Kommentar zu den eingescannten CV-Ausgaben
CV 11
Ein neuralgischer Punkt wird in der CV 11 angesprochen. Zitat: "Manche Brüder beschäftigt die Frage, wie wir die Kosten bestreiten, die uns aus dem Druck und Versand von CV erwachsen, da wir diese kostenlos zur Verfügung stellen. Die WTG hat ihre eigene Art, diese Frage zu beantworten. Um die weite Verbreitung von CV zu verunglimpfen, ließ die WTG-Leitung unter Zeugen Jehovas das Gerücht aufkommen, daß CV aus staatlichen Mitteln finanziert wird, und ähnliches mehr.
Müller unternimmt nun den misslungenen Versuch darzulegen, dass dies angeblich so nicht sei. Indes gilt es die Relationen hierbei zu beachten. Die technischen Kosten wurden ganz eindeutig staatlicherseits getragen. Daran gibt es nichts zu deuteln. Allerdings "reich" ist keiner bei der CV geworden. Müller beispielsweise, betrieb den ja nicht unbeträchtlichen Aufwand der mit der Zeitschriftenherausgabe verbunden war, als Altersrentner. Ist also für seine Auftraggeber eine verhältnismäßig billige Kraft gewesen. Einzuräumen ist allerdings, dass unter der Ägide der Nachfolger des Müller, diese Sachlage sich noch veränderte, sich "institutionalisierte". Und im übrigen: Auch die Kirchen pflegen ihre Sekten- und Weltanschauungsbeauftragten aus ihrem jeweiligen Haushalt zu finanzieren. Vielfach allerdings auch auf Mischfinanzierungsbasis. Das heißt, wo man mittels psychologischer Einwirkungsmechanismen Geldbeträge rekrutieren kann, hat man keine Bedenken zuzulangen, und auch sonstige Gebühren zu erheben, sofern sie sich am Markt durchsetzen lassen. Das ein Unternehmen wie die CV nicht ohne Geldmittel existieren kann, dürfte evident sein. Und die Auftraggeber in der DDR haben sich das auch etwas kosten lassen. Nicht übermäßig viel, wenn man die einfache Druckgestaltung (in der 0 8 15 Art) gegenüber den technischen Druckmöglichkeiten vergleicht, wie sie etwa in anderen Zeitschriftenprojekten üblich sind.
Noch ein Vergleich. Da gibt es höhere WTG-Funktionäre, die in Selters stationiert sind. Sie agieren aber zugleich auch als Vortragsredner, bei den Kongressen der Zeugen Jehovas, beispielsweise in Berlin. Anreisen tun sie mit PKW der Marke Mercedes. Nun ist einzuräumen, dass vergleichbare Funktionäre in anderen Kirchenorganisationen, sich ebenfalls dieser oder ähnlicher Auto-Nobelmarken bedienen. Der Unterschied dürfte aber darin bestehen, dass letztere ein reguläres Gehalt beziehen, dass zudem versteuert wird. Die WTG-Funktionäre hingegen behaupten kein Gehalt zu erhalten. Nur ein Taschengeld, nebst Kost und Loggie. Wie man das Kunststück fertigkriegt, mit einem Taschengeld, dass unter der 610,-- DM-Grenze liegt, einen Mercedes fahren zu können, dies wäre eine Frage die die breitere Öffentlichkeit auch mal interessieren würde. Viele jener einfachen Zeugen Jehovas, von deren Spendengelder letztendlich auch ein Herr Pohl lebt, müssen sich aber mit preiswerteren Marken begnügen. Die Krokodilstränen der Schreiberlinge im Solde der WTG erweisen sich diesbezüglich als ziemlich durchsichtig. Man vergleiche in diesem Zusammenhang auch den CV-Bericht über die "WTG-Dienstwagen" in der DDR.
Noch ein Vergleich. Der "Spiegel"
interviewte mal den Amerikaner Stevan Hassan (Autor des Buches "Ausbruch aus den
Sekten"). Hassan erhält in den USA verständlicherweise für sein Wirken keinerlei
staatliche Gelder. Er ist finanziell ganz auf sich gestellt. Und man nehme mal zur
Kenntnis, was dieser "Ausstiegsberater" so als Honorar zu kassieren pflegt. Da
ist mit einer schwindelerregenden Leichtigkeit von 10 000,- Dollar und mehr pro Fall die
Rede. Dagegen sind die Kosten der CV im Vergleich ein "Klacks".
Man vergleiche den entsprechenden SPIEGELtext
Spiegel: Herr Hassan, Sie leben davon, Menschen
zum Ausstieg aus Sekten zu bewegen. Was kostet es, Sie anzuheuern?
Hassan: Mein Tagessatz sind 1.500 Dollar, plus Flüge, Hotels und Verpflegung. Ich bringe
auch ein ehemaliges Mitglied der Gemeinschaft mit, in der sich das Sektenmitglied
aufhält. Das macht noch mal 200 bis 500 Dollar am Tag. Am Ende kommen sie auf gut 10.000
Dollar für einen Fall in Deutschland.
Spiegel: Kein schlechtes Geschäft.
Hassan: Ich kann Ihnen versichern: Reich wird dabei keiner. Wenn die Leute kein Geld
haben, arbeite ich in dringenden Fällen auch ohne Bezahlung. Und ich übernehme nur
einen, höchstens zwei Fälle im Monat, danach brauche ich mehrere Tage Erholung. Das ist
irre anstrengend.
Spiegel: Wer engagiert Sie ?
Hassan: Angehörige oder Freunde von Kultmitgliedern. Wenn sich die Sprachprobleme
bewältigen lassen, arbeite ich überall auf der Welt. Die meisten Klienten kommen aus den
USA, Deutschland, England, Luxemburg und Frankreich..
Spiegel: Können Sie Erfolg garantieren ?
Hassan: In den letzten fünf Jahren gab es nur zwei Fälle, bei denen es trotz tagelanger
Gespräche nicht geklappt hat.
Spiegel: Wie vielen Sektenmitgliedern haben Sie geholfen ?
Hassan: In 18 Jahren habe ich vielleicht 400 Fälle bearbeitet, weniger als ein Dutzend
sind in der Sekte geblieben.
Spiegel: Wie arbeiten Sie ?
Hassan: Ich bin kein Deprogrammierer. Das sind Leute, die Sektenmitglieder gewaltsam
entführen und sie in einem demütigenden Psycho-Marathon so lange bearbeiten, bis sie dem
Kult abschwören. Ich lehne das strikt ab. Ich bereite die Intervention lange vor, ich
schule die Eltern, wie sie überhaupt wieder mit ihrem Sohn oder ihrer Tochter
kommunizieren können. Wenn es dann zu einem Treffen kommt, stelle ich mich als
Ausstiegsberater vor. Ist es eine verdeckte Intervention, bin ich ein Nachbar oder Freund,
der sich viel mit Religion beschäftigt hat. Der Rest ist Erfahrung und psychologisches
Geschick.
Spiegel: Wie weit reicht die Abhängigkeit von Menschen, die einer Psycho-Sekte verfallen
sind ?
Hassan: Überzeugte Mitglieder totalitärer Gemeinschaften tun alles für ihre Gruppe -
sie töten sogar. Ein Giftgasanschlag, wie ihn die Aum-Sekte in Japan verübte, kann
überall passieren, wenn die Organisationsspitze es befiehlt. Ich war als Munie zu Dingen
bereit, die mir heute vollkommen absurd erscheinen. Mun sagte zum Beispiel, nach unserer
Machtübernahme würden wir alle Menschen umbringen, die Sex mit Personen haben, die ihnen
nicht zugewiesen wurden. Und ich sagte: "Selbstverständlich, Vater."
Spiegel: Wie bringen Sie derart umgepolte Menschen dazu, Ihnen überhaupt zuzuhören ?
Hassan: Das Sektenmitglied ist zwar ein Gefangener der Indoktrination - aber die ist nie
ganz perfekt. Ein kleines Stück der ursprünglichen Persönlichkeit ist immer übrig, und
dieses wahre ich will frei und selbstbestimmt sein. Die eigentliche Identität
anzusprechen und zu unterstützen, das ist die Kunst. Der oder die Betroffene muß wieder
Kontakt zu seinem eigentlichen Denken und Fühlen bekommen. Dabei helfen Begegnungen mit
Schlüsselfiguren aus der Vergangenheit, zum Beispiel mit alten Freunden und Vorbildern,
sowie Erinnerungen an die Kindheit.
Spiegel: Und dann schaltet das Kultmitglied irgendwann wieder um ?
Hassan: Das ist natürlich ein Prozeß. Man muß dem Menschen vor allem die Angst nehmen,
daß etwas Schreckliches passiert, wenn er seine Gruppe verläßt. Diese Phobien impfen
alle Sekten ihren Mitgliedern ein, um sie an sich zu ketten. Sie sagen, daß sie einen
Unfall haben oder Krebs kriegen werden, daß Satan sie unglücklich machen wird und sie
ohne die Gruppe gar nicht existieren können. Da hilft dann ein ehemaliges Mitglied, das
ihm gesund gegenübersteht und sagt: "Ich bin seit fünf Jahren raus, es geht mir
gut."
Spiegel: Gibt es aussichtslose Fälle ?
Hassan: Nein, nur schwierige. Zu denen zählen etwa die Scientologen, eine der
gefährlichsten Sekten überhaupt. Die trainieren systematisch Verhaltensformen, um
Kritiker einzuschüchtern.
Spiegel: Sie machen den Sekten Mitglieder abspenstig. Lassen die sich das einfach so
gefallen ?
Hassan: Sie tun alles mögliche, um es zu verhindern. Sie verleumden mich, etwa im
Fernsehen. Sie gehen zu meinen Nachbarn und sagen: "Wissen Sie, daß Sie mit einem
Kriminellen in einem Haus wohnen?" Und sie schreiben mir Briefe, daß ich bald
sterben werde.
Spiegel: Wer ist besonders anfällig, Opfer totalitärer Sekten zu werden ?
Hassan: Leute, die viel Streß haben, zum Beispiel viel reisen, sich scheiden lassen, den
Job wechseln. Die Anwerber sind psychologisch so geschult, daß jeder, der sich in so
einer Lage befindet und nichts über Bewußtseinskontrolle weiß, in den Bann einer
solchen Gruppe geraten kann. Am leichtesten zu manipulieren sind jene, die denken, ihnen
könne sowas nie passieren, und glauben, das ist nur was für Labile und Doofe.
Spiegel: Woran läßt sich erkennen, daß eine Gruppe totalitär ist ? Hassan: Testen Sie
die Grenzen: Können die Mitglieder kommen und gehen, wann sie wollen ? Dürfen alle alles
wissen oder nur ein paar Auserwählte ? Liegen die Bilanzen wirklich offen ?
Spiegel: Was können Eltern tun, die sich keinen teuren Ausstiegsberater leisten können ?
Hassan: Sie sollten eine neugierige, aber kritische Haltung zeigen und sagen: "Wir
sind Deine Eltern, wir lieben Dich, laß uns uns gemeinsam mit Deinem Glauben
beschäftigen." Sie müssen eine Beziehung aufbauen. Dann haben sie eine Chance.
Auszug aus: DER SPIEGEL-28/95-10-07.95
Es ist offensichtlich, dass der Verbotssituation
in der DDR nicht all und jeder gewachsen war. Dies soll kein Vorwurf sein, nur eine
Feststellung. Ein in dieser CV-Ausgabe abgedruckter Erlebnisbericht bestätigt auch diese
Sachlage. Daraus nur ein Zitat:
"Es war im Dezember 1962, als verschiedene Diener verhaftet wurden. Unter den
Verhafteten war auch ich. Ich sollte der V(ersammlungs)D(iener) sein, was aber nicht
stimmte. Es stellte sich aber bei der Vernehmung bald heraus, daß nicht ich es sei,
sondern die Brüder selbst, die mich angegeben hatten. Es war ein 'schönes' Zeugnis
für die Behörden, welche Liebe unter den Brüdern herrscht. Man sagte mir, sie
haben ja wirklich feine und liebe Brüder. Sie belasten sie, um sich einer Strafe zu
entziehen, das ist wirklich brüderlich gehandelt. Haben sie davon noch mehr in
ihren Reihen? Sie dagegen haben ihre Brüder noch in Schutz genommen. Wir
fanden aber bald die Wahrheit und wußten genau, wer VD und wer HVD war sowie auch alle
anderen Diener ihrer Gruppe."
Aus dem gleichen Erlebnisbericht sei auch noch ei Passus zitiert, der auf die
fünfziger Jahre (vor dem DDR-Mauerbau) bezug nimmt. Nun mag man den Berichtsschreiber
vielleicht als "Querulant" einstufen. So sicher wäre ich mir mit diesem
"flotten Urteil" allerdings nicht. Aber sicher mag er einer gewesen sein, der
aneckte. Wie auch immer. Er bringt auch eine Episode mit zum Vortrag, die von der CV in
der Sache auch anderweitig schon genannt wurde und die nach meiner Einschätzung durchaus
Glaubwürdigkeitscharakter besitzt. Sie macht zugleich das Zusammenspiel mit gewissen,
antikommunistisch orientierten staatlichen Behörden (auf westlicher Seite) mit der WTG in
den fünfziger Jahren deutlich. Der fragliche Passus lautet:
"Erst bei näheren Angaben erinnerte ich mich. Die beiden Brüder besuchten
mich im Jahre 1962. Ungefähr ein halbes Jahr vorher hatte ich einen Brief an liebe
Geschwister im Westen geschrieben. In dem Brief stand unter anderem, ob das
Ausstellen von gefälschten Ausweisen an Kreisdiener in der DDR auch noch etwas mit
Glauben zu tun hat usw. Ein Kreisdiener bei uns hatte mir dies mitgeteilt, sonst
hätte ich es gar nicht gewusst. Auf diesen Brief an die Westgeschwister habe ich
nie eine Antwort bekommen. Auch schrieben sie nie wieder. Bei dem Besuch der
beiden Brüder W. und N. wurde nun klar, daß die Geschwister diesen Brief ihrem VD in der
Gruppe V. gegeben haben, und dieser hat ihn nach Wiesbaden geschickt. Von Wiesbaden
kam nun die Anweisung an meine Gruppe, mich auf Grund des Briefes auszuschließen, denn
ich könnte ihnen gefährlich werden."
In dieser CV-Ausgabe wird auch der Fall Werner Liebig angesprochen. Dazu habe ich mich auf Seite 465 + 647 meines Buches schon geäußert.
CV Christliche Verantwortung
Informationen der Studiengruppe Christliche Verantwortung
Nr. 11 Gera Juli 1967
Christliche Verantwortung Jahrgangsmäßig zusammengefasst 1967