Kommentar zu den eingescannten CV-Ausgaben
CV 35
Erneut ist in dieser Ausgabe ein weiterer Bericht der Fortsetzungsserie von Gerhard
Peters enthalten. Wer seine Tragödie im Detail verfolgt hat, der wird wissen, dass bei
ihm eine ganze Reihe Faktoren zur gleichen Zeit zur Wirkung kamen, die sein Leiden
potenzierten. Einmal seine Eheverhältnisse. Seine durchaus anspruchsvolle Frau erachtete
es als nicht notwendig, selbst eine Berufstätigkeit auszuüben und hatte für diese
Position die volle Rückendeckung der Zeugenorganisation. Dieweil ja auf diesem Wege auch
weitere Zeit für den Predigtdienst zur Verfügung stand.
Ihr Ehemann in der permanenten
Überlastung. Streßvoller Beruf + Ansprüche der Zeugenorganisation, zuzüglich
vielleicht noch gepaart mit einer gewissen Hitzköpfigkeit in Krisensituationen,
vermasselt sich seine weiteren beruflichen Perspektiven selbst. Am Boden zerstört, glaubt
er nur durch einen Ortswechsel von West- nach Ostdeutschland eine neue berufliche
Perspektive zu finden. Seine schon vorher angeschlagene Ehe geht darüber endgültig zu
Bruch.
Als Ausgeschlossener verfemt, bemüht
wenigstens dieses Manko wieder zu beseitigen, erreicht er eine Aussprache beim damals
höchsten Zeugenfunktionär Konrad Franke. Auch die geht für ihn ungünstig aus. Dazu
Peters:
"Ich traf auch den
Versammlungsdiener von Hamborn, Bruder Kolpatzek. Ich trug meinen Wunsch vor. Er sagte, er
wolle mit Bruder Franke sprechen und mir Bescheid geben, ob er sich von mir sprechen
lassen will. Ich demütigte mich auch unter diese Überheblichkeit.
Schließlich erhielt ich Bescheid, ich
sollte sofort zu Bruder Franke kommen, er habe sich bereit erklärt, mein Anliegen
anzuhören.
In einem Vorzimmer mußte ich warten. Welche Distanz. Nach einer halben
Stunde öffnete sich die Tür, ein Bruder kam heraus und sagte, bitte schön. Ich folgte
ihm ins "Allerheiligste."
Bruder Franke saß am Schreibtisch.
Neben ihm 'stand für mich völlig unerwartet - meine Frau. Kein brüderlicher Gruß.
Nichts. Sie sind Herr Peters? Ja, sagte ich. Und was wünschen Sie? Ich erklärte ihm nun
kurz, daß ich möchte, daß meine Angelegenheit nochmals überprüft wird, weil ich der
festen Überzeugung sei, mir ist Unrecht widerfahren. Ich sei extra deswegen aus der DDR
auch zu diesem Kongress hergekommen, um ihn sprechen zu können. Ich hatte tatsächlich
DDR gesagt, und er hatte das deutlich registriert. Damit hatte ich schon politisch alles
verdorben und verloren. Für die Organisation gab es nur eine "Ostzone". Dann
sagte Franke: Ich habe Ihren Fall genauestens überprüft, und wenn ich sehe, wie Sie hier
sprechen, so erkenne ich, daß Sie nicht die geringste Demut zeigen und noch nicht das
mindeste bereut haben. Es ist unmöglich, Sie jemals wieder in die Gemeinschaft Gottes
aufzunehmen. Bitte verlassen Sie sofort das Zimmer. Ich wollte noch etwas sagen, aber er
schnitt mir jedes weitere Wort ab mit der nochmaligen Aufforderung: Bitte verlassen Sie
sofort das Zimmer. Es blieb mir nichts anderes übrig, als mich umzudrehen und zu
gehen."
Erneut am Boden zerstört, absolviert
Peters ein Jahr später (1958) die von den Zeugen Jehovas erwartete Mutprobe, über die er
in der vorigen Ausgabe bereits berichtet hat. Wahrhafttig eine tragische Geschichte. Und
einmal mehr der Beleg dafür, dass für die Zeugenorganisation der Einzelne nur
Manövriermasse ist. Bestimmt dazu, gegebenenfalls auch "verheizt" zu werden!
Ein polemischer Kommentar in dieser
Ausgabe befaßt sich auch mit der bundesrepublikanischen Liberalisierung in Sachen
Wehrersatzdienst, die bewirkte, dass der Staat zukünftig von Mehrfachverurteilungen für
den gleichen Tatbestand absehen wolle.
Dazu behauptet die CV:
"Man vergleiche nun. In den USA
gibt es überhaupt keine Möglichkeit des Wehrersatzdienstes. Wer dort als Wehrpflichtiger
den Wehrdienst verweigert, erhält bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Das Gewissen
interessiert die USA-Regierung auch in dieser Frage überhaupt nicht."
Zu dieser Aussage möchte ich doch ein
Fragezeichen hinzufügen. Dies mag Ende der 1940-er Jahre in der Tat so dort gewesen sein.
Ohne jetzt die USA-Rechtslage im Detail darlegen zu können, erscheint mir die
Generalisierung als dortiger "Dauerzustand", nicht nachweisbar. Wäre es so,
wäre die einschlägige Literatur auch voll von entsprechenden Berichten, die aber nicht
vorliegen. Daher ist meines Erachtens auch diese CV-Aussage als nicht sachgerechte Polemik
zu klassifizieren.
CV Christliche Verantwortung
Nr. 35 Gera Juni 1971
Christliche Verantwortung
Jahrgangsmäßig zusammengefasst 1971
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