Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Was sagte Fritz Winkler aus?


1936 war das Jahr, wo die Gestapo zurückschlug. In jenem Jahre wurden etliche führende Zeugen Jehovas verhaftet. Unter anderem auch Fritz Winkler. Von ihm räumt auch die Wachtturmgesellschaft ein, dass er Aussagen gemacht hat, die weitere Fahndungserfolge der Gestapo ermöglichten. Beispielsweise zur Veranschaulichung, die nachfolgende "Erfolgsmeldung" (Bayerisches Hauptsstaatsarchiv MA 106688)

"Leitung des Bibelforschers Winkler aufgedeckt werden. Im Zusammenhang damit wurden in Bayern eine Anzahl von Verhaftungen vorgenommen. Auf Grund der Feststellung ist erwiesen, daß die erwiesen, daß die illegalen IBV. ihren Apparat in geschickter Weise aufgebaut und Bezirksdienstleiter und Dienstleiter für ihre Zwecke aufgestellt hatten. Es bestanden eigene Postlaufstellen, Literaturanlaufstellen usw. Der Bezirksdienstleiter für Südbayern, der Bibelforscher Lehmann, der sich bereits seit April 1936 wegen verbotener Betätigung für die Bibelforscher in Haft befindet, hatte monatlich mehrere Hundert Mark eingesammelte Gelder an den Reichsdienstleiter Winkler abgeliefert. Zur Instruktion der Bezirkdienstleiter hat Winkler im ganzen Reich sogenannte Treffs wahrgenommen, bei denen er nähere Anweisungen erteilz. Die Erhebungen sind noch nicht abgeschlossen, so daß ein zusammenfassendes Bild noch nicht endgültig entworfen werden kann."

Nach 1945 gelangte ein wesentlicher Teil der Akten des vormaligen S(icherheits) D(ienst) des Reichsführers SS in sowjetische Verfügung. Später wurde ein Teil davon, an Ostdeutschland zurückgegeben. Die SD-Akten wurden jedoch von der DDR-Staatssicherheit an sich gezogen, und standen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit nicht zur Verfügung.

Nach dem November 1989 bestand für das Stasiarchivgebäude Freienwalderstr in Berlin, eine neue Situation. Zeitweiliger Dienstherr wurde nun das Bundesarchiv. Es gab dann später noch ein Hickhack mit der Gauckbehörde, wer, worüber die Verfügungsgewalt hat. Jedenfalls war Anfang der 90-er Jahre die Sachlage noch so, dass in der Freienwalderstr. die SD-Akten sich noch in dem Zustand befanden, in den ihn die Stasi versetzt hatte. Das heißt, Ihre Erschließung war wohl primär unter dem Ordnungskategorium Personennamen gestaltet worden. Nicht sosehr unter dem Kriterium, wie der SD jene Akten einstmals angelegt hatte. Anfang der 90-er Jahre hatte ich den Antrag auf Einsichtnahme der bezüglich der Zeugen Jehovas dort vorliegenden Bestände gestellt. Die nachfolgenden Zitierungen geben einige meiner Notizen aus diesem Aktenstudium wieder. Vorstehende Aussage gilt analog auch für die dortigen Aktenbestände bezüglich Erich Frost und Konrad Franke:

Freienwalderstr. ZB1-1421 (nachfolgend ohne den Hinweis Freienwalderstr)

"Berlin, den 24. August 1936

Winkler, Fritz Oswald geb. 20. 9. 98 verh. mit Agnes geb. Lange 1 Kind.

Versicherungsbeamter. Wohnung in Langenberg/Thüringen bei Vater: Oswald Winkler, Rentner. Mutter Anna Winkler, geb. Zewitsch. Ernst Schottstr. 17, Langenberg.

Ich bin Zeuge Jehovas. Seit dem Jahre 1920 besuchte ich die Veranstaltungen der Internationalen Bibelforschervereinigung. Im Jahre 1922 bin ich dort getauft worden. Von Mitte 1926 an bis Ende 1928 war ich Dienstleiter von Berlin. Von dieser Zeit an war ich bis zur Auflösung der IBV Bezirksdienstleiter von Brandenburg und Schlesien.

Innerhalb der illegalen IBV behielt ich bis zu meiner Festnahme den Bezirksdienstleiterposten für den gleichen Bezirk weiter und habe nach der Festnahme Balzereits dessen Stelle eingenommen. Ich bin bereit, die volle Wahrheit zu sagen und werde über meine Tätigkeit umfassenden Bericht erstatten.

Etwa seit Anfang 1934 habe ich für meinen Bezirk W. T.-Abschriften (Wachtturm) herstellen lassen. Von wem damals diese Anregung gekommen ist, kann ich mich nicht erinnern. Sie wurden zunächst in einer Exemplarstärke von 1000 bis 1500 Stück hergestellt durch

Blaurock, Vorname?

Buchdrucker, etwa 65 Jahre alt,

wohnhaft in Berlin-Alexandrinenstr..,

Nr. 7, Kellergeschoss.

Blaurock hat die W. T. nur etwa 2-3 mal hergestellt und dann die weitere Herstellung abgelehnt. Ich habe dann den

Nicolaus (z. S. in Haft)

mit der weiteren Herstellung betraut. Die W. T. sind letztmalig im August 1936 in einer Exemplarstärke von etwa 3000 Stück hergestellt worden. Ehe ich über die Verbreitung der W. T. nähers Angaben mache, muss ich zunächst den Aufbau meines Bezirks erklären. Kurz nach dem Verbot der IBV. kam vom Bibelhaus Magdeburg die Anregung, dass die Glaubensgeschwister weiterhin in Gruppen von 3-5 Personen zusammenkommen möchten, um sich gegenseitig zu ermuntern.

Ich wandte mich an die Dienstleiter (DL) meines Bezirkes und zwar zunächst für Berlin an:

(Er nennt dann die Dienstleiter, aufgegliedert in Bezirke, teilweise, soweit ihm bekannt mit voller Adresse. Für Berlin etwa 23 solcher Anschriften ).

(Berlin) Neukölln: Adlershof, Schöneweide.

(Berlin) Süden, Südwest: Schöneberg, Steglitz, Lichtenrade, Tempelhof, Stralau

(Berlin) Osten-Zentrum: Weissensee.

(Berlin) Nord-Ost: Pankow, Reinickendorf.

(Berlin) Norden: Moabit, Charlottenburg, Spandau, Potsdam, Wannsee, Wilmersdorf, Tegel, Lichtenberg.

Übrige Bezirke: Frankfurt/Oder, Küstrin, Landsberg, Brandenburg, Eberswalde, Hennigsdorf, Spremberg, Oranienburg.

Schlesien: Breslau, Brieg, Oppeln, Gleiwitz, Beuthen, Neissen, Glatz, Neurode, Waldenburg, Landshut, Hirschberg, Reichenbach, Schweidnitz, Striegau, Gottesberg, Fellhammer. (gleichfalls nochmal etwa 23 weitere Anschriften. (Protokoll S. 3-5))

Für Berlin wurden mir die Wege zu den einzelnen DL von den Glaubensbrüdern Kasing (z. Zeit in Haft) und Kauss, Otto, etwa 50 Jahre alt, wohnhaft Berlin-Charlottenburg, Wilmersdorferstr. 125 abgenommen. Es musste festgestellt werden, wieviel die einzelnen DL. W.T.-Abschriften für ihre Bezirke benötigten. Die DL. ausserhalb Berlins habe ich selbst erledigt. Die einzelnen Zustellungen schwankten, und ich kann mich auf die Verteilung wie folgt besinnen:

Berlin 1500 Stck.,

Frankfurt 60 Stck.,

Henningsdorf 200 Stck.,

Brandenburg 10 "

Breslau 400 "

Für ganz Schlesien, ausser Gottesberg-Fellhammer, dort erhielt Fehst oder der Hirschberger Mischok 200 bis 250 Stück. Genaue Auskunft über die Verteilung muss Kassling oder Kours geben können, die ich mit der Verteilung beauftragt hatte. Ausserdem sind in zwei Fällen etwa 500 W. T. für Sachsen durch den dortigen Bezirksdienstleiter (BDL.)

Frost, Erich, z. Zt. flüchtig,,

bestellt und vermutlich auch geliefert worden.

Sie mussten hier bestellt werden, weil in Sachsen der Abzugsapparat ermittelt und beschlagnahmt worden war. Die erste Bestellung erfolgte mündlich durch Klohe (zur Sache in Haft). die zweite wurde mir brieflich unter Chiffre A O 144, Postamt Berlin SW 11.. Ob die Lieferungen tatsächlich erfolgt sind, muss Kours (zur Sache in Haft) wissen. Wieviel W. T. den mir unterstellten Dienstleitern zugestellt worden sind, kann ich im einzelnen nicht angeben. Über diesen Punkt muss auch Kours Auskunft erteilen können.

Ausserdem wurden in meinem Bezirk Broschüren und Bücher der I.B.V. neueren Datums verteilt, die über die Grenze bei Hirschberg gebracht wurden. Über diese Stelle werde ich bei der Schilderung der Reichsverhältnisse besonders berichten. Um die Broschüren und Bücher in meinem Bezirk verteilen zu können, habe ich Lit-Anlaufstellen geschaffen. Der Hirschberger Glaubensbruder

Mischok, Paul,

(z. Zt. seit April in Hirschberg in Haft) erhielt die Literatur aus der CSR. und diesem habe ich die Anschriften der Lit-Anlaufstellen genannt. Seit etwa 1 Jahr wurden von ihm die in seiner näheren Umgebung wohnenden Glaubensgeschwister direkt beliefert und einen grossen Teil Literatur erhielt der Postschaffner a. D.

Wiesener, Ernst, etwa 35 Jahre

alt, wohnhaft in Breslau, Bahnhofstr. 30 II.

Dieser belieferte nach meiner Anweisung Schlesien. Der andere Teil erhielt für meinen Bezirk der Glaubensbruder

Kassing, Franz, (z. Zt. in Haft),

und zwar für den Berliner Bezirk und die Provinz Brandenburg.

Für die Verteilung war der Bruder Kours zuständig, Ausserhalb Berlins habe ich Kassing die Verschickung aufgegeben.

In meinem Bezirk erschien der W. T. monatlich zweimal, jedes Exemplar etwa 10 Seiten stark. Hierfür wurde auf meine Anregung von den einzelnen W.T.-Beziehern je Stück 25 Pfg. verlangt. Mittellose Geschwister erhielten die Abschriften auch kostenlos. Der W.T.-Bezieher bezahlte diesen an den Gruppenleiter, der das Geld wiederum an den Dienstleiter abführte. In Berlin haben die D.L. das Geld für die W.T.an Kours abgegeben. Im übrigen Bezirk habe ich das Geld von den D.L. persönlich entgegengenommen.

Für die neuere Literatur habe ich die Preise festgesetzt. Ein Buch kostet RM 1,50, Broschüren mit Buntdruck 20 Pfg., mit Schwarzdruck 10 Pfg., der Tagestext vom Jahrbuch (Kalenderform) 50 Pfg. Bücher, die auf dem Wege über die Grenze nach Deutschland gekommen sind, trugen folgende Titel (hier jetzt übersprungen) ...

Wieviel Broschüren und Bücher von den einzelnen Sorten an die mir unterstellten D.L. abgegeben worden sind, kann ich nicht mehr sagen. Ich habe auch keine Unterlagen darüber. Bekommen wird aber jeder etwas haben. Das Geld hierfür ging durch den gleichen Weg wie die W.T, Gelder in meine Hände.

Kurz vor dem Verbot der I.B.V. bekam ich von Magdeburg die Abweisung, dass die Lager von Büchern und Broschüren auf ein Mindestmaß zu räumen seien. Die Schriften sollten kartonweise bei Glaubensgeschwistern untergestellt werden, die sich hierzu bereit erklärten. Diese Bücher werden im Laufe der Jahre dem Volke zugängig gemacht worden sein. Es ist auch anzunehmen, dass verschiedene Glaubensgeschwister diese Bücher noch im Besitz haben. Im März 1933 habe ich im Auftrage des Leiters des Deutschen Werkes Balzereit (in angegebener Sache in Haft)

einen Lagerschuppen (Stadtbahnbogen) in der Lüneburger Str. gemietet. Von Magdeburg wurden hier kurz danach 7 Waggons Bücher untergestellt. 96000 Broschüren sind aus diesem Lager kurz vor oder nach dem Verbot verteilt worden. Aus dem Lager sind nur wenige tausend zur Verbreitung gekommen. Es werden sich z. Zt. noch etwa 300.000 Bücher am Lager befinden.

Genau wie in Berlin wurden durch den damaligen D.L.

Böhm, Willi (heute nicht mehr aktiv für die IBV tätig)

in Breslau zwei Lager eingerichtet. Wo sie sich befinden, kann ich nicht angeben; hierüber muss der Mieter der Lagerräume

Werner, Hermann, wohnhaft in Breslau, Hohenzollernstr. 15

Auskunft erteilen können.

Er ist auch derjenige, der die Miete für die Lagerräume, monatlich etwa RM 120,-- bezahlt hat. Die Gelder hierfür erhielt er durch mich. Nach meiner Meinung müssen noch etwa 50.000 Broschüren dort untergestellt sein. Die Büchermenge kann ich auch schätzungsweise nicht angeben. Wenn die Bücher bezahlt wurden, so wurde für ein gebundenes Buch 25 Pfg., ein broschürtes 10 Pfg., für die Broschüre 5 Stück 10 Pfg. genommen. Es bestand eine Anweisung Rutherford's, dass bis zu einem Buche kostenlos abgegeben werden konnte, d. h. also an Interessierte konnten sie auf diese Weise abgegeben werden. Ich habe mir verschiedene Male für meinen Bezirk Schriften von dort schicken lassen, die letzten habe ich durch den Glaubensbruder

Ziegler, Paul ( s. Sache in Haft)

vor etwa 4 Wochen dort abholen lassen. Ziegler hat hierzu seinen DKW benutzt, für den ich vorher die fälligen Steuern bezahlt habe. Es sind damals 24 Kartons - 12.000 Stück Broschüren, nach hier gebracht worden. Die Verteilung wurde durch Kours veranlasst.

Als B.D.L. habe ich über meinen Bezirk die restlose Wahrheit gesagt. Bei entstehenden Unstimmigkeiten bin ich zur Klärung bereit. Anschließend werde ich über meine Tätigkeit als Vertreter des Leiters des Deutschen Volkes umfassend Auskunft erteilen.

Kurz nach der nat. Erhebung wurde von der Leitung des Bibelhauses Magdeburg mit Schwierigkeiten für die Zeugen Jehovas gerechnet. Aus diesem Grunde wurden auch verschiedentlich Bücherniederlager eingerichtet.

Am 13. April 1933 erfolgte dann auch das erste Verbot der I.B.V. für Sachsen, Kurz danach schloss sich Bayern dem Verbot an. Durch Balzereit wurde am 25. Juni 1933 eine Hauptversammlung in Berlin einberufen. Ich war zu dieser Zeit Bezirksdienstleiter. Wir BDL aus dem Reich wurden kurz vor der großen Versammlung durch Balzereit zusammen gerufen. Uns wurde ein Brief verlesen, zudem wir unsere Zustimmung gegeben haben und der an den Führer, sowie den verschiedensten Regierungsstellen gerichtet war. Durch ihn sollte Zweck und Ziel der IBV erklärt werden. Gleichzeitig wurde um Aufhebung der Verbote in Sachsen und Bayern gebeten. Dieser Brief ist dann auch in der Hauptversammlung verlesen worden, ebenso ein Traktat mit dem gleichen, aber erweiterten Inhalt. Das Traktat ist nachher im Reich und im deutschsprachigen Ausland verbreitet worden. Zwei Tage nach der Hauptversammlung erfolgte dann das Verbot für Preußen. Nach und nach wurde das Verbot wieder etwas gelockert und das Vermögen der Gesellschaft zur Verwertung wieder freigegeben. Ausserdem durften im Bibelhaus Magdeburg Bibeln und kleinere Schriften hergestellt werden. Während dieser Zeit fanden dann auch regelmässige Besprechungen der deutschen Bezirksdienstleiter mit Balzereit im Bibelhaus statt. Wir erhielten den Auftrag, in unserem Bezirk für die Freigabe des Vermögens zu arbeiten. Es ist zum grössten Teil erreicht worden und die Abrechnung hat mit dem Bibelhaus Magdeburg stattgefunden. Durch die Auflockerung konnten wir uns wieder mit den einzelnen Dienstleitern in Verbindung setzen. Schriften wurden damals noch nicht organisatorisch in Deutschland verbreitet. Den einzelnen Glaubensgeschwistern war freigestellt, den W.T. oder das G.Z. (Goldene Zeitalter) vom Bibel-Haus Prag oder Bern zu beziehen. Damals bestanden auch noch keine Devisengesetze, so daß die Schriften einzeln durch Auslandsanweisung bezahlt werden konnten.

Anfang September 1934 hat eine Hauptversammlung in Basel stattgefunden. Zu dieser wurden durch die W.T. aufgefordert. Ich selbst habe damals nicht daran teilgenommen. Ich glaube nicht, daß dort irgendwelche organisatorischen Fragen erörtert worden sind. Ich glaube, ich hätte bestimmt davon erfahren müssen.

Im Laufe des Septembers waren wir BDL. zu einer Aussprache in Magdeburg zusammengekommen. Hier wurde uns durch Balzereit der bekannte Brief vom 7. Oktober 1934 verlesen. Er hatte etwa folgenden Inhalt:

"An die Reichsregierung.

Wir Zeugen Jehovas müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen. Aus diesem Grunde werden wir uns nach seinem Worte trotz des bestehenden Verbotes weiterhin wieder versammeln."

Der Brief trug keine persönliche Unterschrift und sollte von den einzelnen Dienstleitern abgesandt werden. Von Balzereit wurde angeregt, dass sich die einzelnen Glaubensgeschwister in Gruppen von 3-6 Personen treffen sollen. Es ist durchaus möglich, das gesagt worden ist, daß von nun an der W. T. in Abschrift erscheinen solle. Dem einzelnen BDL. wurde überlassen, wie er die W.T. herstellt und wie er hierzu die Mittel beschaffen würde. Jedenfalls war es so gedacht, daß der BDL. die ihm unterstellten Dienstleiter befragt, wieviel W.T. in dem betreffenden Bezirk benötigt werden. Dann erst sollte die regelmässige Belieferung einsetzen. Einige Tage vor dem 7. Oktober erhielten wir BDL eine Briefabschrift von Richter Rutherford, worin dieser mitteilte, daß am 7. Oktober, vormittags 9 Uhr, sämtliche Zeugen Jehovas er Erde zusammen kommen wollen, um von dem Briefe an die Reichsregierung Kenntnis zu nehmen. Es war genau beschrieben; es sollte mit einem Gebet begonnen werden und nach der Verlesung des Briefes sollten sie mit dem Zeugnisgeben beginnen. Der 7. Oktober 1934 ist also der Tag, an dem die I.B.V. wieder erstanden ist.

Wir BDL. haben versucht, die einzelnen Glaubensgeschwister mit den laufenden Ausgaben des W.T. zu beliefern. Da der W.T. in diesem Umfange nicht an jeden einzelnen Glaubensfreund geliefert werden konnte, sind in den meisten BDL.-Bezirken die Wachttürme vervielfältigt worden. Über meinen Bezirk habe ich am Anfange des Protokolls umfassend Auskunft gegeben. Wir BDL. wurden etwa alle 2 Monate nach Magdeburg eingeladen. Dort hat uns Balzereit über unsere Bezirke befragt. Hauptsächlich wurden juristische Fragen erörtert, wie und wo Werte der Gesellschaft erfaßt und verwertet werden könnten. Außerdem wurden Berichte über Verhaftungen und Schwierigkeiten entgegengenommen. Die Leitung der IBV behielt Balzereit bis zu seiner Verhaftung im Mai 1935. Seit der gleichen Zeit werde ich gesucht, wie ich heute erfahren habe. Ich bin bereit, diese Angelegenheit gleich mitzuklären.

Einige Tage vor dem Gedächtnismahl, am 17. 4. 1935, wurde mir durch die Post ein Brief zugestellt. Er enthielt weiter nichts als die Abschrift einer Verfügung des Geheimen Staatspolizeiamtes Berlin, Der Brief hat keinen gedruckten Kopf. Ich kann mich auch nicht erinnern, ob abschriftlich ein Briefkopf angegeben war. Jedenfalls enthielt er nur die Geheimverfügung des Gestapa, daß am Tage des Gedächtnismahles die Zeugen Jehovas beobachtet und überraschend zugegriffen werden solle. Der Briefumschlag trug den Poststempel Berlin, Postamt unbekannt. Ich kann mir heute noch nicht vorstellen, wer mir den Brief zugeschickt hat. Weder ich habe, noch ist mir von anderen bekannt, daß für den Brief irgendetwas bezahlt worden ist. In meinem Bezirk ist auch niemand mit einem Ansinnen auf Bezahlung an mich oder an einen Glaubensbruder herangetreten. Für mich war die Nachricht natürlich äußerst wichtig, und ich habe dafür gesorgt, daß sie in meinem Bezirk bekannt wurde. Weiterhin habe ich auch den BDL.Klapproth, z. Zt. in Strafhaft, und dem BDL. Rabe, Königsberg/Pr., persönlich in Kenntnis gesetzt. Es ist durchaus möglich, dass ich selbst das Magdeburger Bibelhaus in Kenntnis gesetzt habe, wiederum ist auch möglich, dass ich jemand mit der Nachrichtenübermittlung beauftragt habe.

Durch den Veltener Glaubensbruder

Wuntke, Hermann, Velten; Wilhelmstr. 10,

war mir zu gleicher Zeit bekannt geworden, dass das Gedächtnismahl durch die Polizei überwacht werde sollte. Wuntke hatte hiervon durch einen Veltener Polizeibeamten Kenntnis erhalten. Wie dieser hieß, weiss ich nicht und habe es überhaupt nicht erfahren. Ich weiss bestimmt, dass der Polizeibeamte hierfür keine Gegenleistung erhalten hat.

Der Brief war die Ursache, dass gegen Balzereit und Andere s. Zt. eingeschritten und sie auch wegen anderer Straftaten verurteilt wurden.

Als Balzereit in Haft war, übernahm die Reichsleitung der Bruder

Harbeck, M. C. Bern, Allmendstrasse 39, Bibelhaus,

der auch heute noch als eigentlicher Leiter der IBV in Deutschland gilt.

Ich gelte nur als ein Vertreter des Leiters, weil ich mich in Deutschland aufhalte und durch Mittelsmänner in Verbindung mit Harbeck stehe.

Etwa Mitte Mai 1935 fuhr Harbeck nach Brooklyn/USA, um dort an einer Hauptversammlung teilzunehmen. Als er im Juli 1935 zurückkam, setzte er sich mit

Dwenger, Heinrich, Bern, Allmendstr. 39, Bibelhaus in Verbindung. Durch Dwenger erhielt ich den Bescheid, dass ich als Vertreter des Leiters des Deutschen Werkes zu gelten habe. Er sagte mir, dass Harbeck wünscht, dass ich ständig mit den deutschen BDL in Verbindung bleibe. Außerdem sollte ich aus ganz Deutschland etwa alle Vierteljahre einen Bericht über den Umsatz an Literatur, über eingegangene Gelder und besonders bemerkenswerte Angelegenheiten anfertigen.

Um die Berichte in die Hände des Harbeck gelangen zu lassen, wurde ich beauftragt, diese über das Amerikanische Konsulat gehen zu lassen. Ich habe die Berichte in einem verschlossenen Briefumschlag eingelegt und diesen wiederum mit einem Umschlag versehen. Auf diesen schrieb ich:

Herrn oder Mr. Jenkins, Amerikanisches Konsulat,

Berlin W., Bellevuestraße 8,

mit der Bitte, den inliegenden Brief in Sachen Watch Tower nach Bern weiterzuleiten.

Ich nehme bestimmt an, dass die Briefe im Bibelhaus angekommen sind, denn sie sind nie reklamiert worden.

Die einzelnen BDL. Im Reiche kannte ich erstens aus der Zeit vor dem Verbot und zweitens von den Zusammenkünften im Bibelhaus in Magdeburg. Ich habe mit folgenden BDL. die Verbindung aufgenommen und bis zu meiner Festnahme diese gepflegt:

1. Schurstein, Karl, wohnhaft in Herne/Westf.., Düngelstr. 57, für Ruhrgebiet und Umgebung,

2. Ditschi, Heinrich, Bochum, Wagner-Platz 19, für Rest von Westfalen, Westhannover und Oldenburg, Bremen, Hamburg.

3. Großmann, Paul, z. Zt. in Leipzig in Haft, für Sachsen, Lausitz, Thüringen und Hof/Bayern.

4. Frost, Erich, z. Zeit flüchtig, ist von mir Anfang Juni für den verhafteten Großmann eingesetzt worden.

4. Rabe, Georg (Zahlendifferenz so im Protokoll enthalten), lebt illegal, etwa 60 Jahre alt, eigentlicher Wohnsitz bei Heidekrug im Memelland, zuständig für Ostpreussen und Hinterpommern.

5. Winkler, Fritz, bin ich selbst und habe über meinen Bezirk Auskunft gegeben.

6. Geissler, Hermann, wohnhaft in Grimmen/Sa., Schulstr. 13, zuständig für das Harzgebiet,

7. Lehman, Hans, wohnhaft in München, z. Zt. in anderer Sache in München in Haft, zuständig für Bayern.

8. Wandres, Albert, wohnhaft in Wiesbaden, lebt aber illegal, zuständig für Rheinland und Saargebiet.

9. Stichel, Ludwig, wohnhaft in Stuttgart, in der Siedlung am Nesenbach, bestimmte Strasse unbekannt, zuständig für Württemberg,

10. Zellmann, Emil, wohnhaft Berlin-Reinickendorf, Hansastr. 17, zuständig für Mecklenburg und Vorpommern, seit etwa 2 Monaten konnte er krankheitshalber seinen Posten nicht mehr ausfüllen. Ich hatte in Aussicht genommen, den in Sachsen gefährdeten Frost mit der Betreuung des Gebietes zu beauftragen und für Sachsen den

Klohe, Georg, z. Zt. in Haft

einzusetzen. Diese Umänderung sollte nach der Hauptversammlung Anfang September 1936 durchgeführt werden.

11. Franke, Konrad, wohnhaft in Mainz, Straße ist mir unbekannt, zuständig für Pfalz, Maingebiet und Baden.

12. Bauer, Gottfried, wohnhaft Fürth bei Nürnberg, seit etwa 2 Monaten in anderer Sache in Haft. Kurz danach wurde auch sein Nachfolger zuständig für Nordbayern

Glamann, Konrad, wohnhaft in Fürth, festgenommen.

13. Baer, Vornamen?, wohnhaft in Dresden, nähere Adresse unbekannt, zuständig für Osthannover, Schleswig-Holstein und Provinz Sachsen.

Die von mir vorstehend genannten BDL. sind sämtliche Bezirksdienstleiter, die innerhalb der illegalen IBV. in Deutschland tätig waren. Seit etwa einem Jahr habe ich mit diesen Leuten regelmässig monatlich einen vorher verabredeten Treff wahrgenommen. Diese Treffs waren meistens in ihrem Tätigkeitsgebiet und wurden von Fall zu Fall festgesetzt. Bei den Treffs habe ich von den BDL. die Berichte entgegengenommen, und zwar nach folgendem Muster:

1. Arbeiter, d. h. wieviel Verkünder in diesem Bezirk tätig waren.

2. Stunden, d. h. wieviel Stunden für die Tätigkeit verwandt wurden.

3. Umsatz an Bibeln, d. h. wieviel Bibeln bei der Missionsarbeit verkauft worden sind.

4. Bücher, d. h. wieviel Bücher aus der Zeit vor dem Verbot unter das Volk gebracht worden sind.

Welche Zahlen von den einzelnen BDL. angegeben worden sind, kann ich jetzt nicht mehr angeben. Auf Grund meines Notizbuches kann ich für sämtliche BDL. für die Zeit vom 16. Mai bis Juni 1936 nachfolgendes Resultat bekannt geben.

zu 1) 5 930 Arbeiter

zu 2) 38 255 Stunden.

zu 3) 962 Bibeln

zu 4) 17 260 Bücher

zu 5) 62 740 Broschüren

Etwa alle zwei Monate war von der Zentralleitung Brooklyn (USA) Dienstwochen angesetzt ... Innerhalb der Dienstwochen sollte auf der ganzen Welt, also auch in Deutschland, eine erhöhte Tätigkeit der Zeugen Jehovas stattfinden.

Die Resultate der Dienstwochen wurden mir besonders berichtet, ich habe sie aber dann in das Gesamtergebnis miteingerechnet. Bei den Treffs erhielt ich durch die einzelnen BDL. die in ihrem Bezirk eingegangenen Gelder. Diese setzen sich w. f. zusammen:

G.H.-Gelder, das sind Gelder, die innerhalb der einzelnen Gruppen von den Glaubensfreunden gespendet wurden und über den DL an den BDL. abgegeben worden sind. Sie sollten zur Weiterführung des Werkes und zur Unterstützung notleidender Geschwister verwendet werden. G. H. bedeutet "Gute Hoffnung".

Literatur-Gelder, das sind Gelder, die durch den Verkauf neuerer und alter Bücher und Broschüren, sowie der WT-Abschriften eingekommen sind.

Gelder für Sprechapparate und Vortragsschallplatten

Die Vortragsschallplatten wurden durch Klohe, z. S. in Haft, hergestellt und enthielten Vorträge von Richter Rutherford. Die Sprechapparate wurden durch Walter Hartwig, Erfurt, Pergamentgasse 10, im Auftrage der IBV. hergestellt und von mir finanziert, Die Werkzeuge hierzu und die Werkstattmiete wurden durch IBV.-Gelder gedeckt. Die Apparatur zur Herstellung der Schallplatten im Werte von etwa 8000,- RM. ist von der IBV. bezahlt worden. (Bei Klohe bereits beschlagnahmt. Dieser wird hierzu besonders gehört.)

Die Gelder wurden mir nicht spezifiziert übergeben. Ich habe Beiträge bis zu RM. 600,-- monatlich von den einzelnen BDL. entgegengenommen. Die eingesammelten Beträge habe ich bei dem Glaubensbruder

Gut, Karl, z. S. in Haft

niedergelegt. Ausgaben, die das Reichsgebiet betrafen, sind von mir aus dieser Kasse entnommen worden, z. B. Sprechplattenherstellung und Apparatebau. Die IBV. hat aus der Zeit vor dem Verbot noch einige Gläubiger in Geschwisterkreisen. Einige mir bekannte Gläubiger sind durch die eingegangenen Gelder von mir befriedigt worden, z. B.

Eopelius, wohnhaft in Berlin, Strasse u. Nr. unbekannt; zurückgezahlt RM. 500,--

Tschorchke, Vornamen unbekannt, wohnhaft Breslau-Zimpel, Siedlung ca. RM. 3500,-

Tschorchke war nicht persönlicher Gläubiger, sondern einige ihm bekannte Glaubensfreunde. Die einzelnen Adressen muss Tschorke wissen.

Der verbleibende Überschuss ist etwa alle zwei Monate, und zwar erstmalig Anfang September 1935, durch den

Eigen, Vorname unbekannt, etwa 30 Jahre alt, Schweizerischer Staatsangehöriger, wohnhaft in Bern, Näheres unbekannt,

von Berlin abgeholt worden. Er kam auf Anweisung Harbecks und hat sich mit mir in Berlin getroffen. Im Laufe der Zeit habe ich ihm einmal RM.4000,- zweimal RM. 6000,--  und letztmalig im April 1936 RM.6200,-- oder RM. 6300,-- übergeben. Die Beträge sind auf Anweisung Harbecks nach Konstanz gebracht worden. Wie und ob sie über die Grenze gekommen sind, ist mir unbekannt. Auf dem Wege über das Amerikanische Konsulat habe ich das Bibelhaus in Bern von der Übergabe der Gelder an Eigen unterrichtet.

Da Eigen seit April 1936 nicht wieder hier gewesen ist, haben sich bei mir höhere Beträfe angesammelt. Diese habe ich bei Glaubensgeschwistern untergestellt. Bei dem Bruder

Kours, z. S. in Haft RM.7.139,30

sowie zwei mir übergebene Goldfingerringe

u. b. dem Bruder Gut z. S. in Haft RM 6.760,..

zus. RM. 13.899,30

Ich selbst hatte bei meiner Festnahme RM. 260,-- IBV.-Gelder bei mir. (Die Beträge sind bereits beschlagnahmt).

Die letzte Rundreise bei den einzelnen BDL. habe ich Anfang des Monats durchgeführt. Sie müssen also schon wieder im Besitze von IBV.-Geldern sein. Der nächste Treff mit den BDL. sollte am 12. 9. 1936 hier in Berlin am Goldfischteich im Tiergarten stattfinden. Dort verwaltet ein Gruppendienstleiter Berlins, Varduhn (z. S. in Haft), die Verleihung der Gartenstühle, so das wir uns unauffällig treffen konnten. Ausserdem war bekannt, daß ich mich jeden Sonnabend in Berlin aufhalte und am Goldfischteich zu treffen bin. Bei Varduhn wohnte die Glaubensschwester

Mesch, Hildegard, z. S. in Haft

die mir die unter der Chiffre A O 144, Postamt Berlin SW 11, ankommenden Postsachen abholte und übermittelte. Teilweise hat sie diese auch auf meine Anweisung beantwortet. (Diese Postanlaufstelle wird von der Stapo Berlin bereits schon länger überwacht). Im allgemeinen wurden an diese Stelle von den BDL. Bibelbestellungen aufgegeben. Die Bibelbestellungen hat die Mesch gleich bei der Britischen und Ausländischen Bibelgesellschaft, Berlin, Bernburger Str. 31, selbst erledigen oder erledigen lassen. Die Bibeln sind bei der Bestellung gleich bezahlt worden. Ich hatte zu diesem Zwecke der Mesch einen Betrag von ungefähr RM. 100,-- überlassen und sobald dieser Vergriffen war, erhielt sie weiteres Geld. Die Bücher sind von der Gesellschaft direkt an den Besteller gesandt worden.

Etwa Ende März 1936 sagte mir der

Ruhnau (Raunau), Vorname und Strasse unbekannt, wohnhaft in Danzig,

das er im Auftrage Harbecks die Bereisung der BDL. einmal übernehmen soll. Um mich zu erreichen, hatte er sich damals an Kours gewandt und mit ihm einen festen Treff verabredet.

Wie ich schon erwähnt habe, waren die Treffs mit den einzelnen BDL, vorher festgesetzt. Sie fanden regelmässig am Sonnabend, Sonntag und Montag bezw. Dienstag statt. Die Tage waren nicht bestimmt festgesetzt, wie z. B. Sonnabend nach dem 1. oder 20. usw. Ich habe Ruhnau informiert, dass er am

Sonnabend, 21 Uhr, im Wartesaal des Hauptbahnhofes Hannover die BDL. Ditschi, Geissler und Baer,

Sonntag, 6,30 Uhr im Wartesaal 1. u. 2. Klasse des Hauptbahnhofes Köln die BDL. Wandres, Schurstein,

Sonntag, 16 Uhr in Stuttgart, Hindenburgbau gegenüber dem Bahnhof die BDL. Franke, Stichel, Lehmann und Bauer,

Montag oder Dienstag;

etwa 10 Uhr vorm in Berlin in der Wohnung von Gut oder am Goldfischteich die BDL, Zellmann, Rabe, Grossmann - nach dessen Festnahme Frost - und mich treffen könne.

Ruhnau hat die Treffs mit den einzelnen BDL. nur einmal wahrgenommen. Dann erhielt er durch Harbeck den Auftrag, als Verbindungsmann zwischen mir und Harbeck tätig zu sein. Harbeck schrieb seine Wünsche an Rubau (falsche Schreibweise) in Danzig, da die polnische Post keiner Kontrolle unterliegt. Rubau kam in der Folgezeit dann zu den Treffs mit den BDL in Berlin. Hier erhielt ich von ihm die Informationen, die ich dann noch an die anderen BDL weitergeleitet habe. Geld habe ich ihm nie mitgegeben. Ich kann mich noch auf folgende Informationen entsinnen, die ich erhalten und weitergegeben habe:

I. Betrifft die Hauptversammlung in Bern vom 4. bis 7. 9. 1936. Das Programm war im Einzelnen bekannt gegeben. Es sollte am Freitag Mittag beginnen und am Montag Abend nach einem gemeinsamen Ausflug schliessen. Ausserdem wurde gewünscht, daß im Groben festgestellt werden möchte, wieviel reichsdeutsche Glaubensgeschwister an der Hauptversammlung teilnehmen. Nach meiner Meinung werden etwa 200 deutsche Glaubensgeschwister nach dort fahren. Zur Überwindung der Devisenschwierigkeiten war folgendes gedacht:

In Deutschland sollten Kupons hergestellt werden mit dem Aufdruck 1 und 1/2. Diese Kupons habe ich durch den W. T.-Hersteller für meinen Bezirk

Nicolaus, z. S. in Haft

herstellen lassen. Die mit 1 aufgedruckten Kupons konnten von den deutschen Glaubensgeschwistern das Stück für RM.10,-- gekauft werden, währendem die mit 1/2 aufgedruckten Kupons für RM. 5,-- gekauft werden konnten. Die Kupons sollten mit über die Grenze genommen werden und dort gegen Schweizer Franken eingetauscht werden. Ich habe für RM. 10000,-- Kupons für RM.10,-- und für RM. 5000,- Kupons für RM. 5,-- herstellen lassen. Diese Kupons sind an die BDL. abgegeben und zum Teil verkauft worden. Ich habe bisher für etwa 750,-- Kupongelder entgegengenommen.

Dieser Weg der Geldübermittlung wurde illusorisch durch die Massnahmen der Deutschen Reichsregierung vom 15.  Juli 1936, betr. den Zahlungsverkehr mit der Schweiz. Danach kann jeder, der nach der Schweiz reist, bei den einzelnen Reisebüros einen Reisescheck bis zu einem Betrage von RM. 500,-- kaufen, der dann in der Schweiz gegen dortiges Geld eingetauscht wird. Diesen Weg werden auch viele Glaubensgeschwister einhalten.

II. Betr. den Prozess Fleischhauer gegen die IBV. Am 1. August 1936 trat ich wieder eine Rundreise zu den Treffs mit den BDL. an: Als ich von Berlin wegfuhr, traf mich Rubau am Bahnhof. Er übergab mir einen Zettel, auf dem folgende Punkte standen:

I. Verhaftungen, Misshandlungen oder Entlassungen wegen Verweigerung des Grusses, sofern es sich nicht um Beamte handelt.

II. Berichte, wo J.Z. schwer mißhandelt oder getötet worden sind, keine rechte Kost erhielten und an solchen Folgen starben oder sich infolge schlechter Behandlung das Leben nehmen. (J.Z. heisst Jehovas Zeugen).

III. Broschüre gegen Fleischhauer beschaffen.

IV. Wo sind in Fabriken Drohungen wegen Nichtwahl oder Grussverweigerung angeschlagen worden?

V. Aussprüche gegen die Regierung von Namenchristen.

Zum letzten Punkt sollten Zeitungsausschnitte verwendet werden.

Diese Berichte müssten sehr schnell gesammelt werden, und ich habe bei den einzelnen BDL. hinterlassen, dass 8 Tage später Rubau auf gleichem Wege die fertigen Berichte entgegennimmt.

Ich habe aus meinem Bezirk nur von Berlin Berichte entgegengenommen, es werden etwa 20 Antworten auf die Fragen erfolgt sein. Ich konnte nur über Entlassungen wegen Verweigerung des deutschen Grusses und über einige Fälle von Mißhandlungen berichten. Eine Broschüre des Pfarrers Bunzel, Breslau habe ich durch den Glaubensbruder

Nawroth, Artur, wohnhaft in Breslau,

Heinzelweg 4, (Dienstleiter von Brieg)

erhalten. Sie konnte zu Punkt 5) verwendet werden.

Rubau ist nach der Rundreise zu den einzelnen BDL. gleich nach der Schweiz gefahren und hat diese Berichte mitgenommen. 

Der Prozess gegen Fleischhauer findet am 26. 8. 1936 in der Schweiz statt.

Fleischhauer ist wahrscheinlich ein deutscher Arzt (hier irrt Winkler) aus Erfurt, gegen den die IBV und er gegen diese Beleidigungsklage angestrengt hat. Die monatlichen Umsatzberichte, Arbeiter, Stunden, Bibeln, Bücher und Broschüren hat er in den anderen Fällen entgegengenommen und von Danzig aus das Bibelhaus Bern brieflich davon unterrichtet. Der nächste Treff mit Rubau sollte am 12. 9., nachmittags 2 Uhr, am Goldfischteich im Tiergarten sein.

Innerhalb der illegalen IBV. erschien als Informationsmaterial der Bericht mit der Tätigkeit im Jahre 1935. Ich hatte hierzu ein Originaljahrbuch vom Jahre 1935. Dieses habe ich durch den Nikolaus, z. S. in Haft, in einer Exemplarstärke von 1000 Stück herstellen lassen. Es umfasst 84 doppelt beschriebene Schreibmaschinenseiten. Die auf Seite 12 enthaltenen Verhaltungsmassregeln vor der Polizei sind in dem Original-Jahrbuch nicht enthalten. Ich hatte mich vorher mit einigen BDL. Deutschlands, z. B. Grossmann, darüber ausgesprochen und die nachstehend wiedergegebenen Verhaltensmassregeln eingefügt:

"Allgemeines:

Grundsätzlich trägt jeder seine eigene Verantwortung vor dem Herrn! Wie zahlreiche Fälle bewiesen haben, verhalten sich aber Geschwister in Dingen der Welt oft so, daß sie sich und die mitleidenden Geschwister in unnötige Schwierigkeiten bringen, ohne jeden Nutzen für das Werk des Herrn: Die Rechtfertigung des Namens Jehovas und seines Christus! Solche Fälle nutzt dann aber leicht Satan, der Widersacher, aus, um die Beurteilung der Zeugen Jehovas seitens der Welt in unrichtigem Sinne zu beinflussen und damit das Werk des Herrn zu verunehren: Wir glauben daher, ohne irgend jemanden Vorschriften machen zu wollen, und daß sich jemand dadurch gebunden fühlen soll, nachfolgende Punkte den Geschwistern anempfehlen zu können.

1. Nach dem Gesetz braucht sich niemand selbst zu beschuldigen. Er braucht also in allen Dingen, durch die er sich selbst belasten würde, keine Auskunft geben. Die Anklagebehörde hat die Pflicht, den Beweis für ihre Behauptungen anzutreten. Jeder prüfe vorher genau, was er sagt, denn es ist nicht gut, Aussagen berichtigen zu müssen. Nicht zur Sache gehörige Fragen, z. B.: "Wie ist Ihre Einstellung zum Wehrgesetz oder zum Wahlrecht?" können zurückgewiesen bezw. brauchen nicht beantwortet zu werden. Niemand ist verpflichtet, denen, die das Werk des Herrn bekämpfen, geradezu die Waffen in die Hand zu geben. Auch der Herr lehnte es ab, Auskünfte über seine Lehre und seine Jünger seinen Anklägern zu geben, sondern forderte die Ankläger auf, die Zeugen zu befragen (John. 18:19-21). Wiederholt schwieg der Herr auf Anklagen (Matth. 27:12; Luk. 23; 9 u. a.). Daher ist es ratsam, von dem Bekenntnis zu dem sich jeder Zeuge Jehovas getrieben fühlt, abgesehen - über die Dinge der Wahrheit den Anklägern keine Auskünfte zu geben, sondern lieber zu schweigen als etwas zu sagen. Jeder hüte sich, ein Judas zu sein! Nenne unter keinen Umständen Namen seiner Geschwister. Vielmehr sei jeder durch sein Verhalten ein lebendiges Zeugnis zur Ehre des Herrn. Niemand, der wegen der Wahrheit angeklagt ist, ist schuldig! Denn Gott allein ist Richter und er verurteilt nicht die, welche durch das Verdienst des Herrn Jesus unter den Mantel der Gerechtigkeit gebracht sind. Darum ist jeder berechtigt, zu Protokoll zu geben: "Ich bin mir keiner Schuld oder strafbaren Handlung bewusst!" Der Herr ist mit uns! Eine Verurteilung durch die Welt um seines Namens willen erfüllt die Nachfolger des Herrn mit Freude (Kol. 1:24; 1. Petr. 3:14)."

Die tausend Abschriften habe ich an die einzelnen BDL weitergegeben, die wieder dafür sorgten, dass sie innerhalb des Bezirkes unter den Geschwistern kursierten.

In dem bei mir gefundenen Notizbuch sind veschiedene Lit-Anlaufstellen im Reiche genannt. An diese sind Bücher und Broschüren geschickt worden bezw. sollten geschickt werden. Die Verschickung sollte teils durch Kassing und teils durch Mischock, Hirschberg, durchgeführt werden.

Nachstehend die Lit-Anlaufstellen

Für den Bezirksdienstleiter Ditschi:

H. Schemel, Vloto a/W. Hohlwiesen 30,

für diese Adresse waren bestellt: 500 Bücher Jehova, 1000 Broschüren "Seine Rache",

1000 " "Weltwiederaufbau",.

1000 " "Seine Werke",

1000 " "Begünstigtes Volk"

M. Schmidt, Bremen, Achimerstr. 41

Für diese Adresse waren bestellt:

je 250 Bücher

je 1000 Broschüren (per Post)

Für den Bezirksdienstleiter Rabe:

Willi Hoppe, Autohandlung, Stolp/Pommern, Hospitalstr. 23

für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Jehova"

je 75 Broschüren "Seine Werke" und "Weltwiederaufbau"

Fritz Böhnke, Sensburg/Ostpr., Herm. Göringstr. 29

für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Jehova" und

je 75 Broschüren "Seine Werke" und "Weltwiederaufbau".

Janowski, Fleischermeister, Marienwerder/Westpr., Töpfergasse

für diese Adresse waren bestellt:

20 Bücher "Jehova" und

je 40 Broschüren "Weltwiederaufbau" und "Seine Werke";

für den Bezirksdienstleiter Winkler:

Berger, Johannes, Frankfurt/Oder, Bossmarkt 21, bahnlagernd,

Für diese Adresse waren bestellt:

5 Bücher "Jehova", 100 Bücher "Reichtum",

je 250 Broschüren "Seine Rache" u. "Begünstigtes Volk",

Klohe, Georg, Hennigsdorf, Voötastr. 9,

Für diese Adresse waren bestellt

20 Bücher "Jehova",

150 Bücher "Reichtum",

300 Broschüren "Seine Rache"

60 Broschüren "Begünstigtes Volk"

Windolf, Bernhard, Fürstenwalde, Weinberge,

Für diese Adresse waren bestellt:

20 Bücher "Reichtum",

50 Broschüren "Begünstigtes Volk",

50 Broschüren "Seine Rache".

Lydia-Reformhaus J. Bogatz, Burg/bei Magdeburg.

Für diese Adresse waren bestellt:

2 Bücher "Jehova"

je 5 Broschüren "Seine Werke", "Weltwiederaufbau", "Seine Rache", "Begünstigtes Volk";

Schulz, August, Striegau/Schles., Bahnhofstr. 7, Haus d. Arbeitsamtes.

Für diese Adresse waren bestellt:

je 250 Broschüren "Seine Rache" und "Begünstigtes Volk".

Leder, Paul, Gärtner, Schwidnitz/Schles.., Richthofenstr. 7a

Für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Reichtum",

100 Broschüren "Seine Rache"

Kretschmer, Fritz, Breslau, Marthastr. 6, bahnlagernd, Breslau-Ost.

1000 Broschüren "Seine Rache".

Rau, Theodor, Wildau b. Berlin, Schwartkopfstr. 72,

Für diese Adresse waren bestellt:

30 Bücher "Reichtum"

70 Broschüren "Seine Rache".

Für den Bezirksleiter Gei8ler:

Diesel, Robert, Posneck/Thür., Johannisstr. 9.

Für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Reichtum",

125 Broschüren "Seine Rache".

125 Broschüren "Begünstigtes Volk".

Doberanz, Hermann, Püßneck/Thür., Am Friedhof 3.

Für diese Adresse waren bestellt:

60 Bücher "Reichtum",

125 Broschüren "Seine Rache",

125 Broschüren "Begünstigtes Volk".

Für den Bezirksdienstleiter Zellmann:

Drammburg, Marga, Stettin, Heinrichstr. 45/III.

Wieviel für diese Anschrift geliefert werden sollten, ist nicht bekannt.

Lange, Wilheln, Reformhaus, Güstrow/Meckl., Glewiner Str. 4.

Für diese Anschrift waren bestellt:

50 Bücher "Reichtum".

je 100 Broschüren "Seine Rache" und "Begünstigtes Volk"

Saß, Karl, Schwerin/Meckl., Seestr. 6/II.

Für die Anschrift waren bestellt:

35 Bücher "Reichtum2

je 50 Broschüren "Seine Rache" und "Begünstigtes Volk".

Wegner, Fischhandlung, Jarmen/Pom., Sobeckstr. 5

Für diese Anschrift waren bestellt:

20 Bücher "Reichtum"

50 Broschüren "Seine Rache"

42 Broschüren "Begünstigtes Volk"

Minter, Max, Ückermünde/Pom., Stettiner Str. 1/I

Wieviel für diese Anschrift geliefert werden sollten, ist nicht bekannt.

Draht, Hedwig, Stettin, Grabower Str. 6, Hinterhaus.

Wieviel für diese Anschrift geliefert werden sollte, ist nicht bekannt.

Für den Bezirksdienstleiter Frost:

Ulbricht, Walter, Kursdorf über Burgstadt i. Sa. Nr. 17

Für diese Anschrift waren bestellt:

10 Bücher "Reichtum",

40 Broschüren "Seine Reche"

Werner, Richard, Chemnitz/Sa., Fichtelstr. 1 (bereits zur Sache in Haft)

15 Bücher "Jehova",

170 Bücher "Reichtum",

435 Broschüren "Seine Rache",

50 Broschüren "Weltwiederaufbau"

50 Broschüren "Seine Werke".

Krußig, Max, Burgstädt/Sa., Friedrich-Wagner-Str. 8

Für die Anschrift waren bestellt:

10 Bücher "Reichtum",

100 Broschüren "Seine Rache".

Schmidt, Johannes, Lebensmittelhändler, Kändler b. Limbach/Sa., Mittelstr. 1

40 Bücher "Reichtum",

120 Broschüren "Seine Rache", 30 Brosch. "Weltwiederaufbau", 60 Brosch. "Begünstigtes Volk".

Für den Bezirksdienstleiter Baer:

Peters, Willi, Radiohändler, Rheinsbeck über Lübeck.

Für diese Anschrift waren bestellt:

20 Bücher "Jehova",

20 Bücher "Reichtum",

je 30 Broschüren "Seine Werke", "Weltwiederaufbau", "Regierung", "Seine Rache", "Begünstigtes Volk".

Stucke, Georg, Hannover-Herrenhausen, Stöcknerstr. 31.

Für diese Anschrift waren bestellt:

150 Bücher "Jehova",

250 Bücher "Reichtum",

1000 Broschüren "Seine Rache",

1000 Broschüren "Begünstigtes Volk"

400 Broschüren "Weltwiederaufbau"

Plate, Gustav, Altona/Elbe, Gr.Bergstr. 224/7

Für diese Anschrift waren bestellt:

50 Bücher "Jehova",

50 Bücher "Reichtum",

100 Broschüren "Seine Werke"

100 Broschüren "Weltwiederaufbau",

100 Broschüren "Regierung";

100 Broschüren "Seine Rache",

100 Broschüren "Begünstigtes Volk".

Siebke, Hans, Manufakturwaren, Hochdenn/Holstein, auf Frachtbrief "Kurzwaren".

Für diese Anschrift waren bestellt:

50 Bücher "Jehova",

40 Bücher "Reichtum",

je 100 Broschüren "Seine Werke", "Weltwiederaufbau", "Regierung", "Seine Rache", "Begünstigtes Volk".

Seeger, Karl, Kiel, Schauenburger Str. Nr. 41, Kolonialwaren

Für diese Anschrift waren bestellt:

300 Bücher "Reichtum",

je 300 Brosch. "Seine Rache" u. "Begünstigtes Volk".

Peters, Cäcilie, Äbtissienwisch b. Wilster/Holst.

Für diese Anschrift waren bestellt:

100 Bücher "Reichtum" (per Post)

Barth, Hanns, Altona-Stellingen/Elbe, Brunkhorster Weg 2

Für diese Anschrift waren bestellt:

100 Bücher "Reichtum"

20 " "Jehova"

Wiliger, A., Altona/Elbe, Rabenstr. 19

Für diese Anschrift waren bestellt:

26 Bücher "Jehova"

Heimann, Fritz, Altona/Elbe, Goebenstr. 15 pt.

Für diese Anschrift waren abwechselnd von jeder neu erscheinenden Broschüre 250 Stück per Post senden.

Stobe, Erna, Itzehoe/Holstein, Brückenstr. 13

Für diese Anschrift waren bestellt:

10 Bücher "Jehova"

10 Bücher "Reichtum2

Buchholz, Bäckermeister, Drage bei Friedrichstadt/Holstein

Für diese Anschrift waren per Post zu senden:

40 Bücher "Jehova"

25 " "Reichtum"

Voß, Frau, p. Adr. Kaufhaus Biel, Wacken über Hannerau/Holstein.

Für diese Anschrift waren bestellt:

40 Bücher "Jehova"

25 " "Reichtum".

Die bestellte Literatur habe ich zum Teil durch Mischok und zum Teil durch Kassing, Berlin, versenden lassen. Mischok befindet sich seit April in Hirschberg in Haft. Nach dieser Zeit ist die Literatur durch seine Helfer, einen Glaubensbruder Staez und einen mir unbekannten über die Grenze gebracht worden. Nach der Festnahme Mischoks wurde die Literatur restlos an Kassing oder an die von ihm angegebenen Abschriften geschickt. Von hier aus sind sie an die Besteller weitergeleitet worden. Die neuerer Literatur sollte wie die W.T.-Abschriften gelesen und vernichtet werden, damit sie bei Durchsuchungen nicht in die Hände der Polizei fallen. Die alte Literatur dagegen sollte an Fernstehende abgegeben werden.

Zu dem Bücherschmuggel hatten sich die Glaubensgeschwister erboten. Für die entstehenden Unkosten sind sie von mir bezahlt worden. Die Abrechnung habe ich mit Mischok getätigt. Für ein geschmuggeltes Buch erhielten sie 26 Pfg. und für eine Broschüre 2 Pfg. Mischok hat von mir monatlich Beträge bis zu RM 250,-- erhalten. --

Der bei Klohe gefundene Plan über Arbeitswochen ist mir nicht ganz erklärlich. Mit den Dienstwochen hat dieser Plan nichts zu tun. Im Jahre wurden etwa 5 Dienstwochen angesetzt, die durch den W. T. bekannt gegeben wurden.  (Es kann also kein Plan über die Dienstwochen, wie auf Seite 16 letzter Absatz vermerkt, zur Sache gegeben werden.)

Die heute bei der Durchsicht des gefundenen Materials festgestellte Schrift

"Mut und Sieg"

(Schreibmaschienabzug) ist eine Schrift von Richter Rutherford und fordert zum Aushalten auf. Als Kopf hatte das Bibelhaus Bern folgendes geschrieben:

"Lieber Bruder,

Beigeschlossen erhälst Du einen von Bruder Rutherford gehaltenen Vortrag MUT UND SIEG. Er ist für die Geschwister bestimmt und soll vor Beginn der Missionswoche (eventuell am Tage des Gedächtnismahles) laut und deutlich vorgelesen werden. Sofern Du selbst nicht über eine deutliche Stimme verfügst, willst Du einen geeigneten Bruder dazu bestimmen.

Der Vortrag wird ohne Zweifel allen Getreuen zum Ansporn dienen und sie veranlassen mit grosser Freude ein durchgreifendes Zeugnis zu geben.

Durch die Gnade des Herrn mit Euch im Kampfe für Jehova und Gideon verbunden, sind wir mit herzlichen Grüssen

Eure Brüder

Bibelhaus Bern."

Auf Seite 4) erster Absatz steht:

"Unter einigen Nationen haben die modernen Philister heute die römische eiserne Herrschaft wieder aufgerichtet, und sie gebrauchen ihre Macht, um alle, die sich weigern, ihren ruchlosen Forderungen nachzukommen, zu martern und zu verfolgen. So wie die alten Philister darauf ausgingen, Gottes auserwähltes Volk zu vernichten, so sind heute die modernen Philister darauf bedacht, Jehovas Zeugen zu vernichten und alle, die sich kühn auf die Seite Gottes und seines Königreiches stellen. Allein in Deutschland schmachten mehr als 2.000 treue Zeugen Jehovas in schmutzigen Gefängnissen, weil sie den allmächtigen Gott im Geist und in der Wahrheit anbeten. Manche dieser treuen Zeugen sind grausam gequält worden. Männer und Frauen werden zwangsweise sterilisiert und andere rücksichtslos hingemordet, weil sie darauf bestehen, Gott und nicht einem Menschen zu dienen."

Diese Schrift ist ebenso wie der Bericht über die Tätigkeit im Jahre 1935 vervielfältigt worden und durch mich an die BDL. weitergeleitet worden. Diese wurden ebenso wie die W.T. behandelt. Bezahlung wurde hierfür nicht verlangt.

Ich bin im Besitze zweier Schlüssel, die ich durch den Glaubensbruder Dwenger vor etwa 1 Jahr erhalten habe, und die für irgendwelche Türen des Bibelhauses in Magdeburg bestimmt sind. Ich selbst bin noch nicht dort gewesen und weiss nicht, was sich in den verschlossenen Räumen befindet. Mir ist auch nicht gesagt worden, was sich in den Räumen befindet. Die Schlüssel sind mir bei der Festnahme von der Polizei abgenommen worden.

Ich habe noch nie gehört, dass durch Zeugen Jehovas das Winterhilfswerk des Deutschen Volkes sabotiert wird. Von unseren Glaubensgeschwistern wird gegeben und auch genommen.

Den deutschen Gruß "Heil Hitler" können wir nicht anwenden, weil durch den Gruß zum Ausdruck kommt, dass nur durch Adolf Hitler Heil käme. Unsere biblische Überzeugung geht dahin, dass das Heil für alle Menschen in der Aufrichtung des Königreiches Gottes liegt und dass der Heilbringer Jesus Christus ist.

Der Deutschen Arbeitsfront treten verschiedene Glaubensgeschwister nicht bei, weil die Deutsche Arbeitsfront eine politische Gliederung der Partei ist und die Bibel von uns erwartet, dass wir uns von den Dingen der Welt, wozu auch die politischen Angelegenheiten zählen, freihalten sollen. Ich erkläre ausdrücklich, dass keinerlei Anweisung gegeben ist, wie sich die einzelnen Glaubensgeschwister der DAF gegenüber verhalten sollen. Über den Reichsluftschutzbund trifft das gleiche zu, was ich über die DAF angegeben habe.

Ich muss betonen, dass wir Zeugen Jehovas alle Maßnahmen der Regierung anerkennen können, soweit sie nicht im Gegensatz zur Bibel stehen. Wir werden uns allen Maßnahmen der Regierung unterwerfen, soweit sie eben nicht im Gegensatz zur Bibel stehen, wie z. B. das Wehrgesetz." In der Bibel steht: "Du sollst nicht töten".

Das Wahlrecht können wir nicht ausüben, weil wir schon Jesus Christus gewählt haben.

Ich habe über meine Tätigkeit restlos Auskunft gegeben und die volle Wahrheit gesagt. Bei entstehenden Unstimmigkeiten bin ich zur Klärung bereit.

Ich sehe ein, dass ich mich strafbar gemacht habe, weil ich eine verbotene Organisation aufrechterhalten habe.

Bei der Vernehmung ist Krim. Inspektor Jost, Leipzig, zugegen gewesen

gez.: Fritz Winkler

gez.: Frank 2

Oberwachtmeister der Schutzpolizei vom Polizeipräsidium Leipzig, Politische Abteilung, z. Zt. abgeordnet zum Gestapa Berlin.

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Berlin, den 28. 6. 1936

Preußische Geheime Staatspolizei

Geheimes Staatspolizeiamt

Der Politische Polizeikommandeur der Länder

II I B I - S 1035/36

An alle Staatspolizeistellen und Politischen Polizeien der Länder

- nachrichtlich den Herren Regierungspräsidenten und Oberpräsidenten in Preußen

Betreff: Internationale Bibelforschervereinigung …

In der Anlage übersende ich zur Kenntnisnahme Abschrift der Vernehmungsniederschrift des IBV-Mitgliedes Winkler v. 24. 8. 1936 … Winkler hatte die oberste Leitung der IBV in Deutschland. Aus seinen Aussagen sind im einzelnen der Aufbau, die Hauptfunktionäre, die Arbeitsweise, insbesondere die Art der Nachrichtenübermittlung, des Buchvertriebs, die Verteilung von Grammophonapparaten und Schallplatten, sowie des Geldverkehrs zu ersehen. Im Zuge einer größeren Aktion ist bereits die gesamte Zentralleitung der IBV ausgehoben worden.

Ich ersuche nunmehr, auf Grund der anliegenden für den jeweiligen Bezirk in Betracht kommenden Unterlagen, in den einzelnen Bezirken die weiteren Maßnahmen zu treffen. In erster Linie sind die von Winkler angegebenen Bezirksdienstleiter festzunehmen. Durch ihre anschließende Vernehmung sind die ihnen unterstellten Dienstleiter, Postanlaufstellen Bücherlager, W.T.-Hersteller, Literaturanlaufstellen usw. festzustellen. Die Untergliederung bei den dortigen Bezirksdienstleitern muss in den übrigen Bezirken der aus der Skizze ersichtlichen Untergliederung des Berliner- und des Brandenburgisch-Schlesischen Bezirks entsprechen. Die süddeutschen BDL haben möglicherweise die Literatur über die Schweizer bezw. französische Grenze erhalten.

Mit Rücksicht darauf, dass voraussichtlich an der am 4. 9. 1936 in Luzern (nicht wie auf Seite 21 der Vernehmung Winklers angegeben) beginnenden Tagung auch deutsche Funktionäre teilnehmen werden, ersuche ich, die Maßnahmen einheitlich am 31. 8. 1936 einzuleiten. Über das Ergebnis ist fortlaufend und ausführlich unter Beifügung der wesentlichen Vernehmungsniederschriften zu berichten."

Indirekt nimmt auch die Meldung über den spektakulären Verhaftungserfolg in Sachen Georg Klohe, auf Winkler mit Bezug.

Klohe.jpg (148062 Byte)

Laut "Kölnische Zeitung" vom 1. 9. 1937

"wurde nach mehrtägiger Verhandlung der 39 Jahre alte Fritz Winkler wegen Vergehens gegen die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat, Devisenverbrechen und Untreue zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust verurteilt; außerdem wurde gegen den Angeklagten auf eine Geldstrafe von 22.000 Mark erkannt, an deren Stelle im Nichtbetreibungsfall weitere 22 Tage Zuchthaus treten sollen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Angeklagte in vollem Umfang geständig."

Das theoretische mögliche Höchststrafmaß von fünf Jahren Zuchthaus, in anderen Fallen durchaus angewandt, fand somit in diesem Falle keine Anwendung, wobei eben als ursächlich anzusehen ist, dass er in vollem Umfange als geständig bewertet wurde.

Laut einem Text von Hans-Rainer Sandvoß ist in Sachen Winkller noch zu berichten.

"Die mit Urteil vom 30. Juli 1937 verhängte Zuchthausstrafe verbüßte Winkler bis zum 21. September 1940 in der Haftanstalt Luckau. Anschließend blieb er unter ständiger Beobachtung der Geheimen Staatspolizei, wodurch jede weitere illegale Arbeit unmöglich wurde. (Nach der Befreiung wieder für die Zeugen Jehovas tätig, war er gezwungen, Anfang 1955 aus Thüringen zu fliehen, da er erneut politisch verfolgt wurde.

An dieser Angabe ist schon mal beachtlich, dass (im Vergleich zu anderen Fällen), es schon bemerkenswert ist, das Winkler das KZ erspart blieb. Das er nach seiner Haftentlassung sowohl in der Zeit des Naziregimes als auch zu Ostdeutschen Zeiten, dann in Thüringen lebte. Wenn Winkler eine weitere Lebenszeit bis 1978 dann noch vergönnt war, davon ab 1955 in Westdeutschland, dann ist halt festzustellen: Irgendwelche relevanten Konsequenzen (außer das er im zweiten Glied verblieb; ergo nicht mehr an herausragender Stelle in Erscheinung trat), hat es für Winkler auch in seiner Westdeutschen Zeit, offenbar nicht gegeben.

Was die mit genannten fiskalischen Aspekte anbelangt, wurde ihm laut "Köllnische Zeitung" vorgehalten,

"im Jahre 1936 einen Betrag von über 22.000 Mark in Konstanz unter Umgehung der Devisenbestimmungen an einen Ausländer aushändigt" zu haben."

Besonders pikant auch die Angabe, "er habe  sich der Untreue dadurch schuldig gemacht, daß er über 10.000 Mark, die aus dem Fonds der Internationalen Bibelforschervereinigung stammten, seinem in Thüringen lebenden Vater zu einem Hausbau zur Verfügung" gestellt habe."

Also belegt der Fall Winkler, dass selbst unter den Untergrundbedingungen im Naziregime, oder vielleicht auch gerade deshalb, finanzielle Unregelmäßigkeiten zum Vorteil einzelner Personen, nachweisbar sind.

Wie weiland dann zu DDR-Zeiten, ebenfalls einzelne Privatpersonen, mit WTG-Geldern bezahlte PKW auf ihren Namen anmelden konnten (in den 1960er Jahren), beispielsweise im Falle eines Edmund R. ... im Randgebiet von Berlin lebend, so geschehen, und wohl nicht nur in seinem Fall.

Enclosed I'm sending you a copy of the protocol of the examination [interrogation] of IBV-member Winkler, dated 24.8.1936 for your attention, as well as a list about the phonographs, that were distributed in Germany by the IBV including spare parts and records, and further a sketch about the structure of the illegal IBV in Germany and a special outline regarding the area of Berlin. Furthermore I enclose some of the red and green coupons that were mentioned on page 21 of the copy just referred to.

Winkler was in charge of the highest leadership [as the highest leader] in Germany. From his statements you can see in detail the structure, the prime officials [or functionaries], the mode of operation, especially the kind of communication, sale [distribution] of books, distribution of phonographs and records as well as transactions of money. During the course of a larger operation the completecentral leaderhip was arrested [I don't have a corresponding expression; literal: to make a raid on, to levy].

In the different districts I now request to take further steps [measures] on the basis of the documents enclosed according to the documents that refer to the different districts. Above all the regional service directors referred to by Winkler have to be arrested. By further examinating those their subordinate service directors, mail communication ports, stock rooms for books, manufacturer of W.T.´s, their shelter for literature etc. have to be established. In the other districts the organizational hierarchy below the regional service directors there must correspond to the organizational hierarchy of the district of Berlin and Brandenburg-Silesian as can be seen from the second sketch. Possibly the south German BDL [regional service directors] have obtained literature via the Swiss or French border.

Out of consideration that the conference probably beginning at 9.4.1936 in Lucerne (not as indicated on page 21 at the examination of Winkler) will also be visited by German officials [functionaries] I request to start taking steps [measures] at the same time [uniformly] on 8.31. There have to be ongoing and detailed reports about the progress [outcome, result] including the essential records of the interrogations.


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