man im Zweifel war, wem man ein Denkmal errichten sollte. Kandidaten dafür waren drei: Luzifer, Kain und Judas Ischariot. Bei näherer Untersuchung zeigte es sich jedoch, daß die Aussichten Luzifers nicht völlig im Einklang mit den Sowjetsatzungen standen, und daß die Persönlichkeit Kains historisch nicht vollständig erwiesen sei. Deshalb fiel die Entscheidung zugunsten des Judas, der den Mut hatte, dem Begründer einer Religion, dieses Opiums der Menschheit, zu trotzen.-

Die Michailowna zog am Schnürchen, und die Hülle fiel vom Monument, vor dem sich das anwesende Volk nach russischer Sitte tief verneigte. Die Figur ist aus Gips und stellt einen Riesen dar, der mit der Faust 'Gott droht'.
Zweifellos wird man auch dem Teufel Standbilder errichten und Ehrenbezeugungen erweisen, sobald seine Existenz auch den roten Gelehrten nachgewiesen sein wird. Und daß er in Sowjetrußland existiert, kann schon jetzt mit aller Bestimmtheit angenommen werden."


Der zweiten Meldung (Ausgabe Bern 1. 12. 1923) begegnet man in der Form einer Fragenbeantwortung. Die gestellte Frage lautete:
„Was ist im Grunde genommen der Fascismus?
Verkörpert vielleicht der italienische Diktator den Antichristen im Verein mit dem Papsttum?"


In der dazu gegebenen Antwort wurde unter anderem ausgeführt:
„In den verschiedenen Formen feiert er in dieser Zeit seine Triumphe, indem die Konservativen und Nationalisten wie in Italien, Bayern und Spanien in den verschiedensten Ländern sich zusammenraffen zu einer wirksamen Bekämpfung des Bolschewismus."

Diesen Umstand meint man wie folgt deuten zu können:
„Die Bibel redet von diesem Hin- und Herschwanken der socialen Ordnung und bezeichnet diese Erscheinung als ein besonderes Erkennungsmerkmal des Endes dieser gegenwärtigen bösen Weltordnung. Ins Extrem getriebener Fascismus scheuert und entfacht wiederum den Anarchismus und Bolschewismus in welchem schliesslich die gegenwärtige Ordnung aufgelöst werden wird, oder wie die Bibel sich ausdrückt, all die Versuche die alte Ordnung der Dinge zu stützen, als welche sich der Fascismus in all seinen Formen darbietet, werden in kürze im Meer der Anarchie untergehen, weil es weder einem Mussolini noch einem Hitler, noch anderen Fascistenführern gelegen wird, die berechtigten Wünsche der arbeitenden Volksmassen zu befriedigen, im Gegenteil ein noch härteres Joch den Massen auferlegt wird, sodass diese zuletzt enttäuscht und erbittert sich dem Anarchismus in die Arme werten werden.

Die Hauptstütze der alten Gesellschaftsordnung bilden heute in der Tat die verschiedenen fascistischen Armeen, verbunden mit dem Klerikalismus und dem Kapitalismus. Dieser Dreibund versucht mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die alte Ordnung zu stützen. Die Kirche in ihrer Gesamtheit wurde ganz unbemerkt durch die Umstände in dieses unheilige Bündnis hineingetrieben und verfehlt völlig zu erkennen, dass derjenige, um dessen Reich sie seit Jahrhunderten betet, nun an der Arbeit ist, die Zügel der Regierung in seine starke Hand zu nehmen um sein längst verheissenes Reich jetzt anzurichten. So kommt die Kirche mit den obengenannten Institutionen mehr und mehr in eine Christo entgegengesetzte Stellung. Sie wird als gegen Christo stehend erfunden werden, als im Bündnis und im Lager derjenigen sich befindend, die wieder Christo streiten, wenn sie nicht in letzter Stunde umkehrt und sich lossagt von dieser unseligen Allianz. ..."


Wenn man - dies als Kommentar zu vorstehendem - auch Religion den Status des „Seufzers der bedrängten Kreatur" zubilligen kann, so zeigt indes die tatsächliche Geschichtsentwicklung, dass sie anders verlief als wie es diese „Kaffessatzlesung" meinte prognostizieren zu können.

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Re: Im "Goldenen Zeitalter" gelesen - Eine Zeitreise -
geschrieben von: Drahbeck
Datum: 24. Dezember 2008 03:10
Was die im „Goldenen Zeitalter" (Ausgabe Magdeburg) vom 15. 12. 1923 anzutreffenden Ausführungen in Sachen Esperanto anbelangt, wurde auf selbige schon früher einmal eingegangen.
Siehe dazu: Esperanto

Es wurde schon früher bemerkt, dass es in der Frühzeit durchaus beachtlich zu nennende inhaltliche Unterschiede zwischen der Schweizer und der deutschen Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" gab. Das zeigt sich auch an der Ausgabe vom 15. 12. 1923.

Da Weihnachten feiern damals noch mit zu den auch von den Bibelforschern praktizierten Gepflogenheiten gehörte, ist man natürlich nicht verwundert, in der letzten Ausgabe des Jahres, in beiden Ausgaben, entsprechendes vorzufinden.

Allerdings kann man beobachten. Die Magdeburger Ausgabe beschränkt ihre diesbezüglichen Ausführungen auf nur eine Seite. Während es in der Schweizer Ausgabe deren gleich mehrere sind.

Nun mag man diesen Umstand dahingehend interpretieren. Die deutsche Ausgabe begann später zu erscheinen. Hatte somit einen grösseren Nachholbedarf an der Veröffentlichung von Artikeln, welche das Schweizer GZ bereits über einen längeren Zeitraum publiziert hatte. Eine solche Erklärung hätte sicherlich einige Plausibilität. Daher sollen diese Differenzen auch nicht überbewertet werden.

Es sei lediglich nur einmal im Bild gezeigt, was beide genannte Ausgaben zum Thema Weihnachten brachten. Das erste Bild ist der Magdeburger Ausgabe entnommen, die nachfolgenden der Berner Ausgabe.

http://www.manfred-gebhard.de/Weihnachten.1.jpg

http://www.manfred-gebhard.de/Weihnachten.2.jpg

http://www.manfred-gebhard.de/Weihnachten.3.jpg

http://www.manfred-gebhard.de/Weihnachten.4.jpg

http://www.manfred-gebhard.de/Weihnachten.5.jpg

http://www.manfred-gebhard.de/Weihnachten.6.jpg

1923

Im Goldenen Zeitalter gelesen - Eine Zeitreise (1922)

Im Goldenen Zeitalter gelesen - Eine Zeitreise (1924)

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