Der vorangegangene Jahrgang 1964

Vor (mehr) als 50 Jahren
Was 1965 Wahrheit war

Arroganz

Mittels einer Reihe von Beispielen im Jahrgang 1965 des „Wachtturms" arbeitet die WTG insbesondere den Aspekt heraus, dass Nationalismus auch Religionsähnliche Kriterien aufzuweisen vermag. Diese Feststellung isoliert betrachtet, ist sicherlich nicht zu bestreiten.

Weiter werden Beispiele geschildert, dass die WTG ihre Ansprüche als höherrangig denn als die nationalistischen Tendenzen, einiger Staaten, gewertet wissen möchte. Ergeben sich Konfliktlagen zwischen Religion und Nationalismus (und das es solche Konfliktlagen gibt ist nicht zu bestreiten), lautet das WTG-Credo, dann habe eben fallweise das Martyrium angesagt zu sein.

Dogma der WTG, ihre Ansprüche unter allem Umständen durchzuboxen, koste es was es wolle. Und diese Kosten können in der Tat hoch sein.

Wer sich dazu motivieren lässt, der diesbezüglichen WTG-Linie zu folgen, bedarf einer Stimulanz, die im Falle WTG-Religion in Sonderheit auf den Aspekt der Endzeitlehren zu hören pflegt. Genau da aber liegt der neuralgische Punkt.

Wer dieser Betörung auf Gedeih und Verderb folgt, hat sich damit faktisch selbst entmündigt, zum unselbständigen Objekt, der Interessen eiskalter Religionsmanager. Er könnte das Verfahren fallweise auch gleich dergestalt abkürzen, indem er Selbstmord beginge. Darauf (auf den symbolischen der Art), läuft es letztendlich nämlich hinaus.

Den Betörten wäre allenfalls hilfreich, wenn sie sich zu der Erkenntnis durchringen könnten, dass die eiskalten Machtansprüche der WTG-Manager, letztendlich unberechtigt sind.

Es wäre wohl zuviel zu erwarten, dass diejenigen die sich zu solcher Erkenntnis durchringen, nun zum „Bejubler" nationalistischer Ansprüche würden. Das dürfte in den allerwenigsten Fällen so sein. Ergo kann der Rat, wo solche extremen nationalistischen Ansprüche bestehen, fallweise nur im „lavieren" bestehen, um den Heißspornen auf beiden Seiten der Barrikaden, den Sauerstoff für ihre angezündeten Feuerchen möglichst zu entziehen.

Im Übrigen scheint mir, bringen die nachstehenden Zitate durchaus die sinnvollen Erkenntnisse und Ratschlage, dazu zu „Papier".

Hermann Samuel Reimarus (1694 – 1768) in: "Apologie: oder, Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes"

Derselbe Autor

„Wie? Wenn sie (die Apostel) gesagt hätten: es kann noch wohl siebzehn, achtzehn und mehr Jahrhunderte wehren, ehe Jesus zu seinem Reiche aus den Wolken wiederkommt, und die Freude derselben angeht: würde man sich nicht mit solcher Verheissung ausgelacht haben?
Würde wohl ein einziger Mensch sich zur Entäusserung alles Vermögens entschlossen haben, um seine übrige Lebenszeit in Hunger und Kummer zuzubringen, und seine eigene Nothdurft nunmehr andern aus den Händen zu sehen? Ja, würde man nicht die an sich schlecht bewehrte Auferstehung Jesu desto mehr für eine Erfindung gehalten haben, weil die Bestätigung derselben durch die Wiederkunft von Himmel, über 40, 50 Generationen oder Menschenleben, ins unendliche hinausgesetzt würde."

Auch dieses Zitat noch:

Eugen Kogon:

„Es handelt sich um ein paar "scharfkantige Diamanten" an denen man sich kräftigst schneiden kann."

Und die Lehre aus der ganzen Geschichte hat der aufmerksame Beobachter Ernst Wiechert in sein „Der Totenwald" auch in die Sätze zusammengefasst:

"Dumpfe, holzgeschnittene Gesichter hinter Brillengläsern, mit asketischen Lippen und der leisen, beschwörenden Stimme von Eiferern. Gesichter, die aus derselben Enge, derselben Not und derselben Verheißung geprägt schienen und von denen Johannes sich gut denken konnte, daß sie mit unbewegtem Antlitz zusehen würden, wie alle Ketzer auf einem langsamen Feuer in die ewige Verdammnis hinüberbrieten"

Und weiter:

„Was nun allerdings bei näherem zusehen auf dem Grunde dieser Weltanschauung lag, war so beschaffen, daß es sich jeder ernsthaften Diskussion völlig entzog. ... Man konnte sie alle achten, aber man mußte sie auch alle bedauern. Der Märtyrer, der für den Glauben stirbt, daß man nur Gras essen dürfe (im übertragenen Sinne), begibt sich des Heiligenscheins um seine Stirn."

In einem Artikel des „Wachtturms" vom 1. 1. 1965 gibt selbiger wieder mal seine Arroganz zu Protokoll in der Form eines Geschichtsrückblicks.

Der „König" (Russell) war nun tot. Und für seinen Nachfolger hieß nun die Devise, ihn in den Schatten zu drücken, auf das die Betörten, ihm als neuen König das „Hosianna" singen mögen. Ein wesentlicher Etappenstein zur Erreichung dieses Zieles, was die Herausgabe des Bandes 7 „Das vollendete Geheimnis".

1917 dann erstmals erschienen, gleichwohl inhaltlich zu einer Zeit konzipiert, in welcher bereits der Weltkrieg tobte. Da die USA selber, ebenfalls erst 1917 aktiv in den Weltkrieg mit einstiegen, trat hier das System der gegenseitig „kommunizierenden Röhren" in Erscheinung. Man schaukelte sich gegenseitig hoch.

Unfraglich verschärfte Rutherford, die Kritik an der religiösen Konkurrenz. Zwar war auch Russell schon in der Richtung aktiv, jedoch war es Rutherford vorbehalten, in der Richtung eine Zuspitzung zu forcieren.

Sieht man sich die Argumentation zeitgenössischer WTG-Gegner näher an, fällt auf, fast alle Belegstellen ihrer Kritik basieren auf Aussagen im Rutherford'schen Schrifttum.

Das mag nachfolgendes Beispiel verdeutlichen.

Auch in der Schweiz gab es mit den Nazis sympathisierende Kreise. Eine davon gab eine Zeitschrift heraus betitelt „Volksbund". Der wiederum stützte sich in hohem Maße auf den Pressedienst, betitelt „Welt-Dienst" aus Hitlerdeutschland.

Besagter „Welt-Dienst" hatte (auch) schon die Zeugen Jehovas mit hochgeschreckt, als es in der Schweiz des Jahres 1935 eine „Prozess-Komödie" um die antisemitische Hetzschrift „Protokolle der Weisen von Zion" gab. Komödie deshalb, dieweil - eigentlich im Gegensatz zu den Intentionen der Jüdischen Kultusgemeinde als Kläger - der Prozess sich zur nazistischen Propagandaveranstaltung ausweitete.

Dort verlass dann der Macher des „Welt-Dienstes", ein Oberstleutnant a. D. Ulrich Fleischhauer, mit dem Alibi „Gerichtsgutachten", eine nicht enden wollende Propagandarede, die es anschließend dann auch gar noch, als Buchausgabe gab.

http://archive.org/details/UlrichFleischhauer-DasFleischhauer-gutachten-DieEchtenProtokolleDer

Und das alles durch den vielstimmigen Chor der internationalen Presse vielfach dupliziert.

Aus der Sicht der Antisemiten machte es sogar einen gewissen Sinn, dabei noch allerlei andere vermeintliche „Judenknechte" mit zu attackieren. Angefangen von den „bösen Freimaurerbuben", über Zionismusbegünstiger. Und was letztere anbetraf, wähnte man besonders auch bei der zeitgenössischen Bibelforscherorganisation fündig geworden zu sein; denn Zionsmusbegünstiger waren diese in ihrer Frühzeit sicherlich. Angefangen von Russell's „Nahe Wiederherstellung Israels"

Russell Nahe Wiederherstellung Israels

und etlichem mehr von dieser Schiene.

Nun war in der Stadt New York, das Judentum jeher eine Macht. Was sich bezogen auf die USA als geschäftlicher Vorteil erwies, musste es nicht zwangsläufig auch im von Krieg und Inflation gebeutelten Deutschland sein. Hier dienten solcherlei Thesen, den damaligen WTG-Gegnern eher als Munition für ihre These: WTG-Religion gleich „Judenknechte".

Sachlich hält diese These mit Sicherheit keiner Prüfung stand. Aber auch das ist wahr, als emotionales Aufputschmittel erfüllte sie durchaus ihren Zweck.

Nachdem die WTG als Mit-Angegriffener sich bereits im Fleischhauer'schen „Gutachten" vorfand; setzte sich diese Linie fort. Und man erfährt dann zunehmend, auch im genannten „Volksbund", wer der eigentliche Spiritus rector der Argumentation war, die da auch gegen die Bibelforscher agitierte.

Man brauchte auch nicht übermäßig „lange" zu warten, denn schon 1936 stellte der Autor, ein Dr. Hans Jonak v. Freyenwald  seine Forschungsergebnisse in einer Buchpublikation vor.

Auch der „Volksbund" agitierte kräftig mit gegen die „Judenknechte". Dabei bekam denn die Schweizer Justiz , vordem wohl kaum über „Arbeitsmangel" klagend müssend, noch ein paar weitere Aufträge.

Einer dieser Aufträge ging dann tatsächlich noch in die Geschichte ein.

Ein strammer antikommunistischer Rußlandschweizer namens Boris Toedtli

Parsimony.23036, sollte da noch von sich reden machen. Andere Personen, einschließlich meiner, würden es eher vorziehen die Vokabel „strammer ... Rußlandschweizer" durch die Vokabel „verkrachte Existenz" zu ersetzen.

Wie auch immer, Pack sucht und findet sich. So auch in diesem Falle. Toedtli erwies sich für den in Hitlerdeutschland lebenden Fleischhauer, zunehmend als „sein Mann vor Ort" (der Schweiz), der dort seine Geschäftsführung wesentlich praktizierte.

Allerdings, das Motto: Friede, Freude und Eierkuchen, erreichte diese Geschäftssymbiose sicherlich nicht. Und der Grund letzteren Umstandes hörte auf die Vokabel: Money. In der Sicht von Toedtli floss da entschieden zu wenig Geld, für seine „Leistungen".

Immerhin, in Vorleistung trat Toedtli sicherlich. Eine solche Vorleistung war dann auch die, dass er als Ortsansässiger, Schweizer WTG-Funktionäre vor den Kadi zog. Und im Endergebnis dabei gerichtlich obsiegte.

Ob die geistige Kapazität des Toedtli und seines Anwaltes für diesen Sieg ausschlaggebend war, darf getrost - und zwar äußerst massiv - bezweifelt werden. Das Drehbuch für den tatsächlichen Sieg, schrieb der bereits genannte Dr. Jonak!

Siege sollen beflügeln, so offenbar auch in diesem Falle. Die Krönung seines Sieges hätte der Dr. Jonak sicherlich darin gesehen, wäre es ihm gelungen, ein Verbot der WTG-Organisation, nebst dem schon in Hitlerdeutschland und Danzig bereits bestehenden, auch noch analog in Österreich und der Schweiz zu erreichen. Anstrengungen in der Richtung unternahm er jedenfalls.

Welcher Argumentationskette er sich dabei bediente, mag ein im „Volksbund" veröffentlichter Artikel verdeutlichen.

Vorab schon mal die prinzipielle Feststellung. Alle von Jonak dabei bemühte Belegstellen entstammen dem Schrifttum der Rutherford-Ära. Nicht ein einziges verwandtes Zitat lässt sich indes der Russell-Ära zuordnen!

Nachdem es bereits in der Volksbund"-Ausgabe vom 30. 6. 1936 einen „Strafanzeige gegen die Internationale Vereinigung Ernster Bibelforscher" betitelten Artikel gab, welcher schon mal einleitend die Sätze enthält:

„Am 1. Juli beginnt in Bern ein Prozess, der nicht nur in der Schweiz, sondern in allen Ländern grossen Interesse begegnen wird."

Und weiter:

„In einer umfangreichen Anzeige beschuldigt Toedtli die Ernsten Bibelforscher ..."

„Umfangreiche Anzeige ..." diesen Detailsatz nochmals wiederholt. Sie war offenbar so umfangreich, das Toedtli aus diesem Verfahren, als letztendlicher Sieger hervorging.

„An Hand einer grossen Anzahl von Zitaten aus ihren Schriften ... sucht die Anzeige den Beweis zu führen, dass es den Ernsten Bibelforschern, weniger um die Verbreitung von religiösen Anschauungen, als vielmehr darum zu tun ist, die protestantische und katholische Religion als eine Lehre Satans hinzustellen, zum Abfall vom Christentum aufzufordern und die Menschheit von der Notwendigkeit eines vorgeblich von Gott selbst gewollten baldigen Weltkrieges zur Vernichtung des heutigen Christentums zu überzeugen."

Und weiter:

„Für die Angeschuldigten wird es kein leichtes Spiel sein, zumal eben erst ein Österreicher, Dr. Hans Jonak von Freyenwald eine Broschüre unter dem Titel „Die Zeugen Jehovas" (Berlin, Germania-Verlag) herausgegeben hat, in der ein geradezu erdrückendes Material über die politischen Ziele dieser amerikanischen Gesellschaft veröffentlichte."

Wie also zu lesen, schloss sich auch der „Volksbund" dieser Hochstimmung an.

Am 8. 9. 1936 gab es in diesem Blatt noch einen „Nachschlag". Diesmal meint man die Regierung der Region Basel-Stadt im besonderen belehren zu sollen.

„Offenes Schreiben an die Regierung von Basel-Stadt."

Warum sie denn noch nicht die Zeugen Jehovas verboten habe, wolle man von ihr wissen.

Nun wisse man zwar, mit Verboten sei es in Demokratien nicht immer so ganz einfach. Selbstlos wie man sei, wolle man daher besagter Regierung eine paar „Hilfen" geben.

„Wir wollen die „ernsten Bibelforscher" selber sprechen lassen. Nachstehend einige Auszüge aus ihren in ungeheuren Mengen ... verbreiteten Schriften:

„Der Katholizismus wird grosse Hure, die protestantischen Kirchen werden Hurentöchter genannt." (Schriftstudien VII, S. 534).

„Das Christentum soll durch Krieg, Revolution usw. Zur Einöde gemacht werden" (dortselbst S. 535)

„Alle Staatskirchen sollen zerstört werden" (S. 536).

„Das Betragen der Kirche ist niedriger als das eines Hurenweibes." (daselbst S. 587).

„Die christliche Religion ist der größte Humburg und die abscheulichste Heuchelei" (Licht", II, S. 107)

„Alle Herrscher der Erde sind Hurer im geistlichen Sinne" (Licht I S. 332)

„Die Christenheit ist greulichste Teil der sichtbaren Organisation Satans" („Bewahrung" S., 335)

Diese und zahllose ähnliche Äusserungen in den Druckschriften der Bibelforscher, die in Millionen Exemplaren „in die Hände des Volkes gelegt werden", ergeben den Tatbestand teils des Verbrechens der Religionsstörung, teils des Vergehens gegen die öffentliche Ordnung.

Warum, Ihr Herren Regierungsräte, duldet Ihre eine solche Sekte?

[ Redaktionelle Anmerkung zu den Zitaten von Jonak aus Band VII.

Einerseits ist feststellbar, Jonak hatte einen gewissen Standardfundus von Zitaten, der sich auch andernorts in seiner Publizistik nachweisen lässt. Allerdings hat Jonak nicht verifiziert, welcher Auflage von Band VII er zitiert. Da fangen heutzutage die Probleme an. Heutzutage ist nur die Auflage von 1925 leicht erreichbar. Nicht jedoch die vorhergehenden Auflagen. Ist man nur auf die Auflage von 1925 fixiert, wird man sich sagen lassen müssen. Dann bleiben die von der WTG klammheimlich vorgenommenen Veränderung, außerhalb des Blickradius. Siehe Schriftstudienhinweis

Es ist nicht sachgerecht, legt man nur die Auflage von 1925 als alleinigen Maßstab an. In der Vorbereitung dieses Beitrages habe ich mich erneut damit auseinandergesetzt, und wiederum feststellen müssen, manches von Jonak als wörtliches Zitat offerierte, ist in der Auflage von 1925 so wörtlich nicht nachweisbar.

Hat Jonak damit falsch zitiert? Substanziell sicherlich nicht. Aber ob er immer wörtlich zitiert hat, kann man vielleicht mit einem Fragezeichen versehen sein lassen, legt man nur die Auflage von 1925 als Maßstab an. Das frühe WTG-Schriften zu zitieren, eine undankbare Aufgabe ist, weis man übrigens nicht erst „seit heute."

Man vergleiche in der Auflage 1925, ab etwa Kapitel 16 „Des Kirchentums sieben Plagen" (S. 316f.) Das wäre in der Auflage 1918 dort die Seite 189f.

Dieser Abschnitt hat dort aber schon da eine andere Wortformulierung: „Die sieben Plagen der Geistlichkeit". Solche andere Wortumformulierungen sind auch in unzähligen anderen Fällen zu beobachten.

Erinnert werden muss auch an dem Umstand, WTG-seitig wurden dann die in der ersten (Englischsprachigen) Ausgabe noch enthaltenen Kriegsdienstgegnerischen Passagen entfernt, und sind daher in den weiteren Nachdruck-Auflagen nicht mehr enthalten. Die deutsche Auflage von 1925 basiert auf der Übersetzung einer solchen Nachdruck-Ausgabe. Hingegen die deutsche Auflage von 1918, repräsentiert nach meinem Eindruck, noch weitgehend die unzensierte erste Auflage.

Jetzt noch weiter bei der Auflage 1918 verbleibend. Dort auf Seite 212 gibt es den wörtlichen Satz

„Babylon, die große, die Mutter der Huren und der Greuel der Erde. -

Wie das Ppapsttum, die Mutter, nicht eine einzelne Person, sondern ein großes religiöses System ist, so dürfen wir in den Töchtern auch religiöse Systeme erkennen ..."

Damit ist zumindest in der Substanz die Zitat-Aussage von Jonak belegt.]

In der Nr. 2/1936 des "Volksbundes" lies Fleischhauer über dieses Medium höhnend verkünden:

"Was die angedrohte Klage des C. A. Loosli gegen Boris Toedtli anbelangt, so sieht die gesamte arische Welt dieser mit grösstem Interesse entgegen. Wir fürchten nur, dass die Klage nicht kommt." (Loosli war auch im Berner Prozeß als Gutachter tätig, nur das er eben nicht die Position des Fleischhauer, nebst Rattenschwanz, dabei vertrat.

In der Ausgabe vom 15. Juni 1937, feiert dann der "Volksbund" den formal von Toedtli errungenen Sieg über die WTG-Funktionäre Zürcher und Harbeck. Dabei fallen in dieser Selbst-Laudatio auch die Sätze:

"Arbeiten doch in den Reihen des „Welt-Dienst" die besten Forscher dieser Spezialfrage" (was dann unausgesprochen der Jonak sei).

Und weiter:

"Auf diese Anzeige hatte Fleischhauer in einer umfangreichen viele Monate währenden „Vernehmlassung" geantwortet.

Diese Vernehmlassung und das dadurch breiteren Kreisen bekannt gewordene teuflische Material hatte zwei Folgen.

Zuerst wurde im Sommer 1936 vom Kanton Luzern der internationale Bibelforscher-Kongreß verboten, 50 „Zeugen Jehovas" wurden verhaftet, verschiedene Schriften beschlagnahmt.

Die Bibelforscher fochten diese Verfügung vor Gericht an. Der vom Kanton Luzern herangezogene Rechtsanwalt Ruef hatte leichte Arbeit, da ihm das Material aus der Vernehmlassung Fleischhauers zur Verfügung stand.

Die Klage wurde abgewiesen."

Zum Toedtli-Verfahren überleitend, meint man noch mit anführen zu sollen:

"In der Folge aber stellte sich eine der Behauptungen der Bibelforscher, der Präsident Lehmann Glauben geschenkt hatte, als bedenklichste Spiegelfechterei und unerhörte Irreführung des Richters heraus.

Die Bibelforscher hatten nämlich einen Auszug aus dem Urteil des Landesgericht Wien I vom 4. 5. 1934 vorgelegt, das nach der vorgelegten Abschrift für sie günstig ausgelaufen war.

Echt Bibelforscherisch-arglistig hatten nämlich die Bibelforscher Ziffer 4 des Urteils nicht mit abgeschrieben, in der die verhetzenden Äußerungen der Bibelforscher verurteilt und als eine Herabwürdigung der gesetzlich anerkannten Religion bezeichnet wurden."

Aus der "Neuen Zürcher Zeitung" vom 1. 10. 1937, sei noch nachfolgender Passus als ergänzender Exkurs zitiert:

"Die geistige Abhängigkeit unserer Frontisten vom deutschen Nationalsozialismus ist offenkundig, daß sie nicht mehr bewiesen zu werden braucht. Aber der Schriftsteller C. A.Loosli hat seinerzeit in dem bekannten Berner Prozeß um die Zionistischen Protokolle auch von der materiellen Abhängigkeit der Fronten gesprochen, indem er sie als vom Dritten Reich "ausgehalten" bezeichnete. Wegen dieser Behauptung erhob der "Volksbund-Führer Leonhardt in Basel Klage gegen Loosli. Vor einer Woche kam der Prozeß Leonhardt contra Loosli vor der ersten Strafkammer des bernischen Obergerichts zur Verhandlung. Der Anwalt Looslis erklärte, daß er den Wahrheitsbeweis der eingeklagten Äußerung seines Klienten erbringen wolle und legte zu diesem Zwecke dem Gericht eine große Anzahl von Dokumenten vor, die gleichzeitig auch der Presse übergeben wurden.

Die belastenden Dokumente sind unterdessen in der sozialistischen Presse veröffentlicht worden. Ihre Echtheit wird von frontistischer Seite nicht bestritten."

In dem Buch von Karl Lüönd

„Spionage und Landesverrat in der Schweiz"

Band I Zürich 1977, wird die Zahl der Aktiven um jenen "Volksbund" auf etwa 400 beziffert. Das noch zur Einschätzung des "Stellenwertes"

Die Tageszeitung „Berner Tagwacht" kommentierte am 23. 8. 1937 unter der Überschrift „Die Landesverräter-Front" zum Fall Toedtli (der damit zum politisch toten Mann befördert wurde) unter anderem:

„Der Schriftsteller Loosli machte im Zionistenprozeß in Bern den Ausspruch von den "von den Nazis in allen Teilen ausgehaltenen "Fronten" in der Schweiz

Die "Fronten" fühlten sich beleidigt; gestern kam es zur ersten Prozeßverhandlung gegen den "Beleidiger" Loosli. Und da platzte die Bombe.

Loosli und sein Anwalt konnten ein so erdrückendes Beweismaterial vorlegen, daß in der Tat die Leonhardt- und "Fronten"-Brüder mit tausenden und abertausenden deutscher Märker ausgehalten werden ...

Die Rolle des Herrn Fleischhauer in der Schweiz.

So hat um nur die augenblicklich nächstliegenden Beispiele herauszunehmen - der gleiche Herr Tödtli, der im Zionistenprozeß als schweizerischer Vertreter des deutschen Berufsantisemiten Fleischhauer aufgetreten ist ... durch zwei Instanzen hin durch seinen "religiösen Frieden" gegen die dem Dritten Reiche unliebsamen Bibelforscher ausgefochten - und, leider müssen wir sagen, sogar siegreich, ausgefochten ...

In der Zwischenzeit ist Boris Toedtli, der in seiner Person ungefähr alles Vereinigte, was eine frontistische Koryphäe ausmachen konnte - er war Vertreter der Fleischhauerschen Antisemitenzentrale "Weltdienst" und Bodung-Verlag in Erfurt für die Schweiz, Mitglied der Nationalen Front und eine Zeitlang auch Gaukassier der Gauleitung Bern, früheres Mitglied des Bundes Nationalsozialistischer Eidgenossen und besaß nicht nur enge Beziehungen zu den übrigen Fronten, sondern war - last not least - auch noch stellvertretender Führer" des "Verbandes der allrussischen Fascisten", deren Hauptsitz sich in Charbin befindet - dieser Boris Tödtli, hier in Bern bis dahin Akteur oder Zuschauer jedes Fröntler-Prozesses, ist Anfang dieses Sommers von der Bundesanwaltschaft zusammen mit Fleischhauer wegen Spionage in Untersuchung gezogen worden. ...

Der Kern dieser Überraschung, aus der bei Tödtli entdeckten Dokumentensammlung sind im Grunde Bestätigungen von Dingen, die in der Oeffentlichkeit längst vermutet und behauptet wurden. Aber hier sind diese Dinge erstmals von den Beteiligten selbst schriftlich anerkannt worden. Daß sie für diese gegenseitigen Geständnisse meistens Decknamen benutzten, ist heute nutzlos geworden, da schon die Untersuchung der Bundesanwaltschaft im Spionageprozeß Tödtli diese Decknamen leicht aufklären konnte."

Man vergleiche zum Thema unter anderem auch auch die Studie von Catharina Arber:

http://www.bezg.ch/img/publikation/03_1/arber.pdf

Nach dieser geschichtlichen Reminiszenz sei zum erwähnten „Wachtturm" vom 1. 1. 1965 zurückgekehrt. Selbiger meint beklagen zu sollen, in der aufgeheizten Situation des ersten Weltkrieges, hätten auch die Konkurrenzkirchen, sich die Chance nicht entgehen lassen, auf der Basis des Bandes VII „Schriftstudien", mit am „Strick zu drehen" zu lasten der WTG. Wie das im einzelnen vonstatten gegangen sein mag, kann ja das zitierte Beispiel aus den 30er Jahren auch belegen. Und dabei erdreistet sich der WT zu der arroganten Selbstklage:

„Das war nicht nur ein Angriff auf christliche Männer, sondern ein Angriff auf das himmlische Königreich Gottes, denn diese Männer waren Gesandte des Königreiches."

Unter Bezugnahme auf eine englischsprachige Studie (Ray H. Abrams „Preachers Present Arms") meint man zu wissen. Auf der Basis der kirchlichen Kritik am Band VII „Schriftstudien" habe es dann eine konzertierte Aktion von kirchlichen Gegnern der WTG gegeben, denen es gelang, etwa Staatsanwaltschaften gegen die WTG zu instrumentalisieren.

Triumphierend meint der WT dann, diese Gegnerschaften hätten aber keinen dauerhaften Bestand gehabt. Und er meint diese Feststellung auch auf die Fälle Hitlerdeutschland und Sowjetunion, erweitert übertragen zu können.

Nun gleicht die Weltgeschichte in der Tat einer Berg- und Talfahrt. Gestern noch auf hohen Rossen - morgen eine Kugel durch den Kopf geschossen, weiß der Volksmund zu berichten. Dennoch ist es als maßlose Arroganz zu bezeichnen, wenn WTG-seitig es so dargestellt wird, als würde sich die Weltgeschichte nur um sie als selbsternannter Nabel der Welt drehen.

Ein Narr aus dem Zeugen Jehovas-Bereich, über 100 Jahre alt geworden (in dieser Zeit aber keineswegs „weise") meinte mal in einem Video-Statement, das Ende der „DDR" sei bloß deshalb eingetreten, damit noch ein „Schlusszeugnis vor dem großen Knatsch" gegeben werden könne.

Nun ist in der Tat einzuräumen, offizielle WTG-These ist das so nicht. Aber soweit entfernt von ihr sind die Obernarren in den WTG-Führungsetagen, garantiert nicht!

Erneute Kampfansage

Also tönte der „Wachtturm" vom 15. 2. 1965, und dass speziell auf Ostdeutschland bezogen:

„Die Zeugen Jehovas in Ostdeutschland mußten zuerst auf das Ende der Naziherrschaft Hitlers warten, und jetzt müssen sie das Ende der neuen totalitären Regierung abwarten, die die Naziregierung ablöste, das Ende der kommunistischen Regierung, die von dem zur Zeit von Breschnew beherrschten Sowjetrußland abhängig ist. Wie lange sie noch auf ihre Befreiung warten müssen, wissen wir nicht, aber sie sind entschlossen, zu warten, bis Jehovas sie befreit."

Auch das von der WTG sicherlich nicht geliebte Uraniabuch, spießte in seiner Diktion eigens jene WTG-Passage mit auf (S. 295).

In ihrer Diktion nimmt die WT-Ausgabe vom 1. 2. 1965 auch einen Rückblick mit vor auf den „Wachtturm"-Artikel mit dem Titel „Fürchtet euch nicht" in der deutschen WT-Ausgabe vom 1. 12. 1933. Noch 1965 jubelt also der WT über diesen Artikel aus dem Jahre 1933:

„Der 'Wachtturm'-Artikel 'Fürchtet euch nicht' stärkte den Glauben und den Mut der Königreichsverkündiger, vor allem den der Zeugen Jehovas in Nazi-Deutschland und den Ländern die damals unter die Herrschaft des Dritten Reiches kamen."

Diese 1965er Interpretation ist dann eine wohl mehr als geschönte Sicht, wie ein Blick in jenen Artikel aus dem Jahre 1933 offenbart.

Letzterer Artikel beklagt sich auch:

„In den verschiedenen Staaten, Städten, Ortschaften und andern kommunalen Verwaltungen sind Gesetze eingeführt worden, die das Hausieren mit Waren und Handelsartikeln regeln. ... Weil Jehovas Zeugen ... von den Leuten, die diese Bücher nehmen, einen Beitrag annehmen ... so beschuldigen die religiösen Vertreter Satans diese treuen Prediger des Evangeliums, daß sie 'ohne gesetzliche Erlaubnis hausierten' und lassen sie verhaften."

Ein diesbezüglicher Fall, welcher der WTG besonders „an die Nieren ging" spielte sich in Plainfield im USA-Staat New Yersey ab, worauf diese WT-Ausgabe auch besonders hinweist. Dort fand in einem von der WTG angemieteten Theater ein Vortrag Rutherfords unter Umständen statt, die letzteren dann wohl einige Nervenbeherrschung abforderte.

Dazu notiert der 33er WT:

„Bei dem erwähnten Vortrag, ohne von irgend jemand, der mit dem Vortrage zu tun hatte, eine Einladung empfangen zu haben, und ohne irgendwelche Entschuldigung oder irgendeinen Grund erschienen sechzig Polizisten in diesem Theater in Plainfield unter Führung eines höheren Polizeibeamten; und alle diese Leute, Polizisten und Geheimpolizisten waren mit schweren Revolvern und anderen tödlichen Waffen, darunter Karabiner, Maschinengewehre und sonstige Mordwerkzeugen, ausgerüstet. Sie nahmen Aufstellung auf der Bühne und überall im Gebäude und verblieben in den Stellungen während des Verlaufs des Vortrages.

Ehe der Vortrag anfing, suchten die Polizisten den Redner und andere zu Wortstreitereien zu veranlassen, indem sie ohne Zweifel hofften, eine Entschuldigung oder eine Gelegenheit zu finden, von ihren Schußwaffen Gebrauch zu machen."

Diese Episode entspricht dann wohl sicherlich nicht der „feinen englischen Art". Offenbar schlugen da „die religiösen Vertreter Satans" (Originalton „Wachtturm") in den USA auf handgreifliche Art mal zurück. Berücksichtig man namentlich den Geschäftszweig der WTG Hausierertätigkeit, von dem dieser WT-Artikel ja auch berichtete, und den Widerstand gegen selbigen, dann werden die Hintergründe schon mal deutlicher.

Als Zeitzeuge berichtet William Schnell in seinem Buch auch über die Vorgänge in Plainfield, wenn er etwa schreibt:

„Vor Beginn des Wachtturm- Feldzuges hatten die Menschen gerade damit angefangen, den Kauf von Büchern an den Türen abzulehnen. Jetzt interessierten sich viele nur deshalb wieder für diese Art Literatur, weil sie Jehovas Zeugen in ihrem Kampf unterstützen wollten.

Wie sich diese Sympathie vieler Menschen auswirkte, zeigt am besten ein Erlebnis, das ich während meiner Zeugentätigkeit in Plainfield im Staate New Jersey hatte. Ich kam gerade aus einem Haus, in dem ich zwei Bücher verkauft hatte, als ich bemerkte, daß ein Polizeiwagen langsam an den Gehweg heranfuhr. Die Beamten riefen mich an, aber ich tat so, als hätte ich nichts gehört und ging an die nächste Haustür.

Der Besitzer, der diesen Vorgang beobachtet hatte, öffnete mir, noch ehe ich an die Tür geklopft hatte. So wurde mir unaufgefordert Hilfe zuteil. Mein Retter bat mich, Platz zu nehmen, und machte kein Hehl aus seinem Arger über das Verhalten der Polizei. Er kaufte mir vier Bücher ab, dann blieb ich noch eine Stunde bei ihm, bis den Polizisten das Warten zu langweilig geworden war. Unbehindert bearbeitete ich den Rest der Straße, wobei ich noch mehr als zwanzig Bücher verkaufte. Ich hatte zahlreiche Erlebnisse dieser Art."

Dieser Bericht von Schnell zeigt dann wohl auch, dass der Versuch gegen die aggressive WTG-Tätigkeit, die Staatsgewalt zu mobilisieren, hinter dem unfraglich „die religiösen Vertreter Satans" (Originalton „Wachtturm") standen, sich als ein zweischneidiges Schwert erwies.

Dennoch muss auch auf den Verkaufsaspekt der WTG-Literatur nochmals hingewiesen werden. In anderen Staaten, namentlich in der Schweiz, wurde die WTG gerichtlich gezwungen, sich auf die Linie zurückzuziehen, keine offiziellen Verkaufspreise zu nennen; sondern nur den Hinweis, man nehme dafür Spenden entgegen. Ganz soweit gelangten die Gegner der WTG in den USA in ihren Widerstand gegen sie nicht.

Aber dieses Elbogenharte Agieren der WTG offenbart den Kern des Konflikts. Man war Lichtjahre entfernt ein „ruhiges und stilles Leben" führen zu wollen. Man suchte die Konfrontation und bekam sie auch. In den USA, ebenso wie unter variierten Rahmenbedingungen dann auch in Hitlerdeutschland und Ostdeutschland.

Siehe zum Fall Plainfield auch:

Ach so sie sind vom´Teufel.

19332 fuerchtet

Wieder zurückkehrend zur WTG-Kampfansage an den Ostdeutschen Staat.

Was lehrt die Geschichte rückblickend zu dieser Kampfansage?

Nun zum einen, das Ende des kritisierten Ostdeutschen Regimes trat erst rund 25 Jahre, nach jener provokanten Äußerung ein. Nicht etwa weil die Zeugen oder ein Jehova es so wollte, sondern primär an seinen inneren Widersprüchen dann gescheitert.

Katalysatoren diesbezüglich, etwa die Leipziger Montagsdemonstrationen, fanden ohne aktive Beteiligung der Zeugen Jehovas statt. 25 Jahre sind in politischer Dimension eine lange Zeit. Zum Beispiel doppelt so lange, wie die Zeit des Naziregimes. Also dessen Zeitspanne als Maßstab anlegend kann man sagen. Auch 1977 war das Ende des Ostdeutschen Regimes noch nicht spruchreif.

Auf dem Hamburger „Matschkongress" des Jahres 1961, hatte zwar die WTG, den Wink westlicher Geheimdienste folgend, ihre spezielle Leitungsstruktur für die Ostdeutschen Zeugen Jehovas installiert. Die hatte sich inzwischen auch etabliert. Der Ostdeutsche Staat, sah - einstweilen - noch relativ tatenlos zu. Gleichwohl war ihm sehr wohl bewusst, was sich da abspielte.

Durch Postüberwachung gelang es dem Ostdeutschen Staat, auch den tatsächlichen Leiter der Zeugen Jehovas dieser Region (damals in Dresden wohnhaft) zu lokalisieren. Es gelang auch den Geheimdienstprofis, den von Liebig nach Einweisung durch die WTG, verwandten Schlüssel seiner chiffrierten Post, zu entschlüsseln. Die Ostdeutschen Geheimdienstprofis wussten bereits, dass ist eine abgelegte Chiffriermethode, vordem von den westlichen Geheimdiensten verwandt.*)

Im Februar 1965, zum Zeitpunkt jener WTG-Kampfansage indes hielt man noch weitgehend still.

Interesse des Ostdeutschen Staates zu jener Zeit war es auch, möglichst internationale Reputation zu erlangen. Aus dieser Interessenlage, konnte die Ostdeutsche Stasi auch keineswegs so mehr agieren, wie sie es denn beispielhaft in den 1950er Jahren, gerne getan hätte. Sie musste, wollte sie Aktionen starten, bei denen voraussehbar war, die erregen aber auch internationales Aufsehen, diese sich vom SED-Politbüro erst genehmigen lassen. Um solch eine Genehmigung zu bekommen, waren selbstredend umfängliche Begründungen vonnöten.

Wie zitiert, lieferte die WTG mit ihrem „Wachtturm"-Artikel, die wesentliche Hauptbegründung, selbst frei Haus.

Die für die Kirchenpolitik verantwortlichen Ostdeutschen Apparatschicks beschlossen darauf hin.

Einen „Stapellauf" ihrer „neuen" Kirchenpolitik hatten sie bereits im Jahre 1961 absolviert.

Auch über die katholische Kirche waren die Ostdeutschen Apparatschicks nicht sonderlich glücklich. In dieser Gemengelage war es dem Ostdeutschen Staat - unter (auch) chronischem Papiermangel leidend, wert, eine damals neue Zeitschrift, sogar für den freien Publikumsverkauf, auf den Markt zu bringen. Damals betitelt „begegnung. Zeitschrift progressiver Katholiken".

Das war für Ostdeutsche Verhältnisse eine halbe Sensation.

Die von der katholischen Kirche selbst herausgegebenen Blätter „Tag des Herrn" und „St. Hedwigsblatt", gab es nur in begrenzter Auflagenhöhe (keineswegs in der Größenordnung, wie deren Redaktionen sie sich wünschten). Maximal acht Seiten Umfang hatte da beispielsweise das einmal wöchentlich erscheinende „St. Hedwigsblatt". Im eher primitiven Schwarz-weiss-Druck. Bezugsmöglichkeiten nur über den staatlichen Post-Zeitungs-Vertrieb, wobei es sogar Wartelisten gab. Das heißt die tatsächliche Auflagenhöhe reichte nicht für den realen Bedarf aus.

Nun besagte „begegnung". Dieses 32seitige Monatsblatt, hatte offenbar keinerlei Sorgen, seine Auflagenhöhe betreffend. Es konnte sogar im freien Kiosk-Verkauf erworben werden. Das war für Ostdeutsche Verhältnisse eine tatsächliche Revolution!

Nun also die Zeugen Jehovas.

Die Ostdeutschen Kirchenpolitiker beschlossen nun, auch auf diesem Felde müsse zur Gegensteuerung eine Art „begegnung" für die Zeugen Jehovas installiert werden. Zwar in diesem Falle nicht über den Post-Zeitungs-Vertrieb erhältlich. Wohl aber dann durch gezielten Versand an Zeugen Jehovas-Adresssen verbreitet. Just im Jahre 1965 ist dann auch (worüber der „Wachtturm" auch berichtet), die Freilassung der letzten drei, vom Ostdeutschen Regime zu lebenslänglichen Zuchthaus verurteilten Zeugen Jehovas, auf dem Gnadenwege erfolgt. Konnte man hoffen, vielleicht setzt jetzt eine generelle Liberalisierung der Ostdeutschen Kirchenpolitik in Sachen Zeugen Jehovas ein, so hat die WTG mit ihrer provokanten These vom Warten auf das Ende der DDR, diese Hoffnung dann selbst torpediert.

Und vom Oktober 1965 ist dann in dieser Gemengelage, auch die erste Ausgabe der diesbezüglichen Zeitschrift „Christliche Verantwortung" datiert, der weitere Ausgaben bis über das Ende der DDR hinaus, noch folgen sollten.

Die Stasi konnte also ihre Vorstellungen zum Thema, sich vom SED-Politbüro weitgehend absegnen lassen. Sie erreichte noch mehr, allen Befürchtungen zum Trotz, um die internationalen Auswirkungen, bekam sie es zugebilligt, eine (letzte) groß angelegte Zeugen Jehovas-Verhaftungsaktion, im November 1965 zu realisieren.

Ob es die so auch gegeben hätte, hätte der zitierte WT vom Februar 1965 nicht seine provokanten Thesen auf den offenen Markt geworfen, darf eher bezweifelt werden.

Einige Jahre später machte besonders Polen, in geringerem Maße auch die Tschechoslowakei, durch eine Liberalisierung ihrer Zeugen Jehovas-Politik von sich reden. In Ostdeutschland hingegen gab es solcherlei Tendenzen, bis zum buchstäblichen Ende jenes Regimes, nicht. Dort hatten bis zur buchstäblich letzten Minute, die Hardliner in der Zeugen Jehovas-Politik, das alleinige Sagen.

Die Arrorganz der zitierten WTG-Aussage trug ihre bitteren Früchte!

*) Exkurs

Übrigens, auch nicht uninteressant, was man in der Studie von Gerald Hacke „Zeugen Jehovas in der DDR" lesen kann; S. 63f.

Hacke erwähnt dort auch den Stasi-Aktenbestand der Bezirksverwaltung Dresden selbiger. Und zitiert aus diesem Aktenkonvolut auch ein Blatt 502.

Zwar setzt Hacke den Begriff „Beweis" in Anführungsstriche, und bringt so seine eigene Distanz dazu zum Ausdruck.

Wenn Hacke also diese Stasi-Interpretation sich so nicht zu eigen macht, ändert das ja nichts an dem Umstand, dass die zeitgenössische Stasi der Auffassung war, die Zeugen Jehovas würden zur chiffrierten Weiterleitung ihrer Informationen, einen „abgelegten Schlüssel des BND" benutzen.

Nun mag es in der Tat in Geheimdienstkreisen Usus sein, ihre Chiffrierungsmethoden nach einer gewissen Zeit auszuwechseln, weil sie befürchten, die Gegenseite habe die ja enttarnt, oder könnte sie enttarnen.

Dennoch dürften dann solch „abgelegte Schlüssel", kaum auf dem „offenen Markt" im Angebot sein.

Bezichtigte die Stasi also die Zeugen Jehovas, sie nutzten solch einen abgelegten Schlüssel des BND, lässt das ja durchaus tief blicken.

Wie nicht anders zu erwarten, hüllt der Zeugen Jehovas-Apologet Dirksen sich auch zu diesem Aspekt in „wohldosiertes Schweigen"!

Man vergleiche auch die Detailangabe in Christina Masuch „Doppelstaat DDR" S. 184f.

Detailzitat aus der Werner Liebig-Akte der Stasi (MfS-HA.XX/4.Nr.2338):

„Von Oktober 1961 bis August 1964 konnten 17 Informationen und 4 Monatsberichte des ... an die Zentrale in Wiesbaden dokumentarisch gesichert werden. Der Inhalt der Informationen, die unter Benutzung geheimdienstlicher Methoden übermittelt wurden, besagt, daß ... monatlich 2 - 3 Informationen bzw. Monatsberichte nach Westdeutschland sandte und ca. 2 Informationen monatlich von der Zentrale aus Wiesbaden empfängt.

Unter der Deckbezeichnung "Herr Lemmerberg" wird über die monatliche Trefftätigkeit der illegalen Leitung berichtet.

Unter der Deckbezeichnung "Philipp" Festnahmen von "Zeugen Jehova" mit Name, Tag der Festnahme.

Unter der Deckbezeichnung "Rosa" werden den "Zeugen Jehova" bekannt gewordene IM des MfS bzw. der VP oder ähnlich verdächtige "Zeugen Jehovas" an die Feindzentrale berichtet.

Unter der Deckbezeichnung "Bismarck" Haftentlassungen von "Zeugen Jehova" mit Name und Tag der Haftentlassung. Unter der Deckbezeichnung "Alex", "Ludia", "Ulrich", "Charlotte", "Johannes" und "Reinhard" werden weitere Informationen über Personen und deren Tätigkeit im Rahmen der

Organisation "Zeugen Jehova" in der DDR nach der Feindzentrale geliefert.

Es werden eine Reihe von "Zeugen Jehova" an die Zentrale zur Bestätigung durchgegeben, die für verantwortliche Funktionen in der DDR vorgesehen sind.

Bisher wurden 3 Methoden zur Übermittlung der Informationen an die Zentrale festgestellt:

1. der gesamte Ge-Text einer Information ist mit Hilfe des Wasserdruckverfahren zwischen dem Tarntext eines fingierten Briefes niedergeschrieben.

2. Der gesamte Ge-Text einer Information wird mit Hilfe von 2-3 Filmfolien, die sich unter Briefmarken von fingierten Post- und Ansichtskarten befinden, an verschiedene Deckadressen in Westdeutschland gesandt.

3. Der Inhalt einer Information (Monatsbericht) wird mit Bleistift auf die Karte unter der Briefmarke geschrieben.

Seit der Aufnahme der illegalen Tätigkeit der Leitung der Sekte in der DDR (Herbst 1961) bis zum Sommer 1963 wurden folgende Deckadressen in Westdeutschland von ... zur Übermittlung der Informationen benützt:

Hamburg

Flensburg

Frankfurt/M. ..."

„Mehr war nicht zu prüfen"

Minister Blank zieht blank!

Gelesen in einem Kommentar der (seinerzeitigen) „Anderen Zeitung" vom 1. 4. 1965

Nachdem der Kommentator einleitend erwähnt, auch das Naziregime mit seinen KZ habe den Willen von Zeugen Jehovas nicht zu brechen vermocht, setzt sich der Kommentar mit der Wertung fort:

„Es ist der Mut der Fanatiker."

Weiter zu Bundesrepublikanischen Verhältnissen überleitend, erwähnt der Kommentator:

„Zu dem Ersatzdienst beruft sie der Bundesarbeitsminister, der katholische Gewerkschaftler Theo Blank ein, und wenn sie nicht kommen, können sie für einen Monat ins Gefängnis gesteckt werden. So bestimmt es das Gesetz über den zivilen Ersatzdienst vom 13. Januar 1960."

Das perfide an der Sache sei, dass Mehrfachverurteilungen wegen desgleichen Tatbestandes möglich seien (und in der Praxis auch eingetreten seien). Namentlich gegen diese Mehrfachverurteilungen, richtete sich dann auch Widerstand aus Justizkreisen. Das Blatt zitiert dann einen Generalstaatsanwalt aus Schleswig-Holstein, der da zum System der Mehrfachverurteilungen gesagt haben soll:

„Da mache ich nicht mehr mit."

Und dem Theo Blank soll er geraten haben "Verzichten Sie auf die Einberufung nach einer ersten Bestrafung."

Er solle doch aus den jungen Jehovas keine Märtyrer machen. Aber Minister Blank ..., nun er zieht eben Blank."

Zum Abschluss meinte der Kommentator zu wissen:

„Viele Richter würden in Zukunft einen schon bestraften Bibelforscher nur für einen Tag ins Gefängnis schicken, damit die deutsche Justiz sich nicht dem Vorwurf aussetzt „unmenschliche Urteile - im Sinne der Menschenrechtskonvention - zu sprechen".

Aber damit ist jener Kommentar noch nicht abgeschlossen, denn faktisch laufe das auf die Installierung eines Sonderrechtes hinaus. Und just zu diesem Sonderrecht wird dann der nicht unbegründete Vorhalt getätigt:

„Gut, gut, ausgezeichnet! Aber wie steht es mit den Verurteilungen anderer Überzeugungstäter, z. B. ehemaligen Mitgliedern der KPD und Gegnern der Aufrüstung und der Hetze gegen den Osten, die dieserhalb im Gefängnis sitzen oder noch hineinkommen?"

Eine Hamburger Illustrierte hatte unter der Überschrift „Bestraft in alle Ewigkeit" das Thema in ihrer Ausgabe vom 21. 3. 1965 auch mit aufgenommen (worauf auch die „Andere Zeitung" mit verweist). Aus dem Kommentar des „stern" dann noch die Sätze:

„Auch in der DDR sitzen viele Anhänger der „Wachtturm"-Bewegung im Zuchthaus.

In der Schweiz werden Kriegsdienstverweigerer bei der Musterung vom Psychiater untersucht, nach dem Motto: Jemand, der nicht töten will, kann nicht normal sein. So kommen sie nicht ins Gefängnis, gelten aber als verrückt.

In der Bundesrepublik haben die Zeugen Jehovas keinerlei Schwierigkeiten als Kriegsdienstverweigerer anerkannt zu werden. Das schützt sie freilich nicht gegen eine Einberufung des Bundesarbeitsminister zum zivilen Ersatzdienst außerhalb der Bundeswehr."

Die Januar-Ausgabe 1965 der Zeitschrift „Stimme der Gemeinde" nahm die Thematik auch mit auf.

Zitiert wird mit:

„Der angeklagte Zeuge Jehovas pflegt zu erwidern, nach seiner Religion habe er seine gesamte Freizeit außerhalb der für seinen Beruf benötigten Arbeitszeit Jehova zu widmen, und jeder staatlich verordnete Zwangsdienst, gleich welcher Art, sei von Übel ..."

Bereits im Jahre 1963 hatte das Fachblatt „Neue Juristische Wochenschrift" umfänglich berichtet.

Siehe herausragend jener Fall, der vor die Schranken des Oberlandesgerichts in Bremen kam

Mysnip.157569

Dortselbst auch weitere thematische Verlinkungen.

Erneut wurde in demselben Blatt im Jahre 1965, das Thema verschiedentlich wieder aufgenommen. Etwa in einem Kommentar im Heft vom 11. 3. 1965

(Adolf Arndt: „Die Zeugen Jehovas als Prüfung unserer Gewissensfreiheit")

Darin auch die Sätze:

„Von wem feststeht, daß er ein gläubiger Bekenner dieser seltsamen Sekte ist, dem wird geglaubt werden können, daß sein Gewissen, so unbegreiflich und so verkehrt es uns vorkommen mag, ihm auch den Ersatzdienst verbietet, während es anderen normalerweise nicht geglaubt werden kann. Sollte unser Staatswesen wirklich so schwach sein, daß es von einer wunderlichen Sekte in seinen Grundfesten erschüttert würde?"

Die Ausgabe vom 29. 4. 1965 erwähnt dann eine Gerichtsentscheidung des Oberlandesgerichts Hamm.

In diesem Fall wurde in einem Verfahren gegen einen Bauarbeiter, dann das ursprüngliche Haftmaß von vier Monaten Freiheitsentzug, im Rahmen der Revisionsverhandlung in eine Geldstrafe umgewandelt.

Die „Bauchschmerzen" der urteilenden Richter kommen dann in den Sätzen zum Vorschein:

„Das darf jedoch nicht dazu führen, daß der Staat praktisch vor der Überzeugung des Rechtsbrechers kapituliert und seinen Verstoß gegen die allgemeine Rechtsordnung nur noch formell ahndet, wie es durch die Verhängung einer Geldstrafe im vorliegenden Falle jedenfalls zumindest den Anschein hat."

Ein weiterer Fall in der Ausgabe vom 5. 8. 1965, berichtet dann gar von der Verhängung eine Haftstrafe von fünf Monaten im Erstverfahren; „die er (der urteilende Richter) wegen des vom Angeklagten kundgegebenen Standpunktes, auch künftigen Einberufungsbescheiden nicht nachkommen zu wollen, und der mithin - mit Rücksicht auf den gleichen Gesetzesverstoß - mangelndem Bewährungserwartung nicht zur Bewährung ausgesetzt hat."

Lediglich als Ergebnis der Revisionsverhandlung, wurde eine Neuverhandlung - dann vor einer anderen Strafkammer - in Aussicht gestellt, über deren Ergebnis der genannte Bericht aber noch nichts mitteilt.

Gesetzt der Fall, der Angeklagte käme dann in dieser Neuverhandlung glimpflicher davon, ändert das wohl nicht viel an dem Umstand, für dieses Ergebnis, mit dem vollen auskosten der „Justizleiter hoch und runter" bezahlen zu müssen. Da mag dann der eigentliche Hauptstreitgegenstand - so gesehen - gar noch zur „Nebensache" mutieren.

Noch ein weiteres Verfahren wird in der Ausgabe vom 25. 11. 1965 erwähnt. Darin wird auch der bereits genannte Rechtsanwalt Dr. Adolf Arndt mit dem Satz zitiert:

„Es ist ein Widerspruch, die Auschwitz-Mörder strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, weil sie zugunsten willkommener Befehle zu unbedingtem Gehorsam ihr Gewissen unterdrückten, und gleichzeitig Ersatzdienstverweigerer, weil sie nach ihrem Gewissen Gott mehr als den Menschen dienen wollen, deswegen ins Gefängnis zu sperren, und zwar unbegrenzt und immer wieder, um ihr Gewissen zu brechen und darauf zu pochen, Gesetz sei Gesetz und das Gesetz komme vor dem Gewissen. Welcher Aufwand mit dem Strafrecht als einem letzten Mittel des Staates zum Schutz der Gesellschaft, nur um der Andersartigkeit einer Hand voll Sektierer Herr zu werden!"

Trotz dieser Voten, war damit die „Kuh keineswegs vom Eis". Aus den Berichten im Jahrgang 1966 dergleichen Zeitschrift sei nur einer herausgegegriffen. (27. 1. 1966 S. 165).

Darin auch der vielsagende Satz, den Bericht einer vor dem Oberlandesgericht Hamm durchgeführten Verhandlung betreffend:

„Der Angeklagte ist insgesamt mit 10 Monaten Gefängnis bestraft. Das bedeutet unter den obwaltenden Umständen noch nicht eine Verletzung seiner Menschenwürde und stellt auch noch keinen so schwerwiegenden Eingriff in seine Gewissensfreiheit dar, daß von einer Verfassungswidrigkeit der Entscheidung wegen Verletzung wesentlicher rechtsstaatlicher Grundsätze die Rede sein könnte. Mehr hat der Senat hier in dieser Hinsicht nicht zu prüfen."

Nochmals der besonders suffisante Satzteil wiederholt.

„Mehr hat der Senat hier in dieser Hinsicht nicht zu prüfen". Und dann im Kontext dazu gestellt der Kommentar des Adolf Arndt über Auschwitz-Mörder die zugunsten willkommener Befehle zu unbedingtem Gehorsam ihr Gewissen unterdrückten."

In diesem Kontext ist das „mehr sei nicht zu prüfen", der eigentliche Skandal hoch zehn!

Und jenes „mehr sei nicht zu prüfen" kennt man ja auch bis zum Überdruss, aus der KdöR-Komödie.

Der "Fall Bremen" könnte lehren, das in der Tat m e h r  zu prüfen wäre. Siehe auch: Forumsarchiv322

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