Hier wird's interessant! ...

geschrieben von: Drahbeck

Datum: 12. September 2008 11:20

http://forum.myspace.com/index.cfm?fuseaction=messageboard.viewThread&entryID=67373496&groupID=107555950&Mytoken=F78F66C6-B1A6-43B4-97BF6E0CE381A21182518171

Re: Hier wird's interessant! ...

geschrieben von: . +

Datum: 12. September 2008 23:12

Hallo Manfred,
Es wäre kein Problem die Tagebucheinträge hier mit einzustellen.
Ich dachte halt, ich langweile Euch nur damit, da ich bei Infolink bereits von den ersten vier Monaten berichtete.
Ich versuche es jetzt etwas mehr chronologisch zu sortieren und das eine oder andere genauer zu beschreiben.

Bei dem ersten Eintrag verwende ich zum Beispiel die Bilder aus dem Pink Floyd Film „The Wall“.
Im ersten Bild steht der Lehrer von einem Schüler und liest höhnisch aus seinem konfiszierten Heft, seine Gedichte vor.
„Poesie! Meine Herrschaften. Poesie!“
Und die Schulklasse Lacht.

„Absolutely Rubbish!“ sagt der Lehrer strafend und schlägt dem Schüler mit dem Rohrstab auf die Finger.

Und ich schreibe mit den Tagebucheinträgen auch nur
„Poems! Everybody. Poems!“

Re: Im Bethel

geschrieben von: Gerd B.

Datum: 13. September 2008 08:59

+ ,
mich erregt dein Bericht fast so, wie wenn ich heute im Bethel einrücken müsste.
Empfindung: eine Mischung aus Angst und Resignation, bedrückend 

Bin auf die Fortsetzung gespannt!
Arbeite deine Vergangenheit ab, liege auf der Couch und erzähle uns, wir sind alle wie Sigmund Freud gute Zuhörer...

Re: Im Bethel

geschrieben von: Drahbeck

Datum: 13. September 2008 14:22

Gibt es Unterschiede in den Berichten?
Etwa zu dem von Gottschling?
Sicherlich, Zeit und Umstände sind verschieden.
Aber das war es dann wohl auch schon.

Der Gottschling-Bericht

Re: Im Bethel - Zweiter Tag - Termine

geschrieben von: Marcilo

Datum: 15. September 2008 10:33

Habe eine Frage:
Warum und was wird nach den 20 Minuten Essen gebetet?
Gibt/gab es vor dem Essen kein Gebet?
Dein Bericht erschüttert mich und bestätigt mir, was ich mir ungefähr ausgemalt habe; genug Gründe, dass ich da nie wirklich hin wollte.
Grüße
Marcilo

Re: Im Bethel - Zweiter Tag - Termine

geschrieben von: Frau von x

Datum: 14. September 2008 22:48

.+
Bevor ich als Kind ins Bethel kam hatte ich einen Kanarienvogel. ... Einmal flog er aus der offenen Balkontür nach draußen! ... Ich erklärte ihm dass ... draußen ... nicht überleben könnte. Ich bin mir ganz sicher dass er mich verstanden hat.

Die Brüder sind sich auch immer ganz sicher, daß sie persönlich von Jehova beschützt wurden. 

Sei versichert, daß wir uns auf deine Mitarbeit freuen.

Soll heißen: Sei versichert, daß wir uns freuen, dich ausnutzen zu dürfen.

 Es ist dein Vorrecht, ... die Wache an der Schranke zu übernehmen.

Jegliche Form der Ausbeutung zur Erhaltung des Systems, darf als Vorrecht betrachtet werden.

Hallo "+", hast du es erlebt, daß jemand innerhalb kürzester Zeit das Bethel wieder verlassen hat?

Re: Im Bethel - Zweiter Tag - Termine

geschrieben von: Frau von x

Datum: 16. September 2008 11:15

. +
So Außergewöhnlich ist es jedoch nicht das Tiere intelligent sind.

Keine Frage, das sind sie, da bin ich mir auch ganz sicher. Aber ob sie uns verstehen?

Ich stand vor einem Geschäft und wartete auf meinen Mann, als ein Herrchen seinen Hund anleinte und ihn mit den tröstenden Worten zurückließ: "Ich bin gleich wieder da." Es war Winter und der kleine Kerl zitterte wie Espenlaub. In dem Moment hab ich mich gefragt, ob er das wohl verstanden hat? ;-)

Hallo "+", wie verhält es sich eigentlich, wenn ein Bethelit heiratet. Kommt die Frau dann automatisch mit ins Bethel oder muss sie sich offiziell bewerben, wie alle anderen auch?

Re: Im Bethel - Zweiter Tag - Termine

geschrieben von: Gerd B.

Datum: 16. September 2008 14:09

Ich schließe eine Frage dazu an.

Kanntest du auch den dunkelhaarigen Arzt, der kurz nach seinem Doktorat nach Selters ging? Ich glaube er war mit einer Zahnärztin verheiratet. Er war dann in der Bibliothek eingesetzt, was großes Erstaunen auslöste.

Ich bekam einmal nach einem TV-Auftritt von mir einen telefonischen Anruf aus Bayern wegen dieses Arztes. Konnte nichts dazu sagen, daher frage ich nun dich.

Re: Im Bethel - Dritter Tag - alles sträubte sich in mir

geschrieben von: Marcilo

Datum: 16. September 2008 09:22

Gott, du hast mein Beileid.
Finde ich toll, dass du uns daran teilhaben lässt.

Ja, das mit dem Kyrillisch .... Woher kenn ich nur diese Gedanken!? Habe das selber schon hin und wieder gemacht.

Noch mal ne Frage, wegen Gebet. Warum wird ein zweites Gebet gesprochen? "Danke, dass wir nun essen durften"? Während das erste für das Essen war, das vor einem steht?!

Mich schüttelt es im Moment. Diese Kontrolle, Regeln, Arroganz, ...
Das ist so U N C H R I S T L I C H ! ! !

In Philiper wird von Freude gesprochen. Worüber soll man sich da denn freuen? An einer anderen Stelle wird von vortrefflichen Werken gesprochen oder dem vollkommenen Band der Einheit.
Hat alles nichts mit Regeln, Gesetzen, Pharisäertum zu tun ...

Grüße
Marcilo

Re: Im Bethel - Dritter Tag - alles sträubte sich in mir

geschrieben von: . +

Datum: 16. September 2008 16:20

Frau von X

wie verhält es sich eigentlich, wenn ein Bethelit heiratet. Kommt die Frau dann automatisch mit ins Bethel oder muss sie sich offiziell bewerben, wie alle anderen auch?

Nicht nur die Frau muss sich bewerben sondern auch der Bethelit muss sich erneut bewerben.
Es ist nicht sicher das ein Ehepaar genommen wird.
Denn es gibt durch das Einheiraten zuviele Schwestern.

In meinem Fall war es so, das unser Entschluss zu Heiraten innerhalb von 14 Tagen erfolgte und der Hochzeitstermin auch sehr kurzfristig gesetzt wurde.
Liebe auf den ersten Blick.

Durch meine zwischenzeitlichen Dienstjahre, meinen Beruf und meine Zuteilung im Bethel war es jedoch von vornherein klar, das auch meine Frau mit in das Bethel aufgenommen würde.
Mit anderen Worten, einem Ehepaar das schon eine Aufnahme in Aussicht gestellt wurde, wurde die Zusage kurzfristig entzogen.
Das gab damals ein ziemlichen Aufstand da sie sehr kurzfristig umplanen mussten.

Marcilo
Noch mal ne Frage, wegen Gebet. Warum wird ein zweites Gebet gesprochen? "Danke, dass wir nun essen durften"? Während das erste für das Essen war, das vor einem steht?!

Inhaltlich gibt es nichts was sich von jedem 08/15 Gebet in den Zusammenkünften unterscheiden würde.
Sie wurden erfreulich kurz gehalten.

Ein Gebet zum Tafelaufheben gab es nur aus ablauftechnischen Gründen.
„Papa ich bin fertig mit Essen darf ich aufstehen?“
Um mehr ging es eigentlich nicht.

Wenn Gott ein vernunftbegabtes Wesen ist und wenn wir zu ihm sprechen können wie zu unserem Vater dann frage ich mich warum wir es nicht tun.
Also wenn meine Kinder zu festgesetzten Zeiten mit festgefahrenen langweiligen leeren Sprachhülsen und starren Verhaltensmustern zu mir sprechen würden, würde ich mir ernsthafte Sorgen machen.

Aber das soll jetzt nicht unser Thema sein.

Marcilo
U N C H R I S T L I C H ! ! !

Michael
Ein öffentlicher Bericht in der Versammlung aus einer Schulung der WTG.
http://forums.myspace.com/t/4123630.aspx?fuseaction=forums.viewthread&PageIndex=220&SortOrder=0

Auf dem Myspace Forum gab es gestern ein Posting eines Ältesten.
Dieser meinte seine Exklusiven Sonderweisheiten unbedingt heraushängen lassen zu müssen.
Ich hasse das wie die Pest.

Der Bethelbruder der in eine Versammlung kommt und dann seinen Sonderdraht zur Leitenden Körperschaft heraushängen lässt.
Oder die Brüder die sich vor den anderen Brüsten das die Connections zum Bethel haben.

Das fand ich immer schon ärmlichst.
Wenn ich in eine Versammlung zu Besuch kam sagte ich, ich käme von der Versammlung Frankfurt Mitte.
Schluss aus.

Dabei ist nichts an dem Bethel irgendwie außergewöhnlich Geistlich.
Einen Ferienmitarbeiter kann man vielleicht durch die 15 Minuten Tagestext Besprechung beeindrucken oder das Ritual des zweimal Betens, aber ein vergeistigtes in sich gehen, Besinnung oder gar Inhaltliche Besonderheiten sucht man dort vergebens.

Vergleichbar mit dem Lichtspenderbuch der Pioniere.
Inhaltlich das Papier nicht wert auf das es gedruckt wird aber es wird so getan als ob daran etwas geheimnisvolles exklusives wäre.

Im Gegenteil.
Das Bethel ist eine Fabrik.
Ein Industriekomplex in der grünen Wüste mit einem integrierten Wohnkomplex.
Predigdienst oder gar Zusammenkünfte werden als minderwertiger betrachtet als die Fabrikarbeit.
„Hier ist man Produktiver als der einfache Verkündiger.“

Hallo Gerd,

Du fragtest mich schon einmal in Wien danach.
Aus der Beschreibung sagt es mir nichts.

Mag sein das das ich ihn kannte, aber so sagt es mir nichts.

Re: Im Bethel - Dritter Tag - alles sträubte sich in mir

geschrieben von: prozessor

Datum: 16. September 2008 16:52

. +
Ein öffentlicher Bericht in der Versammlung aus einer Schulung der WTG.
http://forums.myspace.com/t/4123630.aspx?fuseaction=forums.viewthread&PageIndex=220&SortOrder=0

Die Homepage dieses "Michael" ist aber für einen ZJ-Ältesten auch seltsam.

Swinger steht für offen für alles, und mit mir kann man über alles reden und vieles unternehmen.

www.msplinks.com/MDFodHRwOi8vd3d3Lm15c3BhY2UuY29tL21pamlhbGU=

Re: Im Bethel - Bandspülmaschine

geschrieben von: Drahbeck

Datum: 17. September 2008 06:24

Der naturalistische Bericht ist wahrhaft geeignet, „das Gruseln zu erlernen."
Bliebe nur zu hoffen, das Bethel-Kandidaten in spee, ihn den auch zur Kenntnis nehmen würden.

Re: Im Bethel - Der sechste Tag - Ehepaar

geschrieben von: Frau von x

Datum: 19. September 2008 15:28

. +
Außerdem kann man einen langjährig Gedienten nicht mit einem Neuankömmling vergleichen.

Ganz sicher nicht ...

Was jetzt noch halbwegs brauchbar war wurde in den „gehoberen Dienstgraden“ feilgeboten.
Alle Bethelmitarbeiter haben einen aus ihren Dienstjahren resultierenden Rang.
Derjenige mit dem höchsten Rang geht zuerst durch den Bazar.
Diese Dienstjahre-Rang-Regel findet in vielem im Bethel Anwendung.
Hat man einen niederen Dienstjahresrang muss man sich (ob einem das Zimmer in dem man gerade wohnt gefällt oder nicht) um ein neues Zimmer bewerben.

... trotzdem dachte ich immer, daß wir alle "Brüder" sind.

Wenn mein Frau Recht hat, kann ich sehr, sehr schmerzhaft Schweigsam sein...

Da hat sie es mit dir aber auch nicht leicht. 

Ich schrieb dass man hier durch das Aufgezwungene Leben förmlich zu einer Heirat getrieben wird.
Dies ist der einzige Ausweg.

Ich denke es war Liebe auf den ersten Blick.

Re: Im Bethel - Der sechste Tag - Ehepaar

geschrieben von: . +

Datum: 19. September 2008 18:41

Frau von x

. +
Außerdem kann man einen langjährig Gedienten nicht mit einem Neuankömmling vergleichen.

Ganz sicher nicht ...

Wobei ich hier anfügen müsste wie ich das in meinem Tagebuch meinte.
Die Gruppen die sich bildeten wünschten nicht dass ein Emporkömmling ihre erlauchten Kreise störte.

Dummer weise hatten meine Eltern Bekannte im Bethel und gaben mir Geschenke für sie mit.
So erdreistete ich mich, als Neuling in deren Kreise einzudringen.

Langjährige Gediente begeben sich aber nur sehr widerwillig aus ihren erlauchten Kreisen herab, zu einem der in seinem Leben noch nichts geleistet hat.
Jugend ist im Bethel nicht die Zukunft, sondern ein Leiden das es zu behandeln gilt.

Frau von x

Was jetzt noch halbwegs brauchbar war wurde in den „gehoberen Dienstgraden“ feilgeboten.
Alle Bethelmitarbeiter haben einen aus ihren Dienstjahren resultierenden Rang.
Derjenige mit dem höchsten Rang geht zuerst durch den Bazar.
Diese Dienstjahre-Rang-Regel findet in vielem im Bethel Anwendung.
Hat man einen niederen Dienstjahresrang muss man sich (ob einem das Zimmer in dem man gerade wohnt gefällt oder nicht) um ein neues Zimmer bewerben.

... trotzdem dachte ich immer, daß wir alle "Brüder" sind.

Dies war aber kein großer Verlust.
Bei Dingen die über diesen Weg kam handelte es sich um Haufenweise Kitsch und gebrauchten Trödel.
Dieser wird dann in den Bethelzimmern gehortet.
Einer der Gründe warum ich sage das das Bethel billig ist.

Frau von x

Wenn mein Frau Recht hat, kann ich sehr, sehr schmerzhaft Schweigsam sein...

Da hat sie es mit dir aber auch nicht leicht. 

1:0 für Dich

Frau von x

Ich schrieb dass man hier durch das Aufgezwungene Leben förmlich zu einer Heirat getrieben wird.
Dies ist der einzige Ausweg.

Ich denke es war Liebe auf den ersten Blick. 

Im Bethel

geschrieben von: . +

Datum: 12. September 2008 23:15

Wenn ich heute mein Leben Resümieren müsste, würde ich nach wie vor zu dem Ergebnis kommen, das meine Zeit im Bethel die schlimmste Zeit meines Lebens war.
In meinem damaligen Tagebuch schrieb ich meinem in der fernen Zukunft liegenden Ich.

Wenn ich jetzt aus meinem Tagebuch zitiere ist dies sicherlich zu meinem Nachteil.
Zum Einen stehen mir dort aus heutiger Sicht zu viele Banalitäten und Irrtümer,
zum Zweiten kann ich diese Dinge nicht Belegen
und zum Dritten lassen gewisse Begebenheiten unweigerlich auf meine Person zurück schließen.
Damit meine ich nicht nur meine Personalien.

„Poems! Everybody. Poems!“

Als ich mich für das Bethel bewarb, war ich bereits schon ein Jahr Pionier und gerade Volljährig.
Auf der Fahrt ins Bethel fuhr ich zum ersten Mal alleine auf der Autobahn.
Auch war es das erste Mal, das ich von den Eltern getrennt war.
Mit 10 hatte ich einmal bei meiner Oma übernachtet sonst war ich nie von meinen Eltern getrennt.

Mein Vater war früher ebenfalls im Bethel gewesen und meine Eltern jahrelang im Sonderdienst.

Im Bethel sind keine Haustiere erlaubt.
Bevor ich als Kind ins Bethel kam hatte ich einen Kanarienvogel.
Einen echten Harzer Roller den wir als ganz junges Zuchttier direkt von einem Züchter abholten.

Der Kanarienvogel bekam von mir einen großen Papageienkäfig in dem er schon von Stange zu Stange fliegen musste.
Dann bekam er ein Häuschen aus Holz in das er sich verstecken konnte.
Darin war neben der Stange ein Fenster durch das er das Zimmer beobachten konnte.
In diesem Häuschen schlief er immer.

Er bekam von mir von seinem ersten Tag an immer eine große Schüssel Vogelfutter und war so intelligent das er immer nur so viel fraß wie nötig (er wurde also nicht Übergewichtig wie Fachbücher behaupten).

Dann war sein Käfig immer offen.
Er konnte rein und raus wann immer er wollte.

Im Zimmer hatte ich mehrere Pflanzen die der Kanarienvogel gerne fraß.
Die Pflanzen wucherten so stark das das bisschen was der Vogel fraß gar nicht ins Gewicht fiel.

Einmal flog er aus dem Zimmer in die Nebenräume, er kam von selber zurück und flog kein zweites Mal in den Flur.
Einmal flog er aus der offenen Balkontür nach draußen!
Er kam von selber zurück und flog auch kein zweites Mal aus dem Fenster.

Ich hatte mit ihm ganz offen gesprochen.
Ich erklärte ihm dass er ein im Käfig geborener Vogel ist und draußen schon wegen den Temperaturen nicht überleben könnte.
Ich bin mir ganz sicher dass er mich verstanden hat.
Wenn ich an die Käfigtür sein großes Papageien-Vogelschwimmbad hängte und er aber raus wollte, klopfte er mit dem Schnabel an die Käfigstangen.

Noch heute reagiere ich wenn ich dieses Geräusch höre.
Weil aber im Bethel keine Haustiere erlaubt sind brachte ich meinen Kanarienvogel zu meiner Oma.
Der Vogel kam in einen normalen kleinen Käfig.
Ihre Wohnung hatte gar keinen Platz für so einen großen Papageienkäfig.
Meine Oma hatte schon zwei Kanarienvögel und ließ diese nie heraus.
Es konnte schon einmal vorkommen wenn diese zu laut sangen dass sie sie anschrie oder mit dem Handtuch auf den Käfig schlug.

Innerhalb weniger Tage ist mein Kanarienvogel dort eingegangen.

In meinem Tagebuch habe ich Begebenheiten notiert die man überall vermuten würde – nur nicht im Bethel.
Wenn man auch im Bethel unter hunderten von Menschen lebt, kann man dort sehr, sehr einsam sein.

Wie gesagt – ich schrieb das Tagebuch an mein in der Zukunft liegendes ich.
Wenn ich heute die Möglichkeit hätte zurück in die damalige Zeit zu Reisen, würde ich, koste es was es wolle, meinem Hilferuf den ich damals an mein heutiges ich sendete, folgen.

Ich habe mir damals geschworen, dass mir das, was im Bethel passierte, nie wieder passieren wird und ich habe mein Versprechen bis heute gehalten.

Re: Im Bethel

geschrieben von: . +

Datum: 12. September 2008 23:38

Es gibt Menschen die im Bethel sehr gut Aufgehoben und glücklich sind.
Unbenommen.

Ich denke aber es ist nichts überraschend Neues wenn ich jetzt sage dass ich nie ins Bethel passte.

Dies hat aber zuerst mit mir zu tun – und erst in zweiter oder dritter Hinsicht mit Religion.
Ich sage auch nicht dass ich hier noch eine Leiche im Keller habe.
Also das ich hierin noch eine Rechnung offen hätte.
Ich kam Freiwillig und ich ging auch wieder Freiwillig.

Wenn ich in diesem Zusammenhang der Wachtturm Gesellschaft einen Vorwurf mache dann den, das sie auf der Straße Rekrutierte unausgebildete möchtegern Pädagogen auf ihre Mitglieder los lässt.
Diese furwerken dann mit ihren riesigen Sektenschraubenschlüsseln in den Uhrwerken (genannt Leben) ihrer Mitglieder herum.
Da werden dann Schlosser oder Gabelstaplerfahrer auf einmal zu Priestern geweiht und Analphabeten und Metzger werden zu Richtern und Lehrern.
Angeblich wird ihnen durch den Geist eingeflößt wie sie sich Richtig verhalten sollen.

Das schlimmste daran ist aber, das diese den größten Unsinn machen können und die Mitglieder glauben dann allen Ernstes dass sich Gott schon irgendetwas dabei gedacht hat.
Diesen Pseudo-Geistlichen wird dann Suggeriert, dass ihr Verhalten sogar über dem der ausgebildeten Fachleute steht.

Ausgebildeten Fachleuten genügte ein Blick in dem Warteraum des Musterungsbüros des Kreiswehrersatzamtes um zu erkennen dass ich nicht für eine Kaserne geeignet bin.
Zur Bundeswehr wurde ich nämlich Ausgemustert.
Obwohl ich kerngesund bin, musterte mich das Kreiswehrersatzamt aus, weil der Amtsarzt aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung erkannte, das ich nicht in eine Kaserne passe.
Das ich beim Militär eingehen würde wie eine Mehlprimel.

Und das kam so:

Früh Morgens, zu dem Zeitpunkt der Musterung waren in einem Warteraum des Kreiswehrersatzamtes eine nervöse, lärmende Gruppe Wehrpflichtiger meines Jahrgangs.
Sie Rauchten, liefen nervös umher machten zu laute Scherze und hatten große Umschläge mit Röntgenbildern und Attesten dabei, die sie hoffentlich vor ihrer Einmusterung bewahren sollten.
Als der zuständige Arzt morgens bei Dienstbeginn durch den Flur, zu seinem Arbeitsplatz ging, kam er an dem Warteraum vorbei und sah mich wie ich in dem Warzeraum als einziger mit Anzug und Krawatte still auf einem Wartestuhl dasaß.
In dem späteren Gespräch sagte er mir das er vor niemanden seine Entscheidung, warum er jemanden Ausmustert, rechtfertigen muss.
Er meinte aber, dass er, als er morgens an dem Warteraum vorbei ging und mich dort sitzen sah, sofort wusste das ich nicht in die Bundeswehr passe.
Ich war kerngesund, hatte keine Atteste oder anderes dabei.
Der Arzt meinte auf meine Frage ob ich denn nicht verweigern könne, dass es mir freisteht wenn ich darauf bestehe, wenn es aber von ihm abhängt werde ich nie in die Kartei der Armee aufgenommen.
Würde ich verweigern müsste er mich in die Kartei aufnehmen.

Das war´s.

Nur das ich nicht nur nichts in der Bundeswehr verloren hatte, sondern auch nie ins Bethel gehört hätte.

Eine Geistleitung Gottes hätte das sehen müssen.
Wenn die Wachtturm Geistlichkeit von Gottes Geist geleitet wird und Dienstämter von Gottes Geist vergeben werden, warum erkannten sie dann nicht das, was die Pädagogen im Kreiswehrersatzamt mit einem kurzen Blick erkannten?

Für mich persönlich ist das mein klarer Beweis, dass es in der Geistlichkeit des anmaßenden Zeugenklerus keinen Hauch des leitenden Geistes Gottes gibt.
------------------------------------------------------------------------------

Die Versammlungszusammenkünfte werden für ältere Brüder auf Kassette aufgenommen.
Ich bekam die Kassettenkopie auf dem meine Verabschiedung aus der Heimatversammlung mitgeschnitten wurde.

Ich notiere im Tagebuch:

Ziehharmonika des älteren Pionierbruders, Gitarre, Geige. (Dazu notierte ich die Namen der Musiker)

Lied 66
„Höchste Zeit Gott treu zu sein,
Siegen wird Gerechtigkeit
Enden wird die Dunkelheit
Bis dahin zu leuchten seit bereit
Warnt die Menschen ehe es zu spät
Flieht aus Babylon solang es geht.
Damit ihr ihrem Schicksal dann entgeht
Jeder sei ein eifriger Prophet
Höchste Zeit jetzt! Jeder ein Prophet!“

Aus dem Gesang der Versammlung hörte ich meine Oma heraus.

Dann ließt mein Freund, mit dem ich viel in den Dienst gegangen bin, zu Beginn der Bekanntmachungen kommentarlos 1.Mose 28:16-19 vor (er erzählte mir das er extra darum bat diese Bekanntmachungen übernehmen zu dürfen):

„Dann erwachte Jakob aus seinem Schlaf und sagte:
„Wahrlich, Jehova ist an diesem Ort, und ich selbst wußte es nicht.“
Und er geriet in Furcht und fügte hinzu:
„Wie furchteinflößend dieser Ort ist!
Das ist nichts anderes als das Haus Gottes,

und das ist das Tor der Himmel.“
Da stand Jakob am Morgen früh auf und nahm den Stein,
der dort als seine Kopfstütze lag,
und er stellte ihn als Säule auf und goß Öl über dessen Spitze.
Ferner gab er jenem Ort den Namen Bethel;“

Man hört auf dem Band ein Baby husten.
Mein Freund ließt die Bekanntmachung vor, dass ich zum Ersten die Versammlung Richtung Bethel verlasse.
Ich notiere in das Tagebuch das ich mich erinnerte dass sich mein Bruder umdrehte und zu mir nach hinten sah.

„Der Segen Jehovas — er macht reich, und keinen Schmerz fügt er ihm hinzu.“
(Sprüche 10:22)
Applaus.

Ich notiere dass es nach Jahren das erste Mal war, das ich normal in den Sitzreihen im Saal saß.
Ich schreibe wörtlich:
„Zum ersten Mal seit 7 Jahren saß ich als Gast im Saal ohne die Anlage zu bedienen.“

Mit etwa 10 Jahren begann ich die Mikrophonanlage zu bedienen.
Ich war einfach immer da.
Ich fuhr zumeist alleine mit dem Fahrrad in die Versammlung, weil ich als erster kam und als letzter ging.
Auch wenn meine Eltern nicht konnten – egal, ich war immer da.
Mit 16/17 musste ich auch schon ein Schlüssel vom Saal gehabt haben.
Ich erinnere mich dass ich als erster den Saal aufsperrte.

Um sich vorzustellen welcher Bruch das Bethel für mich war, möchte ich nachfolgende Terminliste aus dem letzten halben Jahr meiner Pionierzeit hier zeigen.

Dort notierte ich in die Liste wann ich was erledigt hatte.

HB heißt Heimbibelstudium.
Wenn man Nachzählt kommt man auf 16 Heimbibelstudien die ich zuletzt führte.
Dreizehn davon Berichtete ich.
Von zwei Familien weiß ich, dass sie sich während meiner Zeit im Bethel taufen ließen.
Ich habe aber schon sehr bald den Kontakt verloren.

Ich Arbeitete halbtags in der Firma meines Vaters, nachmittags und am Wochenende ging ich in den Dienst.

Der Pionierdienst hatte mir echt spaß gemacht.
Es traf mich jedoch wie ein Schock als ich erleben musste wie wenig der Predigdienst im Bethel galt.
Wie verächtlich man von den Brüdern „draußen“ sprach ( man nannte sie „Weltis“ ).
Ich dachte ich komme in ein besonders heiliges Haus.
Ein Haus der Besinnung, ein Haus des Friedens und des Glaubens.
Von wegen.
-----------------------------------------------------------------------------------------
6:15 Uhr Abfahrt von Zuhause.
Mein Vater hatte mit mir noch einmal gebetet.
„Segen Jehovas mit seinem Sohn…“
Meine Eltern standen beide an der Terrasse und winkten.
Als ich diesen Eintrag in das Tagebuch schrieb stand ich auf einem Rastplatz auf der Autobahn
Es war 10:00 Uhr und schon brannte die Sonne auf das Auto.
Ich notiere: 35° im Auto - Hochsommer – blauer Himmel – heute wird es heiß.

Ich telefonierte von dem Rastplatz für 30 Pfennig in die Firma meines Vaters:
Mein Vater: „Oh, Wo ist den dass?“

Ich notiere den Bibeltext:
„Sei mutig und stark, erschrick nicht“

Mein Ganzes Hab und Gut ist neben mir im Auto.
Wörtlich notiere ich:
„Trotzdem wird mir nicht die Sicht genommen“
------------------------------------------------------------
21:41 Uhr
Nie wieder, Nie wieder, Nie wieder darf mir so etwas passieren.

Schon der erste Eintrag den ich im Bethel in meiner ersten Nacht in das Tagebuch schrieb lautete:

nie wieder
nie wieder
nie wieder

Während ich das schrieb, lag ich unten in einem Etagenbett.
Das Metalletagenbett hatte einen maschendraht „Latterost“.
Der Bruder der oben schlief war zu schwer für das zierliche Metalletagenbett.
Der Maschendraht hing weit herunter.
Das Bett ächzte unter seinem Gewicht.

Es hatte einen Grund warum der Bruder einen Platz in seinem Zimmer frei hatte.
Niemand wollte aus hygienischen Gründen in seinem Zimmer schlafen.
Es stank bestialisch.

Es war aber nicht nur mangelnde Körper-, Wäsche-, und Raumhygiene.

An dem Tag als ich ins Bethel kam hatte er sich extra freigenommen.

Er setzte sich also in unserem gemeinsamen Bethelzimmer auf seinen Stuhl und sagte: „er wolle mal sehen was ich so mitgebracht habe“ während ich meine paar armseligen Habseligkeiten in den Bethelschrank einräumte.

Später erfuhr ich dass allgemein schon darüber in freudiger Erwartung getuschelt wurde, dass dieser Bethelbruder einen Neuen zugewiesen bekommt.
Man machte sich in gespannter Vorfreude darüber lustig wie der junge Bruder wohl darauf reagieren würde zu „sojemanden“ ins Zimmer gesteckt zu werden.

Ich kann mich an mindestens zwei Brüder erinnern denen ich später geholfen hatte, als sie als Neuzugänge auch wieder zu diesem Bruder ins Zimmer gesteckt wurden.
Ich sagte ihnen dass es mir genauso wie ihnen passiert ist, gab ihnen Tipps wie ich mit der Situation umgegangen bin (z.B. Fenster auf und Matratzenheizung – man schlief quasi im Freien) und zeigte ihnen wie sie umgehend an einen neuen Zimmerpartner kommen konnten.
Aber vor allem redete ich mit ihnen und gab ihnen zu verstehen das solche Probleme nicht an ihrem mangelnden Geistiggesinntsein liegen.

Mit mir hatte niemand geredet – an mir hatte man sich nur Wochenlang ergötzt.

Ich liege also unter dem älteren Bruder im Etagenbett und schreibe:

„Schlaf brauche ich jetzt vor allem
Hunger habe ich
Heiß ist es
Die Ohren dröhnen
Nie wieder; das ist Versprochen.“

Ich erwähne die Telefonate nach Hause, mit meiner Schwester und meinen Eltern.
Offensichtlich sagte ich meiner Mutter dass es mir hier im Bethel nicht gefällt.
Sie fragte mich was mir nicht gefiele.
Ich antwortete dass ich es nicht wisse.

So endete mein erster Tagebuch Eintrag im Bethel wie folgt:

Re: Im Bethel - Ankunft - Irgendwas lief falsch

geschrieben von: . +

Datum: 13. September 2008 13:37

rgendwas lief falsch.
Das spürte ich sofort.
Nur was?

Ich schrieb das ich am Abend meines ersten Tages im Bethel mit meiner Mutter und meiner Schwester Telefonierte.

In dem Bethelzimmer gab es ein Telefon mit dem man von außerhalb angerufen werden konnte und intern innerhalb des Geländes selber anrufen konnte.
Ich kann mich nicht mehr erinnern ob es technisch überhaupt möglich war mit dem Zimmer-Telefon nach draußen zu Telefonieren, aber es war zumindest Verboten privat Gespräche von dort zu führen.
In meinem Fall kam jedoch sogar ein Anruf von draußen in das Bethelzimmer nicht in Frage, weil der Zimmerpartner, der mir vom ersten Blick an höchst unsympathisch war, sich in seinen Sessel setzte und bei einem eingehenden Telefonat nicht nur demonstrativ zuhörte, sondern dies auch kommentierte.
Er was extrem einfältig.
Interessanter weise sprach er, wenn er von außerhalb angerufen wurde (was so gut wie nie vorkam), verschwörerisch leise in den Hörer.
Dieser unterschwellige Vorwurf, dass ich seine Telefonate mithören würde, ging mir derart auf die Nerven, dass ich für gewöhnlich das Zimmer verließ, wenn er einen Anruf bekam.

Auch bekam man von dem Moment in dem man die Schranke passierte ein beklemmendes, wenn auch größtenteils unberechtigtes Gefühl des Verfolgungswahns.
Auch wenn es niemanden im Bethel gibt der vor Überwachungsmonitoren sitzt (außer in dem Schrankenhäuschen und im Empfang zur Überwachung der Einfahrtschranke), auch wenn keine private Post geöffnet wird oder Telefonate abgehört werden.
Erstens wusste man das als Neuling nicht.
Zweitens haben die anderen das gegenüber einem Neuling wie mir behauptet, teils aus eigener Vermutung und Teils aus dem Vergnügen das man sich an dem Unbehagen eines Neulings holte
Und Drittens weil es eben doch zutraf.
Nicht von der Geschäftsleitung her sondern von den gelangweilten Bethelmitarbeitern ausgehend.
Einzig bei dem abhören der Telefonate bin ich mir bis heute nicht sicher.
Der Nachtwächter lief mit mir durch einen Raum in dem er das behauptete.
Es könnte aber sein das er sich nur wichtig machen wollte.

Keine Einbildung war das man Taxiert wurde – insbesondere Neulinge mit einer Mischung aus Neugierde und Schadenfreude.
Beim Posteingang, der Haushaltsbruder der die Post zu den Häusern verteilte und zuletzt die Haushaltsschwestern, lasen die Postkarten die man auf sein Zimmer gebracht bekam.
Mehr als einmal hörte man dann von dritten „Neuigkeiten“ über sich von denen man selber noch nichts wusste.
Außerdem war das Gefühl der Gefahr des Abtrünnigen Gedankenverbrechens natürlich allgegenwärtig.
Jeder beäugt den anderen Argwöhnisch ob dieser nicht bereits dabei war die wahre Religion durch Verschwörungen zu unterwandern.
Immerhin befinden wir uns im Krieg.

Auch dass sich mein Zimmerpartner, aufgrund seiner Einfältigkeit, wie vor den Fernseher setzte, wenn für mich ein Telefonat einging, war nicht eingebildet.
Wenn ich kein Geld zum Telefonieren hatte machten wir es so, das ich einen der drei Besprechungsräume, die zwischen dem Empfang und dem Königreichssaal lagen, Reservierte,
mir die dortige Durchwahlnummer notierte,
an dem öffentlichen Telefon beim Empfang anrief das ich jetzt unter dieser Nummer zu erreichen war
und dann in dem kleinen Besprechungsraum ungestört Telefonieren .
Tagsüber sollten die Besprechungsräume für das Bethelbüro und den Einkauf, für den Empfang von Vertretern oder anderen weltlichen Kontakt frei bleiben.
Nach Feierabend, waren die Räume gut durch Bethelbrüder belegt, die vertrauliche Gespräche führen wollten.

Es gab auch in jedem Wohnhaus im Keller je einen öffentlichen Münztelefonapparat.
Weder bei dem öffentlichen Münztelefonen im Empfang noch bei den Münztelefonen in den Wohnhäusern, waren das schalldichte Kabinen in denen man ungestört Telefonieren konnte.
Fast immer standen die jungen Brüder die entweder Heimweh hatten oder Verliebt waren an den Münztelefonen an.
Natürlich hörten dann die gelangweilt Warteten die Gespräche zwangsläufig mit und natürlich konnte man sich dann die für gewöhnlich etwas aufgepeppten Gerüchte über sich selber am nächsten Tag am Arbeitsplatz anhören.
Wie gesagt: … Mehr als einmal hörte man dann von dritten „Neuigkeiten“ über sich von denen man selber noch nichts wusste…

Ein Neuling war in diesem chronisch langweiligen Umfeld derart eine willkommene Unterhaltung, dass sich die Brüder dort kaum einen Zwang antaten ihren Spaß mit ihnen zu treiben.

-------------------------------------------------------
Nachdem ich mit dem Auto die Schranke passiert hatte und mein Auto oben auf dem Parkplatz über dem Empfang abstellte ging ich zum Empfang.
Dort wurde einer der drei Aufseher des Verwaltungstraktes gerufen und nahm mich von dort in sein Bethelbüro.
Ich bekam von ihm dort die Zimmernummer, den Namen des Zimmerpartners, den Schlüssel, einen Wäschesack für die schmutzige Wäsche, die Wäschenummer, eine PKW-Stellplatznummer, die Bethelbroschüre, die Nummer des Speisesaaltisches und diverse aktuellere Schreiben über Neuerungen bezüglich der Kasse, der Chemischen Reinigung etc. etc.
Auch fragte er mich ob ich einen PKW hätte und einen bestimmten Wunsch bezüglich der Zuteilung einer Versammlung hätte.
Das war eine gute Nachricht denn ich kam so in eine Versammlung in der ich als Kind mit meinen Eltern war.

Das ist der Zettel den er mir aushändigte mit meinem Namen (BM= Bethelmitarbeiter) der Zimmernummer, der Speisesaaltischnummer und der Notiz das mir ein Schlüssel ausgehändigt wurde.

Er führte mich in den Speisesaal und zeigte mir dort meinen Sitzplatz,
er führte mich in das Stockwerk der Reinigung und zeigte mir den Platz wo ich meine schmutzige Wäsche abgeben könne
und mein Wäschefach aus der ich es dann wieder abholen könne.
Das Wäschefach hatte zwei Nummern und wurde von zwei Brüdern abwechselnd verwendet.
Man solle darauf achten das man termingerecht seine Wäsche abholt, weil sonst für die Wäsche des anderen Bruders kein Platz wäre oder es zu Verwechslungen kommen könne.
Nichtabgeholte Wäsche wird oben auf den Schrank gelegt.
Man bekam einen Wochentag in dem man seine Wäsche abgab und einen Wochentag in dem man sie wieder abholen könne.
Jeder Bethelbruder könne eine reglementierte Menge an Kleidungsstücken auch kostenlos in der chemischen Reinigung abgeben.
Nicht alle Dienste im Bethel waren kostenlos.

Dann führte er mich zu meinem Zimmer.
Er stellte mich meinem neuen Zimmerpartner vor, der extra für dieses Ereignis einen freien Tag genommen hatte.
Sein Händedruck war eine warme fleischige feuchte Hand mit einem taxierenden, unverholen, neugierigen, zähnefletschenden Blick.
Unübertroffen eines meiner abstoßendsten Augenblicke menschlichen Kontaktes, an die ich mich erinnern kann.
(Er sprach später wörtlich davon dass Zimmerpartner ja „wie Ehepartner wären“.)
Der Bethelaufseher zeigte mir meinen Kleiderschrank, mein Bett und meinen Schreibtisch.
Ich könne nun meine privaten Sachen einräumen und solle mich morgen um 8:00 Uhr wieder bei ihm im Büro melden.

Vom zeitlichen Ablauf war es so dass ich wie vereinbart um 13:00 Uhr im Bethel eintraf.
Nach der Mittagspause.
(Aus der Logik eines Hotels – vormittags wird das Zimmer von der Haushaltsschwester hergerichtet)
Das hatte zur Folge dass ich vorher bei der Fahrt zu nervös war etwas zu essen, der Speisesaal bei meiner Ankunft schon abgeräumt wurde und ich nicht wusste wie ich an das Abendbrot kommen könne.

Aber das nur am Rande.
Wenn ich also in der ersten Nacht im Bethel schrieb das ich Hunger hatte, ist das kein Wunder.
Störende Sachzwänge eines Organismusses der zu funktionieren hat.
Mein erstes Essen im Bethel bekam ich am nächsten Morgen zum Frühstück.

Der Bethelaufseher zeigte mir wohin ich mit meinem Auto fahren könne, das ich meine privaten Sachen ausladen könne und verabschiedete sich dann vor der Gebäudetür von mir.

Die Gebäudetür flog hinter ihm ins Schloss und ich wusste weder wo ich mich am Gelände befand noch konnte ich die Informationsflut die auf mich einstürmte verarbeiten.
Nichts von dem was er mir gesagt hatte hätte ich in dem Moment wiederholen können.

So lief ich also von dort auf dem Gelände suchend zufuß zu meinem Auto und versuchte mir den Weg zu merken wie ich wieder zu dem Eingang des Wohnhauses zurück finden könne.

Während ich meine Habseligkeiten einräumte, saß der Zimmerpartner breitbeinig in seinem Sessel und meinte: „Jetzt wollen wir mal so sehen was Du hast“
Ich parkte mein Auto (brütendheiß von der Sonne) auf meinem Stellplatz auf Schotter hinter der Fabrik (denkbar weit weg – Stellplätze (insbesondere Garagenstellplätze bekommt man nach Dienstjahren).

Einräumen, Telefonate und dann das schlimmste was ich mir vorstellen konnte.
Davor hatte ich mich am meisten gefürchtet.
Schlafanzug anziehen im Zimmer mit einer fremden Person und erschwerend kam das Einsteigen in ein beengtes Etagenbett dazu.
Irgendwie wurde es 21:41 Uhr und ich kam zum Schreiben in dem Tagebuch.

In dem Eintrag hielt ich die Frage meiner Mutter fest „was mir den nicht gefiele“.
Irgendwas lief falsch.

Wenn ich jetzt gerade überlege fällt mir auf, das mein Zimmerpartner problemlos einen zweiten Abendbrotbeutel für mich hätte mitbringen können.

Ich wusste nur noch nicht was.

Re: Im Bethel - Zweiter Tag - Termine

geschrieben von: . +

Datum: 14. September 2008 20:00

Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.
Den ersten Eintrag schrieb ich schon vor dem Wecker und dem Morgengong ins Tagebuch.

Folgenden Tagesablauf notierte ich mir, um für’s gröbste keine Termine zu Verpassen:

6:00 Uhr stellte ich meinen Wecker
6:30 Uhr im Hausflur läutet dreimal ein Gong zum allgemeinen Wecken
6:50 Uhr Hinweis Gong
7:00 Uhr beginnt das Frühstück mit der 15 Minuten Tagestextbesprechung
7:15 Uhr Essen. Während dem Essen gibt es eine Vorlesung aus dem Jahrbuch.
7:35 Uhr Tafelaufheben
7:50 Uhr Hinweis Gong
8:00 Uhr Arbeitsbeginn
11:55 Uhr Mittagspause mit Gong
12:05 Uhr Mittagessen
12:25 Uhr Tafel aufheben
12:50 Uhr Hinweis Gong
13:00 Uhr Arbeitsbeginn
17:10 Uhr Feierabend mit Gong
17:20 Abendbrot

Samstag Gongt es 6:30 Uhr nicht immer
Samstag ist die Arbeitszeit von
8:00 Uhr Arbeitsbeginn
11:55 Uhr Mittagspause mit Gong
12:05 Uhr Mittagessen
12:25 Uhr Tafel aufheben

Regelmäßig wird man zur Schrankenwache eingeteilt.
Hat man Schrankenwache arbeitet man den ganzen Samstag.
Wenn man Pech hat bis 21:00 Uhr

Sonntag gibt es von 7:00 Uhr bis 8:00 Uhr Frühstück
Und von 12:30 Uhr bis 13:30 Uhr Mittagessen
----------------------------------------------------------------------
Den zweiten Eintrag schreibe ich nachts 22:54 Uhr.

Ich traute mich nicht zu schreiben weil die Füllfeder so kratzte und der Zimmerpartner über mir schlafen wollte.

Am zweiten Tag beschrieb ich erstmals in meinem Tagebuch einen eigenartigen Verfolgungswahn.

„…Ein eigenartiger Verfolgungswahn beschleicht mich hier ständig…
…Grundsätzlich fühle ich mich ständig verfolgt…“

Morgens meldete ich mich bei dem Bethelaufseher und wurde von ihm in die Kassettenabteilung begleitet um dort in einem Fensterlosen niedrigen Lagerraum eine stupide mechanische Fließbandarbeit zu verrichten.
Das Arbeiten war ein Segen.
Es lenkte ab.

Die mit mir Arbeiteten fragte einen natürlich neugierig aus.
Woher kommst du? warst du im Vollzeitdienst? welches Dienstamt hattest du? etc.

Der Wäschesack war für mich noch ein ungelöstes Problem.
Ich wusste nicht wie, wo und wann.
Ich werde morgen jemanden Fragen müssen.

Mittags wurde ich ins Bethelbüro gerufen und es wurde mit mir die Bethelbroschüre besprochen.

Ich schrieb gestern das es kein Zufall war, das mein Zimmerpartner frei war.
Es stank in dem Zimmer bestialisch.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht wieso aber später fand ich mehrere Gründe.
Zum Ersten lagerte er verderbliche Lebensmittel weit über ihr Verfallsdatum in seinem normalen Kleiderschrank.
Zum Zweiten hatte er starken Fußgeruch und litt nicht unter Waschzwang.
Was er aber machte war, dass er sich im Badwaschbecken seine dicken, synthetischen Socken selber wusch.
Sollte er Seife zum waschen verwendet haben, war dies zumindest vergeblich.
Da er das Paar Socken am nächsten Tag wieder anzog, trocknete er seine Socken auf der Zimmerheizung.
Kam er nicht dazu gebrauchte Socken zu Waschen „lagerte“ er diese in seinem Bett.
Es gäbe noch ein paar Gründe aber belassen wir es dabei.

 
Ich kam als einer der ersten Morgens in den Speisesaal.
2 Minuten vor Tagestext beginn kam der Rest.
Ich saß zwar schon am richtigen Tisch, aber natürlich am falschen Platz.
Da alle schlag Pünktlich zum Frühstück erscheinen, musste ich mich noch bei Tagestextbeginn auf meinen Platz umsetzen.
Unter dem Speisesaaltisch befindet sich ein Ablagefach.
Dort legt man seine Bibel und seine Tagestextbroschüre.
Es ist auch noch genug Platz für gewisse Gimmicks wie das extra Gewürz, Kaba oder Nutella.
Auch parkt man dort seine Tupperwaren Dosen, um nach dem Tafelaufheben Essen für Abends oder Mittags zu „Geiern“.

„Geiern“ war Umgangssprache und bedeutete Organisieren oder Einsammeln.

Nach 20 Minuten Essenszeit wurde die Tafel aufgehoben.
Alle standen gemeinsam auf, stellten sich hinter den Stuhl und es wurde gebetet.
Man konnte danach zwar weiter essen, es war dann aber sehr unruhig.

Der Tagestextkommentar wurde mit Kamera aufgenommen und konnte im Saal an den Monitoren verfolgt werden.
In dem obigen Bild sieht man an der Wand zwei Fernseher.
Der Vorsitzende sagte ein paar routinierte einleitende Worte, der Leser las den Bibeltext (bei dem obigen Bild muss der Leser extra zum Fotografieren aufgestanden sein man sieht links aber seinen zurückgeschobenen Stuhl).

Vier eingeteilte Brüder lasen ihren vorbereiteten 1 Minuten Kommentar vor ( oft doppelte. Die gleichen von der Literatur kopierten Kommentare… ) und der Vorsitzende referierte dann seinen Text.
Zum Schluss las der Leser den Kommentar aus der Broschüre vor.

Dieses Formular bekam man durch die Hauspost auf sein Zimmer gelegt.
T-Tisch ist der Tagestextkommentartisch mit der Kamera.
...
 Zum Frühstück wurde die Anwesenheit erwartet.
Der Vorsitzende des jeweiligen Tisches hatte die Aufgabe für den reibungslosen Ablauf während des Essens zu sorgen, Streit zu moderieren (man saß Jahrelang zusammen) und die Anwesenheit zu überwachen.

Als ich später mit einem Freund in ein Zimmer zusammen zog, habe ich ihm jedoch oft Brötchen für sein Frühstück am Zimmer „Gegeiert“.
Von der Frage, wie man zu seinem Frühstück kommt ohne rechtzeitig zum Tagestext zu erscheinen, habe ich heute noch Albträume.

Man saß zwar mittags auch an seinem reservierten Platz – es war mittags aber keine Anwesenheitspflicht.
Für Geste gab es extra einen freien Tisch.
Zum Abendbrot war freie Platzwahl da für gewöhnlich nur eine Tischreihe besetzt war.

Abendbrot lief zweigleisig.
17:20 Uhr gab es an einer Tischreihe serviertes warmes Essen oder man konnte sich auch anstellen und seinen Abendbrotbeutel selber zusammenzustellen.
Die Abendbrotbeutelausgabe begann immer etwas früher.
Hauptsächlich wegen der Flache Fruchtsaft.

In dem oberen Speisesaalbild (das mit der Kamera) sieht man links zwei Doppeltüren mit runden Glasfenstern.
Bei der linken kommt man in die Großküche, durch die rechte Doppeltür kommt man in den Spülraum.
Zwischen der Doppeltür der Spüle und dann der Doppeltür mit dem großen rechteckigen Glaseinsätzen (zum Treppenhaus) stand immer der Kühlwagen in dem die Lebensmittel gelegt wurden, die tagsüber bei den Essen übrig blieben.
Brötchen, Jogurtbecher, Obst, Erdbeermilch aber auch Schnitzel und Pommes frites.

Und so beende ich den Eintrag des zweiten Tages mit den Notizen, dass ich morgen zum ersten Mal wieder das Bethelgelände verlasse, weil morgen „zum ersten Mal Versammlung ist“
„Schlafen muss ich“

Ach ja und „einen Abfalleimer brauche ich noch“.

Re: Im Bethel - Zweiter Tag - Termine

geschrieben von: . +

Datum: 15. September 2008 00:56

Frau von x

.+
Ich bin mir ganz sicher dass er mich verstanden hat.

Die Brüder sind sich auch immer ganz sicher, daß sie persönlich von Jehova beschützt wurden.

So Außergewöhnlich ist es jedoch nicht das Tiere intelligent sind.
Denke nur an einen Blindenhund der das Leben eines Menschen führen kann.
Pferde die ausgesprochen Intelligent handeln.

Katzen – Bei denen man sich sicher sein kann das der Mensch zur Unterhaltung der Katze da ist und nicht umgekehrt.

Speziell die Sache mit der Freiheit ist genau wie mit einem Menschen.
Sperr ihn ein und er bricht aus sobald er die Gelegenheit hat.
Redet man aber mit ihm, dann mag er mal ausprobieren ob er über die Stränge schlagen kann.
Im Grunde wählt er aber die beste Lösung für sich.

Wenn mein Vogel wegfliegen wollte – ich hätte ihn nicht aufgehalten.
Er hatte die Wahl und blieb.
In seinem Käfig fand es das Futter das ihm schmeckte und er war dort sicher.

Hey, ich war ein Teenager und verbrachte quasi meine komplette Freizeit mit ihm zusammen.

Ich bin nicht einmal ohne Voranmeldung mit der Hand in seinen Käfig gegangen.

Ich hatte auch ein sehr großes Süßwasser Aquarium in meinem Zimmer.
Wasserpflanzen waren mir in etwa gleich wichtig wie die Fische.
Alle 14 Tage musste ich eine Mülltüte voll Wasserpflanzen auslichten.
Der Vogel hat mir dabei „geholfen“.

Ich stellte einen größeren Klapptisch neben das Aquarium und legte die schönsten Wasserpflanzen die ich wieder einsetzen wollte, sauber sortiert neben einander aufgereiht auf den Tisch.
Mein Vogel flog dabei immer ganz geschäftig auf den Tisch und begutachtete das alles.

Auch kam es vor das er am Aquarienbeckenrand saß und im Aquarium nach dem rechten sah.

Aber eher nach dem Motto – Ich tu euch nichts / Ihr tut mir nichts.

Ich hatte in dem Becken große Wildfang Altum Skalare (20 - 25 cm).

Ich fütterte diese mit gemahlenem Rinderherz und den Jungfischen von Schwertträgern.

Jeder der Skalare war dreimal so groß und locker zigmal schwerer wie das Federgewicht des Vogels.

Wenn ein Skalar einen Jungfisch Jagte hörte man das rauschen unter Wasser.

Ein bisschen Respekt war also durchaus angebracht.

Frau von x
Hallo "+", hast du es erlebt, daß jemand innerhalb kürzester Zeit das Bethel wieder verlassen hat?

Ist die Frage dein erst?
So etwas passierte ständig.

Abtrünnigkeit war damals noch nicht mein Hobby.
Deswegen habe ich keine verlässlichen Zahlen.
Aber auch der Linientreuste bekam bald mit, das regelmäßig Neue die ersten vier Wochen nicht „Überlebten“.
Wie gesagt, ich kann mit keiner brauchbaren Prozentzahl dienen aber bei weiten nicht alle erreichten überhaupt die Betheleinführungsschule und nicht viele blieben das versprochene erste Jahr.

Deswegen war es doch auch so schwer für einen Neuen, weil die „alten Hasen“ sich einen Spaß daraus machten mal ein bisschen nachzuhelfen um zu sehen, wie lange es der Neue aushält.

Ich habe es meiner Frau zu verdanken, dass ich den Weg aus dem Bethel gefunden hatte.
Interessanter weise sagte ich ihr schon vor der Hochzeit, das wir zusammen im Bethel sein müssen, damit sie das sieht was ich dort gesehen hatte.
Damit sie meine Einstellung zur Organisation verstehen würde.
Für mich war ganz klar die Hochzeit der Einstieg zum Ausstieg.
Nachdem auch sie ihr Versprechen erfüllt hatte, war für mich von einem Tag auf den anderen das Bethel Geschichte.
Ich gestand ihnen eine großzügige Kündigungsfrist zu und erledigte auch alle begonnenen Arbeiten, aber die Kündigung muss doch so überraschend gekommen sein, das sie niemanden fanden den ich hätte anlernen können.

Ich wollte es nicht so machen wie es sonst üblich war und einen sich ankündigen Nachwuchs als Begründung vorschieben weswegen ich den Vollzeitdienst beenden "musste".
Wir sind einfach so gegangen – und haben den Vollzeitdienst auch nicht beendet.

Das Bethel ist genauso ein Spiegelbild der Gesellschaft wie die Fabrik von nebenan.
Was es zur Hölle macht, ist die erzwungene Fassade, das man gerechter sein will als alle anderen.
Überleben tut dann der, der es schafft und willens ist, Strategien zu entwickeln, erfolgreich seine Gerechtigkeit heuchelnd zur Schau zu stellen.

Dies ist das letzte und elfte Gebot:
„Du sollst dich nicht erwischen lassen“ (2. Mose 20:27)

Re: Im Bethel - Dritter Tag - alles sträubte sich in mir

geschrieben von: . +

Datum: 16. September 2008 00:24

Marcilo
Habe eine Frage:
Warum und was wird nach den 20 Minuten Essen gebetet?
Gibt/gab es vor dem Essen kein Gebet?

Es wird vor dem Essen und zum Aufheben der Tafel gebetet.

Erst setzt man sich an seinen Platz und wartet bis sich der Speisesaal füllt.
Dabei behält man die Uhr und den Vorsitzenden immer im Auge.
Wenn der Vorsitzende pünktlich Anstalten macht das Essen mit Gebet zu eröffnen steht man auf, schiebt seinen Stuhl unter den Tisch und betet hinter seinem Stuhl stehend.
Nach dem Amen setzen sich alle hin und die Schüsseln werden von den Kellnern verteilt.
Vier/Fünf Teams mit je einem der den Edelstahl Transport Wagen schiebt und je zwei Kellnern die die Schüsseln verteilen.

Der Tischvorsitzende gibt dann die Richtung an, in welchem Uhrzeigersin die Schüsseln herumgereicht werden.
„Darf ich bitte die Kroketten haben - Danke“
„Reichst Du mir bitte das Fleisch herüber – Danke“
„Könnte ich bitte die Schüssel mit dem Eis bekommen – Danke“

Dabei gilt es immer die Uhr und den Vorsitzenden im Auge zu behalten.
Pünktlich – wenn der Vorsitzende Anstalten macht Aufzustehen – springen alle auf um sich wieder hinter ihren Stuhl zu stellen.

Gäste oder Neue waren dabei immer Anlass zur allgemeinen Erheiterung.

Es war nämlich durchaus Eng in dem Speisesaal.

Vier saßen an der Längsseite des Tisches.
Die beiden äußeren mussten ihren Stuhl nach Außen zur Seite rücken damit die beiden Inneren aufstehen konnten.
Standen die beiden in der Mitte vor ihrem Stuhl, schoben die Äußeren ihren Stuhl unter den Tisch.
Anders funktionierte es nicht.
Kam ein Gast in der Mitte der Tischseite sitzend nicht an seinem Stuhl vorbei und versuchte bei dem Gebet zwischen Tisch und Stuhl zu stehen, hatte er seinen Stuhl in den Kniekehlen und der Bruder hinter ihm, den Stuhl im Kreuz.
Dafür war es einfach zu Eng.

Wer also Gäste mit in den Speisesaal brachte tat gut daran das Tafelaufheben vorher zu erklären.
-------------------------------------
Ich weiß nicht ob es jemanden aufgefallen ist.
Auch Sonntag gibt es Schrankenwachendienst.

Und so lernte ich im Bethel das Arbeit wichtiger ist als Versammlungsbesuch.

Am dritten Tag schrieb ich von einer heftig unfreundlichen Mitarbeiterin.

Ich war auch an diesem Tag in der Kassettenabteilung.
Den Farbton des Buches und der Kassetten konnte man schon nach wenigen Stunden nicht mehr sehen.
Fabrikarbeit eben.

Ich schreibe über die Schwester: „sie sucht ständig Streit“

Ich kann mich nicht mehr erinnern wer oder was da war, aber im Bethel überleben einige den Alltag nur dadurch, das sie massiv Streiten.
Es ist ihre Art nicht durchzudrehen.
Durch Eskalation im Streit, halten sie Kontakt zur Realität.

Wieder schreibe ich davon dass ich mich beobachtet fühle.
Ich schreibe die erste Passage in Kyrillisch ins Tagebuch.
Ok, zugegeben ziemlich gewöhnlich aber ich schreibe:

Wer das kyrillische Alphabet kennt könnte das eventuell entziffern.
„Big brother is watching you“
Ich überlegte, ob ich mein Tagebuch wegsperren sollte.
Aber das Kyrillische Transkript erfüllte seinen Zweck.
Immerhin kann ich es heute noch lesen.

Für Samstag habe ich meinen ersten Dienst vereinbart.
Samstag 13:30 Uhr
Die trockene Fabrikluft geht mir jetzt schon auf den Geist.

An diesem Tag hatte ich die erste Zusammenkunft außerhalb des Bethels.
Es war eine meiner Heimatversammlungen aus meiner Kindheit.

Nagelt mich nicht fest aber ich glaube dass ich mit der Begrüßung auch gleich wieder mit meinem Dienstamt vorgestellt wurde.
Ich bin mir jetzt nicht sicher, aber es wurde nicht bis zum nächsten Kreisaufseherbesuch gewartet.

Die halbe Versammlung bestand aus Bethelbrüdern.
Daher kommt der Scherz mit dem überaus Ehrenhaften Amt des „Ersatzmannes des Hilfsverdunklungsdieners“.

Ein Ältesten, den ich aus der damaligen Zeit in der wir in der Versammlung waren kannte, beschrieb ich als „leicht abweisend“
Die Brüder „draußen“ hatten ziemlich unter der arroganten Art der Brüder von „drinnen“ zu leiden.
Mal mag das ja ganz lustig sein, einen Bethelbruder in der Versammlung zu Besuch zu haben.
Aber dauernd deren „wir haben schon den neusten Wachtturm“ zu hören, kann mächtig auf die Nerven gehen.

Ich schrieb:
„…Die Menschen hier (im Bethel) leben eigenartig Weltfremd.
Es tat richtig gut wieder unter normalen Menschen zu sein.
Die griffen mich auch nicht an, im Gegensatz zu den Bethelbrüdern.“

An diesem dritten Tag schreibe ich in mein Tagebuch:
„Die neuen Betten sind da. Gott sei dank“

Es kamen andere Möbel.
Die Haushaltsschwester half mir in ihrem eigenen Interesse, auch bei dem gröbsten Dreck.

Das wacklige Etagenbett mit seinen alten Matratzen wurde entsorgt.
Mit den neuen Einzelbetten bekamen wir auch neue Bethel-Matratzen (Federkern und PU-Schaumstoff).
Der Zimmerparten wurde nach Intension der Haushaltsschwester, vom Betelbüro gebeten seine gebrauchten Socken nicht in seinem Bett zu parken, sie nicht mehr selber im Zimmer zu „waschen“ und sie anschließend auf der Heizung zu trocknen.

Muss ich erwähnen dass er nach ein paar Tagen zu seiner alten Gewohnheit zurückkehrte?

Logisch das damit die Zimmereinrichtung nun neu gestellt werden musste.

So sah das Zimmer dann schematisch aus:

Er Er richtete das Zimmer so ein das in dem Raum eine unsichtbare Linie entstand über die nur er zu seinem Reich schreiten durfte.

Links war mein Reich.

Rechts war sein Reich.
Hinter seiner Linie war natürlich auch sein Dreisitzersofa mit dem Wohnzimmertisch und dem dazugehörenden Sesseln.

Schön zusehen wie er sich durch die Schränke „Einmauerte“

Ich erinnere mich dass ich kurz bevor ich den Zimmerpartner wechselte mich einmal erdreistete, an dem Wohnzimmertisch etwas zu arbeiteten.
Dies kam einem Staatsstreich gleich, aber zu diesem Zeitpunkt war ich schon eine weile im Bethel.

Im Bad befanden sich gleich mehrere „Hinweisschilder“ aus Kunststoff.

„Lieber Bruder, liebe Schwester,
Reibe bitte mit diesem Handtuch, nach jedem Gebrauch des Wachbeckens, die Wasserflecken nach“
Und eine ellenlange Erklärung das es den Haushaltsschwestern die Arbeit erleichtere und man keine scharfen Reiniger verwenden muss.

„Lieber Bruder, liebe Schwester,
Verwende bitte diese Bürste um die Dusche nach dem Gebrauch zu reinigen“

Ich glaube ein Toilettenbürstenschild gab es auch.

etc. etc.

In meinem nächsten Zimmer schaffte ich als erstes diese „Lieber Bruder, Liebe Schwester Schilder“ ab.
Wenn man das jeden Tag ließt wird man ja Wahnsinnig.

Nun koche ich von je her gerne – auch heute noch.

Die Küche bestand aus zusammengestellten antiquarischen Einzelteilen.
Sie hatte keine durchgehende Küchenarbeitsplatte.

Den Kühlschrank, den ich dort vorfand, war nicht nur undicht sondern auch über und über mit grünem Schimmel überzogen.
Hochgradig vereist und spärlich mit Lebensmitteln gefüllt die allesamt bereits das Stadium der Reinkarnation überschritten hatten.
Wusstet ihr das auch moderne Kühlschränke heutzutage heizen?
Klinkt Paradox ist aber tatsächlich war.
Kühlschränke mit Eisfach besitzen oft nur einen Motor.
Kühlt das Eisfach zu stark schaltet sich die Lampe als Heizung ein.
Kein Witz!
Dieses undichte vorsündflutliche Unikum muss einen unglaublichen Stromverbrauch gehabt haben.
Zuerst reinigte ich den Kühlschrank indem ich die Kunststoffverkleidungen der Tür abschraubte.
Man hätte den Kühlschrank einer Universität vermachen sollen.
Auf ihm hätte man bestimmt noch nie erforschte Lebewesen entdeckt.
Später tauschte ich den Kühlschrank gegen einen Nachkriegsapparat ein.
Den musste ich zwar auch erst einer Grundreinigung unterziehen aber er war wenigstens dicht.

Und dann der Herd!
Er spottete jeder Beschreibung.
Der Spülenschrank verdiente die Bezeichnung nicht.
In ihm gab es auch Töpfe.
Leider verzichtete man bei ihnen schon seid längren trotz nachweisbaren Gebrauch auf einen Reinigungsversuch.

Ich besorgte mir also in einem Laden eine Pfanne, einen Topf und diverse Kochutensilien mehrere Backofensprays und Putzmittel die vor allem eins haben sollten:
große Gefahrenhinweise „Vorsicht Gift!“.
Wenn ich das jetzt so aufschreibe erinnere ich mich noch das die Kassiererin lächelnd so etwas wie sagte wie „Haushaltseinstand“ oder so ähnlich.

Mit dieser Giftküche bewaffnet, die einem Saddam Hussein alle ehre gemacht hätte, rückte ich der Ruine, die sich Küche nannte auf den Leib.
Immer sehr argwöhnisch von dem Zimmerpartner beäugt.

Es war für den Zimmerpartner ein unerträglicher Zustand dass ich zu Kochen anfing.

Ein Beispiel:

Ich hatte einen Zeitschalter in den ich meine (neue) Kaffeemaschine einsteckte.
Mein Wecker war morgens das gluckern der Kaffeemaschine.
Ich bin Teetrinker – ich habe noch nie Kaffee getrunken.
Das funktioniert mit Tee aber ganz genauso.

Erinnert sich noch jemand an das Lied von Peter Cornelius … „Der Kaffee ist fertig…“?

Oben, in der Rekonstruktion des Zimmers, setzte ich eine Kaffeemaschine an den Platz an dem damals mein „Wecker“ stand.
Die Zeitschaltuhr war übrigens ein Überbleibsel meines automatisierten Aquariums…

Den Eintrag vom dritten Tag beende ich mit der Rückfahrt von der Versammlung ins Bethel.

Eines der Dinge die ich eingangs vom Bethelaufseher bekam war ein etwa DIN A5 großer farbiger Pappkarton.
Diesen steckte man oben hinter die Sonnenblende seines Autos oder legte es ins Handschuhfach.

Fuhr man beim Heimweg auf die Bethelschranke zu, hielt man den farbigen Karton hoch, so dass der Bruder der die Schranke bediente, schon von weiten erkennen konnte das ein Bethelbruder eingelassen werden konnte.

Jetzt kam es natürlich immer wieder vor das jemand in einem Auto eines auswärtigen „Weltis“ (Slang Begriff für normalen Verkündiger) saß oder schlicht seinen Karton vergessen hatte.
Dann machten einige ungeduldig eine rechteckbeschreibende Geste.

Ungeduldig, vorwurfsvoll den der Neue in der Schranke solle gefälligst den langjährigen Bethelit auch so erkennen.

So beende ich den Eintrag vom dritten Tag:

„Wie wir von der Versammlung heim fuhren und auf Selters zufuhren sträubte sich in mir alles.

Ich wollte nicht.“

Re: Im Bethel - Bandspülmaschine

geschrieben von: . +

Datum: 16. September 2008 23:04

Noch ein Wort zum Thema Heiraten.
Wie auch heute wenn man die Schule für Dienstamtlicheweiterbildung besucht, muss man bei der Bewerbung angeben dass man gegenwärtig nicht vorhat zu Heiraten.

Hier das wichtigste Schreiben das ich in diesem Zusammenhang bekam:

…wir freuen uns Dir mitteilen zu können das in der Bethelfamilie jetzt ein Platz für Dich frei ist…

Es handelt sich um ein Formblatt in der der Name und der der Termin mit Schreibmaschine eingetragen wurde, wann ich ins Bethel eingezogen wurde.

Im Text findet man den Hinweis: „nicht Verlobt und gegenwärtig keine Heiratspläne.“

In zahlreichen Fällen traf das aber nicht zu.
Oft wurden Verlobungen verschwiegen und konkrete Hochzeitspläne um ein Jahr hinausgeschoben.
Oft war gerade die Einsamkeit und die Erlebnisse im Bethel der Auslöser für eine Suche nach einem Partner.
Probleme die daraus entstehen konnten sind sicherlich Nachvollziehbar.
Ich war mit dem Eintritt ins Bethel der jüngste dort.
Nicht alle waren jedoch so jung und hatten durchaus schon ernsthafte Absichten.

Am vierten Tag schrieb ich in mein Tagebuch:

„Auch Du kannst das Bethel überleben und in eine neue Welt gelangen.“

( ein Wortspiel: das Buch hieß: Auch Du kannst Harmagedon überleben… )

Das was ich dort am unangenehmsten empfand war die „Gedankeninzucht“.

Man muss sich im Bethel sehr schnell damit abfinden das der Kontakt mit der Außenwelt zu etwas besonderen wird.
Niemand interessiert sich dort auch für den Predigdienst.
Im Gegenteil.

Natürlich müssen alle einen Bericht um die 10 Std. abgeben, aber mit Pionierdienst hat das nichts mehr zu tun.
Die Vorträge hörten sich dann auf einmal ganz anders an.
Es wurde gezeigt dass man nun an der Druckereimaschine, Gott viel mehr dienen kann als von Haus zu Haus.
Die regelmäßigen Aufrufe zum Pionierdienst die man aus den Zusammenkünften gewohnt ist, werden komplett in das Gegenteil umfunktioniert.

Nun hieß es man solle NICHT den Pionierdienst anstreben sondern lieber Arbeiten.

Das war für mich schon in gewisser Weise erschütternd.

Ein Beispiel:

Früher nahm man sich am Tag des Gedächtnismahles frei, um sich für den Abend andächtig mit Bibellesen und Predigdienst einzustimmen.

Im Bethel sah das ganz anders aus.

Es kann durchaus sein, das man für den Gedächtnismahlabend Spüldienst zugeteilt bekommt.
Es machte also keinen Sinn für diesen Tag Arbeitsfrei zu nehmen.

So sah der Zettel aus den man mit der Hauspost auf das Zimmer bekam.
Samstag Spüldienst war wohl das geringste Übel.
Sonntag war Pech.
Tausch mal an einem Sonntag den Spüldienst…

Oft hatte man Spüldienst an Tagen an denen man Zusammenkunft hatte.
Wollte man um 19:00 Uhr zum Gedächtnismahl seiner zugeteilten Versammlung (oft hatte man dort eine zugeteilte Aufgabe) war Hektik angesagt.

17:10 Uhr war Feierabendgong, danach ging man in den Speisesaal essen.
Entweder stellte man sich einen Abendbrot Beutel zusammen oder man aß im Speisesaal.
17:20 Uhr war Essensbeginn.
17:35 Uhr begann der Spüldienst.
Nach dem Tafelaufheben aß der eine und andere noch fertig.
Zu diesem Zeitpunkt lief die Spülmaschine bereits mit Küchenkochgeschirr.

Ich kann mich nicht mehr genau erinnern aber ich glaube eine Abendspüldiensttruppe bestand aus 5 Brüdern und einem Bruder von der Küche oder der festen Speisesaalmanschaft als Aufseher.
Die Essensreste und Abfälle wurden von den Tellern kurzerhand auf die Resopaloberfläche der Tische gekippt.
Damit schockierte man gerne die Bethelbesucher die zum Abendessen blieben…
Mit einem Gummischaber wischte man diese Reste dann in einen Müllsack.

Gleichzeitig beluden zwei Brüder einen Edelstahl Transportwagen mit dem schmutzigen Geschirr, zwei wischten die Tische und stellten anschließend die Stühle hoch.

Derjenige der die Bandspülmaschine am schnellsten beladen konnte (die Geschwindigkeit der Maschine ist von dem, der die Spülmaschine belädt einstellbar) fütterte das Fließband, zwei entluden die Maschine am Ende des Fließbandes und räumten das Geschirr weg.

In dem Spülraum stand eine Bandspülmaschine ähnlich dieser.

Jedoch stand die Bandspülmaschine mitten im Raum.
Man konnte von beiden Seiten an ihr vorbeigehen.
An der rechten Wand waren Arbeitstische, an der Fensterfront und an der linken Wand waren Geschirrschränke und große, tiefe Edelstahl Waschbecken mit Brauseschläuchen, ähnlich denen die man aus der Dusche kennt.
Die Großküche und die Spüle wurden regelmäßig von dem Gesundheitsamt kontrolliert.

Auf dem obigen Foto sieht man im Vordergrund das Ende des Fließbandes.
Hier wurde das saubere Geschirr entladen.
Dort war ein Taster der das Fließband stoppte sobald Geschirr dagegenfuhr.

Derjenige der die Spülmaschine belud konnte einem Moment des Triumphes genießen wenn das Fließband stoppte, weil diejenigen die das saubere Geschirr vom Band holten, nicht mit dem Abladen nachkamen.
Der Triumph schlug aber schnell in Ärger um, wenn die Endlader bei der Arbeit schliefen.
Hier stießen gerne grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen bezüglich Arbeitsleistung aufeinander.

Es gab auch Teile die nicht durch die Maschine laufen durften.
Diese wurden per Hand in den großen Edelstahl Waschbecken gespült.

Die Hektik des Spüldienstes war bestens geeignet, um Neuankömmlingen den einen oder anderen Streich zu spielen.
Obwohl nur Brüder zum Spüldienst eingeteilt werden, halfen die Ehefrauen oft mit, damit man rechzeitig in die Zusammenkünfte kam.
Zum Schluss wurde die Spülmaschine selber gereinigt.
Eine Hektik ohne Gleichen, damit man nach Umziehen und Tasche packen, das Bethelgelände rechzeitig verließ, um trotz Fahrtweg das ca. 19:00 Uhr beginnende Gedächtnismahl pünktlich erreichte.

Langer Rede kurzer Sinn:

Ich habe seid dem Bethel nie mehr für ein Gedächtnismahl frei genommen.

Religiöse Feiertage sind nun mal Tage der besonderen Tätigkeit und am besten dient man Gott an seinem Arbeitsplatz.

An vierten Tag schrieb ich über das Bethel:

„…Mir kommt das hier so vor, wie eine alte Frau die sich dagegen wehrt, wenn ihre Wohnung gelüftet werden soll.
Das Bethel ist eine zähflüssige Masse die sich dahin quält.“

Am diesem Tag arbeitete ich vormittags und ging nachmittags zum ersten Mal wieder in den Dienst.
Den hatte ich wirklich vermisst.
Ich ging mit einem Betheliten in den Dienst der vorher kein Pionier war.
Wir waren in einem Studentenwohnheim.
3 Stunden Dienst / 3 Türen.
Es ist so leicht ein Bibelstudium zu beginnen oder mit Menschen über die Bibel zu reden.

Außer man hat dafür keine Zeit.
Und im Bethel wird der Pionierdienst als Gefahr angesehen – es könnte doch sein das ein Bethelbruder wieder zurück in die Welt will um zu Predigen.
Es hatte einen Grund das man scherzhafter Weise die Verkündiger draußen „Weltis“ nannte.

Abends schrieb ich in das Tagebuch und aß aus dem Abendbrotbeutel.
Krabbensalat und Apfelsaft.

Naja und dann hatte ich Heimweh.

„Heute war ich die ganze Zeit am Heulen“
Ich hatte noch am rechten Zeigefinger einen Kratzer von dem Kater meiner Schwester.
Die Katze hieß Puschel.
„Grenzenlose Traurigkeit“
Aber vor allem vermisste ich meinen Vogel.
Ich konnte seinen Gesang perfekt imitieren.

„Grenzenlose Traurigkeit“
Ich malte mir aus was ich wohl machen würde wenn ich jetzt zuhause wäre.
Ich beschrieb meine alte Zimmereinrichtung.
„Grenzenlose Traurigkeit“

Mein Gott ich war jung.
Und so schrieb ich dass ich mich grenzenlos traurig fühlte.

Auch den vierten Tag beendete ich mit einem Versprechen das ich mir gab:

nie wieder

Re: Im Bethel - Wachteln am Balkon

geschrieben von: . +

Datum: 18. September 2008 00:00

Sonntag 8:40 Uhr

Ich bin um kurz vor 7:00 Uhr in dem Speisesaal erschienen und niemand war da.
So ging ich wieder in mein Zimmer zurück.

Was ich nicht wusste war, dass Sonntag das Frühstück ohne Vorsitz von 7:00 Uhr bis 8:00 Uhr stattfindet.
Auch hier nur an einer Tischreihe wie bei dem Abendbrot.

Ich schreibe dass ich einen nervösen Magen habe.
Ich magerte in den ersten vierzehn Tagen im Bethel stark ab.
-------------------------
Heute Vormittag in der Versammlung bekam ich mein Gebiet.
Früher war es so, das ich in meinem Gebiet so selbstverständlich war wie der Bürgersteig auf der Straße.
Ich hatte für einen Pionier extrem wenige Wohnungseinheiten.
Bei den Heimbibelstudien kann man sich das ja denken – aber auch vorher als ich noch Dauerhipi war, konzentrierte ich mich auf sehr wenige Straßen.
Übrigens habe ich sehr spät an den Türen zu reden angefangen.
In meiner ersten Stunde als Hipi, an der ersten Tür, redete ich zum ersten Mal.
Ich war sehr schüchtern und ziemlich stur.
So das also vorhergehende Versuche, mich im Dienst zum Reden zu bewegen scheiterten.

Dafür ging ich dann von Anfang an am liebsten allein und war nur mit der Bibel unterwegs.
Das war zu der damaligen Zeit weder üblich noch gern gesehen.
Es wurde von Pionieren erwartet dass sie eine gewisse Anzahl an Literatur abgaben.
Auch nahm ich an den Türen kein Geld.
Da bekam ich echt ärger – denn die anderen Pioniere sorgten sich um ihre Einnahmequelle.
Wenn der eine kein Geld nimmt, wie sieht es dann aus wenn der andere Geld verlangt?
Aber wie gesagt ich war stur und hatte keine Lust als Zeitschriftenverkäufer unterwegs zu sein.

Wieder beschreibe ich die Distanziertheit der normalen Verkündiger gegenüber den Bethelbrüden.
Natürlich waren die meisten Betheliten in meiner Versammlung nett, aber es gab einfach zu viele die vollkommen Weltfremd, ihren Status den anderen gegenüber heraushängen ließen.
„Ich bin Ordensdiener und du hast mich gefälligst zu ermuntern“
„Ich bin Mittellos und du hast mich gefälligst zu unterstützen“

Die Betheliten kamen gar nicht auf die Idee, dass der Vater und Älteste der sich in der freien Wirtschaft behaupten muss, es wesendlich schwerer haben könnte, als die durchgefütterten, arbeitsscheuen Betheliten.

Ich notierte in mein Tagebuch, dass ich mir demnächst in der Stadt die Plätze aus meiner Kindheit (Schulweg und Park) anschauen wollte.

An diesem fünften Tag, stellte ich die Frage ob das wirklich sein muss.
Ich fragte mich was ich wohl im Jahre 2000 tun werde.
Ob ich dann noch im Bethel bin?
Ein Bethelbruder mit dem ich in die Versammlung fuhr, meinte mir sagen zu müssen „dass sie schon über mich reden“.
Später wusste ich natürlich dass es ein Sport im Bethel ist, sich an den Problemen der Neuankömmlinge zu ergötzen.
Alle Neuen haben doch Heimweh und treten von einem Fettnäpfchen in das andere.

Das der Bruder meinte mir erzählen zu müssen „dass sie schon über mich reden“ war nur seine Art sich seine Dosis dieses Unterhaltungsstückes abzuholen.

Es gibt zahllose Fettnäpfchen in denen ein Neuer „auffällig“ wird.

Da gibt es zum Beispiel das „Montag Wachtturm Studium“.
Es ist das Familienstudium der Bethelfamilie.
Es ist nichts anderes als das sterbenslangweilige Wachtturm Studium noch mal durchzuführen.
Der entscheidende Vorteil war jedoch das man sich die Antworten notieren konnte und in der Versammlung dann als besonders erleuchtet glänzen konnte.
Pech nur wenn die Versammlung sowieso aus einem guten Drittel aus Bethelbrüdern bestand.

Für einen Neuankömmling war es eine Todsünde sich in dem Montag-Wachtturm-Studium auf einen „falschen“ Platz zu setzen.
Es gibt im Bethel Gruppen und Klicken.
Ein Bruder Pfitzmann sorgte dafür dass es niemand wagte ihm zu nahe zu kommen.
Von einem Neuling wird erwartet dass man nicht in diese Cliquen eindringt oder die Kreise gewisser elitärer Gruppen stört.
Die meisten in der Bethelfamilie hatten ihren Stammplatz und waren so frei dich unmissverständlich zu bitten sich doch woanders hinzusetzen.
Nun ist es aber auch von einem jungen Bruder keine gute Idee, wenn er sich später immer auf seinen gleichen Stammplatz setzt.
Das dauert zwar eine Weile bis er das merkt, aber wenn er mal soweit ist dass ihm das Montag-Wachtturm-Studium zu Tode langweilt, wird er vermisst und angesprochen, wenn man ihn auf seinem Stammplatz nicht gesehen hat.

Es dauert auch eine ganze Weile bis er weiß, wie man das Montag-Wachtturm-Studium richtig Schwänzt.
Schwänzen will gelernt sein.

Es gibt nämlich einen Sicherheitsdienst der während des Montag-Wachtturm-Studiums auf dem Gelände Patrouilliert.
Dummer Fehler - Wer jetzt am Montag in der Zeit von 18:45 – 19:45 das Licht im Zimmer brennen lässt oder die Balkontür nicht schließt.
Der Wachdienst hat nämlich die Anweisung das Licht im Zimmer zu löschen…

Weil wir gerade bei dem ungebetenen betreten der Bethelzimmer sind:
Zwei Schlüssel sind im Bethel nicht selten.
Der HGS-W (Hauptgesamtschlüssel-Wohnbereich) und der HGS-F (Hauptgesamtschlüssel-Fabrik).
Mit diesen zwei Schlüsseln kam man sozusagen überall hinein.
Es konnte schon passieren, das man sich abends im Stockwerk irrte und das Zimmer des über oder unter einem lag, betrat.

Das war aber am Anfang noch nicht meine Sorge.
Die sah ganz anders aus:

Es war der erste Sonntag und im Bethel kann man sehr, sehr Einsam sein.

Mein Zimmer lag im Erdgeschoss direkt neben einer Eingangstür.
Ich saß mit meinem Tisch direkt neben dem Fenster ohne Vorhang.
Jeder der das Wohngebäude durch diesen Eingang betrat kam direkt auf mein Fenster zu, grüßte und erwartete gegrüßt zu werden.
Und das obwohl mir Hundeelend zumute war und man auch im Zimmer nicht allein war.

Im Bethel kann man sehr, sehr einsam sein.

Ich schreibe: „Pausenlos kämpfe ich gegen die tränen und geht jemand an meinem Fenster Vorbei“

„Im Moment scheint die Abendsonne ins Zimmer.
Das Zimmer beschreiben – wozu. Jetzt nicht, aber ein Foto mache ich davon. Jetzt 18:53“

Das Foto verunglückte ziemlich.
Auf dem Schreibtisch sieht man jedoch das aufgeschlagene Tagebuch.
Vor dem Fenster sieht man einen Sekretär.
Der gehörte dem Zimmerpartner.
Ich kann mich nicht daran erinnern dass er da jemals etwas hinein getan oder herausgeholt hätte.
„Es könnte ja sein das er ihn später mal bräuchte“.
In meinem aus dem Gedächtnis rekonstruierten Zimmer fehlte dieser.
Jetzt erinnere ich mich aber dass auch auf dem Balkon noch Möbel standen.
Durch die Feuchtigkeit natürlich total geschrottet.
Möbel aus den Spendenbasar wohlgemerkt – gehortet aus purer billiger Raffgier (4. Mose 11:33).

Ein Ältester aus der alten Versammlung hat angerufen.

Wörtlich schreibe ich: „was soll ich den ihm erzählen?
Das es mir dreckig geht?
Was versteht der denn davon.
Das kann ich ja nicht einmal meinen Eltern erzählen.“

Ich lernte eine Fremdsprache und stellte fest dass ich vor 10 Tagen das letzte Mal an den Arbeitsblättern arbeitete.
Vor 10 Tagen – eine andere Welt.

18:45 Uhr
Wieder stelle ich mir vor, wo ich gerade wäre wenn ich nicht ins Bethel gegangen wäre.
Jetzt gerade säße ich hinter der Steuerungsanlage in Saal und legte die Nadel des Plattenspielerabtastarmes auf die Königreichschallplatten.

Ich telefonierte mit meinen Eltern und meiner Oma.
Sie erzählte das mein Vogel die ganze Zeit am schimpfen wäre.
Meine Eltern planten zu Besuch zu kommen und würden mir eine vernünftige Matratze mitbringen.

Die Bethelmatratzen sind billigste Schaumstoffmatratzen aus denen man „schwitzt wie auf einer Plastikfolie“.
-----------------------------
Mein Zimmerpartner ist zurückgekommen.
Zwischen drin musste ich aufhören zu schreiben, weil das schreiben mich zu sehr überwältigte und ich nicht wollte das es der Zimmerpartner mitbekäme.

22:15 Uhr – ich schreibe im Bett.

Ich beschrieb das Bethel als etwas großes Schwarzes unheilvolles Angsteinflößendes.

„…Es ist einfach alles zum Kotzen…“

Und wieder schwor ich mir, dass mir das nie wieder passiert.
Was für Tage in meinem Leben.

Re: Im Bethel - Der sechste Tag - Ehepaar

geschrieben von: . +

Datum: 18. September 2008 22:29

7:55 brachte ich die Wäsche im Reparaturbeutel weg.
Den richtigen Wäschebeutel hatte ich noch nicht.

Letzte Woche arbeitete ich die ganze Woche in der Kassettenabteilung.
Mit dieser Woche beginnt meine eigentliche Grundeinführung.

Bei der Grundeinführung arbeitet man jeden Tag in einer anderen Abteilung.
Sinn der Sache ist es, die Abläufe im Haus kennen und verstehen zu lernen.

Vormittags arbeitete ich in der Wäscherei.
Nachmittags in der Spülküche.

So stupide die Arbeit in der Kassettenabteilung war, dort verging die Zeit wenigstens schneller.
Jetzt schreibe ich dass ich nicht immer etwas zu tun hatte.

Montagabend – Mein erstes Montag-Wachtturm-Studium.

Ich schreibe dass die jungen Brüder dort kein guter Umgang sind.
Ich beschreibe die ledigen Schwestern im Bethel als aufdringlich.

Wörtlich schreibe ich „Nie bin ich mit Heiraten so konfrontiert worden wie hier“

Der Bruder der mich von Abteilung zu Abteilung weiterreichte meinte das das Bethel der beste Ort sei an dem ich sein könnte.
In mein Tagebuch schrieb ich das es das für mich nicht ist

Wörtlich heißt es dort:
„Glauben tue ich das nicht.
Das was mich stört ist die aufgezwungene Lebensweise“

Im Haus Gottes hat man gefälligst Glücklich zu sein.
Man gibt absichtlich einem Neuen das Gefühl das er alles Falsch macht.
Schließlich ist man das Haus Gottes.
Und jedem der etwas falsch macht, mangelt es natürlich an Geistiggesinntsein.
Dies ist im Bethel eine seltsame Art sich Vergnügen zu bereiten.

Außerdem kann man einen langjährig Gedienten nicht mit einem Neuankömmling vergleichen.

Ich glaube es war in der zweiten Woche als von mir das Bethelfoto gemacht wurde.
Zu dem Zeitpunkt war ich um etwa 30% vom Normalgewicht abgemagert.

Am sechsten Tag stellte ich mir die Frage warum mir das passieren musste.

Ich schrieb von meinem ersten „Montag-Wachtturm-Studium“ wie folgt:
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
„Du siehst immer so traurig aus“
Bin ich auch
„Du siehst immer so traurig aus“
Bin ich auch
Bin ich auch
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Hier gibt es Menschen mit denen ich draußen nie etwas zu tun haben wollte.
Ich saß im Montag-Wachtturm-Studium neben Marta
Schw. Dickert – unsere Familien kennen sich, ich brachte ihr ein Geschenk meiner Großmutter mit.
Sie stellte mir Schw. Franke vor:
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
„Du siehst immer so traurig aus“
Bin ich auch

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Ich schrieb von meinem Zimmerpartner.
Ich behaupte jetzt mal plakativ das wir neben „Guten Morgen“ und „Hallo“ keine 10 Worte wechselten.
Wenn meine Frau Recht hat, kann ich sehr, sehr schmerzhaft Schweigsam sein…

Naja – vor ein paar Tagen schnitt ich es schon Mal an, mein Zimmerpartner holte zu einer Rede aus.
Er meinte wir müssten wie ein Ehepaar sein und miteinander reden.
Na Mahlzeit!
Wie ich mich kenne war auch hier meine Antwort sicherlich beinhartes Schweigen.

Mein Kommentar im Tagebuch war: „Zwangszusammenpferchung“

Noch einen Teil den ich hier ungekürzt wiedergeben möchte.
Es musste sich wohl um ein Gespräch aus der Wäscherei während der Vormittag Arbeit gewesen sein.
Denn es wurde mir offensichtlich der Spendenshop-Raum gezeigt, der auch von der Näherei / Wäscherei betreut wird.

Die Wäscherei und die Näherei arbeiten zum Beispiel deswegen zusammen, weil in sämtliche Wäschestücke die persönliche Wäschenummer eingenäht wird.
Noch heute nach Jahrzehnten habe ich noch Handtücher und andere Wäschestücke mit der eingenähten roten Wäschenummer.
Nachfolgend also die Notiz aus der Wäscherei:
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
„Du siehst immer so traurig aus“
Bin ich auch
Diese Spende wie sie das nennen, ist meiner Ansicht nach das menschenunwürdigste an der ganzen Angelegenheit.
Sollte ich mal so weit runterkommen verabscheue ich dich zu tiefst.
Sei versichert XXX (mein Name) der du das eines Tages liest, der XXX (mein Name) der das jetzt schreibt verabscheut dich zu tiefst wenn du dich eines Tages aus der Spende einkleidest.
„Du siehst immer so traurig aus“
Bin ich auch
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Dem muss ich im Nachhinein aus heutiger Sicht widersprechen.

„Spende“ Das ist ein Raum in dem gespendete Kleidung für die Bethelbrüder zur freien Verfügung liegt oder hängt.
Es war immer höchst peinlich jemanden dort zu treffen oder gesehen zu werden.
Aus diesem Spendenshop kommt ein geflügeltes Wort:
„Diese Krawatte würde ich nicht nachts zum auf die Toilette gehen tragen.“
Vieles kam aus Nachlässen von verstorbenen Brüdern.
Das sah man und roch man auch.
Später bekam man schon mit, welche Wege die Kleiderspende durchlief, bevor sie im Spendenshop landete.
Brüder spendeten oft ihren bekannten Bethelbrüdern Sachspenden.
Diese Bethelbrüder nahmen sich daraus natürlich was sie verwenden konnten.
Dann gab man die Sachspenden im Wareneingang, im Bethelbüro oder aber in der zuständigen Abteilung in der Näherei ab.
Was die Näherei Schwestern selber nicht brauchten bekam die Gruppe oder Klicke die sich mit der (älteren) Schwestern der Näherei gut stellte.
Diese suchten sich vorher das heraus was für sie brauchbar erschien.
„Wertvolle Dinge“ landeten im Möbellager.
Was jetzt noch halbwegs brauchbar war wurde in den „gehoberen Dienstgraden“ feilgeboten.
Der Rest landete in Spendenshop.

Ein Wort zu den „wertvolleren Dingen“.
In Lockeren Abständen ungefähr einmal im Jahr gibt es dann im Möbellager eine Art Bazar.
Alle Bethelmitarbeiter haben einen aus ihren Dienstjahren resultierenden Rang.
Derjenige mit dem höchsten Rang geht zuerst durch den Bazar.
Dann kommt der zweite und so weiter.
Jetzt kann man sich vorstellen was man als niederer Rang in dem Bazar noch findet.
Ich brachte zwar schon Dienstzeit als Pionier mit aber…

Diese Dienstjahre-Rang-Regel findet in vielem im Bethel Anwendung.

Beispielsweise in der Zuteilung eines Garagen oder Stellplatzes für den eigenen PKW.

Oder mal angenommen man wohnt in Zimmer XY.
Einmal im Jahr findet eine Art Zimmer-Roulett statt.
Hat man einen niederen Dienstjahresrang muss man sich (ob einem das Zimmer in dem man gerade wohnt gefällt oder nicht) um ein neues Zimmer bewerben.
Tut man das nicht und irgendeinem mit einem Dienstjahr mehr als du fällt ein, sich um dein freies Zimmer zu bewerben findest du dich ehe du dich versiehst in einen der „weniger beliebten“ Zimmer wieder.
Du musst nehmen was die anderen nicht wollten.
Deswegen bewirbt man sich um drei freie noch nicht zugeteilte Zimmer.
Was natürlich zur Folge hat das diejenigen die diese Zimmer bewohnen auch zwangsläufig umziehen werden…usw.

Aber zurück zum Spendenshop.
Am sechsten Tag entsetzte mich die Existenz dieser Lumpenkammer noch.
Second Hand Kleidung von verblichenen 80 jährigen, sollte sehr bald jedoch zu meinen geringsten Sorgen gehören.

So beschrieb ich also die Bethelbrüder im Montag-Wachtturm-Studium wie folgt:
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
„Grüne Filz Jacke, gestrickte knallrote Krawatte, Hose braun oder besser „undefinierbar“.
Kein Wunder das diese Menschen unerträglich werden sobald sie auf die Außenwelt treffen.“
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Ich schrieb dass man hier durch das Aufgezwungene Leben förmlich zu einer Heirat getrieben wird.
Dies ist der einzige Ausweg.
Ich schrieb: „In dieser Situation gibt es eigentlich keine andere Wahl.“
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
„Du siehst immer so traurig aus“

Bin ich auch
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Re: Im Bethel - Der siebte Tag - das kalte Paradies

geschrieben von: . +

Datum: 19. September 2008 19:48

Am siebten Tag schrieb ich drei Seiten in dem Tagebuch.

Ich habe das kalte Paradies zu fürchten gelernt.
Nur das es bei mir noch ein paar Jahre dauerte bis ich mein „niemals wieder Versprechen“ in die Tat umsetzte.

Dadurch, dass man als Neuling durch die verschiedenen Abteilungen weitergereicht wird, lernte ich die verschiedenen Aufseher kennen.
Am siebten Tag schrieb ich in mein Tagebuch:

<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
„Die Aufseher haben ein eigenartiges Verhalten.
Es heißt alle Aufseher sollen einen seelischen Knacks haben.
Nach dem Verhalten kann ich mir das gut vorstellen.
Die Küche hat eine eigenartige Art zusammenzuarbeiten.
Die Spannungen untereinander sind förmlich mit der Hand zu greifen.
Nie kann man sicher sein.
Jeden Moment kann etwas passieren.“
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<

So muss ich also am zweiten Tag meiner Einführungstour in der Küche gearbeitet haben.

Dann schrieb ich auf, was ich mir für die Zukunft vornehme, wenn jemand neu ins Bethel kommt.
Das was ich da schrieb, habe ich tatsächlich auf Dauer umgesetzt.
Nicht nur in meiner späteren Zuteilung sondern auch allgemein.
Auf diese Art habe ich übrigens meine Frau kennen gelernt.

Die Bethelbrüder hatten den Spaß Neue vorzuführen und ich machte mir den Spaß ihnen den Spaß zu verderben.

Ich teilte das in sieben Punkte ein.
Der erste Punkt war das ich einem Neuen zusichern wolle, das ich streng vertraulich mit dem Umgehen werde was er mir sagt.
Ich wolle einen Neuen nach seinen Erfolgen fragen, die er außerhalb des Bethels hatte.
Ich zeigte einem Neuen wo man gefahrlos im Montag-Wachtturm-Studium sitzen konnte, wie man an sein Abendbrot kam ohne sich verächtliche Blicke zuzuziehen und gab ihnen den Tipp zur Schrankenwache eine Krawatte anzuziehen.
Aber vor allen hörte ich zu.

Ich schrieb von meiner Kongressplanung und der Frage wie ich einer aufdringlichen ledigen Schwester ausweichen könnte.
Und das am siebten Tag!
Es gab nur sehr wenige ledige Schwestern im Bethel.
Das diese aber ledig waren hatte seine Gründe…

Erst vertelefonierte ich fünf Mark nachhause, dann meinten meine Eltern sie rufen mich im Zimmer an.
Mein nervöser Magen machte sich bemerkbar.
„Warten kann wehtun. Wirklich schmerzen“ schreibe ich.
Mein Vater meinte er würde mich vermissen.
Er erzählte an Telefon davon, das ein, von uns nicht sonderlich geschätzter Kreisaufseher, es für sich ausschlachtete, das ein junger Bruder aus seinem Kreis ins Bethel gekommen ist.

Ich schrieb von dem Gefühl, ständig beobachtet zu werden.

Beurteilt werden, Klatsch, und erdrückende Neugierde.
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
„Er ist ein Druck der mich stört.
Der Druck des Big Brothers“
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<

Zugegeben – etwas gewöhnlich formuliert.
Aber was will ich machen.
So habe ich es damals geschrieben.

Man steckt einen in eine Schublade und kann sich nur in dieser bewegen.
Ständig beobachtet werden.
Das erdrückt einen.

Ich schrieb:

<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
„Selters von draußen betrachtet ist etwas riesiges Schwarzes.
Alles sträubt sich in mir dort hin zu fahren.
Ich will dort nicht hin.
Wenn man erst einmal die Schranke passiert hat, spürt man den Druck sofort.
Beobachtet, beurteilt, abgeschätzt, eintaxiert.
Das eintaxieren ist besonders hart.
Erdrückend“
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<

Auf diesem Bildmitte sieht man die Oberlichter des Daches (man nannte es die Krone) des Königreichssaales.
Nachts, sah es für mich so aus, als wären es glühende Augen und die Nase die im Unterholz lauerte.

Ich schrieb dass ich zum ersten Mal in der eigenen Bettwäsche geschlafen habe.
Ich konnte diese erst einsetzen nachdem die Näherei die Nummern eingenäht hatte.

Das ist so ein kleines Stück Stoff das von der Näherei in die Wäsche eingenäht wird.
Nur die Nummer habe ich jetzt hier unkenntlich gemacht.

Martha Schenkte mir eine Tagestextbroschürenhülle.
Auch war ich zum ersten Mal bei der „Kasse“.
An der Kasse kann man Bankgeschäfte erledigen und bekommt am Ersten des Monats seine Lohntüte.

23:22 Uhr der Zimmerpartner kommt ins Zimmer.

Re: Im Bethel - Der achte Tag - Rechtsabteilung

geschrieben von: . +

Datum: 21. September 2008 22:49

Am achten Tag fuhr mein Zimmerpartner zum Kongress!

Der Mittwoch war der dritte Tag meiner Grundausbildung.

Heute wurde ich einer Haushaltsschwester zugeteilt.

Jeder Wohnblock bekommt einen Haushaltsbruder der die Flure saugt, die Fenster der Treppenhäuser putzt, die Post verteilt und für alles zwischen den Zimmern zuständig ist.

Etwa 7 Zimmer wenden von je einer Haushaltsschwester geputzt.
Diese hat den HGS-W Schlüssel und kommt in alle Wohnräume.

Eine Haushaltsschwester darf keine Schränke öffnen und macht nicht die Betten bzw. die Küche sauber.
Ihre Aufgabe ist Staubsaugen, Fensterputzen, Badreinigen, Staubwischen.

Es ist den Bewohnern in den Zimmern nicht erlaubt, etwas auf den Boden zu stellen um der Haushaltsschwester nicht das Leben zu erschweren.

So einer Haushaltsschwester bin ich am dritten Tag meiner Einführungsrunde zugeteilt worden.

16:00 Uhr.
Ich sitze der Haushaltsschwester gegenüber.
Sie sitzt in einem ihrer zugeteilten Zimmer (des Fliesenlegers des Hauses).
Sie isst das Müsli vom Frühstückstisch aus einer Tupperwarendose und ich habe einen Block dabei und schrieb sobald sich die Gelegenheit ergibt.
Das Ganze übertrug ich dann abends in das Tagebuch.
Die Balkontür ist offen, draußen ist es Diesig, 20°
„Wir reden über den Knoblauch der heute Mittag im Leberkäse war“

Haushaltstage. Die Zeit zieht sich endlos hin.

Gestern waren es 30°.
Aber wenn man es nicht bewusst darauf anlegt, muss man quasi nie ins Freie.
Alles ist durch Gänge und Brücken miteinander Verbunden.

Ich erwähnte extra dass diese Haushaltsschwester ehrlich freundlich war.
Wörtlich schrieb ich:

„…nicht gekünstelt ehrlich oder aufgesetzt Fromm…“

Zum ersten Mal seit Tagen nehme ich das Essen bewusst war.
Ich esse mechanisch.
Wörtlich schreibe ich:

„Leberkäse mit Spiegelei.
Aber ich muss essen.
Nach diesem Prinzip habe ich die letzten Tage gegessen“

Zum ersten Mal freute ich mich jedoch über etwas beim Essen:
„Erdbeermilch“

Wörtlich schreibe ich:

<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<
„Wohl gemerkt, ich freute mich auf die Erdbeermilch.
Das war das erste Mal das ich mich freute.
Tatsache.
Zum ersten Mal fühlte ich eine leichte Heiterkeit.
Ja, der Druck war in diesem Moment nicht da.
Denn es gab Erdbeermilch.
Ich suche nach Gründen zur Freude.“
<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<

„Der Schlüssel zum Überleben ist die Suche nach Freude“

Aber das Beste an dem Ganzen: seit Mittags bin ich alleine.
Der Zimmerpartner fuhr zu seinem Kongress.

Nachmittags muss ich in der Rechtsabteilung gewesen sein.
Der Bruder der Rechtsabteilung (ich erwähne seinen Namen vier Mal wie ein Schimpfwort) fragt mich bezüglich meines Vorstrafenregisters aus.
Wörtlich schreibe ich:
„Ich traue zwar Bruder XXX nicht, doch was will er an der Sache schon ändern“

Es sah ein Problem darin das ich Ausgemustert wurde.

Eingangs beschrieb ich bereits wie ich Ausgemustert wurde.

Die Wachtturm Gesellschaft wollte jedoch, das die Brüder Verweigern, um den Staat, so umfassend wie möglich, vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Die Brüder im Vollzeitdienst sollten Vollverweigern und als Geistliche prozessieren.
Ich Verweigerte jedoch nicht, weil ich so erst gar nicht erfasst wurde.
Was geht das ihn an.

Er schärfte mir ein, mit niemanden darüber zu reden.
Da viele Brüder in ihrer Wehrdienstsache prozessierten, wollte die Rechtsabteilung nicht, dass andere junge Brüder von meinem Fall hörten und sich darauf beriefen.
Insbesondere da ich kerngesund bin.

Wörtlich schreibe ich:

„Ich solle mit niemanden darüber reden sagte Br. XXXX.
Dabei habe ich es sowieso nur wenigen erzählt, wer interessiert sich schon dafür“

Ich habe dann bis auf weiteres, auch mit niemanden mehr darüber geredet.

Weiter musste zu dem Rechtsabteilungstermin mein polizeiliches Führungszeugnis angefordert worden sein.
Ich habe gerade in den alten Akten gekramt und prompt den Musterungsbeschluss samt Führungszeugnis mit dem passenden Datum gefunden.

Nicht Wehrdienstfähig, und ich unterliege nicht der Wehrüberwachung.

Ausgemustert.
Kein Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis
Kein ausstehender Strafgeldbetrag.
Keine Mahnverfahren.
Keine zur Bewährung ausgesetzte Gefängnishaft.
Aber einen nervösen Magen.

Ich schreibe: „Zeit wird’s das ich eine vernünftige Arbeit bekomme“

Zum Schluss beschreibe ich einen Traum den ich diese Nacht zum zweiten Mal hatte.
Ich arbeitete in der Firma meines Vaters und das Gebäude stürzte ein.
Ich versuchte das Auto meines Vaters vor dem Haus zu erreichen.
Das Gebäude ist jedoch verschlossen und die Fenster vergittert.

Re: Im Bethel - neunter Tag - ...und keinen Schmerz

geschrieben von: . +

Datum: 23. September 2008 01:03

Frau von X
Hast du danach mit jemandem aus deinem Bekanntenkreis über deine Erfahrungen gesprochen oder vielleicht sogar Eintragungen gezeigt, damit sie sehen, wie du dort empfungen hast und hat dir jemand geglaubt? Die meisten haben doch so ein verklärtes Bild darüber, wie es dort sein soll.

Ich hatte das Tagebuch nicht geschrieben das es jemand liest.
Ich schrieb es an mein in der Zukunft liegendes ich.

Ich legte mein Tagebuch bewusst auf eine ganz bestimmte Weise in den Schrank.
Mehrmals war es nach meiner Rückkehr nicht mehr dort, wo ich es hingelegt hatte.
Mein Zimmerpartner konnte aber wohl nur schwerlich meine Schrift entziffern, teilweise schrieb ich auf Kyrillisch und zu guterletzt war es mir auch egal.

Nur meiner Frau gab ich das Tagebuch VOR unserer Hochzeit.
Vorhin fragte ich sie was sie damals darüber dachte.
Sie antwortete trocken:

„Ich dachte dass du dringend eine Frau brauchst“

Nunja, wo sie Recht hat, hat sie Recht.
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Am neunten Tag war ich erkältet.
Ich arbeitete zwar trotzdem, aber im Haushalt war das kein Problem.
Kein Wunder das der Körper bei diesem psychischen Stress streikt.

Ich erwähnte zwei Namen zum ersten Mal.
Beide waren ebenfalls neu.
Beide durchliefen ebenfalls den Grunddienst.
Ich nenne sie Freunde aber unter Zeugen Jehovas habe ich keine echte Freundschaften geschlossen, mit diesen war ich die folgenden Jahre „befreundeter“.

An diesem Tag bekam ich per Post die Kassettenaufnahme mit der Bekanntmachung, mit der ich aus meiner Heimatversammlung in das Bethel verabschiedet wurde.

Gesang war zu hören.

Dann schlug mein Freund der die Bekanntmachungen hatte, kommentarlos die Bibel auf und er las 1.Mose 28:16b-19a vor.

„Ein Baby hustet.
Meine Oma putzt sich die Nase.
Mein (leiblicher) Bruder schaute sich um…“

Ich schreibe im Tagebuch:

„Was wusstet ihr davon was das bedeutet“

Ich lauschte auf die Geräusche um mich herum im Zimmer.
Die Zeitschaltuhr drehte sich.
Kinder lärmten draußen.
Eine Träne trocknet auf meiner Wange.
Meine Ohren rauschten von der Erkältung.

„Was wusstet ihr davon was das bedeutet“
„Was wusste ich davon was das bedeutet“

Ich zitiere einen Wachtturm Artikel, in dem es heißt das Gott uns schult, in dem er Situationen zuläßt mit denen wir bis an unsere Grenzen der Lauterkeit erprobt werden.
Wörtlich schreibe ich dazu:
„Aber bei aller Liebe!“

Ich bin allein im Zimmer.
„Leider bin ich Krank.
Hoffentlich kuriere ich das bis morgen aus“

Heute war im Haushalt nichts zu tun.

Sozialistische Planwirtschaft.

Das Summen der Zeitschalter erinnert mich an mein Aquarium.

Wer neu ins Bethel kommt sollte innerhalb eines Jahres die Bibel komplett durchlesen.
Ein Jahr - Wenn mich „Krieg und Frieden“ nicht interessiert schaffe ich es auch nicht, in einem Jahr zu lesen.
Ich war jetzt am 9ten Tag bereits bei Sprüche 10:22 „Der Segen Jehovas – er macht Reich und keinen Schmerz fügt er hinzu“

„Ach. Warum muss dieser Zeitabschnitt in meinem Leben so tiefe Wunden zurücklassen?
Warum schlägt er so tief ein?“

Dann vergleiche ich dies mit einem Erlebnis während meinem Pionierdienst.
Ich stand einmal in einem Altbau in einem Treppenhaus.
Vier Stockwerke mit je zwei Wohnungsparteien.
Knarrende Holztreppe, es roch nach Bohnerwachs und Heizöl, große eierschalenfarbene Spione (Guckloch in der Eingangstür).
Ich war alleine unterwegs, machte NH`s (ich klingelte in einem Mehrfamilienhaus nie mehr als zweimal).
Wörtlich schreibe ich:

„Wie ich an der Tür stand fragte ich mich wieso so etwas überhaupt zugelassen werden kann.
Wissen die überhaupt was sie tun, wenn sie junge Leute losschicken?“

Später hat mir der Dienst spaß gemacht.
Ich hoffte das mir das Bethel eines Tages auch so gefallen würde.

Jetzt bin ich nicht nur mit dem Bericht ins Bodenlose gefallen.
Aber in diesem und nächsten Monat will ich wenigstens 10 Stunden erreichen.
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Zwei Jahre später schrieb ich folgenden Tagebucheintrag:
„Es gibt Gründe warum das Bethel nie mein Zuhause wird.

X.) Unbeständigkeit des Arbeitsplatzes

Anmerkung:
Man wurde immer wieder darauf hingewiesen das man jederzeit an einen anderen Arbeitsplatz versetzt werden kann.
Man solle die Einstellung entwickeln „Hier bin ich sende mich“

X.) Verletzte Persönlichkeitssphäre
Durch einen Zimmerpartner und anderes eindringen in die Privatsphäre.

Anmerkung:
Ständig wechselten die Zimmerpartner, Haushaltsschwestern, Arbeitskollegen.
Ständig wechselte man das Zimmer in dem man wohnte.

X.) Man steht jederzeit in der Gefahr Arbeits-, Obdach- und Mittellos zu werden.

Anmerkung:
Man erlebte fortlaufend Fälle in denen Betheliten Knall auf Fall das Bethel verlassen mussten.

X.) Andere vereinnahmen mein Leben. Sie machen Rechte geltend die ihnen nicht zustehen.

Diesen Tagebuch Eintrag schrieb ich an einem Montag.

Ein Bruder (ich nenne seinen Namen) verlässt heute am Montag das Bethel und fuhr „nach Hause“.
„Ich bekomme ganz warme Finger bei dem Gedanken“
Bei mir war der Zimmerpartner „Zuhause“ in unserem Zimmer.
Wir waren befreundet und er bat mich ob ich nicht ausnahmsweise das „Montag Wachtturmstudium“ besuchen könne, weil er in Ruhe seine Fremdsprache lernen wollte.
Ok.
Für ihn tat ich mir das an.
Ich notierte das Langweilerthema des Wachtturmstudiums und kommentierte das Ganze mit:

„Es war nicht mein Zuhause.
Da es mir dort nicht möglich gewesen ist das zu tun, was ich natürlicherweise getan hätte.
Trotz.
Eigensinn.
Schön und gut – aber deswegen fehlt trotzdem einfach der Punkt an dem man sagt „es ist mein Zuhause“.

„Was soll das das sich andere herausnehmen, dass man sich ihnen gegenüber rechtfertigen soll.
(Ich nenne drei Namen)
Was geht das die an.“

Heute meinte der Aufseher zu mir „Du wirst dich noch wundern, es wird sich einiges ändern“
Er war einfach ein Depp.
Auch die Jahre danach hat sich nichts geändert, aber er wollte es einfach heraushängen lassen das er als Aufseher einen besseren Draht nach „oben“ hat.
Er bekam in Wirklichkeit eins auf den Deckel weil er meine Abteilung in der Arbeit behinderte, um sich wichtig zu machen.

Egal wie – das war nicht mein Zuhause.

Heute habe ich ernsthaft darüber nachgedacht mich Selbstständig zu machen und mich zum 1.Oktober in der Schule einzuschreiben.

Ich notierte folgendes in das Tagebuch:

3 ½ Monate Kündigungsfrist will ich ihnen zugestehen.
Um zum 1.Oktober mit meiner (Weltlichen-) Weiterbildung beginnen zu können muss ich am 15 Juni kündigen.
-------------------------------------------------------------------------------
Auch wenn es noch eine Weile dauern sollte.
Es war das Ziel dieser Ausbildung, die mir half das Bethel zu verlassen.
Ich dachte es wäre meine Frau gewesen.
Aber nein – zu der Zeit kannte ich sie noch nicht.

Ich habe später mit 3 ½ Monaten Kündigungsfrist gekündigt und die Ausbildung wie geplant durchgezogen.

Re: Im Bethel - zehnter Tag - Fieber

geschrieben von: . +

Datum: 23. September 2008 23:19

Am zehnten Tag hatte ich Fieber.

Am Abend trank ich zwei Tassen heißen Tee.
Ich war froh dass der Zimmerpartner nicht da war.
An diesem Freitag arbeitete ich mit dem Haushalt-Verwaltung-Team.
Fensterputzen, Abstauben von Marmorfensterbrettern in den endlosen Bürogängen, Toilettenreinigen, Spiegel polieren.

Morgen am Samstag sollte ich in der Gartenabteilung arbeiten.

Der Eintrag vom 10 Tag war kurz – ich ging nach dem heißen Tee schlafen.

Re: Im Bethel - Samstag 11 Tag - Unkraut

geschrieben von: . +

Datum: 24. September 2008 22:59

Der Tee und das frühe schlafen gehen von gestern hatte geholfen.
Jetzt will ich das Wochenende nutzen um mich auszukurieren.

12:54 Uhr.

Heute arbeitete ich mit anderen Ferienarbeitern im Garten.
„Eine willkommene Abwechslung mit Brüdern und Schwestern von draußen zu arbeiten“

Wir jäteten Unkraut um den See herum.

Ich beschreibe das gezwungene Bethellächeln.
Man wird gezwungen das Haus Gottes durch Freude zu verkörpern.
Geht es einem nicht gut ist man ein schlechter Mensch.
Dann fehlt einem das lebensnotwendige Geistiggesindsein.
Die Brüder die mit den Bussen zur Wochenendarbeit hierher gekarrt werden, wollen doch gar nicht hören dass es hier Probleme gibt.

Sie bilden sich die paradiesische heile Welt ein und wollen die Wirklichkeit hier nicht sehen.
Am Abend steigen sie wieder in ihre Busse und erzählen dann zuhause, was für ein sauberer und paradiesischer Ort das Bethel doch wäre.

Ausdrücklich erwähne ich eine Schwester die tatsächlich wissen wollte wie es einem geht.

„das tat gut“

Das gezwungene Bethel Lächeln.
Das ist es was so kaputt macht.

Wörtlich schreibe ich:
„Man stelle sich jemanden vor der Kritik übt oder offensichtlich Probleme hat oder dem es einfach nicht gut geht. Undenkbar“

„Ich will nicht gewaltsam ruhig gestellt werden“.

„Hier entferne ich mich eher von Jehova als das ich mich nähere“

Dann schreibe ich dass ich noch nie so wenig gebetet habe wie hier im Bethel.

„Sie Beten für dich, sie denken für dich, sie sorgen für dich, sie halten dich mit Gewalt ruhig.“

Dann mussten meine Eltern angerufen haben.
Ich schreibe das mein Vater meinte, dass ich hier für später geschult werde.
Ich erzählte von den jungen Menschen hier.
Von denen die ich als keinen guten Umgang bezeichnete.
Aber auch von denen die einsam sind und Heimweh haben.
Von den Aufsehern die alle einen seelischen Knacks weg haben.

Meine Mutter meinte man müsse trotz Sturm seinen Blick auf Jesus gerichtet halten, dann könne man auf dem Wasser gehen.
Auch meinte sie ich solle während der Arbeit bethen.
Es gab einen Vorfall im Bethel.

An den Tagen vorher lass ich schon immer wieder davon im Tagebuch.
Ich schrieb dass mich ein Bruder aus der Dienstabteilung ansprach, weil irgendetwas vorgefallen war, über das ich mit niemanden sprechen sollte.
Ich schrieb die Notiz auf Kyrillisch und kann sie leider nicht mehr ganz entziffern.

Jetzt, am 11 Tag, erwähnte ich die Namen der beiden.
Zwei leibliche Brüder und Pionierpartner von mir, aus der Nachbarversammlung, mussten unvermittelt das Bethel verlassen.
Einer der Brüder hatte eine Zeitlang mit mir zusammen, bei meinem Vater in der Firma gearbeitet.
Er nachmittags, ich vormittags.

Ich erinnere mich dass er es hasste, wenn ich damals die katholische Kirche als „unsere Konkurrenz“ bezeichnete.

Ich weiß nicht mehr was passiert ist, aber ich schreibe, dass sie es nicht aushielten, nicht mehr in den Dienst zu gehen.
Diesen Freiheitsentzug hielten die beiden echten Naturburschen nicht aus.
Ich notierte schon am 8 Tag den Namen des Bruders aus der Dienstabteilung, der mich befragte mit dem Kommentar:
„Wenn sie denn alles unbedingt negativ sehen müssen…“

Ganz kann ich das Kyrillisch geschriebene nicht mehr entziffern, aber es heißt ungefähr, dass ich sie nicht verraten will oder nichts weiß.
Ich erwähne das Wort „Dienstetage“.

Was vorgefallen ist weiß ich nicht mehr.
Später vergaß ich sogar dass die Beiden schon vor mir im Bethel waren.
Nur durch das Tagebuch kam ich wieder darauf.
Wäre interessant was aus ihnen geworden ist.

Sie waren wie gesagt leibliche Geschwister.
Einer von beiden musste sofort das Bethel verlassen.
Der andere hatte ein Monat Kündigungsfrist.
Die beiden Brüder wohnten im Bethel in dem selben Zimmer und Hausten dort unbeschreiblich.
Sie hatten keine Betten in ihrem Zimmer und schliefen auf dem Balkon mit der Bethelmatratze auf dem blanken Boden und ließen auch Tagsüber ihre Matratzen draußen.
Man macht sich ja keine Vorstellungen.

Wie gesagt, ich weiß es nicht mehr, aber das sie vorher auf einem Bauernhof gelebt hatten, könnte der Grund gewesen sein, warum sie rausgeworfen wurden.
Es ist zu lange her und ich habe mir keine konkreten Anklagen notiert, auch weil mein Zimmerpartner mein Tagebuch in die Hand nahm.

Andererseits versuchte der von mir Namentlich erwähnte Bruder der Dienstabteilung, bei mir Anklagen gegen die beiden zu finden.
Es kann also nicht nur der unorthodoxe Wohnstil gewesen sein.

Ich erwähne später noch im Tagebuch das ich den anderen der beiden Brüder, bei meiner ersten Heimfahrt im Auto mitnahm.

Ich schreibe das „Brillentypen“ meinten, das es nicht von Vorteil ist, mit den beiden zusammen gesehen zu werden.
Ich glaube nicht dass ich mit einen der beiden früher in den Dienst gegangen bin.
Es waren wirklich urwüchsige Typen mit denen man seine Wohnungsinhaber erschrecken konnte.
Aber zu Landwirten fanden sie sofort einen Draht – da hätte ich mich wiederum auf den Kopf stellen können und nichts erreicht.

Was man ihnen auch vorwarf – es waren kreuzbrave herzensgute Typen.
Wenn auch eher Landwirte als frischluftscheue Bürohengste.

Johannes der Täufer hätte es im Bethel jedenfalls nicht lange ausgehalten.

Re: Im Bethel - Sonntag 12 Tag - Gesalbt

geschrieben von: . +

Datum: 25. September 2008 23:48

Weil ich krank war, ging ich nicht in die Versammlung.
Am 12 Tag beschreibe ich die Kontaktarmut im Bethel.
Ich erwähne die Fassade der Vertrauensseeligkeit eines Bruders.

Mittags ging ich etwas spazieren um den Kreislauf in gang zu bringen.

Ich erzähle meiner Oma am Telefon, nicht von den Problemen.
Sie sagt „lass den Kopf nicht hängen“.
Ich hasse Telefonieren weil man nicht schweigen kann.
Sie meinte eine liebe ältere Schwester lässt mir einen nicht unerheblichen Geldbetrag zukommen.
Ich soll mich bei ihr bedanken.

Ich schreibe in das Tagebuch:
„Um Gottes Willen was soll ich ihr sagen?
Bethellächeln was sonst“

„Hier ist man allein“

Ich erwähne einen Bruder mit Namen der glaubt einem zeigen zu müssen das er einem nicht traut.
Von einem anderen Ältesten schreibe ich das er einen „beobachtet“.

Wörtlich schreibe ich:

„Total unnötig. Was soll’s. Hier ist man nicht nur alleine sondern mit anderen zusammengesperrt.“

Weiter schreibe ich dass ich mich noch nie so seelisch „dreckig“ gefühlt habe.
Ich schreibe davon eine neuen „Bewertungseinstellung“ anzunehmen.
Aus der heutigen Sicht würde ich sagen dass hier zum ersten Mal mein Wachtturm zu bröckeln anfing.

Mit der lieben älteren Schwester habe ich telefoniert.
Ich setzte kein Bethellächeln auf.

Sie will mich mit meinen Eltern im Bethel besuchen.

Die ältere Schwester arbeitete auch bei meinem Vater in der Firma.
Sie erzählte, dass ein Strohballen von einer Ladefläche fiel und in der Firma ein Fensterladen und eine Fensterscheibe zerschlug.
Nun hatten sie aber eine Katze in Obhut genommen, die durch das zerschlagene Fenster flüchten wollte.
Während mein Vater die Katze fangen wollte, hatte die ältere Schwester unbedacht die Ladentür geöffnet, um die Fensterläden von außen zu schließen.
Die Katze entwischte prompt durch die Tür.
Nun redete mein Vater nicht mehr mit der älteren Schwester.

Leute ist das Leben nicht herrlich.
Wie beneidete ich die beiden um ihre Probleme.

Nach einer Stunde kam die Katze übrigens von selber wieder.
Die ältere Schwester meinte mein Vater würde nicht verkraften das ich nicht mehr da bin.
Sie ist ein echtes Original.

Dann erzählte sie von einem Streit in der Versammlung.
Ein Pionier stellt seinen Handwagen für sein Musikinstrument im Abstellraum des Königreichsaales ab.
Sie hat sich schon bei meinem Vater und einem anderen Ältesten beschwert.
Der Kreisaufseher soll das klären.
Aber jetzt versucht sie es bei mir…
Wie gesagt – sie ist ein echtes Original.

Eine Gesalbte (wir spielten zu dritt Mensch ärgere Dich nicht) war Tod traurig, weil der Kreisaufseher und ein Ältester aus der Versammlung ihr, bei

 einem Hirtenbesuch gesagt hatten, sie wäre schmutzig.

Die ältere Schwester verwendete einen derben Ausdruck den ich in meinem Tagebuch nicht notierte.
Ich schrieb nur das sie sich direkter Ausdrückte…

Die Gesalbte Schwester wollte halt unbedingt nicht in ein Altenheim.
Es stimmt schon, das sie nur noch schwer für sich sorgen konnte.
Ich kaufte für sie ein und erledigte ein paar Arbeiten im Haushalt.
Die ältere Schwester sorgte sich auch um sie.
Der Hirtenbesuch ging der Gesalbten buchstäblich ans Herz.
Jetzt schlägt ihr Herz langsamer und der Arzt war schon 2x bei ihr.

Ich schrieb in mein Tagebuch ausdrücklich, das es gut getan hat, mit der älteren Schwester ehrlich zu reden.

Mein Gott was hatte ich nur verbrochen, das ich in dieser Hölle auf Erden gelandet bin?

Folgendes schreibe ich:

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Die Zeitschaltuhr summt, der Springbrunnen draußen rauscht, Lachen, jemand klopft Wäsche aus, ein kleines Sportflugzeug fliegt über uns hinweg.
Ohrenrauschen.
Allein.
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Ich wollte mein Zimmer beschreiben aber alles sträubt sich in mir dagegen.
Es ist der 12 Tag und ich notiere dass man hier das Gefühl bekommt draußen nicht mehr überleben zu können.

Meine Eltern riefen an und sagten dass sie nächsten Samstag mich besuchen wollen!
„Das Haus ist so leer ohne Dich“

In der Nähe des Schwimmbads war eine Waage und dort stellte ich schon Freitag fest dass ich stark abgenommen hatte.
Das war aber erst der Anfang.

21:44 Uhr. Morgen bekomme ich meine Arbeitszuteilung.

Der 12 Tag endet mit dem Satz:

„Nichts ist mehr so wie früher“

Re: Im Bethel - Montag - 13 Tage Hölle

geschrieben von: . +

Datum: 26. September 2008 21:22

Am Montag, meinem 13 Tag im Bethel, bekam ich meine neue Zuteilung.

Haushalt Verwaltung.

Endlich eine vernünftige Arbeit bei der man wenigstens für kurze Zeit das Drumherum vergessen kann.

Haushalt Verwaltung schließt alles zwischen den Wohnblöcken und den Fabrikgebäuden ein.
In der Hauptsache aber den Verwaltungstrakt einschließlich Königreichssaal, Empfang, den zentralen Toilettenanlagen in den jeweiligen Etagen des Hauptgebäudes von der obersten Dienstetage bis in das Untergeschoss, Bücherei, Saunaanlagen und dem Schwimmbad.
Aber auch die Papierkörbe in der Außenanlage.

Wir hatten in dem Treppenhaus bei Haus 4 im obersten Stockwerk ein „Treffpunkt“.
Ein schmaler Raum – kaum breit genug, um aneinander vorbei zu gehen.
Dort war an der Wand ein Plan, mit den zu erledigenden Arbeiten und Terminen.

Morgens um 8:00 Uhr trafen sich die 10 Brüder der Haushalt-Verwaltung-Truppe.

Es gab zwei Arten von Brüdern die in Haushalt Verwaltung arbeiteten.
Diejenigen die vorübergehend eingesetzt werden um sie in ihrem Arbeitsverhalten zu beobachten und die Strafversetzten.
Entsprechend unterschiedlich war die Auffassung über die Art wie man seine Arbeiten erledigt.

Einer der Strafversetzten war „Ernst“.
Er hieß nicht Ernst aber es ist der typische Name für einen Bruder mit scharfen rechten Seitenscheitel und 110% korrekter Einstellung.
Allseits unbeliebt, wurde er mit der Haushaltsarbeit trotz seiner vieler Dienstjahre gedemütigt.
Eine vertrocknete, gescheiterte Existenz die alles weiß und alles kritisiert.

Mit mir fingen an diesem Montag in Haushalt Verwaltung mehrere Brüder ihren Betheldienst an.
Generell kann man dort nicht viel falsch machen.
Zum Beispiel bekommt man einen Staubsauger in die Hand gedrückt und saugt zu zweit die Bibliothek.

Oder man bekam eine so genannte Scheuersaugmaschine.
Eine Wetrok.
Ähnlich dieser – wenn auch nicht so Modern:

Damit wurde der Marmorbereich im Empfang, der Marmorbereich vor dem Speisesaal und die Fliesenbereiche in den Gängen zum Fabrikgebäude gereinigt.

Mit der Wetrok zu Fahren war cool.
Schon allein deswegen weil man damit in der „Frühschicht“ arbeitete – vor dem 7:00 Uhr Gong sollte alles fertig sein (Rutschgefahr).
Etwa 5:00 Uhr fing man zu zweit an und hatte dafür auch 2 Stunden früher Feierabend.
Einer fuhr die Maschine einer räumte die Möbel beiseite und sorgte für den Frischwassernachschub und das Schmutzwasser entsorgen.

Ich beginne mir Standartfloskeln anzugewöhnen.
Zu dem Assimilieren gehört nichts sagend unverbindlich zu Reden.

Wörtlich schreibe ich:
„Man schaut hier in nichts sagende Augen“

Am 13 Tag beschloss ich einen Monat Hilfspionier zu machen.
Mir ging der Dienst wirklich ab.
Ich notierte einen denkbaren Zeitplan und das ich davon aber vorher nicht reden will.
Ich wollte keine dummen Sprüche machen.

Nur kam es dabei aber am selben Abend noch genau in dieser Sache zu einer Art Eklat.
Nach dem Montag-Wachtturm-Studium trafen wir uns mit einer Gruppe Betheliten, die zu der gleichen Außenversammlung gehörten, noch bei einem Ältesten in seinem Zimmer des Hauses 2.
Ich erwähnte diesen Ältesten bereits mehrmals als „Beobachter“.

Die Häuser 1 – 3 waren alte Bausubstanz mit der Adresse „Am Steinfels 1 – 3“.

Diese Häuser wurden renoviert und hatten in jeder Etage neben der Haushaltsschwesterkammer, fünf große 2 ½ Zimmer Wohnungen und eine große Einzimmer Wohnung.
Die Zweieinhalb Zimmer Wohnungen hatten im Eingangsbereich eine kleine Küche sowie Wohnzimmer und Schlafzimmer.
Die Einzimmer Wohnungen in den Neubauten waren dagegen wesendlich kleiner.
Logisch das diese Wohnungen in den Häusern 1 bis 3 jeweils die Brüder mit hohen Dienstjahren bekamen.

Dieser Älteste wohnte in einen der Häuser 1 bis 3.
Bei diese Einladung störte mich, das man mich in dieses „junge Leute Klischee“ presste.

Wir trafen uns wie gesagt nach dem Montag-Wachtturm-Studium bei dem Ältesten.
Jetzt war da aber eine Schwester, die sagte dass sie Hippi machen möchte.
Dies brachte den Ältesten auf 180.

„niemand erwartet von einem Sonderpionier dass er zusätzlich Hippi macht“ sagte er.

Dieser Älteste war möglicherweise selber nie Pionier.
Er vermutete hinter dem Ansinnen der Schwester, einen Drang der Unabhängigkeit.

Man muss an dieser Stelle vielleicht erklärend anfügen, dass durchaus nicht alle Bethelbrüder vorher Pioniere waren.
Manche kamen über die Bautruppen ins Bethel.
Es ist auch ein Phänomen, das gerade Pionieren unter Jehovas Zeugen, schnell Mal ein schlechter Beweggrund unterstellt wird.

Wie dem auch sei.
Folgendes notierte ich im mein Tagebuch:

„Warum erwartet man dass dann von einem Verkündiger?
Nein hier hört’s auf.“

Einige im Bethel machen regelmäßig Hippi.
Aber es ist schon sehr bemerkenswert, wie im Haus Gottes mit diesem Thema Verkünden umgegangen wird.
Wie unwichtig und uneffizient man den Predigdienst bezeichnet.

Dabei ist es in der freien Wirtschaft weit schwieriger Hilfspionier zu sein, als in dem, bis ins Kleinste geregelten Lebensablauf eines Betheliten.

Gesundheitlich ging es mir schon wieder besser, aber der Älteste hatte auch für mich einen Seitenhieb auf Lager.

Schließlich war ich Sonntag nicht in der Versammlung…!
„Ja, Ich habe das sehr wohl gemerkt“ sagte er.
Nur war ich damals wirklich krank.

Als ich abends ins Zimmer kam, fand ich einen Zettel vom Notdienst vor:

„Lieber Bruder liebe Schwester!
Wir mussten heute deine Balkontür schließen.“

An diese Zettel muss man sich im Bethel gewöhnen.
Aber noch, war ich ja brav im Montag Wachtturm Studium…

22:46 Uhr.

Ich versuche mich zu erinnern wie man sich gut fühlt.

Ich beschreibe, dass ich die Rollladen herunter gelassen hatte, weil ich mich beobachtet fühlte.
Ich schieb:
„Eingesperrt, Verbarrikadiert, Verängstigt, Verunsichert, ohne Halt, ohne Grund zur Freude, ohne Grund auf etwas stolz zu sein.
So schlecht wie jetzt ging es mir noch nie“

„Nichts wird mehr sein wie früher“

Das eigene Auto auf dem Gelände war für mich so etwas wie das einzige Stück Heimat.
Auch wenn ich in den dreizehn Tagen keinen Meter mehr damit gefahren bin.
Ich fuhr immer mit anderen Brüdern mit in die Versammlung.

Dann schrieb ich wörtlich:

„Br. Pfitzmann benimmt sich ganz eigenartig.
Wie um Gottes willen soll ich mich ihm gegenüber den benehmen?“

Auch notierte ich mir die Namen derer, die zum Kongress von mir die neusten Zeitschriften mitgebracht bekommen.

Wieder beschreibe ich meine Situation als „Big Brother“.
Eingesperrt, kontrolliert, aufgezwungen, leer, „beglotzt“, negativ beurteilt, allein, unheilvoll mit drohendem Unterton.
Ich beschreibe die Situation wie ein schlag auf die Nase.

„Ja, Ich habe das sehr wohl gemerkt“ (die Aussage des Ältesten, siehe oben)
und dabei kam er sich noch so gut vor.

„nie wieder!“

Unglaublich das dass erst 13 Tage sein sollen.

13 Tage Hölle.

Ich schreibe in die Mitte einer Tagebuchseite folgenden Bibeltext…

„Habe ich dir nicht geboten? Sei mutig und stark.
Entsetz dich nicht, und erschrick nicht, denn Jehova,
dein Gott, ist mit dir, wohin du auch gehst.“
(Josua 1:9)

…und kommentiere den Betheleintritt als den schwärzesten Tag in meinem Leben:

Verflucht, Verflucht, Verflucht

Fortsetzung unter:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,14025,14025#msg-14025

Re: Im Bethel (2) - Dienstag - Jenseits von Aftrika

geschrieben von: . +

Datum: 27. September 2008 20:58

Der letzte vorangegegangene Teil unter:
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,12980,13972#msg-13972

Dienstag der 14 Tag

“21:08 Uhr - Immer wenn ich hier im Tagebuch schreibe falle ich in eine grenzenlose Traurigkeit”

Zwischen dem dreizehnten und vierzehnten Tag notierte ich auf einer extra Seite in meinem Tagebuch Noten einer Melodie die mich seit drei Wochen begleiteten.

Mozart Klarinetten Concert K622 ( manche kennen es vielleicht durch den Film „Jenseits von Aftrika“ )

Man muss dabei erwähnen dass ich zu der Zeit keine Musik hörte.
Es war die Zeit in der die Brüder ihre weltlichen Schallplatten Containerweise entsorgten.

Am vierzehnten Tag vergleiche ich das Bethel mit „früher“.
Ich schreibe:

„Vergleichbar ist dies mit dem schlafenden Gesicht von Puschel (der Name unserer Katze) und dem Bohrer eines Zahnarztes.“

Ich beschreibe meine Arbeit in Haushalt Verwaltung.

Ich schreibe wörtlich:

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

• Toiletten abschrubben,
• Waschbecken reinigen,
• Spiegel reinigen

Besichtigungsgruppen werden vorbeigeschleust –
„Guten Tag! Hallo!“

• Spiegel polieren,
• Bodenwischen,
• Plastikhandschuhe an und aus

„Hallo!, Guten Tag!, Bethellächeln!“

• Fahrstuhl rauf,
• Fahrstuhl runter,
• Gestank von Reinigern und Toiletten

Und zwischen allen Wortfetzen, die salbungsvolle, einschläfernde Stimme der Dauerschleife des Bethelbsucherbegrüßungsfilmes aus dem kleinen Saal:

„…Wenn sie zurückkehren, möchten sie die herzlichen Grüße vom Bethel…“

• Toilettenspülung,
• Gogetta (Toilettenreinigungsmittel),

„Nein die Toiletten sind gleich wieder frei…“

Musik Salat, eine traurige Gitarre,
jemand pfeift eine Melodie,
man hört draußen Menschen auf dem Platz.

Der Gong läutet drei Mal mit einem Dreiton.

Essen innerhalb 20 Minuten.
Aufstehen zum Tafelaufheben

„…das Eis bitte…“
„…darf ich bitte die Brötchen haben…“
„…Woher kommst Du?...“

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Dann schreibe ich dass der „Naturbursche“ der Pionier aus meiner Gegend zum letzten Mal an meinem Tisch saß.
Seine Sachen waren schon im Auto – er nahm nur noch das Mittagessen ein.
Ich schrieb in Anspielung auf den gestrigen Satz von Bruder „Beobachter“:

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

„Das habe ich sehr wohl gemerkt“

XXX (sein Name) streut Salz auf seine Kartoffeln.
Big Brother schmeißt ihn raus.
Die Maschine hat ihn nicht vereinheitlicht.
Ihm passt die Uniform nicht.
Auswurf.
Ausschuss.

Alle hinter ihm Rücken eine Position höher (er hatte sehr viele Dienstjahre)

12:55 Musik hört auf (nach dem Tafelaufheben spielte Königreichsmusik)
Türen schlagen.
Big Brother ruft.

>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>

Wohl gemerkt.
Das war der 14 Tag.
Das lässt ja nun an Deutlichkeit kaum mehr zu wünschen übrig.
Ich war mir nicht bewusst dass mein abwertendes Urteil so schnell und so unmissverständlich war.
Den Text schrieb ich auch nicht auf Kyrillisch.

Die beiden Brüder hatten ein Auto.
Der, der das Bethel sofort verlassen musste nahm das Auto mit.
Den anderen nahm ich dann später bei meiner ersten Heimfahrt mit.

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Ich habe mich gestern erkundigt was aus den beiden „Naturburschen“ geworden ist.
Unter anderem sprach ich mit der Mutter der beiden.

Der, der das Bethel sofort verlassen musste starb vor 15 Jahren in einem Autounfall.

Der andere heiratete später eine Interessierte und bekam auch ein Kind mit ihr.
Die Interessierte wollte aber bald nichts mehr von der Wahrheit wissen und hat sich von ihm samt Kind getrennt.
Interessanter weise scheint er zwar nicht Ausgeschlossen zu sein, aber auch von der Wahrheit nicht mehr so viel zu halten.
Er hat sich in der Landwirtschaftsbranche selbstständig gemacht und hat mehrere Angestellte.

Zwei seiner Schwestern haben die Wahrheit verlassen.

Ihn selber habe ich noch nicht erreicht, aber seine Mutter meinte bedauernd wie schade es doch wäre, dass sie mit ihren Töchtern und Enkeln, die nicht in der Wahrheit sind, keinen Kontakt mehr haben kann.

Die ganz normale Historie einer von der Wachtturm Gesellschaft zerstörten Zeugen Familie eben.
Vor meinem Fenster stand ein kleiner Baum.
Ich sehnte mir den Winter herbei und mit ihm einen Alltag.
Einfach nur einen funktionierenden Alltag.
Meine Eltern wollten um 22:00 Uhr anrufen und ich lenkte mich erfolgreich ab in dem ich mir ein leckeres Essen machte.

Es ging mir gut – und das erwähnte ich extra im Tagebuch.

Mein Abendbrot ist eine Orange, 2 Schüsselchen Erdbeeren, ein Stück Käse und ein Glas Orangensaft.
Auch war mein Zimmerpartner noch im Urlaub unterwegs.

Bei dem Telefonat mit meinen Eltern gab ich eine Liste der Sachen durch, die ich noch benötigen würde.
Zum Beispiel Kaba.

Der Kreisaufseher (von uns nicht sonderlich geschätzt) schrieb in seinen Bericht über seine Kreiswoche:

„Die Versammlung XXX hat nur XXX Pioniere weil einer ins Bethel gegangen ist. XXX (mein Name) hat seine vielen Studien an andere Brüder abgegeben.“

Meine Eltern fragten ob sie die Nacht von Samstag auf Sonntag im Bethel übernachten könnten.

HA!
Und dann schreibe ich dass ich meiner Mutter sagte dass ich übers Heiraten nachgedacht habe.
!Und meine Mutter wiegelte ab!
Vielleicht sollte ich erwähnen dass ich weder jemanden zum Heiraten kannte noch bis dahin danach suchte.

Gestern erwähnte ich zusammenhanglos Br. Pfitzmann
Die von der älteren Garde waren nicht nur unnahbar sie waren hochnäsige eitle Pfauen.
Bruder Pfitzmann genauso wie Br. Anstadt

Ein Beispiel:
Meine Eltern kannten Bruder Anstadt und seine Frau aus ihrer gemeinsamen Zeit im Vollzeitdienst.

Nun kamen meine Eltern wieder einmal ins Bethel um mich zu Besuchen.
Im Speisesaal sah mein Vater Bruder Anstadt und ging naiv und ehrlich auf ihn zu um ihn zu begrüßen – mich im Schlepptau.
Bruder Anstadt ließ seine ganze Überheblichkeit und Überlegenheit raushängen in dem er mir an die Schulter klopfte und sagte:

„Na men jung, und wann kommst Du ins Bethel?“

Der fiese Knopf wusste ganz genau wer ich war und schaute mir dabei auch in die Augen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich wegen meiner Zuteilung mit ihm zu tun.
Er wollte aber nicht dass ein Emporkömmling in seine erlauchten Sphären aufsteigt.
Mein Vater merkte diesen Tiefschlag nicht und ging ihm in die Falle.
Er Antwortete Eilfertig ich wäre schon über ein Jahr im Bethel.

Ich habe dies meinem Vater nie erzählt.
Er sah die Beleidigung nicht die hinter der Frage steckte.
Fortsetzung unter:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,14114,14114#msg-14114

Re: Im Bethel (3) - Mittwoch der 15. Tag - Grenzlinie

geschrieben von: . + (

Datum: 28. September 2008 23:23

Der letzte vorangegangene Teil unter:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,14025,14025#msg-14025

Am 15 Tag nehme ich überrascht das Wetter war.
Es ist drückend heiß.
Ich stelle mir die Frage ob ich wohl Bethelit bleibe und freue mich auf die Kongresstage.

Ich komme mir vor als wäre das alles nicht Wirklich.
Ich komme mir vor als wäre ich in einem Film.

Dann beschreibe ich einen Geräuschfetzen.
Ich weiß nicht mehr ob das bereits meine Führungen waren oder ob ich nur die ewig wiederholten Führungen eines anderen Beschreibe:

„…Wir befinden uns hier in der Chemischen Reinigung.
Rechts von uns befindet sich die Wäscherei, hinter uns das Schwimmbad…“

Das muss aus einer meiner ersten Führungen sein, denn das nachfolgendes Wortfragment stammt aus dem Verbindungsgang mit den Schaukästen:

„…Bitte mit den Rücken zum Fenster stellen, mit dem Rücken zum Fenster…“

Meine Führungen durchs Bethel waren berüchtigt.
Ich zeigte den Gruppen nämlich mit vorliebe Dinge, die nicht auf der offiziellen Tourliste standen.

Offiziell bekam man nämlich nur „züchtige“ Gästezimmer zu sehen.
Ich zeigte aber mein Bethelzimmer.

Anfangs als Abschreckung (denn es war total über füllt und enthielt eine unsichtbare Grenzlinie), später (ich zog bald mit einem anderen Musiker zusammen) als absolut untypisches Zimmer.

Ich gehörte zu den wenigen die Führungen liebten – es war für die Brüder die im Empfang arbeiteten gar nicht so einfach, jemanden für Führungen zu bekommen.
Wenn also jemand zu Besuch kam der um eine Führung bat mussten sie jemanden Anrufen.

Druckerei oder Handwerksbetriebe kamen dafür nicht in Frage, weil man dort niemanden von der Arbeitsstelle abziehen konnte.
Die erste Wahl waren Haushaltsbrüder und Haushaltsschwestern.
Rief man dort aber über das Haustelefon an sagten diese durchaus ab – weil sie „arbeiten“ zu erledigen hätten.

Einige Haushaltsbrüder trugen aber einen „Piepser“.
Ein kleines Empfangsteil auf den man die Nummer sah die man zurückrufen sollte.

Hatte man keine Lust Führungen zu machen, dauerte es halt etwas länger bis man zurückrief.
Ich dagegen machte gerne Führungen.
Und so bekam ich verhältnismäßig oft Führungen.
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„Ich möchte Euch recht herzlich im Zweigbüro der Wachtturm Bibel und Traktatgesellschaft Willkommen heißen.

Mein Name ist Mustermann und ich darf Euch heute durch das Bethel in Selters dem Hause Gottes führen.

Wir befinden uns hier im Königreichssaal der etwa 400 Sitzplätze bietet.
Rechts von mir seht ihr die mobile Faltwand die bei Bedarf geöffnet werden kann.
Dadurch wird der Saal um weitere 150 Sitzplätze erweitert.

Bevor wir nun in den Verwaltungstrakt gehen, möchte ich einen aus eurer Gruppe bitten den Letzten der Gruppe zu sein, um darauf zu achten das wir zusammen bleiben und ich sehen kann wann wir Vollständig sind.
Auch möchte ich euch bitten im Fabrikgebäude auf die gelben Linien am Boden zu beachten und nicht zu übertreten.
Diese sind zu eurer Sicherheit.

Wir gehen nun vom Königreichssaal in dem Montags die Bethelfamilie ihr Familienstudium durchführt durch eine Abgeschlossene Tür.
Achtet bitte darauf dass wir zusammenbleiben so dass alle in den Verwaltungstrakt gelangen.

Links von mir seht ihr drei kleine Besprechungsräume die jeder der will buchen kann.
Hier trifft sich der Einkauf mit Vertretern aber auch Bethelbrüder wenn sie mit ihrem Besuch alleine sein wollen wenn ihr Zimmer nicht frei ist…“
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Gerade ging ich meine alten Ordner mit der Post durch und fand zwei Seiten des Führungstextes den man vom Bethel bekam.

Den peinlichen Text mit dem „Marmor“ habe ich mir von Anfang an gespart.
Das mit den 1500 Oberhemden etc. habe ich schon erzählt.

Nur das ich nicht zu einem Gästezimmer gegangen bin, sondern in mein eigenes Zimmer.
Wenn ich gut drauf war, schockierte ich gerne die Besucher, indem ich erzählte und zeigte das durch das Zimmer eine Linie geht, die ich nicht überschreiten sollte.

Das Bethelbüro bat mich einmal, doch den Brüdern das gewünschte Bethelbild zu vermitteln.

Es wäre doch auch nicht so hygienisch, wenn so viele durch mein Zimmer liefen.
OK. Womit er Recht hat, hat er Recht.
Wir kamen überein dass ich je nach Gruppengröße von Fall zu Fall die Tour variierte.

Es sei hier an dieser Stelle erwähnt, dass zwei der drei Bethelbüroaufseher schwer in Ordnung waren.
Sie taten das was in ihrer Macht lag.
Einem der beiden merkte man aber an das ihn das Amt schwer belastete.

Re: Im Bethel (3) - Donnerstag der 16 Tag - noch mal ganz von Vorne anfangen

geschrieben von: . +

Datum: 30. September 2008 00:05

Noch ein Wort zum Thema Führungen.
Es gab grundsätzlich zwei Arten von Führungen.
Privatführungen und öffentliche Führungen.

Privatführungen waren Bekannte oder eine sehr kleine VIP-Gruppe.
Normale Führungen waren angemeldete Busse oder unangemeldete Besucher an Feiertagen.

Große Führungen waren aus einem einfachen Grund interessant:

Interessant für das Bethel und den, der die Führung durchführte…

Busgruppen wurden von einem Bruder im Empfang entgegengenommen und je nach Besucherzustrom in Gruppen von 10 bis 20 Personen aufgeteilt.
Waren noch nicht genug zusammen schickte man sie in die Dauerfilmschleife des Bethelfilmes im kleinen Saal.

War eine Gruppe zusammengestellt nahm ich sie entgegen und führte sie in den Königreissaal weil man es dort für die Begrüßung ruhiger hatte.

Die Gruppe zusammenzuhalten war eine Kunst.
Es gab Türen die Zufallen konnten und nur mit Schlüssel geöffnet werden konnten.
Bei großen Gruppen war es dann auch wichtig dass sie innerhalb der gelben Linien blieben.

Jetzt kam es nämlich durchaus vor das es bei Führungen zu einem Stau kam.
So das die eine Gruppe die andere Überholte – zum Beispiel weil der eine keine Lust hatte und schneller durch das Bethel lief und der andere froh war von seiner Zuteilung entkommen zu sein und sich erst Recht verplauderte.
Oder es kamen Rückfragen.

Es gab bestimmte Feiertage oder Kongresszeiten in denen sehr viele Besucher zu bewältigen waren.
Während dem normalen Arbeitsablauf.
Nicht immer gelang es die Brüder aus dem Arbeitsbereich herauszuhalten…

Ich beendete die Tour wenn es nicht Regnete im Außengelände oberhalb der Treppe vor dem Empfang.
Der Standort des Fotographen war der Platz, an dem ich eine Gruppe für gewöhnlich verabschiedete:

Am 16. Tag scheinen wir von außen die Fenster geputzt zu haben.
Ich erwähne dass das Wasser aufgrund des heißen Wetters auf dem Fensterblech qualmend verdampft.
Die oberste Etage der Dienstabteilung durfte wegen der Ostspionage nicht von uns geputzt werden.

Der Aufseher von Haushalt-Verwaltung (ein junger, lockerer, netter Kerl – auf freier Wildbahn hätte er lange Haare und würde Lederjacken tragen und Harley Davidson fahren) meinte das man diesen Job nur übergangsweise zur Beobachtung bekommt.

Außer ihm (er sagte das bedauernd wie ein Gefängniswärter der sich selber eingesperrt fühlte) und einer gescheiterten Existenz mit streng nach rechts gezogenen Scheitel, wird jeder von uns bald zu einem vernünftigen Arbeitsplatz wechseln.

Zu diesem Zeitpunkt war mir klar dass es für mich zwei wichtige Abteilungen gab.
Das Bethelbüro und die Frisörstube (Die Schwestern hatten dort Haare auf den Zähnen – Vorsicht Wortspiel!).
Nun wollte keiner die meistfrequentierten Toiletten in der Speisesaal- und Empfangsebene Putzen.
Ich überlegte mir aber dass dies genau die Etage war auf der das Bethelbüro und die Frisörstube lagen.
Wenn man also auffallen will muss man dort Putzen.
Auf meine Bitte überließ man mir quasi mit Kusshand diese Etage.
Vorher wechselten sie sich ab – keiner wollte dort Putzen.

Als Haushaltsbruder bekam man automatisch den HGS-W Schlüssel.
Damit kam ich in das Putzmittelarchiv.
So mischte ich mir in mein Putzmittel den besten Duftstoff (Zitrone).
Man sollte wissen wenn ich geputzt hatte.
Dann rückte ich nach Feierabend (weitestgehend Unbeobachtet) den Waschbecken in der Etage zu leibe.

Wir alle haben weiße Porzellan-Waschbecken.
Nun bekommen Porzellanwaschbecken durch Metallgegenstände schwarze Fahrer.
Durch normale Reinigungsmittel bekommt man diese nicht weg.

-----------------------------------------------------------------------

So mancher nimmt diese grauen Striche als Gottgegeben hin.
Ich überlegte mir aber dass ich an meinem Auto mit Chrompoliturpaste meine Stoßstangen glänzend bekomme.
Dann müsste das für Metallstreifen auch funktionieren.
Und so bekam ich die über und über mit schwarzen Streifen versehenen Waschbecken mit Metallpolitur weiß wie neu.
Kalkrändern rückte ich mit Endkalker zu Leibe.
Ich reinigte fortan dort nicht nur Toiletten und Boden sondern auch die Kabinenwände und Fliesenwände (Frischegeruch!).
Zeit hatte ich genug.
Die anderen trödelten zum Steinerweichen (Planwirtschaft).

Ich sollte Recht behalten.
Bereits innerhalb des dritten Monats bekam ich DEN Traumjob.
Man erzählte sich das ein Bruder extra ins Bethel gerufen wurde weil er diesen seltenen Beruf hatte.
Ich ärgerte mich maßlos, da ich offensichtlich zu spät ins Bethel kam.
Dieser Bruder war nicht nur älter und schon länger im Bethel er hatte vor allem mehr Dienstjahre.
Er wurde bereits inoffiziell für diesen Posten gehandelt und sah in meinen Augen so Vorbildlich aus.

Pustekuchen!

Was keiner für möglich hielt - ich bekam den Job und behielt ihn auch die ganzen Jahre bis ich auszog.
Das war wie ein sechser im Lotto!

Ich bevorzuge die Illusion das es daran lag das die Toiletten in der Speisesaalebene mit Abstand die sauberste Zeit erlebten während ich dort Fuhrwerkte.
Mir erzählte die Aufseherin der Frisörabteilung (die Person im Bethel die am meisten zu sagen hat und zwar im doppelten Sinne) später dass sie es schade fand das ich nicht mehr die Etage reinigte.
Jetzt gehen sie wieder in eine weniger frequentierte Toilettenetage, wie sie es machten bevor ich das Stockwerk übernahm.
------------------------------------------------------------------

Nach Feierabend fuhr ich auswärts Einkaufen und genoss die „freie“ Luft.
Zum ersten Mal fuhr ich mit meinem Auto alleine aus dem Gelände.
Die ersten Weltmenschen seit über 14 Tagen.

Supermarktlausprecher:

„…Suchen sie ein frisches Stück Fleisch?
Dann fragen sie doch in unserer Metzgerei…
…wie vom Spanferkelschulter…“

Supermarkt - Draußen!

Ich beschreibe Hessen als arm. „ein gewisses Arbeitslosenklima“

Kondensmilch, Zucker, Taschentücher, Cornes flakes, ein Besteckfacheinsatz für den Küchenschrank, Ofenreiniger, Zucker, Taschentücher, Spülmittel…

Alles zusammen für 60,03 DM.
Die Kassiererin unfreundlich: „Haben sie 3 Pfennig?“
Ich: „Nein aber 10“
Ich: „Aufwidersehen“
Keine Antwort.

Ich fahre in den Nachbarort in den Park.
Und setzte mich auf eine Parkbank und schreibe.

Das alte Fotogeschäft ist immer noch hier.
Vögel singen, Insekten surren, jemand zieht einen Handkarren vorbei, entfernt fahren Autos vorbei.
Ahornblätter liegen auf dem Weg. Ein verbeultes grünes Blechschild: „Wir bitten um Ruhe und Sauberkeit“
Ein Hund bellt.

Die Zeit steht still.

In dem Moment beschloss ich noch mal ganz von Vorne anzufangen.
Bin ich Zuhause Angekommen?
Nein.

Ich hatte meine Kindheit in diese Stadt verbracht.
Diese Stadt ist eine meiner Heimatversammlungen.
Wir sind wegen theokratischen Gründen oft umgezogen (Gebiet wo Hilfe Not tut).

Wenn ich also im Tagebuch die Frage stellte, ob ich heimgekommen bin, dann deswegen, weil der Park früher zu meinem Schulweg gehörte.
Das Kaff leidet zwar etwas unter Größenwahn, aber ansonsten kannte ich dort jeden Baum und jeden Stein.

Irgendwo hört man einen Uhu rufen.

Uhrzeit 18:48 Uhr.
Auf einem verwitterten Mahnmal steht ein Bibeltext:

„Die Werke des Herrn sind Groß zum staunen für alle“ – Psalm 111:2

Irgendwo spielt ein Kind.

„Hallo haben sie Feuer?“

Wie ich so den Park entlang spaziere, komme ich an einem weinenden Kind auf einem kleinen roten Kinderfahrrad vorbei.
Sein Vater fragt was es denn hätte:

„Du bist so weit vor gefahren“

Re: Im Bethel (3) - 17. Tag Freitag - Nachtwache

geschrieben von: . +

Datum: 30. September 2008 23:31

Die Geschichte mit der Ostspionage interessiert mich...
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,12921,14236#msg-14236

Hallo Conzaliss,

Auf die Beiträge von Manfred hinweisend…
http://forum.mysnip.de/read.php?27094,12921,14241#msg-14241
…kann ich dazu nur ergänzend hinzufügen:

Im Verwaltungsgebäude gibt es in der Mitte das Treppenhaus mit dem Fahrstuhlschacht.
Im Erdgeschoss ist der Empfang, der Speisesaal und die Küche
Darüber sind vier Etagen mit Büros.
Im 3. OG befindet sich die Bibliothek mit der Außenterrasse.
Wenn am Wochenende meine Eltern zu Besuch kommen werde ich dort auf der Terrasse sitzen und die Straße beobachten ob ich das Auto meiner Eltern sehen kann.
Im 4. OG befindet sich die Dienstabteilung.

Haushalt-Verwaltung war für das Putzen der Fenster zuständig.
In die vierte Etage der Dienstabteilung durfte aber niemand hoch.
Dort putzte sowohl die Toiletten als auch die Fenster von Außen, nur der Aufseher oder ein anderer ausgewählter Bruder von Haushalt Verwaltung.
Sie waren bei der Arbeit dort oben auch nie allein.

In die vierte Etage der Dienstabteilung kam man auch durch den Fahrstuhl nur mit Schlüssel.
Die Treppenhaustür zur Dienstabteilung hatte eine Klingel bzw. ein speziellen Schlüssel.

Die Fensterputzen von innen und Staubsaugen mussten die Brüder der Dienstabteilung selber.
In die Büros oder den Flur kam kein Unbefugter.

Begründet wurde dies mit der Ostspionage.

Und weil ich das gerade erzähle.
Ich hatte von Zuhause noch ein Abonnement der Tageszeitung Pravda.
Dies ließ ich mir natürlich täglich an meine neue Adresse ins Bethel nachschicken…

Man fragte mich auch später ob ich nicht ins russische Gebiet gehen wolle, was ich aber dankend ablehnte.

Noch ein Wort zu den Führungen.
Später als ich wieder Musik hörte ging mir bei den Führungen immer wieder ein Lied durch den Kopf.

Peter Gabriel – Jetzt Kommt die Flut.

„Wenn die Nacht droht
und stumme andere Zeichen,
wenn Nägel durch die Wolken schlagen,
beginnt der erste von den letzten Tagen.
Ja! – Jetzt kommt die Flut!
Das Ende naht von Fleisch und Blut.
Und wenn wir dann vom Morgen gehen,
werden andere unsere Spur versteh’n.“

Das Lied summte ich meistens vor mich hin, wenn ich eine Besichtigungsgruppe durchs Bethel führte…


Hier die englische Version:

http://s141.photobucket.com/player.swf?file=http://vid141.photobucket.com/albums/r55/RalfBrueggemann/jetztkommtdieflut.flv



17. Tag Freitag
Meine erste Nachtwache.

Unter der Woche haben zwei Nachtwächter regulär Dienst.

Am Wochenende werden dazu alle Brüder turnusmäßig eingeteilt.

Vormittags putzten wir die Toiletten.
Neben dem zentralen Treppenhaus liegen in jeder Etage „öffentliche“ Toilettenanlagen.
Jeder Haushaltsbruder bekommt eine Etage zugeteilt.
Danach war Staubwischen (Marmorfensterbretter in den endlosen Bürofluren) und das Putzen der Innenglasscheiben an der Reihe.

Nachmittags hatte ich frei, da ich für heute Nacht zum Nachtwachendienst eingeteilt war.
Zu der 13:00 Uhr Besprechung im Bethelbüro musste ich nicht.
Durch die Arbeit bei Haushalt-Verwaltung hat man sowieso ständig Kontakt zu den Aufsehern des Verwaltungsbereiches.
Wenn es etwas zu besprechen gab war das Vormittags schon erledigt.

So putzte ich mein Auto und rückte dem Herd im Zimmer Zuleibe.
Und ich bereitete den Besuch der Eltern vor.

Morgen am Samstag kommen sie.

Am Abend fuhr ich zum ersten Mal alleine mit dem Auto in die Versammlung.
Das hatte gut getan und Spaß gemacht.

Im Bethel bekam man für Strecken die man zu zweit in die Versammlung oder den Dienst gefahren ist kostenlos Benzin aus der eigenen Fabriktankstelle.
Ich hatte es fortan so gehandhabt, das ich nur jede zweite Fahrt abrechnete und mich dort selber als Beifahrer angab.

Wie ich vom Parkplatz durch die kühle Abendluft zum Wohnhaus ging dachte ich bei mir das es mir so gut wie jetzt noch nie im Bethel ging.

Um 22.20 treffe ich mich mit einem regulären Nachtwächter am Empfang.
Wir gehen dann in einen schmalen fensterlosen Raum in dem die Schlüsselkästen und Taschenlampen liegen.

Ein Schlüsselkasten ist ein Zählwerk mit Schloss.
In dem Gelände sind an der Wand Schlüssel die in dieses Schloss passen und den Zeitpunkt protokollieren in der man an diesem Kontrollpunkt passiert hat.

Noch ein Wort zu den Taschenlampen.
Wir hatte Maglites die man auch als Schlagstock verwenden kann.

Der Nachtwächter meinte diese sehen nicht sofort Aggressiv aus und helfen im Falle eines Falles doch.
Ich muss ganz ehrlich sagen – nachts war es doch ein etwas beruhigendes Gefühl die Dinger in der Hand zu haben.

Wir essen in diesem kleinen Raum etwas wie Abendbrot oder war es Frühstück?

Wörtlich schreibe ich in mein Tagebuch:
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Schlüssel abdrehen
Kette einhängen
Türen Prüfen
Fenster schließen
Licht an, Licht aus
Schlüssel abdrehen
Kette einhängen
Toiletten öffnen und jede Kabine kontrollieren
Gänge mit nicht Enden wollenden Stahlrohren

Schlüssel abdrehen
Kette einhängen
Rote Feuerwasserleitungen ziehen sich an der Decke über endlose gerade Gänge
Maschinenlärm von Generatoren
Schallgedämpfte Pressluftmotoren erzeugen einen ohrenbetäubenden Lärm
Mit Gitterplatten belegte Gänge – unter-, über- und neben uns Rohre.
Diffus beleuchtete Gänge

Schlüssel abdrehen
Kette einhängen
Tanzende Lichtkegel von Taschenlampen
Nachtkälte – Außentüren Prüfen

Schlüssel abdrehen
Kette einhängen

Dann gingen wir die Kontrollrunde auf dem Dach.
Vollkommene Stille
Dunkelheit nur unterbrochen durch schwach beleuchtete milchweiße Oberlichten auf dem riesigen Fabrikdach.
Es sah aus wie in einem Science Fiktion Film.
Schlüssel abdrehen
Kette einhängen

Ich trage der Schlüsselkasten.
Er hängt an einem Riemen über der Schulter und fängt an schwer zu werden.
Der Nachtwächter trägt einen riesigen Schlüsselbund.

Bürogänge
Abgestandene Luft
Fensterreihen Griff für Griff kontrollieren

Wohl gemerkt – im stock Dunklen.
Wir kontrollierten ob alle Fenster geschlossen waren.
In der Druckerei war das besonders wichtig weil dort keine Luftfeuchtigkeitswerte überschritten werden durften.

Endlose Gänge
Schwere Feuerschutztüren aufdrücken
Dunkelheit – wir schalten kein Licht an
Ausgeschaltete Druckereimaschinen

Trockene Luft.
Druckereistraßen in blau

Schwere Feuerschutztüren aufdrücken
Es geht durch schwere dicke Plastikschwenkflügel
Taschenlampenlicht blendet

Unter dem Schwimmbad läuft eine Tonne mit Kalkwasser über und der Gully schluckt schon kein Wasser
Ohrenbetäubendes Wasserrauschen
Generatoren strahlen Hitze ab
Aus einem Becken rauscht es Ohrenbetäubend
Wir laufen Knöcheltief durch Wasser um den Schaden zu besehen
Eine Palette mit Salz steht im Wasser
Wir machen Meldung
Einfach die 9 im Haustelefon wählen
Weiter
Schlüssel abdrehen
Kette einhängen

Treppe rauf Treppe runter
Toiletten Prüfen
Büros ablaufen
Zimmertüren Kontrollieren
Schlüssel abdrehen
Kette einhängen

Elektroräume
Ich habe die Orientierung verloren
Schlüssel abdrehen
Kette einhängen
Waschküche
Keller

Öl Kanister
Schlüssel abdrehen
Kette einhängen
Und wieder Treppen steigen

Vor dem Speisesaal den letzten Schlüssel abdrehen
Kette einhängen

Nachtwächter Raum – Ein Wahnsinn!
Wir werden 6 x die Strecke ablaufen
6 x !!!

Mal Wärme, mal Kälte
Autowerkstatt
Elektrowerkstatt mit rotem Licht
Schreinerei
Buchbinderei
Druckerei

Malerei
Büros
Zeichenbüro
Druckplatten Herstellung
Schlüssel abdrehen
Kette einhängen

Tore Prüfen
Fenster Prüfen
Literatur Lager

Türen kontrollieren

Und wieder auf dem Dach mit der Science Fiktion Kulisse.

Rennen, Rennen, Rennen
Wir sind gut in der Zeit
Wir werden im Nachtwächterraum etwas Pause machen können

Weiche Knie
Lethargie
Vollkommen Willenlos
Man ist nicht Müde – es ist nur Leere

Kein Blick mehr für die faszinierenden Rohre
Ab der vierten Runde brauchen wir das Schließkästchen nicht mehr.
Wir dürfen nicht immer dieselbe Strecke laufen
Schwacher Trost

Der Nachtwächter sagt das die Telefonleitungen abgehört werden
Der Bruder im Empfang schläft.

Ein Bethelmitarbeiter sitzt um 1:30 Uhr noch im Fernsehraum
Später treffen wir ihn noch einmal in der Wäscherei, wo er seinen Wäschebeutel abholt
Er sagt irgendetwas Entschuldigendes

Ein Wahnsinn!
Absolut beeindruckend!

Nach 24 Stunden auf den Beinen, Duschte ich und fiel wie Tot ins Bett

Re: Im Bethel (3) - Samstag 18. Tag - Besuch der Eltern

geschrieben von: . +

Datum: 02. Oktober 2008 00:55

Am 18ten Tag wollen mich meine Eltern und mein jüngerer Bruder besuchen.

Bis 12:00 Uhr schlief ich wegen der Nachtwache.
Um 14:00 Uhr notierte ich nur das ich für den Besuch alles vorbereite.
Dann kam ich nicht mehr zum schreiben.
------------------------
23:05 Uhr.

Ich saß oben auf der Terrasse der Bibliothek las einen Geo-Jahrgang und hielt über das Getreidefeld hinweg nach einem grünen Mercedes Ausschau.
Ich erkannte schon von Weiten das Fahrzeug mit dem Firmenanhänger.

Ich wollte sie schon bei der Schranke abfangen.
Bei dem Weg dorthin fragte ich mich noch ob sie es wirklich waren.

Mein Gott was sie alles mitgebracht hatten!

Geschirrtücher
Töpfe
Kaba
Besteck
Kleider
Bettwäsche
Fotos
Post
Grünlilien
Abfalleimer
Efeu
russischen Wein (eine Kletterpflanze)
Eine neue Matratze
meine Wachtturm Sammlung (die damals schon einen erheblichen Umfang hatte)
etc.etc.

Meine Eltern stellten mir ein Fotoalbum zusammen.
Ich beschloss jeden Tag nur eine Seite aufzuschlagen und mich von den Fotos überraschen zu lassen.

„Ich sitze jetzt hier vor dem grünen Fotoalbum und dem ersten Bild und weine.“

Auf dem ersten Bild stehe ich neben meiner Mutter und meiner Oma vor dem Königreichssaal.

„Nie wieder, Nie wieder, Nie wieder“

Das Fotoalbum liegt gerade bei mir am Tisch.

Unter das erste Bild schrieb ich das Datum dieses 18ten Tages, die Noten der Mozartmelodie und auch im Fotoalbum:

Nie wieder
Nie wieder
Nie wieder

Ich zeigte ihnen natürlich das Zimmer.
Wir fuhren in unsere alte Heimatstadt Pizzaessen.

Mein Vater:

„Kennst du den Rockergruß? – Gasgeben am Motorrad!
Kennst Du den Almgruß? – Melken am Euter!
Kennst Du den Beamtengruß? – Keinen Finger rühren!“

Meine Eltern übernachteten in einem Gästezimmer.
Dazu beantragt man vorher ein Gästezimmer und bekommt folgende Bestätigung:

Aber der Tagebucheintrag vom 18ten Tag war damit noch nicht zu Ende.
Ich erwähnte dass meine Eltern Post mitbrachten.

Diese Post enthielt einen Briefumschlag.
In dem Briefumschlag befanden sich ein 10,- DM Schein und diese Unterschriebenen Zeilen:

Ein Bruder war selbstständiger Händler mit Biolebensmitteln die er auf Märkten verkaufte.
Direkt vom Erzeuger…
Ich weiß noch dass er damals Porsche fuhr.
Durch eine Katastrophe kaufte ihm jedoch niemand mehr seine Waren ab.
Er verlor alles und wurde Alkoholiker.
Wir halfen ihm, seiner Frau und seinem Kind.
Er hatte sich nicht mehr unter Kontrolle und fing an seine Frau und sein Kind zu schlagen. Seine Frau musste sich und ihr Kind vor ihm in Sicherheit bringen.
Ich kann mich nicht mehr erinnern ob sie auch bei uns Übernachtete, aber wir halfen ihr einen Platz in einem (Weltlichen-, Kirchlichen-!) Frauenhaus zu finden.
Es gab damals die Diskussion unter den Ältesten ob sie ihren Mann verlassen dürfe.
Über den Kopf dieser Ältesten hinweg brachten wir die Frau und ihr Kind in Sicherheit.

Im Tagebuch vermerkte ich, das ich ihm eine Kiste mit Lebensmitteln brachte und sagte das er sich um seine Frau keine sorgen machen müsse.
Ich notiere extra das in der Kiste auch mein Leibgericht war: Muscheln mit Piri Piri.
Leider gibt es das heute nicht mehr.
Auch heute schaue ich nach wie vor regelmäßig in den Fischregalen der Läden ob es sie vielleicht wieder gibt.
Eine Zeitlang waren Muscheln derart verseucht das man sie nicht mehr verkaufte und was es heute so gibt schmeckt mir nicht mehr.
Als ich ihm die Lebensmittelkiste brachte weinte er damals.

Ein paar Tage später, bevor er Untertauchte, klaute er mir am Ende einer Zusammenkunft 10,- DM aus meiner Versammlungstasche.
Ich muss damals schon Pionier gewesen sein denn die 10,- DM bekam ich von der älteren Gesalbten Schwester.
Ich erwähnte sie bereits – die Gesalbte Schwester die nach dem Hirtenbesuch mit dem Herz Schwierigkeiten bekam.

Er sah wie ich die 10,- DM bekam und ich sah wie er sie mir aus der Versammlungstasche nahm.
Wir schauten uns an und ich sagte nichts.

Das nächste Lebenszeichen von ihm war eben dieser Brief.
Die Karte kam in mein Fotoalbum.
Neben die Karte kam das Foto von seinem Sohn.

Re: Im Bethel (3) - Sonntag 19 Tag - Hilflos

geschrieben von: . +

Datum: 02. Oktober 2008 22:07

Die Eltern sind wieder abgefahren.

Heute Nacht soll der Zimmerpartner zurückkommen.

Ich blätterte das Fotoalbum eine Seite weiter…

…und notierte im Fotoalbum:

Schlagbaum
rote Ampel
vorbei
Lied 73

Mein Bruder weckte mich indem er an meiner Zimmertür klopfte.
Erst haben wir im Zimmer zusammen Gefrühstückt.

Wir waren zusammen in unserer ehemaligen Heimatversammlung (und damit in meiner gegenwärtigen Bethelversammlung).
Das war insoweit wichtig, weil nun der letzte Bethelit dort begriffen hat, das ich hier Zuhause bin und sie die Neuen sind.

Ich beschreibe den Besuch der Eltern mit einem U-Boottauchgang bei stürmischster See.
Für einen Augenblick Ruhe.
Auf der einen Seite half mir der Besuch der Eltern ungemein Luft zu holen, auf der anderen Seite nahm ich nun Dinge war, die ich bis jetzt als Gottgegeben ignorierte.
Sie weckten mich erstmals aus einer Lethargie.
Durch ihren Besuch ist mir erst bewusst geworden das ich mich willenlos umher schieben lasse.

Es war für mich ein Schock in dieses eisenharte Klima gesetzt zu werden.

Ich schreibe wörtlich:

„Haltlos
ohne Motivation
ohne Gedanken auf den nächsten Schritt“

Ich stehe auf der Beifahrerseite des Autos meiner Eltern.
Meine Mutter winkt, mein Bruder winkt.
Das Auto meiner Eltern fährt auf schwarzen Schotter an
Der Schlagbaum der Schranke öffnet sich
Die Schlagbaumampel wird rot
Winken
vorbei

„Tschüss mach’s gut!“

Ich sollte nicht hier sein

---------------------------------------------------------

17:35 Uhr

Der Zimmerpartner ist noch nicht zurück, aber es ist mir, als wäre er schon da.

Ich laufe mechanisch. Ich funktioniere.
Ich sollte nicht hier sein.
Ich will nicht.

Wörtlich schreibe ich ins Tagebuch:

„Ich bin jetzt bei dem Parkplatz an der Kurve von dem Königreichsaal und nicke einem Bruder zu“

Wahrscheinlich saß ich schreibend auf der Parkbank.

Ich will nicht.
Ich weiß dass es verkehrt ist doch was soll ich machen.

Es war kein trotziges „Ich will nicht“ - Ich war so hilflos.

Jede Sekunde die ich noch alleine war genoss ich.
Ich notiere dass ein Überstehen nur möglich ist, wenn ich den Zimmerpartner wechseln würde.
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21:21 Uhr

Der Zimmerpartner kam um 20:00 Uhr.
Mein Vater meldete sich das sie gut angekommen sind.

Auf meinem Schreibtisch stand eine Vorgebirgshängenelke, sie sah so zerbrechlich aus.

• Als ich als Pionier mit dem Fahrrad im Gebiet unterwegs war, wehten meine Haare im Wind des Geistes Jehovas.
Hier herrschte eisige Windstille.
• Jesaja 12:1,2 Jehova schüttete Segen aus das ich vor Glück keine Luft bekam.
Jetzt bekomme ich vor Bedrückung keine Luft.
• Ich war als Pionier beschäftigt, tätig und wuchs.
Jetzt nehme ich rapide ab – nicht nur Geistig.
• Ich hatte Erfolg und Anerkennung
Jetzt putze ich Toiletten
• Ich war mit Menschen zusammen die es schätzten das ich da war
Jetzt bin ich im Weg, werde taxiert und bin allein.

22:11 Uhr
Eine Fliege summt.

Ich lasse es über mich ergehen weil ich es nicht ändern kann.
Ich laufe und funktioniere

Dann zitiere ich einen Liedertext aus dem Gedächtnis.
Wohlgemerkt – zu dem Zeitpunkt hörte ich schon über ein Jahr keine weltliche Musik mehr.
Ich zitiere ein Liedertext von Peter Gabriel.

„Bleib stark, bleib stark
Sie sperren dich in Kästen in schwarze Stille
Lass dich nicht brechen, bewahr deinen Willen
Bleib stark
Du hast dein Leben eingesetzt
Bist allein in dieser Nacht
Was wissen sie von deiner Freiheit
Und der Spur die dein Körper macht
Bleib stark
Ich versprech’ dir jetzt ich tu was ich kann“

Re: Im Bethel (3) - 20. Tag Montag - Gestank

geschrieben von: . +

Datum: 03. Oktober 2008 20:06

Heute stand ich stand schon vor meinem 6:00 Uhr Wecker auf.

Gestern kam der Zimmerpartner um etwa 20:00 Uhr zurück.
Ich notiere auf Kyrillisch: „…außerdem stink er…“

Mit der Rückkehr vom Urlaub fand er auch wieder zu seiner Gewohnheit zurück, seine Socken im Waschbecken zu waschen und sie auf der Heizung zu trocknen.

Zugegeben - Er ging mir massiv gegen den Strich.
Und unter diesen Umständen möchte ich nicht mein eigener Zimmerpartner sein.

Stell Dir einen Zimmerpartner vor, der quasi nicht spricht und buchstäblich pausenlos Schreibt.
Der Tagebucheintrag vom 13 Tag ist sieben DIN A 4 Seiten lang.
Normale Einträge sind vier Seiten lang.
Ich hatte immer etwas zum Notieren dabei und übertrug das in das Tagebuch.
Dann lernte ich eine kyrillische Sprache und hatte eine Zeitlang auch noch ein Prawda Abonnement!
Den Rest studierte ich.
Das muss für einen einfachen Menschen wie meinem Zimmerpartner, die Hölle gewesen sein.
Er hat sicherlich mindestens genauso berechtigten Grund sich über mich zu beschweren.

Wir konnten beide nichts dafür dass man uns zusammensteckte.

Es ist zwar nur eine Apokryphe, es sei aber hier auf mich angewandt:

„Wer ohne Fehler ist werfe den ersten Stein…“
(Johannes 8:7)

Der Morgen sieht wie folgt aus:

6:30 Uhr 3X Gong zum Aufstehen
6:50 Uhr Gong zum Frühstück
7:00 Uhr Frühstück

Um 6:55 sitzen größtenteils nur Ferienmitarbeiter oder Neulinge im Speisesaal.
Der Saal füllt sich jeden Morgen für gewöhnlich zwischen 6:58 und 7:00 Uhr
An dem Tag an dem ich meine Frau zum ersten Mal sah, saß sie bereits als einzige auf ihrem Platz im Speisesaal.
Ich wusste sofort dass es sich um die Neue handeln musste.

7:00 – 7:15 Uhr Tagestext Besprechung

Den Honig bitte“

7:30 wird die Tafel aufgehoben.

Alle stehen ruckartig auf, schieben ihren Stuhl unter den Tisch und stellen sich hinter den Stuhl.
Dann wird das „Tafelaufhebegebet“ gesprochen.
Danach kann man weiter frühstücken.
Auf Tischen an denen niemand mehr frühstückt, kann man für sich Essenfassen.
Wir nannten das Geiern.
Wer nicht zum Frühstück erschien nutzt den Trubel um unerkannt doch an Frühstücksbrötchen zu kommen.
Dumm nur wenn man seinem Tischvorsitzenden in die Arme lief.

Jeder hat einen fest zugewiesenen Tisch und den Sitzplatz.
Nur am Wochenende und beim Abendbrot war freie Platzwahl.
Jeder Speisesaaltisch hat eine zweite Ebene unter dem Tischblatt.
Im Bereich des eigenen Sitzplatzes konnte man diesen mit privaten Dingen belegen.
Unter meinem Tisch lag:

Meine Tagestextbroschüre
Eine Taschenbuchbibel
meist Nutella aber auch mal besondere Marmelade
Kaba und Tupperwarendosen zum Transport von Essen ins Zimmer.
----------------------------
„…So werden 10.000 Zeitschriften in der Stunde gedruckt.
Das heißt 8 Papierrollen in der Stunde werden von unseren Rotationsmaschinen verarbeitet…
…das Altpapier wird wieder verkauft so dass es weiter verwendet wird…“

Das muss sich wieder um den Ton der Dauerbethelfilmschleife aus dem kleinen Königreichsaal handeln.
Bei meinen Führungen erzählte ich später gerne noch wie viel Bäume das jede Stunde sind…
und vergaß nicht zu betonen dass wir kein Altpapier verarbeiten.

Vor allem dann wenn ich Bruder Wichtig und Schwester Vorbild unter der Führungsgruppe hatte.

Die Wachtturm Gesellschaft verarbeitet zu 100% Urwaldweißpapier.

Eine Papierrolle ist etwa 1,5 m Breit und wiegt durchschnittlich 700kg.
Je nach Papierdicke (Rollenlänge und Durchlaufgeschwindigkeit) wird etwa alle 40 Minuten eine Papierrolle pro Rotationsmaschine verarbeitet.
Pro Stunde können je nach Geschwindigkeit ca. 30.000 Zeitschriften gedruckt werden.

Aus 2,2 bis 2,5 kg Holz kann man 1 kg Papier herstellen.
Wenn man etwa 60 kg Trockenmasse pro Baum veranschlagt werden Pro Papierrolle 30 Bäume benötigt.

Pro Stunde können die drei Rollenoffsetmaschinen in Selters also 135 Urwaldbäume verarbeiten.

Veranschlagt man ca. 1,8 m² Fläche pro Baum ergibt das eine Urwaldfläche von ca. 243 m² pro Stunde.

Eine Zeitschrift wiegt etwa 0,035 kg
Von einem skandinavischen Urwald Baum können demnach etwa 1750 Zeitschriften hergestellt werden.
Bei einer Auflage von 37,1 Millionen Wachttürmen bedeute dass, dass etwa 21.200 Bäume pro Auflage gefällt werden müssen.

Das entspricht etwa 38000 m² Urwaldfläche.
6 Fußballfelder pro Auflage.
Greenpeace kommt bei Harry Potter gleich auf eine viel höhere Flächenangabe.
Sie veranschlagen über 22 m² pro Baum.

www.ich-habs-papiert.de/_pdf/3.6_Der_Baumrechner.pdf

Voller Stolz präsentiert die Wachtturm Gesellschaft den Verbrauch ihrer „Rota 5“:

Diese Zahlen wurden am Frühstückstisch als Leistung voller Stolz präsentiert und von mir in den Führungen an passender Stelle an den Mann gebracht.
Bruder Übereifer blieb dann regelmäßig sein Ahhh und Ohhh im Hals stecken.

Der Wachtturm-Verlag verwendet aus Kostengründen ausschließlich Weißpapier.
Er behauptet zwar dass dies aus Qualitätsgründen passieren muss aber jeder von uns hat schon Qualitätspapiere und Massenpapiere des Verlagshauses Guner&Jahr in der Hand gehabt (Geo Stern).

www.guj.de/

Dieser Verlag verarbeitet trotz höherer Kosten einen gewissen Anteil an Altpapier.
Das Mindeste was man von dem Verlag Gottes erwarten könnte wäre doch, das sie wenigstens ihre Geschäftspapiere auf 100% Altpapier umstellen würden.

Durch den Druck des 5. Harry Potter-Bandes (Auflage um 10 Millionen) auf 100 Prozent Recyclingpapier rettete man laut Greenpeace etwa 29.640 Bäume (eine Waldfläche so groß wie 95 Fußballfelder).

www.greenpeace.de/themen/waelder/autoren_verlage_fuer_urwaelder/artikel/autoreninitiative_fuer_die_urwaelder/
Ein Fußballfeld hat etwa 7000 m² eine Auflage bringt es also auf 665.000 m² Waldfläche.

Eine Lüge der Wachturm Gesellschaft ist das ihr skandinavisches Weißpapier aus Plantagen stammt.
Das ist schlicht nicht wahr.
Skandinavisches Papier stammt fast zur Gänze aus skandinavisch/russischem Urwald.

Heute wird alle zwei Sekunden ein Urwaldgebiet von der Größe eines Fußballfeldes zerstört.
Greenpeace kämpft seit Jahren für den Schutz der Fantastischen Sieben, der letzten großen Urwaldgebiete der Erde.
Dazu gehören die Urwälder Nordamerikas und Europas, die Schneewälder Sibiriens, die Regenwälder am Amazonas, in Zentralafrika und Südostasien und die Bergwälder Chiles.

Vor allem in den nordischen Urwäldern machen Kahlschläge für die Papierproduktion mit den Naturparadiesen kurzen Prozess.
Am stärksten betroffen sind die Wälder der USA, Kanadas, Skandinaviens, Nord-West-Russlands und Sibiriens.

Ein Großteil des dort eingeschlagenen Holzes wird zu Zellstoff verkocht und endet als Weißpapierrollen in den Rotationsmaschinen der Druckereien.
Plantagenpapier ist teuer.

Ein beliebtes Argument ist, das Recyclingpapiere Energiekosten verursachen.
Das entschuldigt aber noch lange nicht dass die Wachtturm Gesellschaft aufgrund von Kostenersparnissen billiges Urwaldpapier verarbeitet.

www.greenpeace.de/themen/waelder/urwaelder_europas/artikel/urwaelder_in_europa_finnlandrussland

Wenn man bedenkt dass ihre religiösen Werbedruckschriften als Massenmailings größtenteils im Müll landen oder bestenfalls Stapelweise in den Schränken der Mitglieder verstauben, darf man getrost fragen, wie glaubhaft die Paradiesbilder des Wachtturmverlages sind.

Und seit dem man die Literatur auf geklebtes Paperback umgestellt hat (sogar die Bibeln!), zerfällt die Literatur buchstäblich bei der Benutzung.
Die Folge: noch mehr Wegwerfprodukte.

*** g76 22. 3. S. 10 Wirst du miterleben, wie die Erde ein Paradies wird? ***
Mit Recht sagte Lord Ritchie-Calder: „Umweltverschmutzung ist ein Verbrechen, das auf Unwissenheit und Geiz beruht.“

Aber wieder zurück zu dem Tagebuch:
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Staubsaugen
Staubwischen
Glasscheibenpolieren

„Guten Tag, „Hallo“

und weiter Böden wischen
Glühlampen auswechseln
(Die goldfarbenbedampften E14 Glühlampen in den Treppenhäusern)
Staubwischen

„Guten Tag, „Hallo“
Kurz noch Mal erwähnt dass das nicht unbeachtet untergeht:

STAUBWISCHEN!!!!

Man geht also durch die Gänge und wischt an Fensterbrettern, Türsimsen, Bekanntmachungsbrettern mit einem trockenen Lappen Staub. Das war’s.

Nicht denken, laufen, laufen, laufen.
Wenn vor mir etwas im Weg liegen würde, ich würde drüber fallen.

Heute Mittag gab es Pfeffersteak, Pommes frites, Erdbeermilch und Schokoladen Pudding.
Das Essen war hervorragend.
Nur was für ein Lärm und was für eine Panik und das Ganze in 20 Minuten!
Schade um das schöne Essen.

Ich schreibe wörtlich:

„Ich laufe und laufe und laufe.
Und ich bin immer noch nicht Aufgewacht.“

Ich schreibe über das Montag-Wachtturmstudium in Kyrillisch:

„Ich traf dort mit XXX (Vorname des Bruders) einem eigenartigen Vogel zusammen.
Vom XXX (Vorname meines Zimmerpartners) sagte er, das ich viel lüften müsse.“

Der Gute hat sich sichtlich nicht damit begnügt den Spaß von der Ferne zu genießen.
Ich begann zu lernen.

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Im Fotoalbum schlug ich die nächste Seite auf.

Mein Vater konnte aus Ästen Pfeifen Schnitzen.
Er schnitt ein ca. 14 cm langes Holz, löste durch klopfen die Rinde und schob dann das innere Holz heraus.
In der linken Hand meiner Schwester, sieht man so eine Pfeife.
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Dann rief der Bruder auf das Zimmertelefon an, der in meiner Heimatversammlung die Bekanntmachung vorlas, dass ich ins Bethel gehe.

Ich notiere, das er nicht wegen mir angerufen hat, sondern weil er die Bethelaura erleben wollte.
Die glänzenden Augen bei „Bethe zu Jah jeden Tag“
(ein Königreichslied)
Ich schrieb: „Armer XXX (sein Name)“
War aber deutlich enttäuscht denn ich freute mich auf seinen Anruf.

Später verkrachte er sich mit seiner Versammlung.
Sein ältester Sohn verließ die Wahrheit und er hat den Kontakt zu seinem Sohn abgebrochen.
Er wechselte die Versammlung und wurde dort Pionier.
Jedoch brach er unter der Mehrfachbelastung Arbeit/Versammlung/Pionier/Vater von vier Kindern zusammen.
Er wollte es immer besonders gut machen.
Heute ist er krank und desillusioniert.

An diesem Tag beschloss ich meinen Wecker auf 5:30 zu stellen.
Wörtlich:

„…um meine Unabhängigkeit zu demonstrieren…“
Ich wollte meinen eigenen Lebensrhythmus finden und mir nicht den Gong der Fabrik aufzwingen lassen.

Abgesehen davon lasse ich heute Nacht wegen dem Gestank die Balkontür offen…

Re: Im Bethel (3) - 21. Tag Dienstag - Hätt' ich Flügel wie ein Vogel

geschrieben von: . +

Datum: 04. Oktober 2008 21:02


„Hätt’ ich Flügel wie die Taube,
flöge ich weit weg von hier
an den Ort, wo böse Menschen
könnten nicht mehr schaden mir.“
Lied 87

…die vierte Fotoalbumseite.

In dem Bach neben dem Haus gab es jede menge Fische.

Ich schrieb in das Fotoalbum:

„Hätt’ ich Flügel wie ein Vogel flöge ich weit, weit weg von hier.“
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Während des Tages hatte ich einen Block in der Tasche und schrieb immer, wenn sich die Gelegenheit bot.
Heute schrieb ich über die Arbeit:

• Toilettenputzen
• Glas Polieren
• Boden wischen
• Fegen
• Toiletten Einbürsten mit SP

„Hallo“
„Guten Tag“
„Guten Abend“

• Glühbirnen wechseln
• Toilettenpapierrollen auffüllen

Dann wieder Geräuschfetzen der Bethelfilmdauerschleife:

Fanfare! „Wir heißen sie im Bethel in Selters dem Zweigbüro der Zeugen Jehovas willkommen!“

• Zwei Go-Getter-Spritzer in die Toilettenschüssel

„…Arbeiten für alle im Haus erledigen können damit sie sich voll der Arbeit widmen können…“

• Go-getter-Wuschel ausdrücken.

„…Brüder von der Malerei sorgen für Tapezieren, Teppichlegen, Malerarbeiten…“

• Toilettenspülung drücken
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17:42 Uhr
Gleich muss ich in das Versammlungsbuchstudium.
Die meisten Betheliten hatten natürlich im Haus ihre Buchstudiumszusammenkunftsstätte.
Wir trafen uns bei einem Ehepaar in ihrer Wohnung in Haus 1.
Die Wohnungen waren dort dafür groß genug.

Wohngebäude 1 bis 7

Meine Muter hatte am Wochenende ein Kostüm mitgebracht.
Ich fragte die Haushaltsschwester ob sie es möchte.

Jetzt zu dem 17:42 Uhr Eintrag war das Kostüm nicht mehr in meinem Zimmer.
Ich werde meinen Eltern sagen dass es genommen wurde – sie freuen sich sicher.


Als ich von dem Buchstudium zurückkam hatte die Haushaltsschwester das Kostüm, mit einem Zettel das es nicht passte, wieder im meinem Zimmer gelegt.
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Haushaltsschwestern wechselten Turnusmäßig.
Man konnte mit ihnen Glück haben oder auch Pech.

Zweifelsohne gibt es Menschen die im Bethel sehr gut Aufgehoben und glücklich sind.

Zum einen sind das Menschen die es lieben dass für einen gedacht wird.
Aber zu den Menschen die gerne im Bethel sind gehören auch Menschen die mit Genuss streiten.
Sei es das sie ihren Alltag nur durch Streit ertragen oder Menschen die glauben mit ihrem gerechten Streit Gott einen gefallen tun.

Als ich etwa ein Jahr im Bethel war und bereits mit meinem Freund zusammen Wohnte, hatten wir nach dem Wechsel kein Glück mit der neuen Haushaltschwester.

Durch meine spätere Arbeitszuteilung war ich in Besitz der Gesamtschlüssel für die Fabrik und den Wohnbereich.
Da ich auch in dieser neuen Zuteilung mit der Abteilung Haushalt-Verwaltung zusammenarbeitete, kam ich sowieso von Zeit zu Zeit in das Putzmittellager.
Abgesehen davon, dass ich mich ja sowieso dort durch meine erste Arbeitszuteilung in Haushalt-Verwaltung gut auskannte.

Man verwendet im Bethel für die Reinigungsmittel keine Schmuckflaschen, wie wir es aus unseren Supermärkten kennen sondern man kauft die Reinigungsmittel in großen Fässern oder Kanistern und füllt sie in schlichte, transluzente weiße Standart-Kunststoffflakons.

Nun gibt es – wie bereits geschildert - im Bethel über all Schilder.

„Lieber Bruder, liebe Schwester!
Reibe mit diesem Handtuch bitte das Waschbecken nach.“

„Lieber Bruder, liebe Schwester!
Reinige die Dusche bitte nach gebrauch mit dieser Bürste.“

Und so weiter und so weiter.

Meine erste Amtshandlung war, wenn wir in ein Zimmer neu einzogen, sämtliche Schilder zu entfernen.
Ich habe eine Phobie gegen Schilder.
Keines meiner Autos hat eine Aufschrift, Werbung oder Aufkleber.
Koste es was es wolle.
Ich störe mich schon daran wenn ich morgens im Bad von Werbung an Shampooflaschen belästigt werde.
Langer Rede kurzer Sinn.

Meine Zimmer hatten keine Schilder.

Es sind aber nicht nur die Schilder.
Ordnungsgemäß gehört in eine ordnungsgemäße Betheldusche eine Wurzelbürste und besagter gut gefüllter Reinigungsmittelflakon.

Es gab aber in jedem Bad einen großen Einbauschrank.
Genug platz für alle Mittelchen und Fläschchen, Geräte und Tupferchen.
Langer Rede kurzer Sinn.

In meinem Bad steht nichts herum.

Kein Rasierapparat, kein Parfüm, kein Nippes und um Gottes Willen auch keine grobe Wurzelbürste mit einer halbvollen Einliter-Reinigungsflasche.

Nun wechselte, wie gesagt, eines Tages turnusgemäß unsere Haushaltsschwester.

An dem ersten Montagmittag standen in unserer Dusche, eine neue Wurzelbürste und ein Reinigungsmittelbehälter.
Ich nahm es gar nicht wahr und stellte die Flasche und die Bürste in den Badschrank neben die andere Flasche und Bürste die dort schon verstaut war.

Am Dienstagmittag standen wieder eine Flasche und eine Bürste in der Dusche.
Mir schwante nichts Gutes.
Aber was soll’s – das Putzmittellager lag auf dem Weg und so brachte ich zwei Bürsten und zwei Reinigungsflaschen dorthin zurück.

Am Mittwochmittag standen wieder eine Flasche und eine Bürste in der Dusche und es lag ein handgeschriebener Zettel auf unserer modernen und stets sauberen Küchenzeile:

Man beachte wie stark und energisch die Schrift nach rechts ansteigt.
Normalerweise schrieb die Schwester waagrecht.
Das sieht man an den Abdrücken in Block.
Hier aber ist die Schrift triumphierend und siegessicher!
Das Ausrufezeichen musste sie regelrecht Ausmalen.

Es mag ja sein, das diese Schwester dieser Ansicht ist.
Es interessierte mich aber nicht.
Die Flasche und die Bürste landeten wieder im Badschrank.

Am Donnertag wusste ich schon vorher, dass ich einen Zettel auf dem Zimmer finden würde.
Und prompt:

Auch hier kippt die Schrift förmlich um.
Ihre Buchstaben liegen alle in Schreibrichtung – es machte ihr Spaß.
Sie positionierte den Text rechts oben in die Ecke – sie war absolut zuversichtlich das sie Gewinnen würde.
Und sie war es die glaubte ein Ultimatum stellen zu dürfen.

Diese Schwester war gerne im Bethel.

Aber zumindest blieb diesmal die Dusche leer.
Meine so gut wie nicht vorhandene gute Kinderstube verbietet es mir jetzt ausfallend zu werden.

Aber aus meiner Zeit in Haushalt-Verwaltung wusste ich, dass sich die Haushaltsschwestern und Brüder am Samstagmorgen im Bethelbüro, zur Arbeitsverteilung und Besprechung der vergangenen Woche treffen.
Und ich war so frei und gesellte mich an besagten Samstagmorgen zu der großen Gruppe von Schwestern und Brüdern die sich bei dem Bethelbüro zusammenfanden.
Die Tür war offen und man stand wie immer bis draußen im Flur.
So wartete ich auf dem Moment in dem der Bethelaufseher zum Ende der Arbeitseinteilung die Frage stellte, ob es noch etwas zu Besprechen gäbe.
Na und ich meinte ich hätte da eine Frage:

„Ist es verpflichtend Notwendig dass in den Duschen sichtbar eine Bürste und ein Reinigungsmittel stehen?
Wenn der Inhalt der Reinigungsmittelflasche der absehbaren Neigung zu geht kann man die Flasche doch Problemlos in das Bad stellen mit der Bitte sie wieder aufzufüllen.
Das gleiche gilt für die Wurzelbürste.“

Der Bethelaufseher meinte das es keinen Grund gäbe warum die Flasche immer sichtbar in der Dusche stehen müsste.
Damit war das Thema gegessen.

Für diese Sache hat sich die Haushaltsschwester später noch bitterböse gerächt.

Re: Im Bethel (3) - Mittwoch der 22. Tag - Ort der Qualen

geschrieben von: . +

Datum: 05. Oktober 2008 21:36

Erwachet 8.April 1982
Seite 21

„Das Bethel ist der sauberste und friedlichste Ort auf der Erde.“
„Nirgends spürt man die Liebe und den Segen Gottes mehr wie hier.“
„Die gepflegten Außenanlagen und die Gewissenhaftigkeit mit der jede Arbeit verrichtet wird beeindrucken ungemein.“

„Wir waren sehr beeindruckt von dem schönen Gebäude und der geräumigen Druckerei“, sagte eine Schwester, „und der Gedanke, daß von diesem Ort aus wir Verkündiger geistige Speise erhalten würden, machte uns sehr glücklich.“

„Dies ist wirklich schon ein Stück Paradies auf Erden.“
„Der beste Platz an dem man sein kann.“
„Wahrlich das Haus Gottes.“

So etwa hört sich das an, wenn man Brüder über das Bethel reden hört.
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Mittwoch

„Der Gestank im Zimmer ist unerträglich.“
Nachts wird es teils schon empfindlich kälter aber es ist auch mit offener Balkontür kaum auszuhalten.

Der Zimmerpartner leidet darunter das ich offensichtlich beharrlich schweige.
„Das Schweigen bringt ihn um. Das hält er nicht aus.“

In der Zwischenzeit schlief ich auf der Matratze die mir Privat gehörte.
Ich trennte den Bezug auf und legte in die Polsterung ein elektrisches Heizkissen.
So schlief ich auf einer beheizten Matratze.
Deswegen machte mir die Kälte nichts aus.

Trocknet er seine Socken auf der Heizung bleibt die Balkontür offen.

Heute machte ich Überstunden für den Kongressurlaub.
Die ganze Abteilung Haushalt-Verwaltung wollte so einen ganzen Urlaubstag einarbeiten.

Der Teppich des Königreichsaales sollte Shampooniert werden.
Das ging nur Mittwoch nach Feierabend, da man den nassen Teppich nicht betreten durfte.

Ich schreib davon dass der Aufseher von Haushalt-Verwaltung nicht mit seinem Posten zu Recht kommt, er hält sich nicht für den Typ eines Vorarbeiters.

Die Brüder draußen verlangten regelrecht von den Betheliten eine heile Welt.
Sie wollten unbedingt hören dass alles im Bethel toll und friedlich ist.
Diese aufgezwungene und geheuchelte Sauberkeit war nicht jedermanns Sache und erschwerte das Leben dort zusätzlich.

Das Problem lag nämlich darin das private Sorgen und Probleme mit einem mangelnden Geistiggesinntsein gleichgesetzt wurden.
Und so ist es nicht verwunderlich das selbst Aussteiger heute noch glauben, im Bethel laufen lauter glückliche und zufriedene Menschen herum.

Dann kann man vielleicht in etwa Abschätzen, wie sehr aktive Betheliten gezwungen sind eine Heile-Welt bei aktiven Zeugen Jehovas vorzugaukeln.

Der Aufseher von Haushalt-Verwaltung wäre eher ein cooler Rockertyp mit langen Haaren und Motorrad.
Jetzt musste er den perfekten Kapo spielen.
Anschaffen war nun wirklich nicht sein Ding.

Genau nach einem halben Jahr seid meinem Betheleintritt wechselte ich im Zuge eines jährlichen Zimmerrolletes meinen Zimmerpartner.
Ich sagte bereits dass es im Bethel starke, unüberwindliche Gruppen- und Klickenbildungen gab.

Ich schloss mich keiner Gruppe an und hatte auch nie unter Jehovas Zeugen das Bedürfnis einer Gemeinschaft.
Ich bin von Geburt an Zeuge Jehovas und kenne nur die Form einer geheuchelten Gemeinschaft die man per Knopfdruck An- und Ausschaltet.
Etwas anderes habe ich nie kennen gelernt.

Ich fand aber Anschluss an eine Gruppe junger Musiker – einer verrückter als der andere.
Aber vor allem konnten sie mit dem Leben nach dem Buchstaben des Gesetzes nicht viel anfangen.

In dieser Gruppe galt ich aus zwei Gründen als keine schlechte Partie.
1.) Ich war Ordentlich und 2.) trank ich kein Alkohol.
Zwei nicht zu unterschätzende Vorteile.

Keiner in der Gruppe war Ordentlich und man konnte normalerweise nie sicher sein, wenn man von einem verlängerten Wochenende Nachhause kam, das man sein Bier noch auf dem Balkon wieder finden würde.

Und so ergänzten sich mein Zimmerpartner und ich hervorragend.
Er war immer unterwegs, und ich hatte zuhause meine Ruhe.
Und er brauchte sich um Essen, das Häusliche im Zimmer und sein Bier am Balkon keine Sorgen machen.
Ich deckte ihn, wenn er bei einer Zusammenkunft fehlte und versorgte ihn mit Frühstück wenn er sich den Tagestext ersparte.

Darüber hinaus waren wir gestandene Mannsbilder und hatten von dem ganzen Bethelgesockse bereits die Nase gestrichen voll.

Einzig zur morgendlichen Tagestextbesprechung wird erwartet dass man im Speisesaal erscheint.
Mittags und Abendbrot geht niemanden etwas an, ob man sich im Speisesaal oder sich sonst wo aufhält.
Und so kam es mehrmals in der Woche vor, dass wir uns die erbauliche Gemeinschaft am Mittagstisch schenkten.
Ich kaufte gerne mein eigenes Essen.
Ich hasste das Gefühl das man unser Essen in Pfennigbeträgen kalkulierte und ich hasste Essen nach der Stoppuhr.

Schade um das schöne Essen sagte ich immer.

So vereinbarten wir morgens, wer das Essen im Speisesaal „geiert“.
Auch hatten wir zwischenzeitlich eine moderne Küche mit dem wichtigsten Herzstück:
Ich kaufte einen leisen zweimotorigen, zweitürigen fabrikneuen Kühlschrank mit eigenem Gefrierschrank.
Deswegen kam es schon vor, das ich auswärts größer einkaufte.

12 Liter Milch, Pizza, Mehl usw.

Für gewöhnlich transportieren junge Brüder eine Kiste Bier.
Ich transportierte 12 Liter Milch…

Selbstverständlich musste dieser Einkauf zum Zimmer getragen werden.
Mein Parkplatz war aber an der denkbar weit entferntesten Stelle vom Gelände.

Ich denke unter normal sterblichen Menschen ist es selbstverständlich, das man am Wohnhauseingang das Fahrzeug abstellt, den schweren Einkauf Auslud und dann das Fahrzeug leer, an den zugewiesenen Stellplatz verbringt.
Kein normaler Mensch läuft viermal von der Rückseite der Fabrik zu der Vorderseite der Wohngebäude.

Nicht so im Bethel.

Ich stellte einmal mein vom Einkauf Vollbeladen PKW vor die Fenster der Reinigung ab, um den Einkauf in den Wohngebäudeflur abzuladen.
Geklaut wird ja nichts.
Danach hätte ich den PKW auf seinen Parkplatz hinter dem Fabrikgelände gefahren.
Das beobachtete jedoch der Aufseher der Reinigung und meinte das Fenster öffnen zu müssen um zu sagen dass dies hier Feuerwehranfahrtsbereich ist.

Ich dürfe mein Fahrzeug hier nicht abstellen.

Ich antwortete ihm dass mich das nicht interessiert, da ich meinen Einkauf ablade.

Am nächsten Tag sprach mich mein Aufseher an, dass es mir an meinem Geistiggesinntsein mangelte, weil ich die Parkvorschriften des Bethels missachte.

Wie gesagt:

„Es heißt alle Aufseher sollen einen seelischen Knacks haben.“
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22:12

Eine neue Seite im Fotoalbum:

Unter das Bild schreibe ich:
„Eines Tages werde ich wieder die Natur sehen“

Zu dem weiteren Bild aus dem Fotoalbum notiere ich ein Detail in das Tagebuch.
Man sieht in dem Zug das Schild liegen: „Zu den Toiletten“…

„Mensch dreh dich um und schau dir die Bäume an.
Es sträubt sich etwas in mir.“

Ich begründete das auch ohne noch den eigentlichen Grund gekannt zu haben.

Wörtlich schreibe ich:

„Weil noch zuviel passieren kann.
In den nächsten Tagen, nächsten Wochen, nächsten Monaten.“

Ich wollte mich nicht in ein System einbinden, das mich liebt solange ich funktioniere und wie eine heiße Kartoffel fallen lässt, wenn ich nicht mehr in ihren Kram passe.

Wie gesagt - Ich bin von Geburt an Zeuge Jehovas und kenne nur die Form einer geheuchelten Gemeinschaft, die man per Knopfdruck An- und Ausschaltet.
Etwas anderes habe ich nie kennen gelernt.
In der kleinen privaten Welt der Familie, kann man abschätzen wie weit die anderen der Organisation folgen würden oder nicht.

In diesem sterilen, sauberen, kalten Paradies konnte man alles erwarten – nur keine Gnade.
Weder in der Bethel“familie“ noch bei den Brüdern draußen.

Thematisch, quasi als "Teil 22 a"
siehe auch:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,12921,14725#msg-14725

Re: Im Bethel (3) - 23. Tag - Selbstmord

geschrieben von: . +

Datum: 06. Oktober 2008 21:2

Ich hatte einen Traum.
Dort träumte ich dass ich nur noch drei Tage im Bethel wäre und deswegen weltliche Musik hörte.

Ich träumte von diesem Lied: La pulce d'acqua von Angelo Branduardi

http://www.youtube.com/v/5ItNXG9MmSc&hl=en&fs=1


Im meinem Traum fand ich dieses Lied auf einer der gelöschten Kassetten die ich dabei hatte.
Wörtlich schreibe ich:
„Wie man Dinge lieben lernt.
Doch leider war es nur ein Traum.“

Die nächste Seite in Fotoalbum:
 

unter das Foto schreibe ich:

 
Ich hatte einen Traum: In drei Tagen wäre ich weg…

Ich beschreibe meine Lage wie folgt:
„Wie aus dem Schlaf gerissen und neben Maschinenlärm gestellt.“

Wieder beschwere ich mich über den unerträglichen Gestank.
Wörtlich schreibe ich:

„Ich werde auch bis -20° lüften.

Ich versuche in Haushalt Verwaltung soviel zu Arbeiten das ich müde werde und vergesse.
(Und dass mit STAUBWISCHEN!!!)
Das Problem ist aber eher das der Haushalt dafür nicht geeignet ist.
Ich suchte mir förmlich Arbeiten um mich abzulenken.
Ich bettelte den Aufseher förmlich um Arbeit.

Sie sagen dass ich nicht lange in Haushalt-Verwaltung bleiben würde.

Zum ersten Mal erwähne ich im Tagebuch, das ich bewusst in der belebtesten Toilette putzte.
Im Erdgeschoss bei der Verwaltung, Speisesaal und dem Empfang.
Unter den Haushaltsbrüdern der unbeliebteste Job.

Nur in der Dienstabteilung war es noch dreckiger.
Dort „trafen“ die älternen Brüder die Schüssel nicht mehr.
Aber das Vorrecht in dieser Etage zu Putzen, war nur auserwählten Brüder beschieden.

Ich putzte bewusst in der Etage des Bethelbüros und der Frisörstube.

Die Arbeit wurde gesehen und ich sorgte dafür dass es auch auffiel.

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Als ich ins Bethel kam hörte ich bereits seit etwa einem halben Jahr keine Musik.
Weltliche Musik ist in Gottes Augen böse und so schaffte ich sie ab.

Die Folge davon war, das ich hunderte Platten und Musikkassetten wegwarf (ich glaube es waren etwa 500 Musikkassetten – vieles davon von mir selber).
Ich hörte von da an, ein Jahr lang keine Musik.
Kein Radio, kein Fernseher, kein Kino etc.

Musik ist jedoch lebensnotwendig.
Zumindest für mich.
Lebensnotwendig wie Essen und Trinken.
Seit meinem Selbstversuch kann ich das mit Fug und Recht behaupten.

Als ich meinen Zimmerpartner wechselte, war mir klar dass ich es bei ihm nicht mehr durchhalten würde, keine Musik zu hören.
Er war Jazz Musiker und hatte eine Plattensammlung.

So stand ich vor der Entscheidung: Jehovas Willen erfüllen oder weltliche Musik hören.

Mit der Entscheidung für die weltliche Musik, beging ich geistigen Suizid.
Ich war mir darüber im Klaren das ich ohne Musik nicht leben kann und auch nicht mehr leben will.
Wenn Gott Menschen vernichtet die weltliche Musik hören, muss er mich vernichten.
Ich kann es nicht ändern.

Meinem geistigen Selbstmord widmete ich eine eigene Tagebuchseite:

 

Diese enthält in der Mitte einen Bibeltext:

Wenn ein unreiner Geist von einem Menschen ausfährt,
durchwandert er dürre Orte, um eine Ruhestätte zu suchen,
und findet keine. Dann sagt er:
‚Ich will in mein Haus zurückkehren, aus dem ich ausgezogen bin‘;
und bei seiner Ankunft findet er es unbewohnt,
doch sauber gefegt und geschmückt.
Dann geht er hin und nimmt sieben andere Geister mit sich,
die bösartiger sind als er selbst,
und nachdem sie eingezogen sind, wohnen sie dort;
und die letzten Umstände jenes Menschen werden schlimmer als die ersten.
So wird es auch dieser bösen Generation ergehen.“
(Matthäus 12:43-45)

Am Seitenende zitiere ich aus dem Gedächtnis ein Liedertext von Wolfgang Ambros.

„Wenn ich, auf einer Brücke steh’
und ins Wasser hinunter schau,
weiß ich nicht, warum ich es nicht tue
und nicht ins Wasser hinunter springe.

Sterben tut so weh, sterben tut sau weh, sterben tut sau weh."

www.weltbild.at/index.html?trck=1_7&h=468c59344a&lm=20080927023058&trbid=300000&p=pprod.trck&b=10918084
Einen Tag später ging ich in einen kleinen Plattenladen meines Heimatortes und besorgte mir wieder meine Musik.
Meine ersten drei Schallplatten.

Außerdem bat ich den Verkäufer doch er solle seinen dicken Wälzer herausholen, ich suchte ganz bestimmte Schallplatten.

Damit weltliche Platten nicht „versehentlich“ in die falschen Hände gerieten, packte ich meine Platten neutral ab.
Im Plattenschrank hatte ich so nur neutral abgepackte Cover – rot, weiß, gelb, blau etc.
Die Originale hatte ich im Keller.
Die Platten bekamen eine Seriennummer.
 

001 ist die Nummer des Interpreten – hier Laurie Anderson.
06 war die fortlaufende Nummer dieses Interpreten – hier die sechste Platte die ich von Laurie Anderson hatte.
022 war die fortlaufende Nummer meiner Platten generell u.s.w.

Die Platten spielte ich auf Kassetten.
Echte Hifi-Fans schonen ihre Platten…
Die Kassetten wurden Kyrillisch beschriftet:

 

Links oben kann man Supertramp „Even…“ daneben Karat lesen etc.

Die Kassetten waren nummeriert und in einem Index erfasst.
In dem Index fand sich auch die Seriennummer der LP’s wieder

 

Es gab einen alphabetischen und einen numerischen Index.
Jede Kassette ein DIN A4 Blatt im numerischen Index.
Jeder Interpret ein DIN A4 Blatt im alphabetischen Index.

Hier Laurie Anderson und die 001
Die erste Platte die ich von ihr hatte war demnach „Big Science“.
Meine 16te überhaupt.
Es muss also eine der ersten bestellten Platten gewesen sein.

Ich erinnere mich noch wie mich mein neuer Zimmerpartner verblüfft ansah wie ich zwei Leitzordner mit je einem Blatt begann.
Meiner Kassette Nummer 1.

Ich hatte größeres vor…

Kritische Titel überklebte ich sogar auf der Schallplatte.
Hier Ammon Düül II und das Lied „PhallusDei“

 

Selbstredend waren neutral abgepackte Platten, für neugierige Haushaltsschwestern, im höchsten Maße suspekt…

Später lief ich gerne und lange in den hessischen Wäldern und hörte dabei über Kopfhörer Musik.
Mit vorliebe Musik, die eine Plattenseite lang war.

Das Schöne an den hessischen Wäldern ist, das es dort kaum Zäune gibt.
Nicht selten lief ich bis in die Dunkelheit hinein.

Laufen und dabei Ammon Düül hören – zum sterben schön.

 

Re: Im Bethel (3) - 24. Tag - Liebe Eltern

geschrieben von: . +

Datum: 07. Oktober 2008 20:59

„Na? hast’n Tagebuch Bericht schon geschrieben?
Den schreibst immer Abends“

( Mein Zimmerpartner… )

Ich schrieb gestern bis nach 23:00 Uhr.

„Nein ich schrieb einen Brief“

Ich behandelte meine Schränke mit Parfüm.
Die Wirkung war umwerfend.
Aber nicht wirklich eine Verbesserung.

unter das Foto vom diesem Tag schrieb ich:

„Selters ist etwas riesiges schwarzes alles sträubt sich in mir dort hin zu fahren.
Passiert man erst die Schranke spürt man förmlich den Druck.“

Der Frühstückstisch war so organisiert dass der Tischvorsitzende sich um die zugeteilten Brüder kümmern konnte.
Die Tischvorsitzenden wechselten turnusmäßig.
Mit ihm konnte man Glück oder auch Pech haben.

Jeder Tisch war wie folgt eingeteilt:

1.) An der Stirnseite saß der Tischvorsitzende.

2.) Rechts oder links von ihm saß seine Frau – ( je nach dem ob sie die Hosen anhatte oder er. In dem obigen Beispiel hatte die Frau das Sagen und der Mann nichts zu melden. Denn die Frau nahm ihren Mann an ihre rechte Seite… )

3.) An der Rückseite des Tisches saß die Vertretung des Tischvorsitzenden.

4.) Sofern Verheiratet, saß seine Frau rechts oder links von ihm.

5.) Unter dem Tisch war eine Ablagefläche für die Bibel, die Tagestextbroschüre, das Jahrbuch und private Dinge wie bei mir: Kaba, Nutella, Gewürze, Tupperboxen etc.

Mit den Dingen unter dem Tisch konnte man herrlich seine kleinen Statusspielchen spielen.
Der bessere Teebeutel, das besondere Salz, die selbst gemachte Marmelade etc.

An meinem Tisch saß ein lediger Bruder der zwar nur die Vertretung des Tischvorsitzenden war, sich aber Aufführte als wäre er der Präsident der Wachtturm Gesellschaft.
Er hielt sich für einen begnadeten Opernsänger.
Kein Kongressdrama, kein biblisches Hörspiel, kein Wachtturmvideo ohne seine Stimme.
Entsprechend operettenhaft hat er sich benommen und die anderen am Tisch von oben herab terrorisiert.

Dann saß an meinem Tisch ein Ehepaar, das ihren Streit offen ausgetragen hat, um den Partner unter Druck zu setzen.
Er mochte das Bethel und sie hasste es.
Am einfachsten war es wenn sie demonstrativ fern blieb.
Dann musste sich der Ehemann nur bei dem Tischvorsitzenden rechtfertigen.
War sie aber anwesend und schlecht drauf, war dicke Luft angesagt.

Ein Bruder an meinem Tisch war LKW-Fahrer und deswegen die meiste Zeit nicht da.
Das hatte zur Folge das wir oft einen Gast am Tisch sitzen hatten.
So war immer wieder für Unterhaltung gesorgt.

Wer schon mal im Bethel beim Essen dabei war, wird sich sicherlich an den unglaublichen Lärmpegel erinnern.
Teils wurde das Ganze sogar noch von Königreichsmelodien untermalt.
Oft las der Leser während dem Essen aus dem Jahrbuch vor.
Wurde es dabei Unappetitlich sparte unser Opernsänger nicht mit betonenden Kommentaren.
Eine ledige Schwester, irgendwo im Saal, hatte die Angewohnheit am lautesten von allen zu Lachen, was wiederum unseren Opernsänger auf 180 brachte.

Der Unterschied zu jeder weltlichen Firma, war das gleichsetzten eines Fehlers, mit dem fehlenden Geistiggesindsein.
Zeigt es eine Neigung zur Habsucht, wenn man zuviel Erdbeereis auf seinen Teller nahm?
Mangelte es an Wertschätzung, wenn man den Selleriesalat nicht mochte?
Was es der Geist der Rebellion, wenn eine Schwester mit Jeans zum Frühstück kam?
Verrät man womöglich bereits mangelnde Achtung vor dem heiligen Zweck der Tagestextbesprechung, wenn man zu spät kam?
Studierte man zuwenig, wenn es einem an der nötigen Freude im Dienst fehlte?
Etc.

Mal ganz Abgesehen von dem Ausrichten und den Intrigenspielchen, die wir alle aus unseren Heimatversammlungen kennen.
Das war einer der Gründe für den Druck, den man schon bei dem Passieren der Schranke spürte.
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Heute machten wir in Haushalt-Verwaltung wieder Überstunden.
Einen ganzen freien Tag haben wir für den Kongressbesuch so schon reingearbeitet.

Jeder arbeitete drei Samstage in der Woche und konnte einen Samstag im Monat als seinen freien Samstag nehmen.

Morgen habe ich meinen ersten freien Samstag.

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Meine Eltern schickten mir gerade Kopien der Briefe, Grußkarten und Postkarten die ich ihnen aus dem Bethel schickte.
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Liebe Eltern,…

Die erste Grußkarte konnte man aufklappen und hatte auf der Frontseite dieses Bild:

Auf der geschickten Karte machte ich drei Kreuze.
Eines für den zugeteilten Parkplatz meines PKW’s, ein Kreuz an dem Balkon meines Zimmers und eines für meinen Arbeitsplatz.

Hier schreibe ich noch, dass ich mich um ein neues Zimmer beworben habe.

Wörtlich schreibe ich:

„Die neuen Zimmer hängen aus!“

Einmal im Jahr wurden die Zimmer neu ausgeschrieben.
Jeder konnte sich um ein Zimmer bewerben.
Zugeteilt wurden diese nach Dienstjahren.
Wohnte man in einem Zimmer, auf das ein Bruder mit höheren Dienstjahren ein Auge geworfen hatte, wunde man nach diesem Zimmerroulett, zu einem Umzug gezwungen.
Das hatte jedoch die fatalen Folgen, das sich quasi alle mit niedrigen Dienstjahren vorsorglich um drei Zimmer bewarben.
Auch der Zimmerpartnerwunsch wurde nur „berücksichtigt“.

Wörtlich schreibe ich auf der Karte:
„Ich freue mich schon in eine andere Wohnung zu kommen.
Auch wenn selten etwas besseres nachkommt.
Egal.
Hauptsache in ein anderes Zimmer.“

Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste war, dass meine Chancen ein Zimmer zu bekommen, gleich Null waren.
Auch ein Zimmerpartnerwechsel war eigentlich sehr unwahrscheinlich.
Es hätte sich schon jemand finden müssen der mit mir den Zimmerpartner tauschen wollte…

Es war also purer Zufall dass die Hochzeit des Partners meines späteren Zimmerpartners mit der Zimmerausschreibung zusammenfiel und sich mein neuer Zimmerpartner nur einen Nachfolger suchen musste, um bis zu der nächsten Zimmerausschreibung in einem Jahr, in dem begehrten Zimmer bleiben zu können.

Fortsetzung unter:

http://forum.mysnip.de/read.php?27094,14893,14893#msg-14893

Re: Im Bethel (4) - 25. Tag - das geistige Paradies

geschrieben von: . +

Datum: 08. Oktober 2008 23:05

Die Fenster und die Balkontür sind offen.
So wird man einigermaßen mit dem Gestank fertig.

Ich stehe früher auf und gehe später schlafen.
Dann ist der Zimmerpartner erträglicher.

Ständig Frischluft.

Heute fuhr ich einkaufen und in mein neues Gebiet.

In der Stadt ging ich zuerst in das Geschäft in der mein Vater gearbeitete hatte.
Ich: „Sie arbeiten schon längere Zeit hier bei XXX?“
Er: „Ja kann man wohl sagen“
Ich: „Kennen sie Herrn XXX?“
Er: „Ja den kenne ich gut! So sie sind weggezogen. Wie geht es ihm…“ etc.

Ich besorge ein neues Edelstahlblech für den Herd.

Dann schreibe ich, dass ich die erste Flasche Alkohol in meinem Leben gekauft habe.
Dazu musste ich extra in den Aldi!
Apfelwein für 1,69 DM den ich für einen Bruder besorgte.

Danach fuhr ich ins Gebiet.
60 Familien soll das Gebiet haben, aber es müssen mindestens 120 sein.
Spaß hat es gemacht.
Nur schade dass meine Schwester nicht dabei war.

Abends wie ich Nachhause komme, schreibe ich wörtlich:

„Am Abend als ich ins Zimmer komme dröhnte der Blechkasten mit Dauerlärm.
Königreichsmelodien-Dauerbrieselung aus der Blechbüchse machen Kopfschmerzen.
Ich würde ihn ja gerne alleine lassen aber was soll ich machen.“

Wie schon gesagt - Ich hörte keine Musik.
Kein Radio, kein Kassettenrecorder, kein Fernsehen.
Nicht im Auto, nicht im Zimmer und ging in kein Kino.

Unter diesen Umständen, mit kalten und seelenlosen Königreichsmelodien aus Blechbüchsen zwangsernährt zu werden, verursacht regelrechte körperliche beschwerden.

Wenn jetzt der Zimmerpartner in einem billigen Mono-Spendenshop-Kassettenrecorder Musik spielte war das die reine Folter.

Dann beschreibe ich eine Kleinigkeit die mir auffiel.
Er begann mich zu kopieren.

Es war eine Marotte von mir, die er auf einmal nachzumachen begann.

Zum ersten Mal beschreibe ich meinen Zimmerpartner.

„Wenn jemand an unserm Fenster vorbeikommt, steht er auf, um zu sehen wer es ist.“

Das machte er jedes Mal – und wir waren direkt neben dem Gebäudeeingang.
Auch dachte er laut.
Er kommentierte, wenn jemand vorbeikam.

Dann widmete ich mich dem Herd.
Zum wiederholten Male rückte ich ihm mit Backofenspray zu Leibe.
Bei dem alten Backblech gab ich es auf.

Das schmiss ich einfach weg.

Ich hatte mir heute eine kleine Klemmlampe mit einer grünen Glühbirne gekauft.
22:43 Uhr schrieb ich bei dem grünen Licht in das Tagebuch und blätterte das Fotoalbum eine Seite weiter.
Kongress per Versammlungsbus:

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Liebe Eltern…

Diesen Brief schickte ich nach einem längeren Zeitraum meinen Eltern.
Ich war gerade frisch die ersten Wochen mit meinem neuen Zimmerpartner zusammen, und möchte ihn fortan der Einfachheit halber Peter nennen.
Der Name ist frei erfunden, aber es ist einfacher, als wenn ich ihn immer „neuer Zimmerpartner“ nenne.
-------------------------------------------------------------------------

Liebe Eltern!

Ich sitze jetzt hier in der Bibliothek.
Peter hat Besuch (u.a. seine Schwester und sein Schwager) deswegen ich lasse ihn in dem Zimmer in Ruhe und so nutze ich hier in der Bibliothek die Zeit euch zu schreiben.

Jetzt, nachdem ich nicht mehr durch meinen alten Zimmerpartner in solch einer Extremsituation bin geht es mir besser.
Auch gelinkt es mir mehr, denen, die sich mit Neuen einen Spaß machen aus dem Weg zu gehen.
Nachdem hier mehrere Neue ins Bethel gekommen sind, verstehe ich was sie mit mir gemacht haben und warum es besser ist hier einigen aus dem Weg gehen.
Ich habe keine Angst mehr vor abgehörten Telefonen und glaube nicht mehr den Blödsinn mit den Überwachungskameras oder der kontrollierten Post.
Ich kann das schlecht erklären aber es gehört einfach dazu, an einem Samstagmorgen bei der Tagestextbesprechung zu fehlen.
Das passierte mir zwar bis jetzt noch nie, doch Peter geht nie zu dem Tagestext am Samstag.

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Anmerkung:
Der Samstagtagestext fand ohne Sitzordnung statt.
Durch die Urlaubsanträge (der freie Samstag musste vorher beantragt werden) wusste das Bethel wie viele Tische gedeckt werden mussten.
Man wurde an dem Tag aber nicht durch den Tischvorsitzenden kontrolliert.

Der von der Bethelfamilie angeblich so geschätzte Tagestext wurde ohne Kontrolle auf einmal ziemlich verzichtbar.

Ich begann zu lernen.

Das war auch nicht das Einzige was sich mein neuer Zimmerpartner schenkte.

Ich nehme dann Bezug auf zwei Briefe meines Vaters, in dem er mich „warnt“, dass die Organisation mir auch eines Tages das Kreuz zu brechen versuchen wird.
Meine Eltern wurden aufgrund von unter die Gürtellinie gehende Intrigen aus der Versammlung herausgemoppt.
Etwas was mein Vater bis heute nicht mehr überwunden hat.

Als Antwort beschreibe ich einen Arbeitskollegen der mir seinen Traum erzählte.
Er träumte dass ich nicht in das Bethel passte.
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Sein Albtraum bestand aus dem zwecklosen Versuch mir den Hugo Boss Anzug auszureden.
Doch es war ihm nicht möglich mich von meinem Vorhaben abzubringen.

Natürlich werde ich in meinem Leben Schwierigkeiten bekommen.

Da ist zum Beispiel Bruder XXX der durch sein „Guten Tag“ in die Gruppe umherstehender Brüder, herrschsüchtig mit ihnen umgeht.
Er ist ein Teil des geistigen Paradieses.
So will ich nicht werden.

Gerade hat die Druckerei einen neuen Aufseher bekommen.
Der alte Aufseher musste Hals über Kopf das Bethel verlassen, denn ihm wurde die Gemeinschaft entzogen.
Nach „was weiß ich“ wie vielen Dienstjahren, wurde er von einem Tag zum anderen Arbeits-, Obdach- und Mittellos.

Das ist das geistige Paradies.

Doch Schluss damit.
Wichtig ist, das heute bis zum Schlafen gehen alles in Ordnung ist.
Alles Weitere wird sich zeigen.

Ich freue mich direkt nachher wieder, in das Zimmer runter zu gehen.
Ich wollte mit niemand anderes zusammen ziehen, als mit Peter.
Ich möchte keine andere Arbeit machen, als meine neue Zuteilung.
Die Versammlung ist nicht das gelbe vom Ei, aber in eine andere will ich nicht gehen.

Hauptsache ihr seit alle Gesund, genießt den Alltag und lebt euch in eurer neuen Versammlung ein.

So, jetzt werde ich die heillose Unordnung, die ich auf den Bibliothekstisch verbreitet habe zusammenräumen und den Brief abschicken.

Re: Im Bethel (4) - Sonntag 26. Tag - Jim Morrison

geschrieben von: . +

Datum: 09. Oktober 2008 20:03

Vormittags Versammlung.

Sonntagmittag gab es Kartoffeln mit Ei und Senf.
Danach fühlte ich mich Krank.
Irgendwas war mit dem Essen nicht in Ordnung.

Russisch gelernt, Bibelleseprogramm, Wachtturm Studiert, Buch gelesen.

Als nachmittags der Zimmerpartner von der Zusammenkunft zurück kam schrieb ich gerade.

Er weiß mit sich nichts anzufangen weil ich die ganze Zeit am lesen, lernen oder schreiben bin.
Er schaut tatsächlich aus dem Fenster und macht einfach nichts.

22:26 Uhr
Mein Magen spielt verrückt. Meine Augen brennen. Ich glaube ich bekomme Fieber.
Na wenn da nicht was im Gange ist.

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Liebe Eltern…

Noch einen Brief an meine Eltern möchte ich zitieren.

Diesen Brief schickte ich etwa acht Monate nachdem ich ins Bethel kam an meine Eltern.
Ich erzählte bereits davon, dass ich durch meinen neuen Zimmerpartner „Peter“ in eine Clique kam.
Am sympathischsten von diesen war mir neben meinem Zimmerpartner auch einer, der von seiner Art sehr dem Jim Morrison von The Doors glich.

Der Einfachheit halber möchte ich ihn fortan „Jim“ nennen.
Von seiner Art wie er sich gab, seine Gesten, wie er sprach oder auch verrückt Phantasierte glich er Jim Morrison wie aus einem Holz geschnitzt.

In der Zwischenzeit wohnte ich mit Peter schon fast ein halbes Jahr zusammen.
Nun verlor Jim aber seinen Zimmerpartner und kümmerte sich nicht schnell genug um Ersatz.
Ehe er sich versah, teilte ihm das Bethelbüro einen Neuzugang zu.

Von den daraus entstandenen Differenzen schrieb ich meinen Eltern.
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Liebe Eltern!

Ganz frisch sende ich Euch aus der Erstauflage für die Bethelfamilie das neue Taschenbuch.
Ich schicke den Brief sofort ab das ihr das Buch als erste habt.


Ein Bruder kommt neu ins Bethel und hat anscheinend Glück da er in das Zimmer von Jim, eines Freundes von Peter, zugeteilt wird.
Jim hat ähnliche Interessen wie Peter – Jazz, Schwimmen, Laufen, lockere Kleidung und auch sonst das Ganze nicht so eng nehmen.

Doch dieser Neue erwartete wohl einem vorbildlichen Betheliten.
Es muss wohl für ihn wie ein Kulturschock gewesen sein, auf einmal mit genau dem Gegenteil eines Musterexemplars eines vorbildlichen Vollzeitdieners zusammen zu ziehen.
Beispielsweise bestand der Neue darauf, früh (22:30 Uhr) schlafen zu gehen.

Jetzt tauchte Jim mit Peter und einen seiner „Kollegen“ bei mir auf und jammert dass er nicht einmal mehr in sein Zimmer kann.

Seit dem gibt es immer Unfrieden zwischen den beiden.
Dabei hatte der Neue mit Jim echtes Glück gehabt.
Der Neue hätte mal mit meinem ersten Zimmerpartner zusammen ziehen sollen, dann hätte er sich wohl nicht mehr über Jim beschwert.
Andererseits sagte Peter selber, dass er mit Jim nicht zusammenziehen will, weil es mit zwei wie ihnen, wieder zu dem gleichen Chaos kommt, wie es Jim mit dem vorhergehenden Zimmerpartner hatte.

Jetzt weinen sie sich bei mir aus, über die eintönige Arbeit, das langweilige Wachtturm Studium oder ähnliches.
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Anmerkung
Es war interessant wie vorsichtig sie anfangs zuerst abklopften, ob sie es bei mir mit einem Freigeist zu tun hatten.
Weder mein neuer Zimmerpartner, noch seine Freunde, fielen bei mir mit ihrer Ablehnung gegenüber der Organisation, mit der Tür ins Haus.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

Sie waren durchaus in der Lage „Bruder Vorbild“ zu spielen.
Wenn man sie dann aber kannte, war das „Bruder Vorbild Spiel“ im höchsten Maße amüsant.

Stellt euch einen Jim Morrison vor, wie er „Bruder Überkorrekt“ mit seiner unnachahmlichen Art, einen perfekten Zeugen vorspielte.
Es war in jeder Faser seines Seins eine herablassende Parodie und doch merkten es die Gegenüber nicht.

Man erlaube mir eine blumige Metapher die es am besten trifft: „er verarschte sie nach Strich und Faden“.
Das zu sehen tat so gut – es lässt sich kaum in Worte fassen.
Wahres Balsam für die Seele.
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Jim schätzte mich älter ein als ich war, weil ich auf ihn so einen vernünftigen Eindruck machte.
Doch was soll’s ich bin eben erst XX Jahre, so bitter Böse wie Br. XXX schaue ich noch früh genug.

Nun auf weiteres wünsche ich euch alles Gute, bleibt fröhlich und passt mir auf meinen Bruder auf.
In diesem Sinne nichts für Ungut.
Euer XXX

Re: Im Bethel (4) - Teil 27 - von faulen Eiern und glücklichen Gesichtern

geschrieben von: . +

Datum: 10. Oktober 2008 20:21

Heute ist Montag der 27. Tag und ich liege mit 39° Fieber im Bett.
Ich war in der Krankenabteilung.
Der Magen.
Irgendwas war mit den Eiern nicht in Ordnung.
Wer Sonntagmittag zum Essen war, lag jetzt mehr oder weniger flach.

Ich gab heute einem Bruder ( einem Freund unserer Familie ) einen Zeugnisbrief mit der Bitte ob er ihn korrigieren könnte.
„Wasser des Lebens“

Ansonsten - Molkosan, Zwieback, Kamillentee und trockene Haferflocken.
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Dienstag der 28. Tag

Das Bethelbüro hat sich zwar gewundert, aber ich ging heute wieder Arbeiten.
Mir fiel im Zimmer die Decke auf den Kopf.

Eine Tagestextbesprechung dauert morgens etwa 15 Minuten.
Nach den einleitenden Worten liest der Leser den Bibeltext.
Dann geben vier vorher eingeteilte Brüder einen Kommentar von je 1 Minute.
Anschließend hält der Vorsitzende der Tagestextbesprechung eine Ansprache von etwa 8 Minuten.
Zum Schluss liest der Leser den Kommentar aus der Tagestextbroschüre.

Heute Morgen hieß das Thema von dem Vorsitzenden ( dem Freund unserer Familie… ) zur Tagestextbesprechung:
„Wasser des Lebens“…

Mir tat zwar beim Staubsaugen alles weh, aber mit dem Arbeiten ging es dann von alleine besser.
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Mittwoch der 29. Tag

Heute habe ich ein wirklich glückliches Gesicht im Bethel gesehen.
Bruder XXX fuhr in den Urlaub nachhause.
Ich kann ihn verstehen.

Heute gab es Streit in unserer Abteilung.
Mit einem Italiener.
Ich kann mich noch an seine Art zu reden erinnern.

In Kürze war ein Bethelfamilienabend geplant.
Einmal im Jahr gibt es dann ein besonderes Essen, die Kellner waren schwarz-weiß gekleidet, die Tische hatten Tischdecken etc.
Im Königreichssaal gab es dann musikalische Darbietungen und auch humoristische Sketche.
Unser Aufseher ( ich beschrieb ihn bereits in seiner Art eher als „Rocker“ ) hatte die Idee, von der Abteilung Haushalt-Verwaltung „lustige“ Fotos zu schießen und dass diese dann zur allgemeinen Belustigung, als Dias gezeigt werden sollten.
Der Italiener sollte den Kopf in die Toilettenschüssel stecken.

Ich bin zum größten Teil wieder gesund und habe auch Appetit.
Heute Mittag gab es Kartoffelkroketten, Putenfleisch und Eis als Nachtisch.

Gleich gehe ich noch mit dem Bruder in den Dienst der zum Monatsende das Bethel verlassen muss ( Ich erwähnte ihn bereits als den Naturburschen ).

Der XXX hat einen regelrechten Spießrutenlauf hier durchzustehen.
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21:45 Uhr
Ich genieße es mir selber etwas zu Essen zu machen und blättere beim Essen das Fotoalbum weiter.

Eine liebe englische Schwester fährt wieder mit ihrem Mann in ihre Zuteilung.
Mit ihr arbeitete ich an meinen ersten Tagen in der Kassettenabteilung.
Ich sagte zu ihr zum Abschied:
„Du warst in einer sehr schwierigen Zeit freundlich zu mir, das vergesse ich dir nie mehr.
Bleibt so wie ihr seit.“

Ihr Mann war Kreisaufseher im fremdsprachigen Gebiet und er war für vier Wochen im Bethel.
Beide waren schon im Rentenalter und nicht unglücklich darüber das Bethel mit ihren kalten deutschen Brüdern wieder zu verlassen.
Ich hab es ihr gegönnt.

Wörtlich schreibe ich ins Tagebuch:
„Sie hat es verdient. Hoffentlich sehen wir uns einmal wieder.“

Ihr gepacktes Auto stand am Wahreneingangstor des Haushaltsmagazins.
Dort verabschiedete ich mich von ihnen.

Danach ging ich in das in der Nähe liegende Möbellager.
Dort stand eine Personenwaage.

Trotz Magenprobleme nehme ich wieder zu.

Morgen gibt es Geld.
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Liebe Eltern...

Nachfolgenden Brief schrieb ich nachdem ich 1 ½ Jahre im Bethel war.

Das Bild das die Wachtturm Gesellschaft vom Bethel nach außen abgeben möchte ist eine künstliche Fassade die es nicht gibt.
Aber die Brüder draußen fordern das regelrecht von den Betheliten.
Das Bethel soll ein sauberer Ort des Friedens und der Harmonie sein.

Ein völliger Unsinn.

Andererseits ist nun mal Streit und Unfrieden ein Zeichen des vorherrschenden Geistes der Welt.
Depressionen können durch vermehrtes Wachtturmstudium geheilt werden und Entmutigung durch die liebevolle Bruderschaft.

Allein die Tatsache dass ich erwähnen muss, dass das völliger Schwachsinn ist, ist eigentlich schon Irrsinn genug.

Aber wie gesagt – die Brüder verlangen dieses Schauspiel für Menschen.

Wachtturm 15. 12.1992
Seite 16 Abs. 9 Mit einem geeinigten Herzen wandeln

Erwachet 8. 6.1977
Seite 26

Die Folge davon ist das in den Ortsversammlungen, in denen Betheliten zugeteilt sind, die Brüder von „draußen“ und die Betheliten jeweils unter sich bleiben.
Das dauernde Beweihräuchern der Betheliten geht den Brüdern von draußen ( im Bethel als Weltis betituliert ) genauso auf die Nerven, wie es den Betheliten unangenehm sein kann, wenn sich Brüder von draußen über völlig normale weltliche Interessen unterhalten.

Von dieser Entfremdung der beiden Gruppen, schreibe ich meinen Eltern in dem nachfolgenden Brief.
Meine Eltern waren ja eine Zeitlang in dieser Versammlung und kannten die Brüder.
Im Brief nenne ich natürlich die jeweiligen Realnamen und verändere sie nur hier entsprechend.
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Liebe Eltern!

Mit etwas hessischer Luft und einer ganzen Menge guter Wüsche sende ich euch das neuste Jahrbuch.

Musikgehört, gelesen, Pizza gegessen, geschrieben und mein Programmpunkt „Gute Botschaft darbieten“ vorbereitet.
Am Freitag war ich zum ersten Mal in der großen Stadtbibliothek.
Ich brauche nur vor der Versammlung etwas früher loszufahren.

Momentan haben wir eine Vertretung als Haushaltsschwester.
Mit ihr kommen wir sehr gut aus.
Sie ist von dem leeren Zimmer begeistert.

In der Versammlung gehöre ich jetzt dazu.
Mehr als die Bethelbrüder die schon länger hier sind.
Wohl deswegen, weil ich darauf achte, bei Aufgaben oder im Dienst, Brüder aus der Ortsversammlung und nicht aus dem Bethel zu bevorzugen.

Keiner aus dem Bethel macht das.
In der Praxis heißt das: Betheliten nehmen Betheliten zu Demonstrationen und Einheimische nehmen Einheimische.

Andererseits kopieren dann Betheliten mein Verhalten.
Ein, vor einem halben Jahr getaufter junger Bruder, hatte bei mir seine erste Demonstration.

Eine Woche später bekam er seine zweite Demonstration.

Jetzt bin ich am Überlegen was ich bei meinem „Gute Botschaft darbieten“ machen kann, damit die Versammlung nicht einschläft.

Gerade hatte ein Bethelit diesen Programmpunkt.
Es war sehr interessant die Versammlung zu beobachten, wie sie die 10 Minuten rumbrachten.

Wie schaffe ich es, das Bruder Vorsitzführender nicht in seinen Unterlagen ließt ( Es sollte zwar so aussehen als wäre es der Königreichsdienst gewesen, war es aber nicht ) ?
Oder Herr Interessierter (der Vater des vor einem halben Jahr Neugetauften), der offen zeigt wenn ihm etwas nicht gefällt.
Oder Elisabeth und Hermann Hase, die sich sichtlich langweilten.
Und wie gelingt es mir, das die, die Antworten, dies nicht nur mechanisch aus notwendiger Routine tun?
Nicht das etwas an seiner Aufgabe nicht stimmte.
Aber wirklich interessiert hat es keinen.

Es ist 23:42 Uhr und ich gehe jetzt schlafen.
Auf ein baldiges Wiedersehen freue ich mich schon und mit herzlichen Grüßen wünsche ich Euch alles Gute
Euer
XXX

PS.:
Abgesehen davon das der „liebe XXX ( mein Name )“ auch nicht aufgepasst hat, sondern über das Verhalten der Mitbrüder im Herrn philosophierte. In diesem Sinne…

Re: Im Bethel (4) - Teil 28 - von Lohntüten und Kartoffelkellern

geschrieben von: . +

Datum: 11. Oktober 2008 19:48

30. Tag
Heute gab es Geld.

Seine Lohntüte holte man in dem Kassenraum ab.
Ein kleiner fensterloser Raum, mit einer schmucklosen primitiven Theke gegenüber dem Bethelbüro / Speisesaal.
Auf der Theke stand eine Schublade in der die Lohntüten alphabetisch eingeordnet waren.

Die Kasse wurde von den Brüdern des Einkaufs betrieben und hatte nur vereinzelte Öffnungszeiten.
In der Kasse konnte man auch reguläre Bankgeschäfte in Auftrag geben.
Davon machte ich aber nie gebrauch.

Meine Finanzen gingen die Wachtturm Gesellschaft nun wirklich nichts an.

Dies ist eine solche Original Lohntüte:

Das Datum, der Name und die Beträge wurden von mir leicht verändert.

ZWDG bedeutet Zuwendungsgeld
PEA bedeutet persönliche Ersparnis
FHGD bedeutet Fahrgeld
KV-ZUL bedeutet Krankenversicherungszulage
DAK steht für das abgezogene Krankenkassengeld

Nachfolgend ein Schreiben in der die Fahrtkostenrückerstattung neu geregelt wurde.
Fahrtkosten wurden wie folgt abgerechnet.

Hauspost heißt, man schmiss T-31-X in den Postkasten beim Speisesaal.

Der eine Knackpunkt war, das die Gelder die man von Brüdern oder als Vortragsredner von der Versammlung bekam von dem Fahrgeld abgezogen werden sollen.

500km bekam man schnell zusammen.
Wer zu einer Versammlung in Frankfurt zugeteilt war oder einen entfernteren Kongress besuchte.

Um nicht unnötig Kosten zu verursachen sollte man auf dem Bethel-Gelände für Dienstfahrten kostenlos auf der Fabrikgeländetankstelle tanken.

Hier sieht man die zwei geländeeigenen Zapfsäulen für Diesel und Benzin ( die zweite sieht man etwas versteckt über dem weißen Auto ).

Der Bruder der Tankwartdienst hatte (meist jemand von der KFZ-Abteilung), zeichnete die getankte Menge ab.

Die Kilometerstände des privaten PKW wurden dann natürlich immer in der KFZ Werkstatt vermerkt.

Man beachte diesen Satz: „…Dieser Verbrauchswert gemäß Tankausweis sollte mit dem Durchschnittsverbrauch des Fahrzeuges übereinstimmen...“

Für „Privatfahrten“ musste man dann auswärts auf eigene kosten Tanken.

Der Pferdefuß des anderen Knackpunktes lag in dem vorletzten Absatz.
Es wurden nur Fahrten in die Versammlung finanziert die man mindestens zu zweit durchführte, also wenn man jemanden mitnahm.
Der Sinn der Sache war vor allem, dass man die Versammlungen im Bethel nicht nur aus vertrockneten gescheiterten Existenzen zusammenstellen musste.
Das also auch Betheliten ohne Auto in auswärtige Versammlungen zugeteilt werden konnten.

Da ich aber sonntags schon um viertel vor Sechs losfuhr um die Flohmärkte nach Schallplatten abzuklappern, konnte ich niemanden mitnehmen.

Jeden Sonntag fand in der Umgegend, in abwechselnd fünf Dörfern ein Flohmarkt statt.
Ich war schon vor 7:00 Uhr auf den Flohmärkten, während dem Aufbau und kaufte dort in größeren Mengen Schallplatten.
Durchaus schon mal 10 pro Woche.
Ein Händler zum Beispiel kannte meinen Musikgeschmack und suchte unter der Woche gezielt Platten für mich.

Als ich dem Flohmarkthändler erzählte dass ich mich verlobt hatte, schenkte er mir beim Nächstenmahl eine Peter Townshend Platte zur Verlobung, die er extra für mich Organisiert hatte.

Gegenüber dem Bethel hatte ich es dann so gehandhabt, dass ich nur jede zweite Fahrt in die Zusammenkunft abrechnete.
So konnte ich mich bei jedem zweiten Mal selber in der Fahrtkostenerstattung als Beifahrer eintragen.

Auch die Rechnungen wurden in Bar per Tüte abgegolten.
Hier eine Original Rechnung für Literatur die man per Hauspost ins Zimmer gelegt bekam.

Hier eine Rechnung für eine Reparatur am PKW.

Für die PKW Reparaturen wurden die Materialien und ein Stundensatz berechnet.
Die Autos wurden in drei Kategorien eingeteilt.
Neuwertig.
Noch Reparationswürdig.
Nichtmehr Reparationswürdig.

Fahrzeuge die unter die dritte Kategorie fielen musste man auswärts in eine weltliche Werkstatt bringen.

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31. Tag - Schrankenwache

Heute hatte ich meine erste Schrankenwache.
Samstag 17:00 bis 21:00

Wenn ich heute an die Schrankenwache zurückdenke bestand sie zum größten Teil aus dem Beobachten der Wolken.

Zu meiner ersten Schrankenwache kam ich extra eine halbe Stunde früher, für den Fall, das ich etwas vergessen hätte.
Der Bruder den ich ablöste packte prompt seine sieben Sachen, zeigte mir mit einem Satz wie die Schranke funktionierte ( Auf- und Abschalter… ), zeigte auf das Anweisungsheft und verschwand.

Einmal gab ich meiner Schrankenwachen-Ablösung meine Krawatte.
Na und? warum denn auch nicht?
Hätte das einen Zacken aus seiner Krone gebrochen?
Außerdem wäre genug Zeit gewesen, das er mich noch einmal zurück in mein Zimmer schickte.

Ich verstand unter Abendschrankenwache eher so etwas wie Haushalt-Verwaltung oder Nachtwache.
Also einen Parkhauswächter in Blaumann der mit einem riesigen Schraubenschlüssel die klemmende Schranke repariert.

„Lieber Bruder liebe Schwester!...“

Das Anweisungsheft…
Die Schranke repräsentiert das Bethel.
Achte auf angemessene Kleidung…

Ups.
Ich ahnte etwas.
Ich hatte normale Haushalt-Verwaltung Kleidung an.
Meine Jeans und ein weißes Hemd.

Es dauerte nicht lange da kam die erste gescheiterte Existenz vom Abendspaziergang zurück.
Ob ich denn nicht wisse dass man an der Schranke eine Krawatte tragen müsse?

Wenn ich im Tagebuch erwähne das mich solche gescheiterten Existenzen ansprachen, ob ich den das Haus Gottes so richtig repräsentieren würde, dann frage ich mich, warum gaben mir diese nicht ihre Krawatte, anstelle sich an dem Neuling auf diese Art Vergnügen zu verschaffen?

Warum lag nicht eine „Spendeshop“ Krawatte in dem leeren Schrank des Schrankenwachenhäuschens für einen solchen „Notfall“?

Die Antwort ist einfach.

Es spricht sich im Bethel wie ein Lauffeuer herum wenn neue ins Bethel kommen.
Das macht beim Frisör, am Frühstückstisch, am Arbeitsplatz, im Montag Wachtturm Studium und wo sonst auch immer blitzschnell die Runde.

Neue machten dann immer die gleichen Fehler.
Sie kamen zu früh zum Frühstück.
Setzten sich auf die falschen Sitzplätze.
Parkten auf „vermieteten“ Stellplätzen.
Wussten nicht wie sie an ihre Abendbrotbeutel kamen und so weiter und so weiter.
Statt das man aber jemanden half oder Fehler mit einem freundlichen „ist mir auch passiert“ abtat, unterstellte man diesem einen schlechten Beweggrund.
Alle wussten das, und machten sich einen Spaß daraus jemanden Lasten aufzubürden.

Man ergötzte sich an dem wohlig, schaurigen Vergnügen jemanden in die Schublade des mangelnden Geistiggesinndseins zu stecken.

Er blieb nicht der Einzige der mich in den folgenden viereinhalb Stunden darauf ansprach.
Man vergaß nicht mich darauf hinzuweisen.
Es könnte ja sein das ich es noch nicht wusste.

Man könnte das Ganze jetzt abtun und sagen „mein Gott dann hast Du halt die Krawatte vergessen“.

Ich lernte.
Das Bethel war für mich eine lebendig gewordene Wachtturmzeitschrift.
Ich lernte die Welt kennen nach der ich bis dahin mein Leben geeicht hatte und stellte fest das es eher die Welt war vor dem der Wachtturm warnte.

Wort und Tat waren zweierlei Dinge.

Die Texte des Wachtturms sind ein „eins zu eins Spiegelbild“ der Menschen, die im Bethel arbeiten und die Wachtturmartikel schreiben.
Missachtet man die Halteverbote zum Ausladen seines Einkaufs, ist dies ein Mangel an Geistiggesinndsein.
Ein Bart oder lange Haare waren Rebellion oder entartete Musik war Götzendienst.

Und vergisst man nun mal seine Krawatte zur Schrankenwache, ist dies ein sicheres Zeichen das man das Haus Gottes geringschätzig betrachtet.

Das Bethel war nichts anderes als ein Wachtturmartikel.
Da schreibt man: Wer Trinksprüche prostet zeigt ein Mangel an glauben.
Wer mit seinem Ausgeschlossenen Kind spricht missachtet Gottes Zuchtmaßnahme.

Die kalte Freude daran anderen Lasten aufzubürden.

Es wurden also nicht nur die Menschen die auf den Wachttürmbildern abgebildet sind auf einmal lebendig, sondern auch das geschriebene Wort.

Ich drang in die Wachtturmzeitschrift ein, wie wenn die Zeitschrift eine Tür bekam.

Ich schlug den neusten Wachtturm auf und las das Bethel und umgekehrt.
Der Wachtturm bekam eine Tür in die man hinabsteigen konnte.

Nur war dies keine Leiter in himmlische Sphären sondern eine Rutsche in die Niederungen menschlicher Kartoffelkeller.

´´Re: Im Bethel (4) - Fazit

geschrieben von: . +

Datum: 12. Oktober 2008 12:23

32. Tag – Sonntag
Ich war bei Brüdern der Ortsversammlung eingeladen.
Mit dem Sohn ging ich früher in die selbe Schule.
Wir hatten damals ein Stück den gleichen Schulweg.

Wörtlich schreibe ich:
„Wie ich erwähnte das der Ofen und der Kühlschrank „vor Dreck standen“ schauten die vielleicht!
Die Mutter fragte zurück „Im Bethel?“
Haben die eine Ahnung!“
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33 Tag - Montag

Bei dem Staubsaugen saugte ich auch den Flur vor dem Bethelbüro und nutzte eine offene Bürotür um mich für den fehlenden Anzug bei der Schrankenwache zu entschuldigen.
Nicht ohne Grund wie sich rausstellte.

Ich notierte dass sie sich damit beschäftigten das ich mit den zwei Naturburschen zusammen war, die das Bethel verlassen mussten.
Und jetzt erscheine ich ohne Krawatte in der Schrankenwache.

Der Bethelaufseher meinte zu mir:
„Da haben wir lange darüber geredet“

Wörtlich schreibe ich:

„Man, habt ihr alle Nerven“

Noch zwei Arbeitstage, dann fahre ich nach Hause um den Kongress zu besuchen.

Für morgen habe ich einen Termin in der KFZ-Abteilung.
Es wird noch geklärt ob mein Auto in die zweite Kategorie fällt – also noch in der Bethelwerkstatt repariert wird.

Ab heute bin ich nicht mehr der Neuste hier.
Ein 19 jähriger putzte Tische in der Spülküche.

Ich beschreibe wieder meinen Zimmerpartner.
Er setzte sich auf den Sessel und schaute mir beim Kofferpacken zu.

„So jetzt habe ich gesehen was du so mitnimmst“

Dann schreibe ich dass er zu der Bananenmilch geht die ich mir gemacht habe und seine Nase in das Glas steckt.
Ich sollte noch vier Monate mit ihm auskommen müssen.
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34. Tag - Diensttag

Ich bekam in der Arbeit zwei Brüder aus anderen Betheln (einer aus Italien, einer aus Amerika) zugeteilt.
Der Antrag in anderen Betheln zu Arbeiten war eine Möglichkeit „Urlaub“ zu machen ohne Urlaubstage zu verschwenden.
Wir bekamen einen „Spezialauftrag“.
Fegen der Außenanlagen…

Ich schreibe:

„Ein schöner normaler Arbeitstag“

Meine Schwester rief an.
Sie wollen mich in zwei Wochen nach dem Kongress besuchen kommen.
Den Diensttag Arbeitete ich noch normal, legte mich früh schlafen und machte mich in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch um 0:00 Uhr auf den Heimweg um mit den Eltern den Bezirkskongress zu besuchen.

Den Mittwoch konnte ich frei nehmen weil wir durch Überstunden in Haushalt-Verwaltung einen Tag reingearbeitet hatten.
Für den Donnerstag nahm ich meinen ersten Urlaubstag von dem vergangenen Monat und
den Freitag bekam ich für den Kongress frei.

-------------------------------------------- Fazit --------------------------------------------

Wenn ich heute mein Leben Resümieren müsste, würde ich nach wie vor zu dem Ergebnis kommen, das meine Zeit im Bethel die schlimmste Zeit meines Lebens war.

Es gäbe noch viel zu erzählen.
Zum Beispiel das der Aufseher von Haushalt-Verwaltung keine Ruhe gab mit seiner „Bethelfamilienfeier-Idee“, das ich eine neue Zuteilung bekam und die Situation mit meinem Zimmerpartner immer unerträglicher wurde.
Aber ich schrieb jetzt die letzten 30 Tage fast jeden Tag – fürs Erste ist das genug.
Ich möchte mich wieder etwas anderem widmen.

Ich unterhielt mich vor ein paar Tagen mit einem Weltmenschen über das Bethel.

Das Bethel ist kein Kloster.

Es gibt dort keine Besinnung.
Keine besondere Gottnähe oder ein erwähnenswertes Studium des heiligen Buches.

Zumindest wenn man das zusätzliche Wachtturmstudium nicht als klösterliches Bibelstudium bezeichnet.

Ein Zeuge des Wachtturms wird gezwungen Woche für Woche sich in der Zusammenkunft mindestes einmal den Wachtturmartikel über sich ergehen zu lassen.
Studiert er ihn vor, befasst er sich mit dem Artikel zum zweiten Mal.
Im Bethel befasst man sich halt im Montagwachtturmstudium zum dritten Mal.
Und in der morgendlichen Tagestextbesprechung schlussendlich gezwungener maßen zum vierten Mal.

Das ist die „besondere“ geistige Erbauung die das Bethel zu bieten hat.

Aber Meditation, klösterliches in sich gehen, Gebete und Gottnähe findet man im Bethel nicht einmal in den Glanzprospekten.

Das Versagen alles Materiellen sucht man dort vergeblich.
Das Hamstern billigen Nippes gepaart mit dem schamlosen Ausbeuten seitens der amerikanischen Mutterorganisation – das Bethel ist billig.

Auch das vermehrte Verkünden der guten Botschaft sucht man im Bethel vergeblich.
Durch Fabrikarbeit dient man der Organisation viel mehr als durch das ineffiziente verteilen von Handzetteln.

Das Zwischenmenschliche ist dort nicht anders als überall sonst.
Sauberkeit und die Fassade des Friedens wird teuer mit Bigotterie und Scheinheiligkeit bezahlt.

Ein kaltes Paradies in dem die Mitglieder ihren Alltag dadurch erleichtern, dass sie anderen mangelnden Glauben und fehlendes Geistiggesinntsein unterstellen.
Brüderliche Liebe die man an und aus schaltet.

Gedankenhygiene statt der Suche nach Gott.
Paragrafenreiten statt der Weiterentwicklung des eigenen Gewissens.

Das kennen wir aber alles aus dem Wachtturm.
Wachtturmartikel fallen nicht vom Himmel.
Im Bethel werden sie geschrieben und dort hält sich auch niemand daran.

So möchte ich mich dem Fazit Reinhard May’s anschließen, bei dem es fast den Eindruck macht, als würde er hier die Wachtturmgesellschaft mit ihrem Narrenschiff beschreiben:

https://youtube.googleapis.com/v/8Lz_qPvKCsg%26color1=0xb1b1b1%26color2=0xcfcfcf%26hl=de%26fs=1

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