Kein Pazifist

Der „Wachtturm" vom 15. 1. 1955 verkündet:

„Jehova ist kein Pazifist, sondern er hat gemäss seinem eigenen Vorhaben gerechterweise zum Mittel des Krieges gegen die Feinde gegriffen, die gegen ihn und sein Volk Krieg geführt haben."

Und um diese These weiter zu verklären meint der WT in der gleichen Ausgabe:

„Die Kriege der treuen Zeugen aus vorchristlicher Zeit waren heilig, weil sie theokratisch waren und im Namen Jehovas der Heerscharen und auf seine Weisung, seinen Befehl hin gekämpft wurden. Der Kriegszug wahrer Christen heute, die ebenfalls Zeugen Jehovas sind, ist nicht minder heilig, denn auch er ist heilig."

Auch die 1955 erschienene WTG-Broschüre „Christenheit oder Christentum - Was ist das 'Licht der Welt'" betont ausdrücklich:

„Ein wahrer Christ ist kein Pazifist"

Weitere Beispiele, wie denn diese neuzeitliche Kriegsführung der „neuzeitlichen Zeugen Jehovas" aussehe, werden im gleichen WT-Jahrgang geliefert. Beispielsweise die Streitfrage betreffend, auf öffentlichen Straßen WTG-Literatur anzubieten. Dazu legt sich die WTG auf die Position fest, falls es diesbezüglich Komplikationen gäbe:

„In einem solchen Fall bestehen wir nicht auf dem Recht, auf den Strassen zu predigen. Die Gesellschaft entscheidet dies. Diese Taktik wird nicht durch die Brüder eines Ortes festgesetzt." (S. 151)

Letzteren Satz sollte man sich nochmals vergegenwärtigen. Es ist in der Tat so, dass „die Gesellschaft" (sprich WTG) entscheidet. Dennoch versucht man in nicht wenigen Konfliktfällen anderen Sand in die Augen zu streuen, es handele sich um „individuelle Gewissensentscheidungen". Diese „individuellen" Entscheidungen darf man getrost „Grimms Märchenbuch" zuordnen!

Symptomatisch auch der Satz (S. 169):

„Es gibt einen Spruch, der von vier Dingen sagt, sie würden nie gesättigt und kennten kein 'genug'. Manchmal mögen Zeugen Jehovas denken, wenn sie hören, wie der Versammlungsdiener den Felddienst bespricht, diese Diener hätten als fünfte Kategorie aufgeführt werden sollen, bei der es nie ein 'genug' gäbe."

Wenn schon die WTG selbst, in einer Art Ventilfunktion, dass einmal ausspricht, dann ist das zugleich auch ein Dokument für den enormen Gruppendruck, der in dieser Organisation dominierend ist.

Über eine weitere Kriegsform der neuzeitlichen Zeugen Jehovas berichtet der „Wachtturm" vom 15. 8. 1955. Er verlautbart sich mit den Worten:

„Gleichwie es religiöse Antichristen gibt, so gibt es auch politische Antichristen. Zu ihnen gehört der gottlose Kommunismus. Auch er ist einer der 'falschen Christusse', die nach Jesu Voraussage kommen und viele verführen werden. Wie denn?

Der Kommunismus ist ein Antichrist, indem er Christus und sein Königreich als rechtmässigen Herrscher und des Menschen einzige Hoffnung zu ersetzen sucht …"

Hier wird also Gegnerschaft noch metaphysisch überhöht. Wenn man an anderer Stelle im gleichen WT-Jahrgang liest (S. 70):

„Allerdings sind einige religiöse Geistliche in jenen kommunistischen Ländern eingesperrt worden, doch geschah dies nicht um der Gerechtigkeit willen. … Sie kamen wegen politischer Gründe ins Gefängnis. Sie wurden nicht eingesperrt, weil sie für Jehova Gott Zeugnis ablegten oder weil sie den Namen Jesu trugen."

Dann muss man auch diesen heuchlerischen Satz zurückweisen. Es waren sehr wohl politische Gründe, die Zeugen Jehovas in ostdeutsche Gefängnisse brachten. Heute, wo jener Staat nicht mehr besteht, hat man auch keine Skrupel mehr, sich als politische Widerstandskämpfer zu verkaufen, und dass ist für jene Organisation auch einer jener „Beweisgründe" für ihren Anspruch, dafür als KdöR belohnt werden zu wollen.

Damals indes suchte man sich einzureden; man „leide für Christus". Dieser „Christus" hat einen konkreten Namen: amerikanische Globalpolitik!

Ein weiteres Beispiel ist auch wie die WTG sich rühmt, den Widerstand der sich gegen ihre aggressiven Verkündigungsmethoden in den USA der 30er Jahre entgegenstellte, gebrochen zu haben. Dazu liest man im WT vom 15. 9. 1955:

„Damals stellten sich (in den USA) 12.600 Verkündiger freiwillig zu einem schnellen Vorsprechen im Felddienst von Haus zu Haus, einer Sondermission in Gebieten, in denen die Einwohnerschaft besonderen Widerstand leistete. Sie wurden in den Vereinigten Staaten in 78 'Divisionen' organisiert. Zehn bis 200 Autos mit je fünf Arbeitern bildeten eine 'Division'. Besondere Methoden des Zeugnisgebens wurden angewandt. Je nach der Art des Widerstandes der Geistlichkeit und Polizei, die man erwartete und der man begegnete.

Wenn Zeugen im gewöhnlichen Felddienst verhaftet wurden, wurde von nun an ein Bericht nach Brooklyn gesandt, worauf ein Aufruf erging an die nächste 'Division', sich bald danach an einem Sonntag zu einem gründlichen Zeugnis ins Treffen zu begeben und in ein bis zwei Stunden jede Wohnung der ganzen Gemeinde zu besuchen. Wann immer ein Notruf an eine 'Division' erging, sich zum Dienste zu melden, erschienen sämtliche Autogruppen an einem besonders vereinbarten Treffpunkt einige Kilometer weit von der zu 'belagernden' Stadt entfernt. Hier empfingen sie eingehende Anweisungen, und die einzelnen Autogruppen wurden ordnungsgemäß eingeteilt. Wenn die 'Heuschrecken' in diesen Gemeinden in Aktion traten, wo bürgerliche Beamte auf das Geheiß der Geistlichkeit das Königreichspredigtwerk total zu verbieten und zu unterdrücken suchten, wurden die Störenfriede durch ein Heer von Zeugen überwunden. Sie konnten nichts weiter tun, als 20 bis 30 Zeugen zu verhaften, etwa soviel, wie das Ortsgefängnis aufnehmen konnte. Auf diese Weise konnte sozusagen in jedem Haus des Gebietes, wie 'heiß' der Boden auch sein mochte, zufolge der großen Zahl der Arbeiter gepredigt werden.

Die New-Jersey-Kampffront, an der der Kampf am heißesten tobte, erforderte häufig die großen 'Divisionen' von New York und New Jersey, je 200 Autogruppen (die je tausend 'Heuschrecken' umfaßten)."

Auch William Schnell berichtet in seinem Buch über diese Dinge. Siehe dazu:

Schnell Detail

Auch für Deutschland kann man ähnliches registrieren. Beispielsweise jubelt der WT in seiner Ausgabe vom 15. 10. 1955:

„Zum Beispiel berichteten während der 'Danksagungswoche des Überrestes' vom 8. bis 16. April 1933 58.804 Arbeiter in 77 Ländern über Tätigkeit. Während dieses Feldzuges wurde die Broschüre 'Krise' verbreitet. Es ist interessant zu beachten, dass während dieser Sonderperiode Deutschland 19.268 Arbeiter meldete im Vergleich zu den 20.719 der Vereinigten Staaten. So gab es denn in diesen zwei Ländern im Jahre 1933 ungefähr gleich viel Verkündiger. Aber für diese Sonderwoche berichtete Deutschland eine Verbreitung von 2.271.630 Schriften, was jene in den Vereinigten Staaten um 877.194 Schriften übertraf und so die eifrige Verkündigung in Deutschland, gleich nachdem Hitler Diktator geworden war, zeigte. Schon vor der Zeit Hitlers war man starkem katholischen Widerstand begegnet. Zum Beispiel wurden für die Jahre 1931 und 1932 insgesamt 2.335 Rechtsfälle gemeldet, die in Deutschland wider die Zeugen hängig waren."

1955er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

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