Feststellungen zum neuen Termin 1975
Aus Monaten wurden Jahrzehnte
Gespräche und Kommentare der Studiengruppe Christliche Verantwortung (Berlin)
Nr. 2 (1970)

"Hast du schon je daran gedacht, dass die Tage deiner Lebenszeit in gewissem Sinne den Sandkörnchen in einer Sanduhr gleichen? Sie verrinnen ebenso unaufhaltsam wie der Sand in einer Sanduhr, bis schließlich nichts mehr davon übrigbleibt. Da kannst den Ablauf der Zeit durch nichts aufhalten. Du siehst, wie durch ihn deine Lebensdauer immer mehr verkürzt wird. Solange du jung bist, machst du dir darüber wenig Gedanken, weil der größere Teil deines Lebens immer noch vor dir liegt. Erst wenn du merkst, dass du schon über die Blüte deiner Jugend hinaus bist und die Hälfte deines Lebens vorbei ist, beginnst du wahrscheinlich darüber nachzudenken." WT 21/1966 S. 643.

Für sich gesehen ist dies eine recht natürliche Betrachtung über den Ablauf des menschlichen Lebens, die im Hinblick auf 1975 sehr angebracht ist. Auch in einem Königreichslied heißt es nämlich mit Bezug auf den naturgesetzlichen Ablauf aller Dinge, dass die 'Satzung' des Natürlichen nicht gebrochen werden kann. "Lieder zum Preise Jehovas", 1952, Lied Nr. 58, zweite Strophe. Bezeichnenderweise wurde dieses Lied aus dem neuen Liederbuch von 1969 entfernt. Warum wohl?

Heute wie 1914 verhalten?

Nachdem im WT vom 1. 1. 1967 das Jahr 1975 als neues und letztes Endzeitdatum veröffentlicht worden war, brachte der WT vom 15. 5. 1967, S. 310, folgende Geschichte eines 87-jährigen Pionierverkündigers aus Neuseeland:

"Im Süden von Neuseeland dient ein siebenundachtzigjähriger Bruder immer noch als Pionier, und seine treue Frau, die ebenfalls im Pionierdienst steht, ist sogar noch einige Jahre älter. Er verkaufte im Jahre 1914 sein Geschäft, damit er mindestens noch einige Monate 'Kolporteur-Pionierdienst' leisten könne, bevor im Herbst jenes Jahres der erwartete große Zusammenbruch käme. Er führt gern Jeremia 20:7 an: 'Jehova, du hast mich beredet (betört, Me.) Und ich habe mich bereden lassen'. Er hatte gedacht, sein Pionierdienst auf der Erde werde nur noch kurze Zeit dauern. Nun sind aus dieser kurzen Zeit 50 Jahre geworden. … Nach den letzten Berichten ist er immer noch 'stark' wie Simson. Ob er es hätte anders haben wollen? Nein, im Gegenteil! Er ermuntert junge Menschen, ebenso eingestellt zu sein, wie er es im Jahre 1914 war."

Als Erklärung dafür, dass er immer noch "stark" sei, sagt der WT: "Die Wahrheit ist so sehr ein Teil von uns geworden, dass wir sie nicht mehr aufgeben können!"

Zunächst ist es recht aufschlussreich, dass der WT lehrt, im Hinblick auf 1975 so eingestellt zu sein, wie es dieser alte Bruder 1914 war. Dies würde bedeuten, felsenfest an 1975 zu glauben und lieber alles an den Nagel zu hängen, nur um noch eine kurze Zeit alles, aber auch alles einzusetzen. Andererseits ist doch aber Tatsache, dass die Erwartung von 1914 eine falsche WT-Prophezeiung war! Das in Wirklichkeit damals kein Harmagedon und keine Entrückung stattfand! Soll das für 1975 auch einkalkuliert werden?

Nebenbei bemerkt ist die Geschichte von diesem 87-jährigen Bruder arg verfälscht. Der "große Zusammenbruch" war keine bloße Erwartung irgendwelcher Zeugen in jenem Jahr. Der WT vertuscht die Wahrheit hier. Der WT selbst hatte im Namen Jehovas für 1914 Harmagedon, die Entrückung des Überrests und die Auferstehung der Fürsten prophezeit! 5. Mose 18:20-22.

Bedenklich ist auch, dass hier Jeremia 20:7 zitiert wird! Als habe Jehova die Schuld an diesen falschen Prophezeiungen von damals, als habe er die Brüder 1914 "betört". Warum bringt der WT hier überhaupt diesen Begriff "betört"? Das ist doch auch eine Übersetzungsfrage. Die 1914 auf Harmagedon gesetzt hatten, waren in der Tat hernach Toren, denn es kam nicht. Sie hatten alles umsonst verkauft und mussten von vorn anfangen. Es handelt sich obendrein hier um eine Falschzitierung, da Jeremia nicht im Zusammenhang mit falschen Prophezeiungen weder von Jehova noch von Jeremia selbst steht! Was soll also diese ganze bedenkliche Zitiererei im Hinblick auf das Jahr 1975?

Weder ja noch nein

Es ist auch eine Tatsache, dass die WTG zu 1975 weder ein klares Ja noch ein klares Nein sagt. Im WT vom 1. 1. 1967 antwortete WTG-Vizepräsident F. W. Franz, Brooklyn, auf die Frage nach 1975: "Es könnte das bedeuten. Doch wir sagen das nicht. Alle Dinge sind bei Gott möglich. Doch wir sagen das nicht." (S. 23) Wie ist das mit der Aufforderung zu vereinbaren, so eingestellt zu sein wie jener alte Bruder für 1914?

Es hat jedoch seinen Grund, wenn der WT solche alten "starken" Brüder heute vorstellt. Denn es liegen auch andere Alarmzeichen vor, von denen anzunehmen ist, dass sie für mehr stehen als nur für "einige" Brüder. Sonst würde der WT darüber nichts bringen. Aber das Haus fängt langsam Feuer.

"Heute beginnen einige Brüder, die schon viele Jahre in der Wahrheit sind, einen ähnlichen Geist der Unzufriedenheit zu bekunden, wie es die Israeliten zu Moses Zeiten taten. Jahrelang haben sie ihren Freunden und Bekannten gesagt, die Schlacht von Harmagedon stehe kurz bevor. Bestimmt sind sie von Zeit zu Zeit immer wieder in dieselben Häuser gegangen. … Nun sollte Harmagedon ihrer Meinung nach endlich kommen, und sie werden ungeduldig, weil Gott das Böse nicht sogleich vernichtet. Sie beginnen sich zu beklagen." WT 21/1967, S. 655.

Umfragen in den Versammlungen haben ergeben, dass es nicht nur einige Brüder sind. Es herrscht vielmehr eine große Unsicherheit, Unklarheit, Skepsis und Bedenklichkeit, und zwar überall, was 1975 betrifft. Man erinnert sich nämlich, dass der WT schon mehrmals falsche Daten angesetzt hat, wie 1914 und 1925. Die WTG ist gezwungen, dem zu begegnen.

Aber wie tut sie es? Sie versucht, wie dieses WT-Zitat "einige Brüder" betreffend zeigt, die Sache so darzustellen, als Beklagten sich die Brüder über Gott, indem sie murrten wie zur Zeit Moses. Das ist doch aber völlig abwegig!

Wer hat denn die Aufträge erteilt, immer wieder seit Jahrzehnten in die Häuser zu gehen und zu predigen, die Schlacht von Harmagedon stehe unmittelbar bevor? Gott? Nein, Gott war das nicht. Es war sein "treuer und kluger Knecht"! Es war die WTG angeblich im Auftrage Gottes! Das ist ein wesentlicher Unterschied! Könnte ein unfehlbarer Gott z. B. Verantwortlich sein für die falsche WT-Obrigkeitslehre von 1929 bis 1963, für die falschen Voraussagen von Harmagedon für 1914, 1925, den 2. Weltkrieg und für 1972? ("Die Wahrheit wird euch freimachen", Zeitrechnung. "Dein Name werde geheiligt" S. 329). Und könnte dieser Gott gebieten jetzt 1975 festzusetzen, wie es geschehen ist, und dann aber sagen lassen: "Es könnte sein, aber wir sagen das nicht?"

Die WTG möchte verhindern, dass die Brüder lernen, zwischen ihr und Gott zu unterscheiden. Denn gegen Gott wagt in der Tat nicht so schnell jemand zu murren. Darum wird alles immer wieder so hingestellt, als sei Gott für alle WT-Lehren verantwortlich. 5. Mose 18: 20-22 zeigt jedoch, dass Gott nie für die bisherigen WT-Endzeitdaten und -lehren verantwortlich war. Aber auch für 1975 ist er nicht verantwortlich. Auch dieses Datum stammt nicht von Gott. Denn der "treue und kluge Knecht" sagte deutlich im WT vom 1. 1. 1967, S. 23, mit Bezug auf 1975: "Es könnte sein, aber wir sagen das nicht", während es bekanntlich doch gesagt wurde. Der treue und wahrhaftige Zeuge Gottes, Jesus Christus, dagegen sagte: "Eure Rede sei vielmehr ja, ja, nein, nein. Jeder weitere Zusatz stammt vom Bösen!" Oder nach der NW-Übersetzung: "Euer Wort Ja bedeutet einfach Ja, euer Nein nein, denn was darüber hinausgeht, ist von dem, der böse ist!" (Bergpredigt Jesu, Matth. 5:37).

Bekanntlich wurde der westdeutsche WTG-Zweigdiener Konrad Franke, Wiesbaden, am 1. Oktober 1969 seines Dienstamtes enthoben, weil er mit Bezug auf 1975 ein klares und unzweideutiges Ja vertrat.

Wer ist nun der "treue und kluge Knecht"?

Die unbekannte Lebenszeit Adams

Aus dem Wachturm vom 1. 4. 1955, S. 233, entnehmen wir folgende Darstellung zur Lebenszeit Adams. Wie wir alle wissen, ist dies wichtig für die gesamte Zeitberechnung, denn es ist der Beginn dieser Berechnungen, auch für 1975.

Im Einzelnen wird dazu gesagt:

"Indes wäre auf Grund unserer gegenwärtigen Chronologie (die wie wir zugestehen müssen unvollkommen ist), der Herbst des Jahres 1976 im besten Fall das Ende der 6000-Jahresperiode Menschheitsgeschichte und nicht der siebenten 7000-Jahresperiode Jehovas. Warum nicht? Weil Adam nach seiner Schöpfung im letzten Teil der Schöpfungsepoche vor der siebenten Periode, vor dem Sabbat Jehovas, einige Zeit gelebt hatte. Gerade die Tatsache, dass niemand heute (da es zu Jehovas Geheimnis gehört) feststellen kann, wieviel Zeit Adam und später auch Eva während der Schlusstage der sechsten Schöpfungsepoche lebten, zeigt uns, dass auch jetzt niemand feststellen kann, wann sechstausend Jahre des heutigen Ruhetages Jehovas zu Ende kommen. Offensichtlich müsste die unbekannte Zeit, die Adam vor dem Beginn jenes siebenten Ruhetages lebte, zu dem Jahre 1976 hinzugezählt werden."

Zwölf Jahre später war diese "göttliche Wahrheit" des WT verworfen oder vergessen. Die WTG glaubte jetzt, den Begriff der unvollkommenen Chronologie dahingehend ausdeuten zu können, dass jene 6000 Jahre 1975 oder 1996/97 enden könnten, wie es im Buche "Ewiges Leben in der Freiheit der Söhne Gottes" auf den Seiten 28-30 dargelegt wird. Von der unbekannten Lebenszeit Adams, die zu 1976 hinzugezählt werden müsse, war nicht mehr die Rede. Stattdessen wurde der Ansicht Ausdruck gegeben:

"Wie passend es für Jehova Gott sein würde, diese kommende siebente Periode von tausend Jahren zu einer Sabbatperiode der Ruhe und Befreiung zu machen, zu einem großen Jubeljahrsabbat, um Freiheit auf der ganzen Erde allen ihren Bewohnern auszurufen!"

Beachte, dass gesagt wird, "wie passend es für Jehova sein würde", eine unbestimmte Möglichkeitsform. Darüber hinaus: Wie kann die WTG wissen, was Jehova passt oder nicht? Um der Vollständigkeit willen machte die WTG in einer Fußnote auch noch auf die jüdische Chronologie aufmerksam: "Folglich ist das Jahr 1960 u. Z. gleichbedeutend mit dem jüdischen Jahr 5720."

Dem Leser stehen somit gleichzeitig 3 Daten zur Verfügung, die er sich als das Ende eines 6000-jährigen "Ruhetages Jehovas" auslegen kann. Sollten sich seine Erwartungen nicht erfüllen, so besteht immerhin noch die Möglichkeit, sich auf eine angeblich noch hinzuzurechnende "unbekannte Lebenszeit Adams" zu berufen.

Ist das jedoch im Einklange mit der Bibel? Der in 1. Mose 5:4,5 aufgeführte Stammbaum von Adam bis Noah besagt: "Nachdem Adam den Seth gezeugt, lebte er noch achtzehnhundert Jahre und zeugte Söhne und Töchter. So betrug Adams ganze Lebenszeit 930 Jahre, dann starb er." Hier wird also eine ganz bestimmte Lebenszeit angegeben, was also bleibt von einer "unbekannten Lebenszeit Adams?" Wie zuverlässig ist also die ganze WT-Zeitberechnung?

WTG-Präsident J. F. Rutherford

Über die Festsetzung von Daten und Zeiten

"Jehovas Getreue wurden in ihren Erwartungen für die Jahre 1914, 1918 und 1925 enttäuscht. Später lernten die Treuen, dass sie keine Daten mehr festsetzen sollten." ("Rechtfertigung" Bd. 1, S. 332; WTG-Magdeburg 1932).

Was wahr mit dem Jahr 1925?

"Wir haben, wie zuvor dargelegt, ü b e r z e u g e n d e B e w e i s e dafür, dass die alte Ordnung der Dinge, die alte Welt, zu Ende geht und deshalb gänzlich vergehen wird, dass die neue Ordnung hereinbricht, und dass das Jahr 1925 Zeuge der Auferstehung der alttestamentlichen Überwinder und der Beginn des Wiederaufbaus der zertrümmerten Weltordnung sein wird. Und gestützt auf diese B e w e i s e ergibt sich der vernunftgemäße Schluss, dass Millionen Menschen im Jahre 1925 noch auf Erden sein werden, die, gestützt auf die Verheißungen im Worte Gottes unanfechtbar niemals sterben werden!" (Broschüre "Millionen jetzt Lebender Menschen werden niemals sterben" WTG 1920) Lies die hierzu wichtigste Schriftstelle: 5. Mose 18:20-22.

(Zeitschrift) Christliche Verantwortung
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