Annotationen zu den Zeugen Jehovas
Was sagte Erich Frost aus?

Ohne Zweifel gab es bei den zeitgenössisch handelnden Zeugen Jehovas, angesichts der Restriktionen der Naziregimes, auch Handlungsmomente, die man rückblickend schon fast dem Bereich der Tollkühnheit zuordnen mag. Nachstehend mal solch ein Beispiel. Es ist sicherlich nicht Verallgemeinerungsfähig; es zeigt aber auch, wieweit das Widerständige Verhalten im Einzelfall gehen konnte. (Bay. Hauptsstaatsarchiv MA 106688)

Zitat:

"Mit welcher fanatischer Hartnäckigkeit von den Zeugen Jehovas jede Gelegenheit zur Werbung für ihre Sekte wahrgenommen wird, zeigt nachgenanbnter Vprfall. Am 16. 9. 36 übergab am Bahnhof in Nürnberg eine zunächst unbekannte Frauensperson eine Anzahl Bibelforscherbrooschüren drei fremden Knaben mit dem Auftrag die Schriften an die "Solfdaten" zu verteilen. Mit dem Ausdruck Solfdaten meinte sie die vor dem Bahnhof auf ihren Abtransport vom Reichsparteitag wartenden Amtswalter. Als Täterin konnte die Ontrollreursfrau Katharina Kisskalt von Nürnberg ermittelt werden.

Gelesen in einem Vernehmungsprotokoll der Gestapo (Staatspolizeistelle München) vom 24. 2. 1944

„Vorgeführt erscheint die Hilfsarbeitersfrau Magdalena Willibald, geb. 29. 5. 1898 in Esting, wohnhaft in München, ... und macht folgende Angaben: ... Fernerhin war ich an der Beschaffung von Schreibmaschinenpapier, das zur Herstellung von illegalen Schriften dienen sollte, beteiligt. Hierwegen wurde ich am 9. 2. 1944 durch das Oberlandesgericht München zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt. ... Ich gebe heute zu, dass ich bei meinen Angaben bei der Staatspolizei und vor Gericht nicht restlos die Wahrheit gesagt habe. Ich bin auch heute nicht bereit, Aufschluss darüber zu geben, wie sich die illegale Tätigkeit tatsächlich vollzog und wer ausser den seinerzeit genannten Personen noch mit Schriften versorgt wurde. Ich werde keinen Verrat üben. ..." (Details zum Fall Willibald in: Anita Farkas "Geschichte(n) ins Leben holen" S. 178f.)

Oder in einem anderen Gerichtsprotokoll gelesen:

"Die Angeklagte Rauscher ist bereits 77 Jahre alt. Bis zu ihrem 65 Lebensjahr gehörte sie der protestantischen Kirche an. Im Jahre 1925 ist sie aus dieser ausgetreten und schloss sich der Vereinigung 'Ernster Bibelforscher' an, weil ihr deren Lehre besser imponierte. Auch sie bekennt sich heute noch als 'Zeugin Jehovas'. Die Angeklagten geben auch zu, dass sie mit ihrem 'Bruder' Gottfried Bauer von Fürth, welcher Prediger in ihrer Gemeinschaft ist, bis vor kurzer Zeit in Verbindung standen. Dieser habe bis kurz vor seiner Verhaftung im Juni 1936 jeweils immer Schriften mitgebracht, welche sie unter sich verteilt haben. Über weitere Verbindungen mit anderen Glaubensgenossen geben die Angeklagten keine Auskunft, weil sie keine Verräter sein wollen. Auf Grund der Äusserungen der Angeklagten, dass sie keine 'Verräter' sein wollen, besteht für das Gericht kein Zweifel, dass die Angeklagten weitere Beziehungen zu Glaubensgenossen, die nicht zur Anklage gezogen werden konnten, bis heute aufrecht erhalten und gepflegt haben."

Genau Aussagen dieser Qualität findet man nicht in dem Vernehmungsprotokollen eines Erich Frost,. Das gilt es als grundsätzlichen Bewertungsmaßstab festzuhalten.

 Worum ging es beim Fall Frost? Letzterer hatte nach vorangegangenen Verhaftungen im September 1936 die Leitung der deutschen Bibelforscher übernommen, die er bis zu seiner eigenen Verhaftung, im März 1937 innehatte.

In einer vom 2. April 1937 datierten Notiz aus dem die Zeugen Jehovas betreffenden Aktenbestand im S(icherheits) D(ienst) Hauptamt, Chef der Sicherheitspolizei kann man auch lesen:
"Im August 1936 wurde die erste Aktion gegen die illegale IBV vom Geheimen Staatspolizeiamt in Zusammenarbeit mit den zuständigen Referenten des SD-Hauptamtes durchgeführt. Mit Ausnahme der nach der Schweiz (Luzern) gereisten Bezirksdienstleiter Rabe, Ditschi, Frost und Wandres konnten sämtliche Hauptfunktionäre festgenommen werden.
Durch die am 12. 12. 36 veranstaltete Flugblattaktion der IBV wurde offenbar, dass bereits eine zweite illegale Organisation der IBV im Reich bestand. Durch die Festnahme des BDL Rabe und dessen Aussagen konnte mit der zweiten Aktion gegen die IBV begonnen werden. Diese führte zur Festnahme der Bezirksdiener Daut, Siebeneichler, Nawroth und des Bezirksdieners Frost...."

Damit ist erst mal aktenkundig, wer im konkreten, auch Frost „ans Messer lieferte".
Zu Rabe kann man auch vergleichen

19172Rabe

19562Bericht

Abschrift

Eilt sehr! 2. April 1937

36364  II 1/13

Chrf der Sicherheiutspoizei

Adjuntatur Eing. - 6. 4. 1937 Nr. 2501

Betr.: Aktion gegen die illegalte Bibelforschervereinigung

Vorg: dieses Schreiben VA. 1541 - Nr. 410/37 vom 22. 3. 1937

Im August 1936 wurde die erste Aktion gegen die illegale I.B.V. vom Geheimen Staatspolizeiamt in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Referenten des SD-Hauptamtes durchgeführt. Mit Ausnahme der nach der Schweiz (Luzern) gereitsten Bezirksdienstleiter R a b e,  D i t s c h i,  F r o s t  und W a n d r e s   konnten sämtliche Hauptfuknktionäre festgenommen werden.

Durch die am 12. 12. 36 veranstaltete Flugblkattaktion der I. B. V. wurde offenbar, dass bereits eine zweite illegale Organisation der I. B. V. bestand. Durch die Festnahme des BDL. R a b e  und durch dessen Aussagen konnte mit der zweiten Aktion gegen die I. B. V. begonnen werden. Diese führte zur  Festnahme der Bezirksdiener  D a u t, S i e b e n e i c h l e r, N a w r o t h und des Reichsdieners  F r o s t.  Die Beizirksdiner  D i t s c h i,  W a n d r e s, F e h s t,. S t i c h e l und  F r i e s e  befinden sich noch auf freiem Fuß. Sie leben illegal.

Der Erfolg dieser Aktion ist z. Zt. durch die Personaländerungen im zuständigen Dezernat II B 2 des Gestapa in Frage gestellt. Nach hiesiger Ansicht muß auch diese Aktion als gescheitert angesehen werden, wenn sie nicht mit allen Mitteln und mit aller Energie durchgeführt wird. Solange noch ein Hauptfunktionär der illegalen I. B. V. auf freiem Fuß ist, muß mit der sofortigen   Neuorganisation der I. B. V. gerechnet werden.

Es wird daher zur erfolgreichen Bekämpfung der I. B. V. vorgeschlagen, aus den einzelnen Stapostellen sachkundige Besamten zu einem Sonderkommando zusammenzustellen und diesen einige mit der Materie ver´traute Sachbearbeiter der SD-Oberabschnitte zur Verfüfung zu stellen. Die Erfahrung aus den beiden Aktionen hat gezeigt, daß Beamte, die keine Sachkenntnis auf diesem Gebiete haben, für derartige Aktionen ungeeignet sind,

I an Stbf. mit der Bitte um Kenntnisnahme und Entscheidung über Vorlage bei C.

II Wiedervorlage bei II 1134 sofort. ...

In einer Reihe von sieben Vernehmungen im April 1937, gelang es der Gestapo aus Frost ein umfassendes Bild der internen deutschen Zeugenorganisation herauszupressen. So erfuhr sie aus seinem Munde auch, dass Heinrich Ditschi als sein Nachfolger vorgesehen war, für den (jetzt eingetretenen Fall) seiner Verhaftung.

Im Jahre 1961 wurde Frost durch offenbar aus der DDR zugespielte Dokumente vom Hamburger Magazin „Der Spiegel" bezichtigt, bei den Gestapo-Vernehmungen eine Reihe seiner Untergebenen der Gestapo preisgegeben zu haben. In der DDR wurden diese Vorwürfe nachgedruckt und partiell inhaltlich erweitert.

Es ist offensichtlich, dass die DDR, Frost für den „scharfen antikommunistischen Kurs" der Zeugen Jehovas nach 1945 mit verantwortlich machte. So auch nachlesbar in dem Buch von D. (S. 586). Das auch Frost kein Übermensch war, wird auch an einem Statement dazu des „Politisch-Parlamentarische Pressedienstes" deutlich, der 1961 vermerkte:

„Um einen der leitenden Männer des deutschen Zweiges der Zeugen Jehovas, Erich Frost, alias Erich Meinl, ist in der Anhängerschaft ein Meinungsstreit entbrannt, weil auf Grund von Gestapo-Unterlagen Verdacht besteht, dass Frost nach seiner Verhaftung durch die Gestapo im Jahre 1937, damals war er 'Reichsdiener' und damit höchster Funktionär der Zeugen Jehovas, eine große Anzahl von Zeugen Jehovas denunziert hat. In der Verbandszeitung 'Wachtturm' vom 1. Juli 1961 schrieb er dagegen: 'Ich rief unablässig Jehova um Hilfe an, damit ich um der Brüder willen schweigen könnte. Als ich wieder vor die Gestapo-Meute geführt wurde, dachte ich an Daniel in der Löwengrube. Ihr zorniger Wortschwall verriet mir, was ich hören wollte: die Brüder waren nicht in das Netz geraten, das die Polizei gelegt hatte."

Die tatsächliche Sachlage sieht so aus, dass die Gestapo auch von Frost in intensiven Vernehmungen letztlich das mitgeteilt bekam, was sie wissen wollte. Und die Gestapo war rabiat genug, dass auch durchzusetzen. Symptom dafür ist z. B. der Vermerk im Frost Vernehmungsprotokoll vom 2. 4. 1937 : „das die Vernehmung wegen der vorgeschrittenen Zeit (4 Uhr morgens) abgebrochen wird."

Heuzeroth kommentiert: „Und etwas verschweigen die Zeugen Jehovas heute: Zwei Männer wurden nach dem Krieg Führer der deutschen Wachtturmgesellschaft, die während der Naziherrschaft ihre Glaubensbrüder an die Gestapo verraten hatten. … Selbstverständlich muss festgehalten werden, dass die Zeugen Jehovas keine Menschen in Konzentrationslager gesteckt oder ermordet haben, sich nicht am Kriege beteiligten und nie persönliche Gewalt ausgeübt haben. Dies darf jedoch nicht den Blick auf die Tatsache verstellen, dass Fanatismus immer potentiell gewalttätig ist; Berichte von ehemaligen Zeugen Jehovas über die zum Teil massive psychische Unterdrückung innerhalb dieser Sekte sprechen hier eine deutliche Sprache."

W. zitiert eine bislang nicht im vollen Wortlaut veröffentlichte Stellungnahme von Frost dazu. In ihr kann man bezüglich der Spiegel-Anschuldigungen lesen:

„Ich hatte über diese Anschuldigungen Bruder Knorr befragt, ob ich vielleicht etwas tun sollte. Doch er sagte mir: 'Nein, lass das sein, Bruder Frost! Was glaubst du, wie viele Anschuldigungen gegen mich gemacht werden. Wir schenken solchen keine Aufmerksamkeit. We put them in the file, d. h. wir legen sie ab, aber haben keine Zeit sie zu lesen."

D. (S. 592) zitiert jenes Frost-Votum noch dergestalt weiter, indem Frost diesbezüglich noch die Meinung vertrat: "Eine Privatklage hätte die Redakteure des Spiegels in eine unangenehme Lage gebracht. Sie hatten sich bei diesem Pamphlet-Artikel schuldig gemacht, Aufzeichnungen der für menschenunwürdig erklärten Gestapo zur Anklage gegen unbescholtene Bürger des Landes gebraucht zu haben. Denn ihre Behauptungen waren unwahr, und ein Gericht hätte sie damals zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Doch wir als Zeugen Jehovas hatten wichtigeres zu tun, und ich dachte im Stillen: Wo waren diese jungen Redakteursdachse damals, als ich so maßlos gefoltert wurde?"

Dazu ist zu sagen. Die emotionelle Betroffenheit, dass "junge Redakteurdachse", die nie von der Gestapo gefoltert wurden, sich dieses Themas annahmen, ist verständlich. Dennoch "sticht" dieses Argument nicht. Frost war zum fraglichen Zeitpunkt eine Person der Öffentlichkeit. Kein "kleiner unbedeutender" Zeuge Jehovas. Auch andere Personen der Öffentlichkeit müssen es sich gefallen lassen, dass in einem freiheitlichem Lande durch die Presse ihre "dunklen Punkte" beleuchtet werden, so sich diesbezügliche Anhaltspunkte dafür ergeben. Die Behauptung von Frost, ein Gericht hätte den "Spiegel" verurteilt ist reines Wunschdenken. Solange er keinerlei Rechtsweg einschlug, hatte er durch sein öffentliches Schweigen, gegenüber einer öffentlichen Anklage, deren Sachverhalt indirekt bestätigt.

Zum Fall Erich Frost liegt seitens der Zeugen Jehovas noch eine weitere Stellungnahme vor. In der Zeitschrift „Kirchliche Zeitgeschichte" (1/1999), herausgegeben von dem bekannten Gerhard B., verbreitet sich darin Waldemar H. zu diesem Fall.

Die Stasi war kein „Mädchenpensionat". Mit dieser grundsätzlichen Feststellung, inklusive ihrer sich daraus ergebenden Weiterungen, dürfte sich der Konsens mit dem Waldemar H. aber auch schon erschöpft haben. Was bietet er in der Sache?

Auch er zitiert das Stasipapier vom 1. 9. 1956 indem unter anderem ausgeführt wurde: „Er (Frost) ist ein großer Gegner der DDR und trat auch bei den sogenannten Kongressen der 'ZJ' als Hetzer gegen das sozialistische Lager auf. … Frost war während der Nazizeit ebenfalls Leiter der Sekte und nach seiner Verhaftung durch die Gestapo machte er dieser umfangreiche Angaben über den Aufbau, Zusammensetzung der Sekte und Mitglieder. Dieses Gestapo Material ist in unserem Besitz". Mit diesen dürren Worten wird also dokumentiert, dass schon im Jahre 1956 die Stasi die konkreten Gestapo-Frostakten kannte.

Die Stasi wäre nicht die Stasi gewesen, wenn sie dieses Material irgendwo in einem Archiv weiter schlummern lassen würde. In Kenntnis der Gestapoprotokolle ging man nun daran, dies möglichst in „klingende Münze" umzusetzen (bildlich gesprochen). Zu diesem Zweck bediente man sich eines im Dienste der Stasi stehenden Theologen, den man direkt nach Wiesbaden sandte. „Seine Legende war, dass er in seiner Doktorarbeit auch eine 'dogmengeschichtliche Gegenüberstellung der erstarrten Landeskirchen zu den freien religiösen Gemeinschaften' erarbeiten wolle. Er versuchte Frosts Vertrauen zu erhalten, indem er ihm erzählte, dass er aus seiner Jugend noch einige Bibelforscher kenne, mit denen er auch schon viele theologische Gespräche geführt habe. … Am 12. Juli 1956 fand das eigentliche Treffen zwischen dem (Stasiagenten) und Frost … in Wiesbaden statt." Dabei wurde Frost auch mit seinen Gestapo-Protokollen konfrontiert:

„Der (Stasiagent) sagte im Gespräch, dass er durch seine Arbeit im Archiv Potsdam die Gestapo-Akten von Frost gefunden hätte und sich 'um ihn als Christ sorge'. Im Bericht über dieses Treffen heißt es: 'Über diese Mitteilung war Frost keineswegs erschüttert oder verstört, sondern er habe sofort zugegeben, dass er die und die Personen damals gemeldet hätte.' Er begründete dies damit, dass er einer der letzten Funktionäre gewesen sei, die die Gestapo verhaftet habe. Weiter habe er gesagt: 'Die Gestapo hätte bereits über alles von ihm gesagte Bescheid gewußt."

Letztere Aussage macht nun H. zu seiner Grundthese. Nach H. waren die Aussagen des Frost faktisch „wertlos", da sie alles schon vorher gewusst habe. Folgt man seiner Logik, dann hätte die Gestapo mit ihren Frostvernehmungen, eigentlich nur belanglosen „Zeitvertreib" betrieben, da sie ja schon vorher „alles" wusste.

Sicherlich wusste die Gestapo seit der Verhaftung des Winkler schon sehr vieles. Dennoch ist der Interpretation von H. zu widersprechen. Frost war bei seiner Verhaftung der ranghöchste deutsche ZJ-Funktionär der illegalen ZJ-Organisation. Seine Aussagen hatten schon deshalb besonderes Gewicht, weil sie zumindest vorhandene Erkenntnisse bestätigten, wenn nicht sogar darüber hinausgehend zusätzliche Erkenntnisse vermittelten. So nannte Frost neben den Namen anderer ZJ-Funktionäre beispielsweise auch den Treffpunkt der illegalen Funktionäre wie da beispielsweise war „bei Reiche in Zeuthen-Niersdorf, Lange Straße 5." H. ist nicht in der Lage zu „beweisen", dass diese Angabe bereits bei der Vernehmung des Fritz Winkler oder eines anderen ZJ-Funktionärs ermittelt wurde.

Die Aussagen des Frost enthielten daher sehr wohl auch neue, die Gestapo weiterführende Aspekte. Viele verhaftete Zeugen Jehovas haben unter Druck „gesungen", auch Frost und dies kann auch H. nicht bestreiten. Aus den vielen Mosaiksteinchen gewann die Gestapo das Gesamtbild, wobei es müßig ist darüber zu lamentieren, dass in diesen Aussagen auch bereits bekannte Fakten erneut genannt wurden.

Auch jene Passage im „Wachtturm"-Artikel des Frost vom 1. 7. 1961 lässt H. mit Bedacht unerwähnt, wo er sich rühmt bei seiner Verhaftung ein Papierröllchen mit wichtigen Informationen versteckt zu haben, dass nie gefunden wurde. Frost wäre besser beraten gewesen, er hätte diesen Passus in seinem Bericht nicht gemacht. Schriftliche Unterlagen mag er beiseite geschafft haben, dafür plauderte er unter Druck mündlich aus, was er vorgab schriftlich beiseite geschafft zu haben.

Zweimal wurde laut den Ausführungen von D., Frost durch Direktbesuch eines Stasiagenten in Wiesbaden kontaktiert. Das zweite entscheidende Gespräch am 12. 7. 1956 dauerte etwa eine Stunde. Im Vorfeld hatte die Stasi ein umfängliches Szenario erstellt, was sie sich alles von diesem Gespräch erhoffte. Die Stasiisten hatten sich vorgestellt, wenn ihr Agent Frost die Gastopoprotokolle unter die Nase reiben würde, wäre er ins "Boxhorn" gejagt und würde mit Angstreaktionen reagieren, die die Stasi nutzen wollte, um ihm ihre Bedingungen zu diktieren. Also eine typische Erpressungssituation. Selbstredend kann man, da wie sowohl D. als auch H. schreiben; dass der bürgerliche Name des Stasiagenten noch nicht entarnt sei. Selbstredend kann man daher nur das zur Kenntnis nehmen, was die Stasi selbst, in eigener Diktion, dazu in ihren Akten schrieb.

Laut D. (S. 590) liest man dazu in dem Stasiprotokoll, nachdem Frost mit seinen Gestapoakten konfrontiert wurde:"Über diese Mitteilung war Frost keineswegs erschüttert oder verstört, sondern er habe sofort zugegeben, dass er die und die Personen damals gemeldet hätte. Er begründete dies damit, daß F. einer der letzten Funktionäre der ZJ gewesen sein soll, den die Faschisten geholt hätten. Er sei erst das Ergebnis von Verrat gewesen, den die Brüder vor ihm gemacht hätten. Die Gestapo hätte bereits über alles von ihm Gesagte Bescheid gewusst. Er habe auch betont, dass einige von den Personen nicht mehr am Leben sind. Lediglich war F. erstaunt, dass die Unterlagen noch vorhanden seien. Dass er und die übrigen Brüder die Organisation habe 'hochgehen' lassen, hat F. ohne Reue oder bedrückendes Gefühl dem ... gleich mitgeteilt"

Soll man nun, dass Frost sich "als keineswegs erschüttert oder verstört" erwies als Pluspunkt für Frost ansehen? Oder doch vielmehr als Ausdruck seines "dicken Felles"? Der Leser mag sich die Frage selbst beantworten.

Der 1956-er Versuch der Stasi Frost durch direkte Konfrontation mit seinen Gestapo-Protokollen vielleicht gar erpressen zu können, führte nicht zum gewünschten Resultat. So wurden denn in der Folge Presseorgane wie die „Spiegel" und der SPD-nahe „Politisch-Parlamentarische Pressedienst" mit diesen Fakten „gefüttert". H. erwähnt eine 23seitige Broschüre „Erich Frost - Der Verräter an der Sache Jehovas", die seitens der Stasi erstellt wurde, die aber wohl doch nicht in größerem Umfang in die Öffentlichkeit gelangte. D. schätzt die Sachlage so ein, dass diese Broschüre überhaupt nicht zur Verteilung kam. Jedenfalls war der Frost-Wachtturmartikel vom 1. 7. 1961 eine Initialzündung. Die Stasi fütterte daraufhin verschiedene Presseorgane mit ihren Erkenntnissen in Sachen Frost und hatte damit beim Hamburger „Spiegel" bekanntlich Erfolg. H. vermerkt auch noch, dass selbst die WTG mit sogenannten „Offenen Briefen" diesbezüglich von der Stasi informiert wurde. Auch in englischsprachiger Übersetzung wurden diese „Informationen" lanciert.

Die WTG stellte sich angesichts dieser auch für sie erkennbar aus dem Osten geschürten Aktion, in Schulterschluss zu Frost. Zumindest im kritischen Jahr 1961. Bezeichnend finde ich diesbezüglich den Satz bei D. (S. 592): "Die Gestapo-Verhörsprotokolle sind wohl keine Fälschung aus der DDR-Zeit, sondern wurden tatsächlich in NS-Beständen aufgefunden." Eine bemerkenswerte Wortwahl, die man noch dadurch untermauern kann, dass noch im Hesse-Buch an der Legende weitergestrickt wurde, es handele sich dabei möglicherweise um Fälschungen. D., der nun selbst einschlägiges Aktenmaterial eingesehen hat, muss dieser Zweckthese, endgültig den Laufpass geben. Einige Jahre später (1965), verlor Frost seinen letzten amtlichen Posten als verantwortlicher Redakteur der deutschen Ausgabe des „Wachtturms". Auch verbrachte er, entgegen den Gepflogenheiten der sonstigen hohen ZJ-Funktionäre seinen Lebensabend nicht mehr in der deutschen Zentrale der Zeugen Jehovas. Auch ist H. näheren Aufschluss darüber schuldig geblieben, dass Frost in einer unbedeutenden Kleinstadt (Tuttlingen/Donau) die letzten Jahre seines Lebens in sehr zurückgezogener Art und Weise verbrachte. So endete er also, jener Erich Frost, der in den entscheidenden Jahren nach 1945 jahrelang führend im Rampenlicht gestanden hatte.

"Berlin, den 2. April 1937
Verhandelt!
Vorgeführt erscheint Erich Frost, geboren 22. 12. 00 zu Leipzig, ohne festen Wohnsitz, und erklärt:
Ich stehe jetzt im 36. Lebensjahr und bin seit 1922 Zeuge Jehovas. Die diesbezügliche Taufe habe ich am 4. März 1922 erhalten. Wer mich getauft hat, kann ich heute nicht mehr angeben. Ich will hierbei bemerken, dass auch meine Eltern bereits um diese Zeit Bibelforscher, wie wir uns früher nannten, waren.
Nachdem Balzereit festgenommen und an seiner Stelle der Glaubensbruder Winkler das deutsche Werk der Zeugen Jehovas leitete, befand ich mich in der Tschechoslowakei, wo ich das Schöpfungsdrama aufführte. An dem Luzerner Kongress im September 1936 habe ich teilgenommen und wurde von Richter Rutherford an Stelle des festgenommenen Winkler mit der Leitung des deutschen Werkes unter Anlehnung an das Prager Büro, dem der Bruder Dwenger vorsteht, beauftragt. In Luzern fand daraufhin eine Konferenz statt, die sich lediglich mit der Weiterführung des deutschen Werkes befasste. Es fand eine Neueinteilung der Bezirke in Deutschland statt, die von folgenden Brüdern übernommen wurde.
Georg Rabe. Bezirksdiener für

1. Ostpreußen

2. Westpreußen

3. Pommern

4. Mecklenburg.
Arthur Nawroth. Bezirksdiener für

1. Ostschlesien

2. Grenzmark.
August Fehst. Bezirksdiener für

1. Westschlesien

2. Sachsen (östlich der Elbe), nach der Festnahme des Bezirksdieners Wilhelm Engel, festgenommen im Dezember 36 oder Januar 37.
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Otto Daut. Bezirksdiener für

1. Berlin

2. Mark Brandenburg.
Fred Maier. Bezirksdiener für

1. Westsachsen bis einschließlich Anhalt.
Walther Friese. Bezirksdiener für

1. Thüringen

2. Harzgebiet

3. Hannover.
Heinrich Ditschi. Bezirksdiener für

1. Schleswig-Holstein

2. Oldenburg

3. Ruhrgebiet, Westfalen.
Albert Wandres. Bezirksdiener für

1. Rheinland

2. Baden

3 Württemberg.
Karl Siebeneichler. Bezirksdiener für

1. Bayern.
Über eine direkte Einteilung der Bezirke in sogenannte Unterbezirke bin ich nicht genau orientiert. Bekannt ist mir lediglich, dass in den großen Bezirken von Ditschi und Wandres Mitarbeiter bzw. sogenannte Unterbezirksdiener tätig waren.
Für Ditschi kamen hierfür in Frage:

1. Lüdenschloß, Vorname vermutlich Ernst.
2. Fennhofen, die Schreibweise seines Namens und sein Vorname sind mir nicht bekannt; er heißt mit Vornamen vermutlich Erich; Ditschi sprach immer von einem Erich.
Für Wandres kommen hierfür in Frage:

1. Schlömer, vermutlich Hermann.

2. Stickel, Ludwig.

Soweit in den einzelnen Bezirken keine Unterbezirke eingerichtet waren, wurden diese einzelnen Bezirke organisatorisch in Gruppen und diese wiederum in Zellen eingeteilt
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Eine Zelle umfasste jeweils 4-6 Glaubensgeschwister. Die Gruppen setzten sich dagegen je nach der örtlichen Lage der einzelnen Zellen zusammen. Diese Einteilung wirkte sich dann praktisch so aus, dass z. B. jede mittelgrosse Stadt eine Gruppe bildete. Eine Ausnahme hierzu machte Berlin, das in Folge seiner Ausdehnung in 3-4 Gruppen eingeteilt war.
Meine Informationen über die Leitung des "Deutschen Werkes" bekam ich von Bern über Prag. In meiner Eigenschaft als Reichsdiener war ich aus diesem Grunde etwa sechsmal in Prag. Ich bin stets hierbei über die illegale Grenze (grüne Grenze) gegangen. Ich habe die Grenze bei Altenberg-Zinnwald (Erzgebirge) und Adorf, Roßbach, Asch (Vogtland) überschritten. Zwischen den einzelnen Treffs, die ich wiederum mit den Bezirksdienern monatlich bis sechs Wochen vereinbart hatte, war ich jeweils in Prag. Meine Mitteilungen wurden dann durch die Bezirksdiener an die Gruppendiener und von diesen an die Zellendiener weitergeleitet, die ihrerseits wiederum den einzelnen Glaubensgeschwistern Nachrichten überbrachten.
Meine Informationen betrafen vor dem 12. Dezember 1936 im wesentlichen die Verbreitung der in Luzern gefassten Resolution, sowie allgemeine Tagesfragen über Vorgänge innerhalb unserer Bewegung in den verschiedenen Ländern. Nach der Verbreitung der Resolution wurde die Verteilung einer zweiten Flugschrift in Erwägung gezogen. Diese Flugschrift betraf ein ausführliches Zeugnis über die Wahrheit der Bibel und nahm auch Bezug auf die Verfolgung der Zeugen Jehovas in Deutschland. Näheres kann ich über diese Flugschrift nicht angeben, da sie bisher noch nicht im Druck erschienen ist. Soweit mir bekannt ist, sollte sie Auszüge aus neuzeitlicher Literatur der I.B.V. enthalten.

Ausser den gemeinsamen Treffen mit den Bezirksdienern habe ich in der Zwischenzeit durchschnittlich die einzelnen Bezirksdiener in ihren Bezirken aufgesucht. Diese Treffs wurden gelegentlich des gemeinsamen Haupttreffen vereinbart. So hatten wir z. B. bei dem Haupttreffen im November 1936 erwogen, die Resolution in der Zeit zwischen 5- und 12. Dezember zur Verteilung bringen zu lassen. Nachdem ich übersehen konnte, dass die einzelnen Bezirksdiener mit den Exemplaren zeitig genug
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beliefert werden würden, suchte ich laut Vereinbarung die einzelnen Bezirksdienstleiter auf und bestimmte die Verteilung der Resolution ab 12. 12, von 5 Uhr nachmittags ab durchzuführen. Die Resolution wurde in Bern gedruckt und dann über die Tschechoslowakei nach Deutschland eingeführt.
Im Prager Büro habe ich erfahren, dass die gedruckten Exemplare durch eine Gruppe von Sudentendeutschen unter der Führung des Glaubensbruders Wagner, Warnsdorf Tschechoslowakei, wohnhaft, illegal über die Grenze geschafft werden. Der Transport der Resolution ging bei Zittau und an einigen Plätzen des Riesengebirges vor sich. Eine bestimmte und genauere Ortsangabe vermag ich nicht anzugeben. Bereits in Luzern wurde Fehst bestimmt die Exemplare in Deutschland in Empfang zu nehmen. Fehst hatte sich hierzu bereit erklärt, weil er als Grenzbewohner mit den Grenzverhältnissen am besten Bescheid wusste. Eine bestimmte Adresse bezw. Aufenthalt des Fehst kann ich nicht angeben. Es ist mir nur bekannt, dass er aus dem Waldenburger-Dittersbacher Gebiet stammt. Zur Übernahme der Exemplare hatte sich Fehst, wie er mir selbst mitteilte, persönlich mit Wagner in Verbindung gesetzt. Das illegale Material wurde von Fehst an die ihm von den Bezirksdienern aufgegebenen Adressen per Bahnexpress weitergesandt. Bei unserm Haupttreffen im November 36, es kann am 21. November gewesen sein, hatten die einzelnen Bezirksdiener dem Fehst angegeben, nach welchem Bahnhof er
die erforderlichen Exemplare zu schicken hatte. Gleichzeitig haben ihm in diesem Sonderfall die einzelnen Bezirksdiener auch Anschriften gegeben, an die Fehst die Gepäckscheine zu senden hatte. Die im Vervielfältigungsverfahren hergestellten und zur Verteilung gelangten Resolutionen wurden in den einzelnen Bezirken angefertigt. Ausser Rabe und Meier war in jedem Bezirk ein Vervielfältiger vorhanden. Wer im Einzelnen diese Vervielfältigungen hergestellt hat, kann ich nicht angeben. Ich weiss auch nicht wo diese Apparate aufgestellt waren. Hierüber müssen die einzelnen Bezirksdiener Auskunft geben können.
Durch das Prager Büro habe ich erfahren, dass auch die gleiche Resolution die aus Holland nach Deutschland gebracht werden sollte, beschlagnahmt wurde. Es handelt sich hierbei um etwa 100 000 Exemplare, die nach den Vereinbarungen in Luzern für Ditschi und andres bestimmt waren.
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Auf die gleiche Art wie diese Resolution gelangte auch die Neuere Literatur durch Vermittlung des Fehst über die Grenze und in die Hände der Bezirksdiener.
Das hier in Deutschland irgendwelche Literaturlager von alter bezw. neuerer Literatur unterhalten werden, ist mir nicht bekannt. Ich glaube auch nicht, dass überhaupt noch grössere Literaturlager bestehen. Diesbezügliche Mieten sind von den Bezirksdienstleitern während der letzten Zeit von mir auch nicht gefordert worden. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass bei einzelnen Glaubensgeschwistern noch einige Kartons mit Literatur untergestellt sind.
Bei den von mir bereits eingangs erwähnten Haupttreffs mit den Bezirksdienern habe ich die für die I.B.V. eingegangenen Beträge entgegengenommen. Der monatliche Gesamtbetrag belief sich durchschnittlich auf 2600,-- - 2800,-- RM. Bei dem letzten von mir wahrgenommenen Haupttreff am 6. 3. 37 in Berlin habe ich als besonders günstiges Ergebnis sogar 3600,-- RM von den Bezirksdienern entgegengenommen. Den grössten Teil der von mir entgegengenommenen Beiträge habe ich jeweils an den von Prag aus beauftragten Bahner abgeführt; ich selbst behielt ungefähr ein Drittel zur eigenen und zur dienstlichen Verwendung. Dieses Geld hat Bahner an eine mir unbekannte Hinterlegungsstelle, die sich in Deutschland befindet, abgeführt. Bahner selbst ist dann jeweils nach Prag zurückgegangen. Bahner ist meines Wissens als Sudetendeutscher im ordnungsgemässen Besitz des Passes regulär über die Grenze gegangen. Er ist dann zu den mit mir verabredeten Treffpunkt (so z. B. das letzte Mal nach Dresden gereist und hat mich dort erwartet). Die Reisekosten von der Grenzübergangsstelle Tetschen-Bodenbach nach Dresden und zurück kostet ungefähr 7,- - 8,- RM. Wenn wir zusammenwaren habe ich für Bahner auch die Speisen und Getränke bezahlt. Wenn ich nach Prag fuhr, habe ich entsprechend in der Tschechoslowakei auf Kosten des Prager Büros gelebt. Ich habe überdies bei den Grenzübergang immer gegen 30,- - 40,- RM bei mir gehabt. Bei meinem letzten Übergang am 8. März habe ich sogar in die Tschechoslowakei gegen 200,- RM unangemeldet eingeführt. Ich habe jedoch dieses Geld dort nicht verausgabt, da ich vom Hauptbüro in der bereits

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dargelegten Weise, ausgehalten worden bin. Ich habe des Weiteren auch von dem mitausgeführtem deutschen Geld drei Reichsdeutsche Glaubensbrüder in Prag unterstützt, da diese für uns arbeiteten.
Diese Glaubensbrüder waren:
der Sudentendeutsche Wagner aus Warnsdorf, der 30,- RM erhalten hat, der Reichsdeutsche Steiger vom Prager Missionsdienst, der 40,- RM erhalten hat und der Reichsdeutsche Platt (Missionsarbeiter), der 47,- RM erhalten hat. Nach meiner Rechtsbeurteilung stellt dieses Geschäftsgebaren ein Devisenvergehen dar.
Ich war mir wohl darüber im Klaren, dass ich mich gegen die Devisengesetze vergehe, wenn ich die 200,- RM ohne Genehmigung in die Tschechoslowakei ausgeführt habe. Ich glaubte jedoch nicht, mich strafbar zu machen, wenn ich einen Ausländer in Deutschland freihielt und andererseits in gleicher Weise selbst im Ausland freigehalten worden bin.
Aufbau der Organisation.
a) Deutsches Reich:
Leiter des "Deutschen Werkes" ist der Reichsdiener Dwenger in Prag. Ich selbst bin lediglich als Vertreter Dwengers eingesetzt. Wie bereits eingangs meiner Vernehmung erwähnt, ist das deutsche Reichsgebiet in 9 Bezirke eingeteilt. Diese einzelnen Bezirke sind wiederum in Gruppen eingeteilt. Die Anzahl der Gruppen ist ganz verschieden und richtet sich nach Grösse des Bezirks, Grösse der Städte und Bevölkerung der einzelnen Landkreise. Dies trifft auch für die nächst niedigere Zelleinteilung zu. Genaue Angaben hierüber kann nur der jeweilige Bezirksdiener erstatten.
b) Internationaler Aufbau:
Das Zentralbüro der I.B.V. befindet sich in Brooklyn (Amerika) unter Leitung des Richters Rutherford, der den Titel eines Präsidenten der I.B.V. führt. Ihm unterstehen die gesamten Zweigbüros der Welt. Die europäischen Zweigbüros werden von drei Zentralstellen aus geleitet.
1.) das englische Zweigbüro mit Sitz in London, Leiter J. Hemery, ihm unterstehen Grossbritannien und Irrland.
2.) das nordeuropäische Zentralbüro mit Sitz in Kopenhagen,
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Leiter Dey, ihm unterstehen Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Lettland, Litauen.
3.) das mitteleuropäische Zentralbüro, mit Sitz in Bern, Leiter M. C. Harbeck, ihm unterstehen:
Holland, Sitz des Zweigbüros in Amsterdam, Leiter Werner
Belgien, Sitz des Zweigbüros in Brüssel, Leiter Knecht
Frankreich, Sitz in Paris, Leiter Gubler
Schweiz, Sitz in Bern, Leiter Harbeck
Polen, Sitz in Lodz, Leiter Scheidter
Danzig, wird von Polen geleitet
Balkan, Sitz in Belgrad, Leiter unbekannt
Tschechoslowakei, Sitz in Prag, Leiter Dwenger
Deutschland, wird von Prag aus geleitet.
Berichterstattung und Zusammenarbeit.
die Berichterstattung umfasst die Meldung der Anzahl der aktiv tätigen Zeugen Jehovas, die geleisteten Arbeitsstunden, Anzahl der verbreiteten Bibeln, Bücher und Broschüren, sowie Meldung über Festgenommene Glaubensgeschwister. Die Unterlagen zu diesen Berichten lieferten die Zellendiener an die Gruppendiener, die dann bei den Bezirksdienern gesammelt und mir bei den verabredeten Hauptreffs übergeben wurden. Ich übergab diese Berichte in Form von fünf Zahlen, die auf die vereinbarte Reihenfolge (1. Arbeiter, 2. Stunden, 3. Bibelverbreitung, 4. Bücher, 5. Broschüren). Auf besonderem Zettel meldete ich den Stand des gegenwärtigen Geldbetrages, sowie bei der letzten Berichterstattung den gegenwärtigen Stand der festgenommenen Glaubensgeschwister. Zuletzt habe ich eine derartige Berichtserstattung am 8. März 37 persönlich in Prag abgegeben. Auf Vorhalt erkläre ich, dass ich Meldungen über angebliche Misshandlungen von Glaubensgeschwistern während meiner Tätigkeit als stellvertretender Reichsdiener nicht erstattet habe. Es ist mir jedoch bekannt, dass diesbezüglich Meldungen von Glaubensgeschwistern durch
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Briefe direkt an die Leitung nach Bern eingesandt worden sind. Absender solcher Briefe kann ich persönlich nicht namhaft machen. Ich habe nur über Prag erfahren, dass derartige Schreiben in Bern eingegangen sind. Diese Meldungen sollen, wie ich weiter gehört habe,
auch nie mit vollem Namen unterschrieben gewesen sein. Dies haben die in Frage kommenden Glaubensgeschwister zweifellos aus Vorsicht heraus nicht getan weil an der Grenze mit einer Briefkontrolle gerechnet werden muss.
Zur Aufrechterhaltung der Organisation habe ich in einer Zeitspanne von 4-6 Wochen sogenannte Haupttreffs mit den Bezirksdienern festgelegt. Nachdem Kongress in Luzern wurde noch in Luzern der erste Haupttreff Mitte 36 festgelegt. Als Treffpunkt wurde der Stadtbahnsteig Alexanderplatz vereinbart. Daut bekam gleichzeitig den Auftrag in der Zwischenzeit einen geeigneten Versammlungsort festzulegen. An diesem Treffen haben sämtliche von mir aufgeführten Bezirksdiener, außer Meier, der zur damaligen Zeit noch nicht eingesetzt war, teilgenommen. Sämtliche Haupttreffs haben wir dann durch Vermittlung von Daut bei Reiche in Zeuthen-Miersdorf, Langestr. 5, wahrgenommen. Ich will hierbei bemerken, dass an sämtlichen Treffs außer den Bezirksdienern die mit mir verhaftete Ilse Unterdörfer teilgenommen hat.
Vermerk: Über Besprechungen, Anzahl der Teilnehmer bei den einzelnen Treffs, Abrechnungen usw. wird Frost später gehört.
Gelegentlich dieser Treffs wurde dann auch der nächste Treff festgelegt. Gleichzeitig vereinbarte ich mit den einzelnen Bezirksdienern einen Zwischentreff in ihrem Bezirk. Wenn diese Zwischentreffs aus irgendwelchen Zwischenfällen nicht zustande kamen, blieb dem Bezirksdiener nur die Möglichkeit am nächsten Haupttreff teilzunehmen. Sämtliche Bezirksdiener hielten sich illegal auf. Mir selbst war irgendwelche Adresse noch Aufenthaltsort der Bezirksdiener bekannt.
v.g.u. Erich Frost
geschlossen mit dem Bemerken, dass die Vernehmung wegen der vorgeschrittenen Zeit (4 Uhr morgens) abgebrochen wurde.

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Berlin, den 3. 4. 1937

Verhandelt!

Vorgeführt erscheint Erich Frost, Personalien bereits aktenkundig, und erklärt auf Vorhalt:

Ich kann auch heute nur meine unter dem 21. 3. 1937 gemachte Angaben, bezüglich des schweizerischen Staatsangehörigen Meier, aufrecht erhalten und erkläre nochmals, dass ich Meier in Deutschland, wie von mir angegeben, nur zweimal getroffen habe. Der Grund unseres Treffens ist lediglich auf unser näheres Kennenlernen gelegentlich des Kongresses in Luzern zurückzuführen. Meier steht in keiner Beziehung zu der illegalen I.B.V. in Deutschland. Ich persönlich kann jedenfalls diesbezügliche Angaben nicht machen. Ich habe auch mit Meier während unseres Zusammenseins keinerlei Fragen über die illegale I.B.V. in organisatorischer Richtung angeschnitten. Es besteht die Möglichkeit, dass ich mit Meier ganz allgemein über Festnahmen von Glaubensgeschwistern gesprochen habe. Irgendwelche Namen sind hierbei nicht gefallen.Abschliessend erkläre ich nochmals, dass ich mit Meier über die Aufrechterhaltung und Betätigung der illegalen I.B.V. nicht gesprochen habe. Insbesondere hebe ich hiermit hervor, dass mir Meier bezüglich der I.B.V. weder Vorschläge, noch irgendwelchen Rat erteilt hat.

v.g.u.

Erich Frost

geschlossen: (unleserlich Name)

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Berlin, den 15. April 1937
Weiter verhandelt.
Vorgeführt erscheint der Musiker Erich Frost, geb. am 22. 12. 1900 in Leipzig, zuletzt ohne festen Wohnsitz, früher wohnhaft gewesen in Leipzig, Preussenstr. 117, und erklärt auf Vorhalt:
Meine am 2. April 1937 gemachten Aussagen entsprechen der Wahrheit. Die Einteilung der Bezirke für die illegale IBV innerhalb des Deutschen Reiches sowie die Besetzung mit Bezirksdienern wurde auf meine Anregung hin und nach den Vorschlägen der einzelnen Bezirksdiener vom 4. bis 7. 9. 36 vorgenommen. Jeder einzelne Bezirksdiener erhielt den Teil einer ausgeschnittenen Karte für das Deutsche Reich, den er zu betreuen hatte.
Der Bezirksdiener Arthur Nawroth, seine Wohnung ist mir nicht bekannt, m. E. muss er aber aus Schlesien stammen, wurde für das Gebiet Ostschlesien und Grenzmark eingesetzt. Ich kenne ihn in meiner Eigenschaft als Reichsdiener seit Herbst 1936. Es ist möglich, dass Nawroth mich schon früher anlässlich von Gruppenbesuchen kennengelernt hat. Zum ersten Mal verhandelte ich mit Nawroth in Luzern, wo die Einteilung der Bezirke vorgenommen wurde. Nach dieser Zeit hatte ich mit ihm Zusammenkünfte und zwar bei 5 Treffs in Berlin, sowie zu 3 verschiedenen Zeitpunkten in Breslau. Die Namen der Gruppen vom Bezirk des Arthur Nawroth sowie deren Besetzung sind mir unbekannt. Ich begnügte mich mit der Meldung, dass die Gruppen im Sinne der Luzerner Besprechung eingeteilt worden waren, für die Zahl und die Namen der Gruppendiener hatte ich kein Interesse.
Bei allen 5 Treffs, die wir in Berlin hatten, lieferte Nawroth bei mir einen Betrag von durchschnittlich 150,- RM ab. Die Gelder setzten sich aus "Gute Hoffnung"-Erlösen und solchen Beiträgen zusammen, die aus der verkauften Literatur erlöst wurden. Von welchen Gruppendienern Nawroth diese Summen erhielt ist mir bestimmt unbekannt.
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Literatur habe ich Nawroth nicht geliefert. Ich nehme an, dass in seinem Bezirk noch einige kleinere Bestände vorhanden sind. Die Lager dieser Bestände weiss ich allerdings nicht anzugeben.
Nach dem Bezirk Ostschlesien und Grenzmark wurden von uns keine Wachttürme geliefert. Ich nehme an, dass Nawroth oder einer seiner Glaubensbrüder die Wt. angefertigt hat. Ich besinne mich jetzt, dass anlässlich des ersten Treffs in Berlin zwischen Nawroth und Fehst die Vereinbarung getroffen wurde, den Wachtturm für die Zukunft gemeinsam herzustellen. Fehst war Bezirksdiener für Westschlesien und Sachsen (östlich der Elbe). Fehst hat nach dieser Besprechung in Berlin einen Vervielfältigungsapparat gekauft. In wessen Bezirk dieser Apparat heute steht, ist mir unbekannt. M. E. muss Nawroth die Gruppendiener seines Bezirkes kennen. Eine Liste hierüber ist nicht vorhanden.
Der Bezirksdiener Georg Rabe, welcher den Bezirk 1.) Ostpreussen, 2.) Westpreussen, 3.) Pommern, 4.) Mecklenburg zu betreuen hatte, ist mir schon seit etwa 10 Jahren, also schon aus der legalen Zeit, als "Pilgerbruder" und dann als Bezirksdiener bekannt. Ich traf ihn während der illegalen Zeit in Luzern und dann mit den anderen Bezirksdienern zu den 5 Haupttreffs in Berlin. Ausserdem bin ich mit ihm 2 mal in Stettin und einmal in Königsberg zusammengekommen. Ich suchte ihn damals während meiner Zwischenbesuche auf, um mich mit ihm über biblische Dinge zu unterhalten. Ich erkundigte mich bei solchen Gelegenheiten über seinen Bezirk und befragte ihm im besonderen darüber, ob der Bezirk in Ordnung wäre. Auf nähere Angaben über den Bezirk verzichtete ich. Ich verzichtete immer auf Namensnennungen der Gruppendiener, um mich und diese nicht zu gefährden. Auch Rabe lieferte seine … Gelder anlässlich der Treffs in Berlin ab. Bei jedem Treff händigte er durchschnittlich 150,- RM aus. Die Literatur muß m. E. Rabe aus kleineren Lagern erhalten haben, die in seinem Bezirk bei einzelnen Glaubensgeschwistern noch versteckt waren. Den Wachtturm bezog er aus Berlin von dem Bezirksdiener Otto Daut. Die Zahl der gelieferten Exemplare muss Otto Daut angeben können.
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Den Bezirksdiener August Fehst kenne ich seit dem Jahre 1931. Ich war früher mit ihm in der Tschechoslowakei als Bibelforscher tätig. Seine Wohnung ist mir nicht bekannt. In Deutschland muss er sich mindestens 1 Jahr lang ohne feste Wohnung aufhalten. Auch er war mit in Luzern, seit dieser Zeit ist er der Bezirksdiener für Westschlesien und Ostsachsen. Fehst lieferte bei den bekannten Treffs in Berlin wenig oder überhaupt kein Geld ab, im Gegenteil, er ließ sich von mir noch größere Beträge aushändigen, die er zur Bezahlung der Schmuggler, welche ihm verbotene Literatur der illegalen IBV aus der Tschechoslowakei nach Deutschland brachten, benötigte. Außerdem benötigte er viel Geld zur Versendung dieses Schriftenmaterials an die Deckadressen der einzelnen Bezirksdiener. Nur in einem Falle in Berlin am 6. März 37 übergab mir Fehst einen Betrag von ca. 500,-- RM. Quittungen über alle mir ausgehändigten Gelder wurden nicht ausgestellt. Dies trifft in jedem Falle zu. Fehst selbst verschaffte sich die Literatur aus der Tschechoslowakei durch den Glaubensbruder Wagner aus Warnsdorf/CSR. Durch Wagner stand Fehst in ständiger Verbindung mit dem Zweigbüro der IBV wegen Belieferung von IBV-Literatur. Schätzungsweise sind durch Wagner 40 000 Bücher und Broschüren der IBV über die Grenze bei Spindlersmühle im Riesengebirge, sowie bei Warnsdorf (Zittauer Gebirge) gebracht worden. Fehst übernahm diese Sendungen und verschickte sie an die einzelnen Deckadressen der anderen 6 Bezirksdiener. Einen Teil der Literatur hielt Fehst für seinen Bezirk zurück. Insgesamt enthielten die Sendungen folgende Bücher und Broschüren:

1.) Das Buch "Reichtum", etwa 900 Exemplare,

2.) Die Broschüre "Entscheidung", etwa 35 000 Exemplare,

3.) Die Broschüre "Oberherrschaft", etwa 2000 Exemplare,

4.) Die Broschüren "Gesundheit und Leben", "Schlusskampf", "Frohe Botschaft" us. mehr, etwa 2 bis 3000.

Ausserdem wurden noch in der Zeit von 6 Monaten etwa 3 bis 4000 'Goldene Zeitalter' aus der Tschechoslowakei durch Wagner über die Grenze geschmuggelt. Diese Zeitschriften brachte Fehst mit zu den Treffs in Berlin, wo sie an die einzelnen Bezirksdiener verteilt wurden. Die gesamte Literatur ist in Bern/Schweiz gedruckt worden, von dort aus wurde es unentgeltlich nach Prag an das Zweigbüro der IBV geliefert. Auch wir in Deutschland erhielten diese Literatur ohne Bezahlung. Fehst hatte lediglich eine Vergütung für die Schmuggler zu zahlen, die ihm von mir ausgehändigt wurde.
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Insgesamt habe ich Fehst für die eingeschmuggelten Bücher ungf. 600,- RM vergütet. Auch die in Deutschland verbreiteten Resolutionen (in Luzern verfasst und am 12. 12. 36 hier in Deutschland verbreitet) wurden durch Vermittlung des Fehst in Deutschland eingeschmuggelt und zwar an den von mir vorbezeichneten Stellen.
Das Buch "Reichtum" wurde zum Preise von 1,50 RM an die Glaubensbrüder verkauft. Dieser Preis ist der der üblichen der illegalen IBV. Für die Broschüren setzte ich für 10 Stück den Preis von 0, 75 RM fest. Ganz vereinzelt ist es auch vorgekommen, dass unbemittelten Glaubensgeschwistern das Buch "Reichtum" sowie Broschüren kostenlos überlassen wurden. Der Erlös für die verkauften Bücher und Broschüren ist an mich nach Abzug der Spesen abgeliefert worden.
Richter Rutherford ist der Herausgeber und Verfasser der "Wachttürme". Diese Wt werden dann für die deutschsprachigen Länder von dem Leiter des Mitteleuropäischen Zentralbüros Harbeck in Bern übersetzt, dort im Druck hergestellt und an die einzelnen Zweigstellen je nach Anforderung geliefert. Ich will hierbei bemerken, dass auch die Druckherstellung in Prag teilweise durchgeführt wird. Da es besonders in letzter Zeit vorgekommen ist, dass Einzelsendungen von derartigen Wachtturm-Exemplaren bei der Grenzkontrolle angehalten wurden, und demzufolge auch Verhaftungen von Glaubensgeschwistern vorgekommen sind, entschlossen wir uns, nur noch eine geringe Anzahl Original-Wt. aus Prag zu beziehen. Für Deutschland wurden von diesen Exemplaren durch Fehst 30 Stück bezogen (pro Ausgabe, monatlich 2 mal). Diese Nummern gelangten dann gelegentlich der Haupttreffs bzw. meiner Einzeltreffs mit den Bezirksdienern in die Hände der Bezirksdiener. Diese stellten dann die für ihren Bezirk erforderliche Anzahl der Wt. im Vervielfältigungsverfahren her. Wie ich bereits erwähnt habe, wurden die Vervielfältigungen für Rabe und Meyer durch Daut veranlasst. Nawroth und Fehst haben, wie ich auch schon vorstehend angegeben habe, für ihre Bezirke gemeinsam die benötigten
Exemplare angefertigt. Hierbei will ich bemerken, dass nicht jedes einzelne Mitglied ein Wt-Exemplar erhielt. Das Exemplar wurde vielmehr durch en Gruppendiener dem Zellendiener überreicht und ging dann in die Zelle, die sich von 4 bis 6 Glaubensgeschwistern zusammensetzt, von Hand zu Hand. Diese Massnahme wurde getroffen, weil bei der geringern Anzahl der Exemplare auch die Gefahr der
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Entdeckung der illegalen Schrift ganz erheblich geringer war. Für das Lesen eines jeden Exemplars des Wt. hatte die Zelle 0,25 RM an den Zellendiener abzuführen. Das letzte Zellenmitglied hatte den Wt. dem Zellendiener zurückzugeben, der ihn zu vernichten hatte.
Den Bezirksdiener Otto Daut, der für den Bezirk Berlin und Mark Brandenburg tätig war, habe ich im vorigen Jahre zum Luzerner Kongress kennengelernt. An der bereits erwähnten Sonderkonferenz, der für das deutsche Reichsgebiet neueingeteilten Bezirksdiener nahm Daut teil. Zur Zeit des Luzerner Kongresses war gerade der bisherige Reichsdiener für Deutschland, der Glaubensbruder Winkler verhaftet. Daut ist einer der ältesten Glaubensgeschwister aus Berlin und erstattete gelegentlich dieser Konferenz Meldungen über in Berlin vorgekommene Verhaftungen von Glaubensgeschwistern. Daut erhielt in Luzern noch keinen Bezirk. Da ich erkannte, dass Daut ziemlich genau über die Berliner Verhältnisse orientiert war, vereinbarte ich mit ihm in Berlin einen Treff. Ich habe ihn gebeten, seine Informationen in der Zwischenzeit noch zu vervollständigen. Wenn mir vorgehalten wird, dass Daut erklärt hat, ich hätte mit den anderen Bezirksdienern in Luzern nicht den ersten Treff für Berlin vereinbart, so habe ich hierzu folgendes zu erklären:
Ich bleibe auch heute noch dabei, dass ich bereits in Luzern mit den sämtlich neu ernannten Bezirksdienern den ersten Treff für Oktober festgelegt habe. Es besteht die Möglichkeit, dass Daut von dieser Vereinbarung nichts gewusst hat. Mein Treff mit Daut persönlich lag jedenfalls vor dem ersten Treff. Ich glaube, mich zu entsinnen, dass ich bei diesem Treff Daut beauftragte, einen geeigneten Ort für unsere Zusammenkunft herauszusuchen. Da mir heute vorgehalten wird, dass der erste Treff bei dem Glaubensbruder Rehmer in Pichelsdorf stattgefunden hat, muss ich meine bisherige Angabe insofern berichtigen, dass ich mich geirrt habe, wenn ich bisher angegeben habe, der erste Treff sei bereits bei Reiche gewesen. Es ist also zutreffend, dass wir uns zuerst bei
Rehmer getroffen haben. Ich kann mich auch jetzt darauf besinnen, dass ich mit Daut gemeinsam bereits vorher bei Rehmer war.
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Vermerk:
Über den Treff bei Rehmer äussert sich Frost im Sinne der Angaben des Daut. Von einer Vernehmung des Frost zu diesem Treff wird daher Abstand genommen.
Bei meinem ersten Treff mit Daut nach der Luzerner Konferenz in Berlin, erklärte sich Daut nach Rücksprache einverstanden, den Berliner Bezirk sowie die Mark Brandenburg zu übernehmen. Er sagte mir, dass er sich nicht zu Hause aufhalten könne, weil er polizeilich gesucht werde. Über die Einteilung seines Bezirks habe ich nicht im einzelnen mit ihm verhandelt, ich habe ihm lediglich zum Vorschlag gemacht, Berlin in mehrere Gruppen einzuteilen. Von Daut erhielt ich an jedem Treff den Betrag von durchschnittlich 400 bis 600,- RM ausgehändigt. Insgesamt wird Daut etwa 25 000 RM. an mich bezahlt haben.
Ausser den üblichen Treffs bin ich mit Daut in Berlin wiederholt zusammengekommen. Er berichtete mir von Verhaftungen der Anhänger der Illegalen IBV. Ferner teilte er mit, dass der Wachtturm hergestellt und demnächst zur Verteilung komme. Auch unterhielten wir uns über organisatorische Angelegenheiten. Die neue Literatur erhielt Daut von Fehst zugestellt. Bei meinen häufigen Zusammenkünften mit Daut befand sich die Glaubensschwester Ida Strauss, die den Decknamen "Moritz" führte. Von Daut habe ich erfahren, dass die Strauss die Vervielfältigungen der Wachttürme herstellt.
Der Bezirksdiener Fred Meyer war nicht mit auf der Luzerner Konferenz anwesend. Ihn lernte ich im Oktober 1936 in Gesellschaft des Bezirksdieners Walter Friese in Hannover kennen. Er bot sich s. Zt. mir gegenüber an, den Bezirk Westsachsen bis einschliesslich Anhalt übernehmen zu wollen. Hierzu will ich bemerken, dass ich zunächst diesen Bezirk für mich selbst freigehalten hatte. Da ich mich als Reichsdiener aber nicht eingehend mit meinem Bezirk beschäftigen konnte, übernahm die mit mir festgenommene Glaubensschwester Ilse Unterdörfer vor Meyer diesen Bezirk. Auch Meyer war immer bei den Berliner Haupttreffs zugegen. Ausser den Berliner Treffs kam ich mit Meyer nach vorheriger Vereinbarung vor den Bahnhöfen in Chemnitz, Leipzig und Dessau. Ich erkundigte mich bei ihm über organisatorische Angelegenheiten seines Bezirkes

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und überzeugte mich von seiner Arbeit als Bezirksdiener. Der Bezirk Westsachsen einschl. Anhalt war in 5 Gruppen eingeteilt, und zwar
1.) Chemnitz, bestehend aus dem Stadtgebiet Chemnitz sowie der Umgebung, wozu folgende Orte gehören: Markersdorf, Meinersdorf, Hartmanndorf, Burgstädt, Limbach, Freiberg, Zschopau,
2) Gruppe Erzgebirge: bestehend aus den Orten Schwarzenberg, Annaberg, Buchholz und Sehma,
3) Gruppe Vogtland: bestehend aus den Orten Zwickau, Planitz, Howel, Crittzschau, Gössnitz, bis nach Plauen einschliesslich und Reichenbach,
4) Gruppe Leipzig: bestehend aus den Orten Leipzig, Lützen, Pegau, Meuselwitz, Wurzen.
Ich bemerke, dass die Orte Lützen, Meuselwitz und Pegau später herausgenommen wurden und dem Bezirk Walter Friese zugeteilt worden sind.
5) Gruppe Dessau: bestehend aus der Stadt Dessau, Coswig, Wittenberg und Elster an der Elbe.
Diese 5 Gruppen sind mir bekannt. Diese Angaben entsprechen dem Stande vom September 1936. Ich nehme aber an, dass Umorganisationen stattgefunden haben. Davon hatte mir der Bezirksdiener Meier gelegentlich eines Treffs in Chemnitz berichtet. Näheres hierüber kann ich aber nicht angeben, weil für mich ein Einschalten meiner Person zu gefährlich würde.
Folgende mir bekannte Gruppendiener des Bezirks Westsachsen Anhalt sind meines Wissens in Haft:
für Gruppe 1.) Chemnitz: Max Quellmals aus Chemnitz,
Otto Ebert aus Chemnitz,
Walter Hauke aus Chemnitz,
Richard Meise aus Chemnitz,
für Gruppe Erzgebirge: Fritz Boschan aus Beiersfeld,
Arthur Dietzsch aus Annaberg.
für Gruppe Vogtland: zwei Brüder aus Mosel bei Zwickau,
namens Hoh, Vorn.: ?

Walter Tetzner aus einem Dorf bei Glauchau, Wernsdorf oder ähnlich lautend,
für Gruppe Leipzig: Karl Siebeneichler, bis September 1936 als Gruppendiener, sodann Bezirksdiener in Bayern, aus Leipzig,
für Gruppe Dessau. Fritz Zietsch aus Dessau.
Ich muß mich berichtigen. Es kann sein, dass Zietsch aus Dessau sowie die Gebrüder Hoh aus Mosel sowie Walter Hauke aus Chemnitz noch nicht verhaftet sind. Genaueres hierüber
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kann ich aber nicht angeben, weil ich mich als Reichsdiener nicht damit beschäftigen kann und darf.
Die neuere Literatur erhielt Meier durch Fehst zugestellt, entweder durch die Bahn oder mit der Post. Der Empfangstag und die Empfangsadresse, die bahnlagernd oder Postlagernd (letzteres wurde in letzter Zeit nicht mehr angewendet) angegeben wurde, wurde beim Treff vorher in Berlin zwischen den einzelnen Bezirksdienern und Fehst vereinbart. Es kann im Bezirk Westsachsen - Anhalt alte Literatur bei Glaubensbrüdern nicht mehr vorrätig gewesen sein. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass Bücher alter Literatur im vorbenannten Bezirk verkauft oder verbreitet worden sind. Die Belieferung von Sachsen und Anhalt mit Wachttürmen wurde durch Daut, Berlin, durchgeführt. Bei jedem Treff lieferte Meyer mit etwa 300,- RM aus. Insgesamt habe ich von ihm 1000,- bis 1200,- RM erhalten.
Walter Friese, der Bezirksdiener von Thüringen und dem Harzgebiet ist, ist mir seit dem Jahre 1930 bekannt geworden. Als Bezirksdiener für die vorgenannten Bezirke wurde er von mir nach meiner Rückkehr aus Luzern und nach Rücksprache mit Siebeneichler und Ditschi eingesetzt. In Luzern war vereinbart, dass Siebeneichler diesen Bezirk übernehmen sollte. Weil aber Friese im Bezirk Thüringen und Harzgebiet bekannt und eingearbeitet war, habe ich ihn entgegen der Luzerner Abmachung als Bezirksdiener eingesetzt. Siebeneichler erhielt nach Rücksprache mit den anderen Bezirksdienern den bayerischen Bezirk. Wie ich schon in den anderen Fällen angegeben hatte, erhielt auch Friese durch den Bezirksdiener Fehst neue Literatur zugestellt. Die im Bezirk Moringen und Harzgebiet zur Verteilung kommenden Wt. wurden vom Bezirksdiener Friese selbst hergestellt. Mir ist bekannt, dass im Bezirk des Friese ein Verfielfältigungsapparat zur Herstellung von Wt. verwendet wurde. Ich kann aber nicht angeben in wessen Besitz sich dieser Apparat befindet.

Von Friese habe ich bei jedem Treff in Berlin durchschnittlich etwa 350,- RM bekommen. Insgesamt händigte er mir 1500 bis 1800 RM aus.
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Der Bezirksdiener Heinrich Ditschi wurde in Luzern als mein Stellvertreter vorgeschlagen und bestimmt. Es war vorgesehen, dass er im Falle meiner Verhaftung das Amt des Reichsdieners zu übernehmen hatte. Ihn kenne ich als Anhänger der illegalen IBV seit unserem Zusammentreffen in Luzern. Ditschi mit der Betreuung des Bezirkes Schleswig-Holstein, Oldenburg, Ruhrgebiet und Westfalen beauftragt. Wie schon erwähnt, wurde auch Ditschi durch den Bezirksdiener Fehst mit neuer Literatur beliefert. Ich nehme an, dass auch jetzt noch im vorgenannten Bezirk alte Bestände von IBV-Literatur vorhanden sind. Ich schliesse das da heraus, weil über diese verkauften Bücher Gelder bei mir zur Ablieferung gekommen sind. Die Wt. liess auch Ditschi in seinem Bezirk anfertigen. Wie in allen anderen Fällen ist auch hier mir unbekannt, in wessen Händen sich der Vervielfältigungsapparat und die Schreibmaschine befinden. Bei jeder Zusammenkunft mit Ditschi händigte er mir den Betrag von durchschnittlich 400,- RM aus. Zusammen habe ich von ihm etwa 2000,- RM erhalten.
Wandres, Albert, Bezirksdiener, lernte ich im Jahre 1928 in Süddeutschland, in Wiesbaden, gelegentlich der Aufführung "Das Schöpfungsdrama" als Anhänger der IBV kennen. Ich bin dann noch einmal mit ihm zusammengekommen. Auch Wandres war mit in Luzern. Er war s. Zt. schon Bezirksdiener für Rheinland, Baden und Württemberg. Er wurde in Luzern als Bezirksdiener nur nochmals bestätigt. Anlässlich der Verteilung der einzelnen Bezirke in Luzern erhielt er zu seinem Bezirk die Gruppe in Saarbrücken im Saargebiet noch zugeteilt. Gruppendiener der Saarbrückner Gruppe ist ein gewisser Hassel aus Saarbrücken. Über Hassel kann ich nähere Angaben nicht machen, insbesondere weiss ich nicht, ob er verhaftet ist. Für den vorgenannten Bezirk lieferte auch Fehst die neuere Literatur, die an Deckadressen, die mir unbekannt sind, abgesandt wurde. Von Wandres erhielt ich von allen Bezirken das meiste Geld. Bei jedem Berliner Treff händigt er mir durchschnittlich 1500,- RM aus, so dass ich insgesamt 8000 bis 10 000,- RM von ihm erhalten habe.
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Die Vernehmung wurde abgebrochen.

Laut diktiert gelesen unterschrieben
geschlossen Erich Frost

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Nach der Vernehmung vom 15. 4. 37, wurde seitens der Gestapo offenbar erst mal eine "Zwischenbilanz" der gewonnenen Erkenntnisse gezogen, wie deren Protokoll-Zusammenschnitt vom 16. 4. 37 deutlich macht.

Ad. II B. 261/37 S.

Berlin, den 16. 4. 37

Bericht

Betrifft die "Internationale Bibelforscher-Vereinigung"

Über die staatsgefährdende Organisation der "Internationalen Bibelforscher-Vereinigung" ist bereits eingehend berichtet worden so dass von einer näheren Erläuterung über Zweck und Ziel der IBV Abstand genommen wird.

Bemerkt wird, dass gegen 14 der oben benannten festgenommenen Personen bereits richterlicher Hewftbefehk erlassen worden ist.

Die Neu-Organisation der illegalen IBV und deren Arbeitsweise konntew durch die Aussagen der festgenommeenen IBV-Funktionäre S i e b e n e i c h l e r,   R a be,  D a u t und F r o s t  aufgedeckt werden.

Fest steht, dass alle Hauptfunktionäre sich illegal in Deutschland aufhallten bzw.aufhielten, im Besitze von gefälschten und falschen Ausweisen sind und nicht nur bei Glaubensgeschwistern, sondern auch bei alten Leuten Unterschlupf gefunden haben. Sämtliche Funktionäre sind ferner im Bessitze von Netzkarten der Reichseisenbahn für das gesamte Reichsgebiet, oder für Teilbezirke.

Grundsätzlich wurden aber weit höhere Beträge gegeben und der Überschuss als "Gute-Hoffnungs"-Beträge abgeführt.

Durch die Festnahme von Siebeneichler und Rabe ist die Aufrollung ihrer Bezirke (Bayern und Ostpreussen= möglich geworden. Desgleichen trifft dies für den Bezirk D a u tz  (Berlin und Umgebung)  zu. Daut hat in seiner Vernehmung vom 13. 4. 37 alle seine Gruppendiener genannt, mit deren Inschzutzhaftnahme durch die Stapoleitstelle Berlin in nächster Zeit zu rechnen ist. Berlin  war in 19 Gruppen eingeteilt. Unter Zugrundelegung der für Berlin angefertigten WT.-Exemplare von 240 Stück und unter Berücksichtigung, dass jede Zelle 4 bis 6 Personen umfasst ist die Zahl der heute im Berliner Bezirk wohnenden Bibelforscher auf 1000 bis 1200 zu schätzen

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Ad II B

Berlin, den 20. April 1937 (Das genaue Datum dieses auch in Ex-ZJ-Kreisen kursierenden Details der Frost-Vernehmungen ist unleserlich. Es kann auch der 26 oder 28 April sein)

W e i t e r v e r h a n d e l t

Vorgeführt erscheint Erich F r o s t, Personalien bereits aktenkundig und erklärt:

In Sachen S c h l o e m e r

Schon an anderer Stelle habe ich in der Angelegenheit Albert Wandres ausgesagt, dass bei den in der Wohnung der mir unbekannten Glaubensschwester in der Nähe des Cafes Olga-Boke in Stuttgart stattgefundenen Treffs auch der Glaubensbruder Herman Schloemer mit zugegen war. Seit dieser Zeit (Februar 1937) kenne ich Schloemer. Ich habe mich mit ihm nachdem nicht wieder getroffen. Schlemer wurde von mir nach der bereits schon früher erwähnten Wohnung der Glaubensschwester nicht bestellt. Das kann nur Wandres getan haben, der als Bezirksdiener die Treffs zu vermitteln hatte. Ich nehme an, dass Wandres auch vorher mit der unbekannten Glaubensschwester in Verbindung getreten war, um ihre Wohnung für unsere Zusammenkünfte zur Verfügung zu stellen. Eine direkte Verbindung mit Schloemer habe ich nie gehabt. Schloemer war ja nicht Bezirksdiener, und ich hatte daher nichts mit ihm zu tun. Schloemer muss meines Wissens ein Helfer von Wandres gewesen sei. Ich kann mich entsinnen, dass Wandres mir einmal erzählte, er habe Schlemer und Stickel für seinen Bezirk eingesetzt, weil der Bezirk sei umfangreich sei. Welche Arbeiten Schloemer als Helfer von Wandres zu verrichten hatte, ist mir unbekannt. Ich nehme aber an, dass er ihm beim Verteilen von Wachttürmen oder beim Aufsuchen der Gruppendiener der illegalen IBV behilflich war. Mir ist auch nicht bekannt, ob Schloemer die Gelder für gelieferte W.T. Und auch G.H.-Beträge kassiert hatte. Wenn das der Fall gewesen sein sollte, so war er jedenfalls berechtigt, für seinen Lebensunterhalt sowie auch für die Kosten für die Bezirkskasse in Abzug zu bringen. Das war eine allgemeine Vereinbarung, die für alle Funktionäre der illegalen IBV galt.

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Ich muss mich an dieser Stelle noch berichtigen. Schloemer kenne ich ungef. Seit 1929. Gelegentlich des Stuttgarter Treffs, wo er auch zugegen war, habe ich nur eine alte Bekanntschaft mit ihm erneuert. Schloemer warfrüher Gruppendiener, vermutlich in Bremen, vor dem Verbot der IBV stand er in deren Missionsdienst, vermutlich ebenfalls in Norddeutschland. Ich kann mich entsinnen, Schloemer im Jahre 1929 in Bremen gelegentlich der Aufführung des Schöpfungsdramas getroffen zu haben.

Die Anzahl der Resolutionen, die andren für Wandres für seinen Bezirk erhalten hatte (Württemberg, Baden, Rheinland, Saargebiet weiss ich nicht anzugeben. Wandres hatte einen sehr großen Bezirk, ich nehme daher an, dass ihm Fehst etwa 20 bis 25 000 Exemplare zugeschickt hatte.

v. g. u.

geschlossen.

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Berlin, den 21. 4. 37
AD. II B
Weiter verhandelt.
Vorgeführt erscheint Frost, Personalien bekannt, und erklärt:
Zu meinen Angaben vom 15. 4. 37 über die Bezirksdiener habe ich im einzelnen folgendes zu bemerken:
Bezirksdiener Nawroth.
Ausser den von mir bereits erwähnten Treffs habe ich mit Nawroth Ende 1936/ Anfang 1937 noch einen weiteren Treff in Breslau gehabt. Vereinbarungsgemäss trafen wir zunächst auf dem Breslauer Hauptbahnhof zusammen. Hier wurde von uns gleichzeitig der Bezirksdiener Fehst erwartet. Da Fehst nicht erschien, führte mich Nawroth in die Wohnung eines Glaubensbruders unweit des Hauptbahnhofs. Die Lage der Wohnung vermag ich heute nicht mehr näher anzugeben. Mir ist auch der Name des Glaubensbruders entfallen. Nawroth liess mich mit der Glaubensschwester in der Wohnung zurück, um, wie er mir sagte, noch einmal zu versuchen, Fehst zu treffen. Ich habe heute auch nicht mehr in Erinnerung, ob Nawroth dann mit Fehst selbst oder mit einem unserer Glaubensbrüder in der Wohnung erschien. Während der Abwesenheit des Nawroth hatte ich von der Glaubensschwester erfahren, das ihr Mann bereits verhaftet sei. Dies war für mich mitbestimmend, vorzuschlagen, die Wohnung sofort wieder zu verlassen. Ich kann mich heute noch darauf erinnern, dass Nawroth, Fehst, ein weiterer Glaubensbruder, dessen Name mir entfallen ist, durch die Stadt gingen und dann irgendein Lokal betraten. Bei dieser Gelegenheit habe ich mich von Nawroth und Fehst über ihre Bezirke informieren lassen. So wurde hier über erfolgte Festnahmen gesprochen,
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auch haben wir uns über biblische Dinge unterhalten. Hierbei will ich erwähnen, dass diese Treffs in erster Linie lediglich zeigen sollten, dass dieser oder jener von uns noch nicht verhaftet sei. Ausserdem waren die Treffs dazu bestimmt, uns gegenseitig ermunternde Worte zu sagen.
Bezirksdiener Rabe.

U. a. bin ich mit Rabe Ende November 1936, in Stettin, im Dezember 1936 oder Anfang 1937 in Königsberg und Februar 1937 wieder in Stettin zusammengetroffen.
In Stettin trafen wir nach vorangegangener Vereinbarung auf dem Hauptbahnhof zusammen. Von hier aus gingen wir den Strassenbahnschienen nach in die Stadt, wo wir einen Glaubensbruder in seiner Wohnung aufsuchten. Den Namen und die Wohnung des Glaubensbruders kann ich nicht näher angeben. Vom Bahnhof würde ich allerdings die Wohnung wiederfinden. In dieser Wohnung fanden sich dann noch 2 weitere Glaubensbrüder ein, die m. E. von Rabe bzw. dem dort wohnenden Glaubensbruder der unsere Anwesenheit durch Rabe bereits vorher erfahren haben dürfte, eingeladen waren. Auch dieser Treff sollte in der Hauptsache gegenseitige Erbauung bezwecken. Wir haben auch über biblische Dinge gesprochen.
Treff in Königsberg.
Rein zufällig traf ich bereits mit Rabe im Schnellzug auf der Fahrt nach Königsberg zusammen. Wo er zugestiegen ist, weiss ich heute nicht mehr. Wir suchten in Königsberg gemeinsam einen Glaubensbruder auf, dessen Name und Wohnung ich auch nicht angeben kann. Der Glaubensbruder ist von Beruf Gärtner. Ich habe bei diesem Glaubensbruder übernachtet. Rabe hat in den späten Abendstunden die Wohnung verlassen. Wo er sich hinbegeben hat, weiss ich nicht. Zweck des Treffs war, lediglich wieder einmal mit Rabe zusammen zu sein, um uns davon zu überzeugen, dass wir uns beide noch in Freiheit befinden.
Bezirksdiener Fehst
Wie ich bereits zum Ausdruck gebracht habe, oblag dem Fehst neben Betreuung seines Bezirkes in erster Linie die Literaturbeschaffung. Bei dem letzten Treff in Berlin-Zeuthen habe ich von Friese erfahren, dass sich noch in Kassel ein größeres Lager befinden sollte.
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Es wurde nun vereinbart, dieses Lager zu räumen und die Bestände bei einzelnen Glaubensgeschwistern unterzustellen. Die Räumung des Lagers sollte durch Fehst, Daut und noch 2 weitere Glaubensbrüder durchgeführt werden. Ich selbst fuhr am 8. 3. 37 nach der Tschechoslowakei. Nach meiner Rückkehr erfuhr ich von Daut, dass das Lager in Kassel bereits entdeckt und von der Polizei geräumt war. Zur beabsichtigten Räumung des Lagers wurde ein von mir für die IBV angeschafftes Auto benutzt. Über die Anschaffung dieses Kraftfahrzeuges werde ich mich später äussern. Ich möchte hierbei gleich erwähnen, dass es sich meines Wissens bei diesem Kasseler Lager um das letzte Lager der IBV handelt. Die Bezirksdiener haben jedenfalls von mir nicht die geringsten Gelder zur Begleichung von Lagermiete gefordert. Über die Lage des Lagers kann ich nähere Angaben nicht machen. Hierzu dürfte Daut in der Lage sein. Friese hat mir gesprächsweise mitgeteilt, dass sich in diesem Lager ca. 15 000 broschürte Bücher "Schöpfungen" befunden hätten.
Die Wohnung des Bezirksdieners August Fehst, der etwa 36 Jahre alt, etwa 1,73 m gross, blasse Gesichtsfarbe, kurz geschnittene blonde Haare, Augen blau oder grau, Zähne vollständig, spricht hochdeutsch, weiss ich nicht anzugeben; er muss aus Niederschlesien stammen, ich vermute, dass er in Gottesberg gewohnt hat. Ich schliesse das daraus, dass Fehst während eines Aufenthaltes in der Tschechoslowakei wiederholt mit Glaubensgeschwistern aus Gottesberg zusammen war. Mit Fehst bin ich nur gelegentlich vereinbarter Treffs, die in Berlin, sowie in Breslau, Görlitz und Dresden stattfanden, zusammengekommen. Bei solchen Gelegenheiten habe ich mich nur an Bahnhöfen mit ihm getroffen. In keinem Falle waren wir in den Wohnungen von Glaubensgeschwistern. Eine Deckadresse für Fehst ist mir nicht bekannt. Ich kann nicht angeben, ob Fehst im Besitz eines Reisepasses oder anderer Ausweispapiere ist.
An dieser Stelle möchte ich noch folgendes bemerken:
Nach meiner Ansicht wurden für die Bezirke des Fehst (Schlesien) und Nawroth (Ostschlesien und Grenzmark) die "Wachttürme" auf einem Abzugsapparat hergestellt worüber Fehst Aufschluss geben kann. Fehst hatte im Oktober 1936 gelegentlich eines Treffs einen Abzugsapparat Marke "Primus II" für etwa 100,- RM gekauft und mitgenommen. Auf diesem Apparat sollte die Vervielfältigung der Wt. für die
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Bezirke Fehst und Nawroth vorgenommen werden. Der Aufbewahrungsort des Vervielfältigungsapparates ist mir unbekannt. Hierüber kann nur Fehst Angaben machen.
Bezirksdiener Friese
Mit Friese, der als Bezirksdiener für Thüringen und Harzgebiet in Frage kommt, bin ich im Oktober in Hannover zusammengetroffen. Bei diesem Treff waren ferner die Bezirksdiener Ditschi und Meyer zugegen. Ich wurde von Friese im Wartesaal 2. Klasse erwartet. Soweit ich mich erinnere gingen wir dann nach dem Mindener Markt Nr. 8, wo ein Glaubensbruder Hartmann oder so ähnlich im Hinterhaus parterre wohnt. Hier waren bereits Meyer und Ditschi anwesend. Bei diesem Treff handelte es sich ebenfalls um einen so genannten Zwischentreff. An diesem Treff habe ich dann dem Meyer den Bezirk Westsachsen-Anhalt zugeteilt. Diesen Bezirk hatte ich vorher persönlich betreut. Auch bei diesem Treff handelte es sich um einen sogenannten Zwischentreff, bei dem wir uns gegenseitig ermunterten und uns in erster Linie nur davon überzeugen wollten, wer sich von uns noch in Freiheit befindet. Im übrigen nehme ich Bezug auf meine Angaben in der Vernehmung vom 15. 4. 37, Seite 8.
Bezirksdiener Wandres
Meine Angaben auf Blatt 9 in der Vernehmung vom 15. 4. 37 habe ich wie folgt zu ergänzen:
Mit Wandres traf ich in Stuttgart 2 mal zusammen. Der erste Treff lag im November oder Dezember 1936. Wir trafen uns am Bahnhof und suchten die Wohnung einer Glaubensschwester auf. Den Namen der Glaubensschwester kann ich nicht angeben. Die Wohnung befindet sich schräg rüber vom Café "Olga" und zwar in der Straße, die die Olgastr. schneidet. Die Hausnummer selbst kann ich nicht angeben. Die Wohnung ist aber im 2. Stockwerk gelegen. Soweit ich mich entsinnen kann sind in diesem Grundstück keine Geschäfte untergebracht. Es handelt sich um ein reines Wohngrundstück. In der Wohnung wozugegen waren: Bezirksdiener Wandres, sein Unterbezirksdiener Ludwig Stickel aus Pforzheim. Unterhielten wir uns über die Wahrheit und erörterten Fragen des Glaubens. Organisatorische Fragen, insbesondere, ob im Bezirk alles in Ordnung sei, wurden schon auf dem Wege zu dieser Wohnung behandelt.
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Die mir namentlich nicht bekannte Glaubensschwester stellte uns für die Unterredung ihr Wohnzimmer zur Verfügung und bewirtete uns mit Kaffee und Kuchen. Sie selbst nahm an der Besprechung nicht teil, sondern beschäftigte sich in der Küche. Nach 1 ½ stündigen Aufenthalt verliess ich allein die Wohnung. An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass ich mich immer so verhielt. Sobald meine Besprechungen beendet waren, verabschiedete ich mich und ging fort. Ich wollte mich so unauffällig wie nur möglich verhalten und die Glaubensgeschwister nicht gefährden.
Ein zweites Mal hatte ich in der gleichen Wohnung im Februar d. Js. einen Treff. Damals waren zugegen: Siebeneichler, Karl, mit dem ich mich schon auf der Hinfahrt nach Stuttgart im D-Zug in Nürnberg traf, Wandres, Albert, Ludwig Stickel, der Unterbezirksdiener Schloemer, 2 mir namentlich unbekannte Glaubensbrüder aus der Umgebung Stuttgarts und ich selbst. Wir unterhielten uns zunächst über den Inhalt mehrerer Wt.s und erörterten Glaubensfragen. Gleichzeitig übergab ich Wandres einige Original-Wt., die er für die Glaubensgeschwister seines Bezirkes zu vervielfältigen hatte. Ausserdem erhielt Wandres einige Zeitschriften neuester Ausgabe "Das Goldene Zeitalter". Wenn wir uns bei solchen Gelegenheiten über die Auslegung der Bibel, sowie über die Wahrheit unterhalten haben, so betrachteten wir das als Andacht. Eine besondere Form einer Feierstunde kennen wir als Anhänger Jehovas nicht.
Ein andermal traf ich mit Wandres zufällig in Berlin. Wandres hatte sich in diesem Falle zunächst mit Daut verabredet. Durch Daut wusste ich davon, und ich war bei diesem Treff zugegen. Wir trafen uns vor dem Potsdamer Bahnhof und gingen zu dritt nach der Fürstenberg-Brücke am Potsdamer Bahnhof. Bei dieser Gelegenheit unterhielten wir uns über Vorkommnisse unserer IBV und sonstige Tagesfragen. Dabei übergab mir Wandres 2 in meiner Brieftasche vorgefundene Notizzettel, deren Inhalt mir nicht bekannt ist sowie einen Brief, der an die Adresse eines Glaubensbruders oder Glaubensschwester gerichtet ist. Ich hatte noch keine Gelegenheit vom Inhalt dieser Schriftstücke Kenntnis zu nehmen, weil ich 2 Tage nach diesem Treff verhaftet wurde. Die Schriftstücke müssen sich in meiner Brieftasche bei den Effekten befinden.
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Bei dieser Gelegenheit möchte ich folgendes bemerken:

Gelegentlich des Haupttreffs im Januar d. Jahres in Berlin teilte mir Wandres mit, dass er zur Vervielfältigung eine Schreibmaschine gekauft habe. Er legte mir eine Abrechnung vor, wonach er für 240,-- RM eine neue Schreibmaschine, Marke unbekannt, gekauft habe. Den Lieferanten vermag ich nicht anzugeben, da wir uns darüber nicht unterhalten haben. Ich vermute aber, dass Wandres die fragliche Schreibmaschine in Süddeutschland gekauft hat.

Bezirksdiener D i t s c h i

Zu meinen am 15. 4. 37 über den Bezirksdiener Heinrich Ditschi gemachten Angaben ergänze ich noch folgendes:
Mit Ditschi war ich im Oktober 1936 und dann noch einmal im Dezember 1936 in Dortmund zusammen. Wir trafen uns beide Male vorerst auf dem Hauptbahnhof in Dortmund und gingen zusammen nach der Wohnung des Glaubensbruders Beike oder Peike in der Uhlandstr., Nr. unbekannt. Beike muss Inhaber einer im gleichen Grundstück gelegenen Bäckerei sein, die sich im Erdgeschoss befindet. In beiden Fällen waren bei diesen Treffs anwesend: Wandres, Ditschi, sowie der Unterbezirksdiener Lünenschloss vom Bezirk Ditschi und ich selbst. Bei diesen Treffs behandelten wir die Auslegung der Bibel und unterhielten uns über die Wahrheit. Der Wohnungsinhaber war nicht mit zugegen. Ich muss an dieser Stelle hervorheben, dass ich außer den abgehaltenen Andachten mich immer überzeugen wollte, ob und wie die verschiedenen Bezirksdiener überhaupt noch für die IBV arbeiten. Es konnte ja möglich sein, dass in einigen Fällen Verhaftungen vorgenommen waren und der Bezirk dann ohne Leitung gewesen wäre. In solchen Fällen war es meine Aufgabe, einen neuen Bezirksdiener zu finden und einzusetzen.
Ditschi war bereits in Luzern als Nachfolger in dem Falle vorgeschlagen und bestimmt worden, wo ich als Reichsdiener verhaftet werde. Im Falle meiner Verhaftung hat sich Ditschi sofort an das Zweigbüro in Prag zu wenden. Nebenher möchte ich noch erwähnen, dass Ditschi nach seinen Äußerungen Beziehungen zu Glaubensgeschwister in Holland hat und mit diesen in ständiger Verbindung steht. Näheres hierüber weis ich nicht anzugeben. Mir ist nur bekannt, dass Ditschi wiederholt mit Glaubensgeschwistern über Sterkrade mit Holland in Verbindung steht. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass Ditschi wiederholt in Sterkrade war.
Die Vernehmung wird abgebrochen

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Ad. II B

Berlin, den 24. April 1937

W e i t e r v e r h a n d e l t

Vorgeführt erschein Erich F r o s t, Personalien bereits aktenkundig, und erklärt:

Zur Sache S i e b e n e i c h l e r:

Den Bezirksdiener Karl S i e b e n e i c h l e r, der für den Bezirk B a y e r n in der Zeit von September 1936 bis zu seiner im März erfolgten Verhaftung tätig war, ist mir seit etwa 10 Jahren bekannt. Er ist genau so wie ich Leipziger Einwohner, und ich habe ihn von Anfang an in den verschiedenen Versammlungen der IBV kennengelernt. Im Laufe der Jahre bin ich immer wieder in Versammlungen in Leipzig zusammen gewesen, wo wir Fragen des Glaubens erörterten, die Auslegung der Bibel behandelten und uns über die Wahrheit der Bibel unterhielten. Ich weiss auch, dass S i e b e n h e i c h l e r Sprecher in Versammlungen der IBV vor dem Verbot gewesen ist.

Ich kenne auch die Braut des Siebeneichler. Sie heisst mit dem Vornamen Emmi, ist Kontoristin und wohnt jetzt noch in Leipzig. Zuletzt war ich mit ihr im September vorigen Jahres in Leipzig zusammen gewesen, ich traf mich s. Zt. mit ihr in einem Leipziger Bierlokal, wo ihr Bräutigam der jetzt verhaftete Bezirksdiener Siebeneichler zugegen war. S. zt. wurden alle Fragen der IBV besprochen, besondere Informationen sind nicht gegeben worden.

Wie ich schon an anderer Stelle angegeben hatte, war Siebeneichler zunächst für den Bezirk Thüringen und Harzgebiet vorgesehen. Nach Rücksprache mit allen Bezirksdienern der illegalen IBV in Deutschland in Luzern gelegentlich des Kongresses tauschte Siebeneichler mit dem Friesischen Bezirk und übernahm den Bezirk Bayern, ich muss mich berichtigen, Siebeneichler nur zunächst für den Bezirk Thüringen und Harzgebiet. Der Tausch der beiden Bezirke wurde gelegentlich eines Treffs in Hannover nach dem Luzerner Kongress vorgenommen. Die Übernahme des Bezirke Bayern durch Siebeneichler erfolgte Ende September 1936.

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Siebeneichler ist Nachfolger des vorher verhafteten bayerischen Bezirksdieners Koelbel, wohnhaft gewesen in München, Landsberger Str. Nr. ?

Die Einführung des von mir ernannten Bezirksdieners Siebeneichler wurde von mir selbst vorgenommen. Unmittelbar nach der hannoverschen Besprechung fuhr ich mit Siebeneichler nach Nürnberg zum Glaubensbruder Johannes Jung, wohnhaft Hillerstr. 14 (?), um ihn dort bekannt zu machen. Durch Jung sollte Siebeneichler mit weiteren bayerischen Glaubensbrüdern in Verbindung gebracht werden. Nach Vorsprechung bei Jung fuhren Siebeneichler und ich zum Glaubensbruder Grossmann, etwa 35 Jahre alt, nach München. Auch dort machte ich Siebeneichler bekannt. Für seinen Lebensunterhalt und für Reisen, die Siebeneichler innerhalb Bayerns zum Besuch von Gruppendienern vorzunehmen hatte, händigte ich ihm einen Betrag von etwa 100.- RM aus. Die genaue Summe kann ich allerdings jetzt nicht mehr angeben. Bei der damaligen Einführung bei Grossmann übernachtete Siebeneichler und ich bei einem Schwager des Grossmann, der in München in der Nähe des Nymphenburger Schlosses, die Strasse weis ich nicht mehr anzugeben, wohnt. Name und nähere Adresse des Schwagers ist mir unbekannt. Wir übernachteten in der Wohnung des Schwagers allein. Die Ehefrau des mir unbekannten Schwagers soll sich in einer Heilanstalt befinden. Am nächsten Morgen, es kann in der 6. Stunde gewesen sein, wurden wir durch ein lautes Klopfen an die Türe geweckt. Auf Vorschlag Grossmanns verhielten wir uns ruhig und haben nicht geöffnet. Wer der Klopfer gewesen sein könnte, wussten wir nicht. Wir zogen uns sofort an und verliessen die Wohnung. Im Hausflur begegneten wir der Ehefrau einer Nachbarwohnung, die uns mitteilte, dass ein Schutzmann dagewesen sei. Ich fuhr sodann mit Siebeneichler zur Stadt und trennte mich sofort von ihm, um nach Berlin zurück zu fahren. Erst später erfuhr ich von Siebeneichler, dass der Polizist Erkundigungen über den Schwager einziehen wollte.

Zu den ersten 4 Haupttreffs traf ich dann Siebeneichler in Berlin, wie ich an anderer Stelle schon angegeben hatte, unterhielten wir uns bei diesen Treffs über biblische Dinge, ich liess mir dann über die Arbeit seines Bezirkes von Siebeneichler berichten. Bei solchen Gelegenheiten übergab mir Siebeneichler den Erlös der in seinem Bezirk verkauften W.T. Sowie Literatur und G.H.-Gelder. Die einzelnen Beträge kann ich nicht mehr angeben, im Durchschnitt habe ich über rund 250,- RM pro Treff erhalten.

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Zusammen habe ich von ihm etwa 1 000.- RM bekommen. Wie in allen anderen Fällen stellte ich Empfangsbescheinigungen über die erhaltene Summe nicht aus. Ich kann micht entsinnen, gelegentlich der Treffs von Siebeneichler die Mitteilung erhalten zu haben, dass er in München eine Vervielfältigungsmaschine zur Herstellung von W.T's gekauft hatte. Die Marke des Apparates sowie der Preis desselben ist mir nicht bekannt. Ich hatte Siebeneichler danach nicht gefragt, und er hat es mir auch nicht angegeben. Soviel mir bekannt ist, hatte Siebeneichler die W. T. auf einer Schreibmaschine anfertigen lassen, die bei einem der Glaubensbrüder, deren Name und Wohnort ich nicht weiss, steht. Ich selbst habe ihm Mittel zum Ankauf einer Schreibmaschine nicht gegeben. Mir ist aber in Erinnerung, dass der Bezirksdiener Daut im Oktober oder November v. Js. dem Siebeneichler eine Orga-Privat-Schreibmaschine aushändigte, die er aber, weil sie nicht mehr in Ordnung war, bei einem der nächsten Treff wieder mit nach Berlin zurückbrachte. Die Schreibmaschine hat dann später der Bezirksdiener Fehst mit in seinen Bezirk Westschlesien genommen. Zur bestreitung seiner Unterhaltskosten konnte sich Siebeneichler von den kassierten IBV-Geldern einen gewissen Betrag in Abzug bringen. So handhabten das auch die übrigen Bezirksdiener. Die Summe der von Siebeneichler einbehaltenen Gelder kann ich nicht angeben, ich schätze aber den Betrag auf ca. 150.- bis 200.- RM. Darüber hinaus konnte sich Siebeneichler von einbehaltenen Geldern die Netzkarte kaufen. Der Preis der Netzkarte beträgt 90.- RM.

Ausser den vorgenannten Haupttreffs hatte ich mit Siebeneichler zweimal in München und einmal in Nürnberg Zwischentreffs vereinbart. In München traf ich mich mit ihnen Ende Oktober oder Anfang November im Hauptbahnhof und an der gleichen Stelle noch einmal im Dezember 1936. Wir gingen dann zusammen in ein Bierlokal und unterhielten uns über Glaubensfragen. Dabei liess ich mich über die Organisation und die Arbeit seines Bezirkes unterrichten. Er berichtete mir immer, dass die Zusammenarbeir und der Zusammenhalt im Bezirke in Ordnung gehe. Zum 3. Mal traf ich mit Siebeneichler im D-Zug in Nürnberg zusammen, wo ich mit ihm nach Stuttgart fuhr, um einen Treff mit Wandres wahrzunehmen. Dieselben Fragen wurden auch dann mit Wandres in Stuttgart, in der Nähe der Olgastr. in einem Wohnhaus im 2. Stock, behandelt. Hierüber hatte ich schon in Sachen Wandres ausgesagt.

Es fällt ein, dass ich bei einem der vorerwähnten 2 Treffen in München mit einer Glaubensschwester, die mir mit „Gertrud" vorgestellt wurde zusammen gesprochen hatte. Auch mir ihr habe ich mich über

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die Auslegung der Bibel und Glaubensfragen unterhalten. Der Bezirksdiener Siebeneichler hatte s. zt. die Glaubensschwester Gertrud mitgebracht und mir vorgestellt.

v. g. u.

E. Frost

geschlossen

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Ad. II B

Berlin, den 26. April 1937

V e r h a n d e l t

Vorgeführt erscheint Erich F r o s t, Personalien bereits aktenkundig, und erklärt:

Ich erwähne nochmals, dass bei den in Berlin stattgefundenen Haupttreffs alle Bezirksdiener iwe:

Georg Rabe, Artur Nawroth, August Fehst, Otto Daut, Fred Meier, Walter Friese, Heinrich Ditschi, Albert Wandres und Karl Siebeneichler zugegen waren. In einem Falle fehlte Ditschi der sich im Datum geirrt hatte, und zweimal war Siebeneichler nicht zugegen. Er fehlte, gleich beim ersten Treff im November 1936. Ich traf ihn am gleichen Tage noch am Bahnsteig des Anhalter Bahnhofs, als ich abends nach Chemnitz fahren wollte. Ich fuhr zusammen mit ihm sowie auch Fräulein Unterdörfer nach Chemnitz. Unterwegs liess ich mir von ihm über seinen Bezirk unterrichten. Er überbrachte mir Nachrichten von Verhaftungen in seinem Bezirk, übergab mir seinen in der bereits schon erwähnten Form abgefaßten Arbeitsbericht und händigte mir die kassierten Gelder über verkaufte W.T.'s und Literatur der illegalen IBV aus. Die Höhe der Summe ist mir unbekannt, in der Regel waren es immer 200 bis 300.- RM, die mir Siebeneichler gab.
Am 6. März 1937, also am Tage des letzten Haupttreffs in Berlin, war Siebeneichler nicht zugegen. Weil wir über ihn besorgt waren, schickte ich die Ilse Unterdörfer sofort nach München, um über Siebeneichler Erkundigungen einzuziehen. Ich übergab der Unterdörfer eine mir von Siebeneichler genannte Münchener Telefonnummer. Nach Anruf beim Inhaber dieser Nummer traf sich die Unterdörfer in München mit einer mir unbekannten Glaubensschwester, die mit Vornamen "Gertrud" hieß. Mir ist in Erinnerung, dass die Gertrud personengleich ist mit Elfriede Löhr aus München. Ich vermute das wenigstens so, eine nähere Begründung habe ich
allerdings hierzu nicht geben.

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Nach dem vorerwähnten Telefongespräch mit der Gertrud hatte sich die Unterdörfer mit ihr noch am gleichen Abend getroffen, wahrscheinlich am Münchener Hauptbahnhof. Die Ilse Unterdörfer kehrte dann nach Berlin zurück und berichtete mir, dass sie Näheres über das Ausbleiben Siebeneichlers nicht in Erfahrung bringen konnte, es sei aber höchst wahrscheinlich, mit seiner Verhaftung zu rechnen.

Die Treffs in Berlin fanden statt:

Das erste bei dem Glaubensbruder Rehmer in Pichelsdorf, die nächsten 4 bei den Glaubensgeschwistern Reichen in Zeuthen bei Berlin.

Kurz vor der Verhaftung meines Vorgängers, des Reichsdieners Fritz Winkler, übersandte mir dieser für etwa 350.- RM Coupons, die für diejenigen Glaubensgeschwister bestimmt waren, die am Luzerner Kongress vom 4. bis 7.9.36 teilnehmen wollten. Die Coupons erhielt ich als Bezirksdiener von Westsachsen/Anhalt, sie sollten innerhalb meines Bezirkes zur Verteilung gelangen.

Hiervon übergab ich

1.) dem Glaubensbruder Max Quellmalz aus Chemnitz für etwa 200.- RM,

2.) dem Glaubensbruder Karl Siebeneichler aus Leipzig, für etwa 90.- RM,

3.) den Rest händigte ich Ilse Unterdörfer aus.

Die genannten Personen händigten mir den Gegenwert der Coupons in RM aus. Ursprünglich hatte ich die Absicht, das Geld dem damaligen Reichsdiener Fritz Winkler abzuliefern. Weil nun aber Winkler kurz vor dem Luzerner Kongress verhaftet wurde und ich für meine Tätigkeit von ihm keine Barmittel erhalten konnte, verbrauchte ich die vorerwähnten 350.- RM für meinen Lebensunterhalt und deckte aus diesen Mitteln meine Reisekosten.

In diesem Zusammenhang möchte ich folgendes bemerken.

Es war der Wunsch Richter Rutherfords, zum Luzerner Kongress auch Reichsdeutsche anwesend zu haben. Rutherford äusserte diesen Wunsch durch das Zentral-Europäische Büro der IBV (Wachtturm- Bibel- und Traktat-Gesellschaft) in Bern und Harbeck, der Leiter dieses Büros gab ihn an den damaligen Reichsdiener Fritz Winkler weiter.

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Um die in Deutschland bestehenden devisenrechtlichen Bestimmungen nicht zu verletzen, wurde vereinbart, dann die nach Luzern reisenden Glaubensgeschwister die Reisekosten im voraus an die Reichsleitung der illegalen IBV in Deutschland einzahlen. Die Gelder sollten dem Deutschen Werk der illegalen IBV für Ausbau und Organisation zu Gute kommen. Auch sollten für ärmere Glaubensgeschwister Gratislieferungen von W.T.'s vorgenommen werden. Während des Kongresses in Luzern war durch Harbeck eine Kasse eingerichtet worden, die den Gegenwert in Francs auszahlte. Von der Einlösung der in Deutschland an die Glaubensgeschwister der illegalen IBV ausgegebenen Coupons ist in Luzern Gebrauch gemacht worden. Über die Anfertigung der Coupons kann nur Winkler Auskunft geben. Sie hatten die Grösse eines Strassenbahnfahrscheines und trugen folgende Werte:

Rot: mit Aufdruck „1" = 10.- RM

Grün: mit Aufdruck „1/2" = 5.- RM.

Eine Verrechnung zwischen dem Zentral-Büro in Bern und der illegalen IBV in Deutschland über die in Bern ausgezahlten Gelder hat nicht stattgefunden. Man wollte eben den deutschen Glaubensgeschwistern Gelegenheit geben, an dem Kongress teilzunehmen und andererseits war ja auch die Wachtturm-Gesellschaft in Bern durch die Auslieferung wertvoller Druckereimaschinen (nach dem Verbot der IBV in Deutschland wurden dem Zentral-Büro in Bern sämtliche Maschinen und Einrichtungsgegenstände ausgeliefert) entschädigt. Ich selbst habe in Luzern Coupons nicht eingelöst. Ich benötigte solche nicht, weil ich ja sowieso von Harbeck eingeladen war, um während der Versammlungen als Organist zu wirken, und mir zur Bestreitung des Lebensunterhaltes die Summe von 50 Francs vom Zentral-Büro geschenkt wurde.

Resolution

Es ist üblich, dass bei grossen Hauptversammlungen der IBV Resolutionen gefasst und dann an die Bevölkerung der einzelnen Länder verteilt werden. Es wurde auch anlässlich des Luzerner Kongresses vom 4. bis 7. 9. 36 eine von Richter Rutherford verfasste Resolution verlesen und zur Annahme abgestimmt.

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Die Resolution wurde einstimmig in der verlesenen Form angenommen. Auf Vorschlag von Harbeck, dem auch Richter Rutherford zustimmte, hatten die Anwesenden deutschen Glaubensgeschwister, schätzungsweise 300 an der Zahl, Anschriften von Bekannten und verwandten Personen zur Verfügung zu stellen. Es wurden sodann von den meisten deutschen Glaubensgeschwistern zur Verfügung gestellte Briefumschläge mit Adressen versehen und diese dem Zentral-Büro übergeben. Die Absendung erfolgte dann von dieser Stelle aus, unmittelbar nach der Hauptversammlung. Soweit ich informiert bin, wurden von Luzern aus etwa 2 bis 3000 Resolutionen nach Deutschland verschickt.

Eine weitere Auflage der gleichen Resolution in Höhe von 300 000 Stück wurde in Bern gedruckt, von dort aus 200 000 Stück nach Prag und 100 000 Stück nach Holland der Nähe von Amsterdam versandt mit der Weisung, diese nach Deutschland einzuschmuggeln. Dieser Beschluss wurde ebenfalls auf dem Luzerner Kongress anlässlich der engeren Besprechung über das Deutsche Werk in meinem Beisein gefasst. Die 200 000 Exemplare leitete Dwenger an den schon an anderer Stelle erwähnten Wagner aus Warnsdorf/CSR weiter, der die Sendung in der Gegend von Warnsdorf (Riesengebirge) über die Grenze schmuggelte, Wagner setzte sich dann mit dem Bezirksdiener Fehst in Verbindung, der ihm die Exemplare abnahm und die Pakete per Bahnexpress an die ihm bekannten Deckadressen weiterschickte. Fehst hatte die Deckadressen bei der in Berlin stattgefundenen Haupttreffs mit den betr. Bezirksdienern ausgemacht. Um die Absendung unauffälllig durchzuführen, hatte Fehst die Pakete auf verschiedenen Bahnhöfen, wie Zittau, Görlitz, Bischofswerda, vermutlich auch Liegnitz aufgegeben. Näheres hierüber muss Fehst angeben können.

Etwas später erfuhr ich vom Zentralbüro Bern über das Zweigbüro in Prag, dass in Holland 100 000 Exemplare von der Polizei beschlagnahmt worden seien. Da ich die Absicht hatte, in Deutschland auf alle Fälle 300 000 Resolutionen zu verbreiten, wurde bei dem Haupttreff in Berlin im November 1936 von mir vorgeschlagen und beschlossen, die fehlenden 100 000 Exemplare in Deutschland anzufertigen.

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Wir kamen überein, dass sich jeder Bezirksdiener daß fehlende Drittel selbst herzustellen hat. Das ist dann auch durchgeführt worden. Die betr. Exemplare wurden dort im Wege des Vervielfältigungsverfahrens angefertigt, wo die W.T. innerhalb der Bezirke hergestellt wurden. Näheres hierüber müssen die einzelnen Bezirksdiener wissen. Ich habe mir lediglich berichten lassen, dass die Massnahme, wie besprochen, durchgeführt worden ist. Bei dem November-Treff in Berlin wurde festgelegt, dass die einzelnen Resolutionen von Haus zu Haus zu verteilen sind. Jedem Bezirksdiener blieb anheimgestellt, diese Exemplare Rechtsanwälten, Staatsanwälten, Bürgermeistern, höheren Offizieren der Polizei und der Wehrmacht und noch anderen im Öffentlichen Dienste stehenden Beamten frankiert durch die Post zu übersenden. Es wurde mir beim späteren Haupttreff berichtet, dass auch diese Vereinbarung durchgeführt worden ist.

Im Bezirk des Wandres konnte die Verteilung der Resolution, die innerhalb Deutschlands am 12. 12. 36 stattfand, nicht restlos durchgeführt werden. Wandres berichtete mir, dass er mit seinen Arbeiten nicht fertig geworden sei. So kam es, dass in Württemberg in der 2. Hälfte des Februar noch die gleichen Resolutionen zur Verteilung gelangten.

Das Gleiche trifft für den Bezirk von Otto Daut zu, der ebenfalls in Februar noch einen Rest der Resolution verbreitete.

Die Anschriften von Staatsanwälten, Rechtsanwälten sowie höheren Beamten usw. Werden sich die einzelnen Bezirksdiener aus den vorhandenen Adressbüchern ausgesucht (haben). Ich nehme das an, weil wir uns damals auch in dieser Richtung unterhalten hatten.

Über meine Zusammenarbeit mit der Ilse Unterdörfer habe ich schon am 22. 4. 37 Angaben gemacht. Zusammenfassend bemerke ich nochmals, dass die Unterdörfer nach dem Luzerner Kongress in meinen Auftrag den Bezirk Westsachsen/Anhalt provisorisch betreute. Die Hauptaufgabe bestand darin, die Glaubensgeschwister ihres Bezirkes mit W.T. Zu versorgen. Nach Übernahme des vorgenannten Bezirks durch Fred Meier aus Hannover war sie für diesen weiterhin als Helferin tätig. Sie zog für Meier Informationen über Verhaftungen oder andere Vorkommnisse ein.

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Ausserdem stand sie mir persönlich für die Dienste als Reichsdiner der illegalen IBV zur Verfügung. Sie war allen Haupttreffs zugegen, wo sie die Gelder kassierte. In meinem Auftrag fuhr sie nach München, um wegen Siebeneichler Informationen einzuholen, weiterhin fuhr sie für mich nach Prag zum Zweigbüro, um dort meine Berichte bei Dwenger abzuliefern und neue Informationen in Empfang zu nehmen und mir zu überbringen, desgl. war sie in meinem Auftrage in Warnsdorf bei Wagner, um sich über den Verbleib der Matrizen für eine neue Flugschrift, die von ähnlichem Inhalt einer Resolution sein sollte, zu erkundigen.

Nach der Luzerner Zeit war ich oft tagelang mit der Unterdörfer zusammen, ich wohnte sehr viel mit ihr zusammen, so bei Ebelings in Berlin, bei Frieda Keller in Chemnitz-Auernwalde. Wenn ich des Nachts mit ihr auf der Strecke Berlin-Leipzig-Chemnitz gefahren bin, so benutzten wir Personenzüge 2. Klasse, um eine einigermassen angenehme Schlafgelegenheit zu haben.

Zusammengezählt kann ich während unseres illegalen Aufenthaltes seit September 1936 etwa 30 Tage mit ihr zusammen gewohnt haben.

Seitdem ich von zu Hause flüchtig bin, habe ich meine Ehefrau in Leipzig 3 mal besucht. Ich nahm bei diesen Gelegenheiten die Ilse Unterdörfer mit, die meine Frau von unserer Anwesenheit verständigte und sie nach dem Augustus-Platz oder auf den Hauptbahnhof zu einer Unterredung bestellte. Ich war dann mit meiner Frau etwa eine Stunde in einigen Leipziger Lokalen, besprach mit ihr verschiedene familiäre Angelegenheiten und fuhr dann sofort ab, in der Regel nach Berlin zurück. Bei diesen Zusammentreffen mit meiner Frau habe ich ihr kein Geld gegeben. Im September, nachdem ich in Chemnitz Quellmalz Verhaftung erfahren hatte, habe ich meiner Ehefrau den Betrag von 400.-RM aus Geldern der illegalen IBV zur Verfügung gestellt. Seit dieser Zeit hat sie von mir keine geldlichen Unterstützungen mehr bekommen.

Zusammenfassend möchte ich nochmals angeben, dass ich aus Geldern der illegalen IBV folgende Gegenstände gekauft habe: Im Januar 1937: eine Continental-Schreibmaschine, gebraucht, zum Preise von RM 250.-

Die Schreibmaschine war zur Herstellung von Manuskripten für den W.T. Im Berliner Bezirk bestimmt und befindet sich bei der Schwester Straus, die den Decknamen

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„Moritz" bzw. „Sträusschen" führte.

Ende Februar/Anfang März 1937:

1 gebrauchten Personen-Kraftwagen Marke „Wanderer" zum Preis von RM 600,- Der Händler wohnt in der Nähe Friedrichstr., seine genaue Adresse ist mir nicht bekannt. Der Kraftwagen muss noch monatlich versteuert werden, er trägt das Kennzeichen IA 16401 und steht bei dem Glaubenbruder Hermann in Berlin-Neukölln, nähere Adresse unbekannt. Hermann muss im Besitz des Zulassungsscheines sowie der Steuerkarte sein.

3. März 1937:

1 Rotaprint-Vervielfältigungsmaschine mit elektrischem Antrieb zum Preis von 3370.- RM. Die Maschine wurde in Lichtenrade bei der Familie Ludewig aufgestellt. Für Papier und Farbe für die Rotaprint übergab ich dem Bezirksdiener Daut 600.- RM. Ich nehme an, dass Daut die Anschaffungen dieses Materials schon vorgenommen hatte. Näheres hierüber wird Daut berichten können.

Nochmals möchte ich hervorheben, dass über alle bei mir abgelieferten Gelder sowie über die verausgabten Beträge keine schriftlichen Aufzeichnungen vorhanden sind. Solches Material könnte mich nur gefährden, und ich habe es absichtlich unterlassen, irgend etwas schriftlich niederzulegen.

Der in Prag im Zweigbüro der IBV tätige Bahner, Josef, ist Sudetendeutscher, schätzungsweise 34 Jahre alt. Bahner befindet sich für die IBV dauernd auf Reisen in der Tschechoslowakei, sein Wohnort ist Brünn, in der CSR, Straße unbekannt. Bahner war früher Offizier im Heere der CSR, er ist etwa 1,63 m groß, hat blasses Aussehen, blondes Haar. Bahner muss früher zeitweilig im Bibelhaus der Wachtturmgesellschaft in Magdeburg beschäftigt gewesen sein. Von Beruf ist er meines Wissens Kaufmann.

Heinrich Dwenger ist der frühere Leiter der Dienstabteilung der WT-Gesellschaft in Magdeburg gewesen. Er war dort viele Jahre tätig und ist Reichsdeutscher. Ich schätze ihn auf 45 Jahre, er wird 1,70 m groß sein, trägt kurzgeschnittenen Schnurrbart, hat Haare von bräunlicher Farbe, gescheitelt. Dwenger ist unverheiratet und in seiner Art ein Sonderling.

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-Über unsere Stellung zur Wehrpflicht, sowie über die Leistung des Beamteneides sind von Seiten der Wachtturm- und Bibel- und Traktat-Gesellschaft Informationen nicht ergangen. Aus der Bibel, sowie aus den Auslegungen der Bibel durch den WT wird jeder Zeuge Jehovas nach dieser Richtung hin zur Genüge gelehrt, so dass sich besondere Informationen erübrigen. In der Bibel steht geschrieben: 'Du sollst nicht töten'. Und 'wer das Schwert nimmt, soll durch das Schwert umkommen.' Diese Leitsätze sind im WT wiederholt behandelt worden. Es steht nun jedem Zeugen Jehovas frei, danach zu handeln. Ich selbst lehne jedenfalls jegliche Leistung zur Wehrpflicht ab und werde auch zukünftig danach handeln. Dasselbe gilt für die Leistung des Eides auf den Führer. Ein Zeuge Jehovas, der als Beamter den Eid leistet, wird aufgehört haben, ein Zeuge Jehovas zu sein. Wir werden ihn für die Zukunft mit Sorge betrachten, da wir erfahrungsgemäß wissen, dass sich solche Leute allmählich von uns zurückgezogen haben. Solche Fragen sind auf dem Luzerner Kongress und auch woanders nicht erörtert worden. Ein Zeuge Jehovas, der als Beamter den Eid auf den Führer leistet begibt sich in die Gefahr, seinem Eid Jehova gegenüber untreu zu werden, wenn er die Folgerungen des Führereides auf sich zu nehmen hat. Ich für meinen Teil lehne daher ab, Arbeitsdienst zu verrichten, Untergliederungen der NSDAP beizutreten (Luftschutzbund, NSV) den deutschen Gruß anzuwenden und überhaupt mich an solchen Verbänden zu beteiligen, die der Wehrhaftmachung des deutschen Volkes dienen.

Diese Auffassung wird jeder Zeuge Jehovas haben müssen, der sein Leben nach den Grundsätzen der Bibel aufbaut.

Die Vernehmung wird abgebrochen

v. g. u.

geschlossen

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Die Darstellung des Vernehmungsprotokolls vom 29. 4. 1937 erweist sich als schwierig.

Einleitend gibt es zwei Schreinmaschinenseiten Text (hier wieder gegeben)

Danach folgen mit der Ursprungs-Paginierung 21 - 28 diverse handschriftliche Passagen, in der Vorlage kaum lesbar.

Und vor allem sie entsprechen nicht einem „regulären Protokoll" eher einem wild zusammengewürfelten Notiz-Zettelkasten ohne klare inhaltliche Strukturierung

Versuchsweise seien denn mal - soweit entzifferbar - einige der darin enhaltenen Stichworte genannt: (Stichworte weiter unten)

Ad. II B

Berlin, den 29. April 1937

Weiter verhandelt

Vorgeführt erscheint Erich Frost, Personalien bereits aktenkundig und erklärt:

Über die bei meiner Verhaftung am 21. 3. 37 bei mir vorgefundenen Gegenstände usw. gebe ich an:

Zu Anlage 1:

1 brauner Pappkarton, enthaltend

30 Zeitschriften „Das goldene Zeitalter" vom 1. 1. 37 Nr. 343

19 dto; vom 15. 1. 71, Nr. 344,

25 dto vom 15. 2. 37, Nr. 346,

17 Exemplare des „Informator" vom Februar 34,

3. Stck Original-Wachttürme vom 15. 2. 37, Nr. 4,

39 Broschüren „Oberherrschaft" vom Jahre 1934.

Diese Literatur war für Siebeneichler bestimmt, der beim letzten Haupttreff in Berlin nicht zugegen war. Später hatte ich, wie schon angegeben, erfahren, dass Siebeneichler durch die Polizei festgenommen worden ist. Am Tage unserer Verhaftung sollte Ilse Unterdörfer mit dieser Literatur nach München fahren, um sie der Schwester „Gertrud" zur Verteilung zu überbringen.

Das Paket muss in der Gepäckaufbewahrungsstelle des Potsdamer Bahnhofs gelegen haben, wohin es Daut gebracht hatte. Den Gepäckschein hatte die Unterdörfer bei ihrer Verhaftung im Besitz.

Zu Anlage 2:

1 schwarzer Lackkoffer, gelb eingefasst, enthaltend: Wäsche und andere Gebrauchsgegenstände.

Den Lackkoffer kaufe ich mir in Berlin in einem Geschäft in der Friedrichstr. aus Mitteln der illegalen IBV für etwa 12.- RM. Ich benötigte ihn zur Aufbewahrung meiner Wäsche.

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Zu Anlage 3:

1 brauner Reisekoffer, enthaltend;

2 Anzüge,

Schmutzige Wäsche,

1 braune Aktentasche,

1 Paar Schuhe.

Den Koffer muss ich etwa 2 bis 3 Jahre lang haben. Über seine Herkunft kann ich jetzt keine Angaben mehr machen. Er diente zur Aufbewahrung von Anzügen usw.

Zu Anlage 4:

1 Taschenkalender

In diesem wurde jeder Treff, also Haupt- und Zwischentreffs, die ich mit meinen Bezirksdienern hatte, eingetragen. Sobald die Treffs erledigt waren, radierte ich die Bleistiftvermerke wieder aus.

Zu Anlage 5.

1 schwarze Brieftasche, enthaltend:

2 Lichtbilder für Netzkarten,

1 Netzkarte Nr. 5 für Sachsen, sowie

1 Anschlussnetzkarte Nr. 14 für Niedersachsen.

Beide Netzkarten sind für mich auf den Decknamen Erich Meinel ausgestellt. Das Lichtbild in der Netzkarte Nr. 5 stellt meine Person dar. In beiden Fällen habe ich mit Erich Meinel als Inhaber der Karten unterschrieben. Meinl ist der Mädchenname meiner Mutter. Um mich vor einer evtl. Verhaftung zu schützen, bediente ich mich des Decknamen Erich Meinl. Die angegebene Adresse, Berlin-Tempelhof, Oberlandstr. 104 ist fingiert. Es stimmt dass in der Oberlandstr. 104 eine Kaffee-Firma Meinl existiert. Diese Anschrift habe ich im Adressbuch von Berlin herausgesucht. Mit der Kaffeefirma Meinl habe ich aber nichts zu tun.

(Einige Stichwort)

Preise für Literatur ,Buntdruck ,Schwarzdruck  Deckadressen  Klohe hat Schallplatten hergestellt  Grammophone 200 Stück  Unterlagen stets nach Erledigung vernichtet  Verteilung der WT durch Mittelsmänner  Die Frage der Herkunft der WT unter Glaubensbrüdern nicht gestellt  Winkler hat ein Jahr lang illegal gelebt bei Glaubensbrüdern  Lagerraum in der Lüneburgerstr.  Büro in der Potsdamerstr. 121c (vor dem Verbot)  (Berichtstruktur?) Arbeiter, Stunden, Bibeln, Bücher, Broschüren  Breslau 200.000 Bücher, 100.000 Broschüren beschlagnahmt

(Freienwalderstr.ZB I - 561 und ZB I - 1279 , "Gauckbehörde" XX/4 1415)
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Befreiung von totalitärer Inquisition durch den Glauben an Gott
von Erich Frost erzählt
"Der Wachtturm" 1. Juli 1961 S. 408f.
... Durch ihr (seine Mutter, seit 1919 Bibelforscherin) wurden mein Vater und ich schließlich veranlaßt, uns am 4. März 1923 in meiner Heimatstadt, Leipzig, als Zeugen Jehovas taufen zu lassen. Ich brach mein Musikstudium ab und begann meinen Lebensunterhalt dadurch zu verdienen, daß ich in Kaffeehäusern und Vergnügungslokalen spielte, und gewann so viel Zeit für die Arbeit im Werke des Herrn. Im Jahre 1924 nahm ich den Vollzeitdienst für Jehova auf, indem ich im Literaturdepot der Gesellschaft in Leipzig zu arbeiten begann.
Das Zeugniswerk breitete sich in Deutschland sehr rasch aus. Von 1919 bis 1933 verbreiteten die eifrigen deutschen Zeugen 48 000 000 Bücher und Broschüren und überdies 77 000 000 Exemplare des "Goldenen Zeitalters", das nun den Titel "Erwachet!" trägt. ...
Als ich im Januar 1933 bei einem Mitzeugen in Nürnberg wohnte, hörten wir durch den bombastischen Rundfunk aus Berlin die Bekanntgabe der Machtergreifung durch Hitler. Wir ahnten, was dies für uns bedeuten würde. Der Sturm brach los, als im April darauf die Polizei die große neue Druckerei und das Bethelheim der Gesellschaft in Magdeburg besetzte und unsere Druckpressen versiegelte...
Da keine Beweise einer aufwieglerischen Tätigkeit vorlagen, wurde uns das Eigentum am 28. April zurückgegeben.
Im Juni versammelten sich siebentausend Zeugen in Berlin und faßten eine Resolution, in der sie stark gegen die Gewaltmaßnahmen der Hitler-Regierung protestierten. Diese Resolution wurde in Millionen von Exemplaren verbreitet. Drei Tage danach wurde das Eigentum in Magdeburg zum zweiten Male beschlagnahmt und das Personal, das 180 Personen zählte, zur Abreise gezwungen, unsere religiösen Feinde freuten sich.
Da die Gesellschaft in Amerika das Eigentumsrecht auf das Besitztum hatte, wurden Verhandlungen zwischen dem Staatsdepartment der Vereinigten Staaten nach Deutschland geführt. Das Eigentum wurde wieder freigegeben, das Verbot unserer Predigttätigkeit jedoch nicht aufgehoben. Die Versammlungen wurden verboten. Bibeln und bibelerklärende Schriften im Wertre von mehr als 90 000 Mark wurden öffentlich verbrannt. Vom Jahre 1934 an verloren viele Zeugen ihre Arbeit, weil sie sich weigerten, zu wählen oder "Heil Hitler!" zu sagen.

Im Frühjahr 1934 wurde ich verhaftet und sah zum ersten Male eine Gefängniszelle von innen, ich wurde jedoch nach zehn Tagen wieder freigelassen. Kurz danach gelang es mir, in die Tschechoslowakei zurückzugelangen, wo ich zuvor das Photo-Drama aufgeführt hatte.
Mittlerweile ergriffen die Brüder in Deutschland unerschrocken entscheidende Maßnahmen. Obwohl die Bewegung verboten war, fanden am 7. Oktober 1934 in allen Versammlungen Zusammenkünfte statt, und sie faßten eine Protestresolution, die sie an die Hitlerregierung richteten, mit der Mitteilung, daß sie Jehova um jeden Preis weiterhin dienen würden. Nach einem ernsten Gebet wurden die Proteste nach Berlin telegraphiert. Gleichzeitig hatten sich Jehovas Zeugen in fünfzig anderen Ländern versammelt und an die Nazi-Regierung kraftvolle Warnungen gekabelt.
Nach meiner Rückkehr nach Deutschland im Mai 1935 schaltete ich mich in das Untergrundwerk ein. In der Nacht des 13. Juni wurde ich in meinem Hotel verhaftet und in das ,,Columbia-Haus" von Berlin geführt, wo ich die schlimmsten fünf Monate meines Lebens verbrachte. Unter Kolbenstößen und Fußtritten, stets in Einzelhaft, täglich grausam schikaniert und gedemütigt, erfuhr ich damals, dass Menschen zu Bestien werden können. Die sinnlosen Fragen eines Gestapobeamten konnten mich nicht einer umstürzlerischen Tätigkeit überführen. Unerwartet wurde ich entlassen und verschwand bald wieder im Untergrundwerk, um Jehova weiter zu dienen.
Vorbereitungen auf einen Kongress in Luzern, Schweiz, waren im Gange. Mittlerweile hatten die Nazis eine neue Aktion gegen uns eingeleitet. Fast die meisten der Brüder, die verantwortliche Stellungen bekleideten, waren verhaftet worden. Ich bemühte mich nun, die zerrissenen Fäden aufzunehmen und die Dinge wieder in Gang zu bringen. Unzählige Hintertüren und Fenster verhalfen mir immer wieder im letzten Augenblick zur Flucht vor der Gestapo; meine Mutter und mein Bruder aber wurden verhaftet.
Beim Kongress in Luzern, im September 1936, waren der Präsident der Gesellschaft, Bruder Rutherford, und auch 2 500 Brüder aus Deutschland anwesend. Ich erhielt den Auftrag, das entwurzelte Untergrundwerk wieder zu organisieren, und begann sogleich damit. Auch planten wir, in Deutschland eine schlagartige Verbreitung einer Kongressresolution vorzunehmen.
Am Sonnabend, dem 12. Dezember 1936, zwischen fünf und sieben Uhr abends, wurden in allen größeren Städten 300 000 Exemplare davon in aller Stille in Briefkästen oder unter die Tür gesteckt. Schwärme von Polizisten und SS-Patrouillen konnten keinen einzigen Zeugen dabei erwischen!

Natürlich wurde die Untergrundtätigkeit durchgeführt, trotz der Verfolgung und
Gefahr, die Freiheit und selbst das Leben zu verlieren ... Kontrollen in Eisenbahnzügen waren beständige Gefahren. Schon der Ankauf größerer Papiermengen war verdächtig. Viele Kuriere fielen in die Hände der Gestapo...
Am 27. März 1937 sollte die jährliche Feier zum Gedächtnis an Christi Tod stattfinden. Ich hatte mich mit zehn Brüdern verabredet, um die Untergrundtätigkeit zu besprechen, doch sollte es anders kommen. Am 21. März, um zwei Uhr morgens, dröhnen heftige Schläge und Fußtritte gegen die Wohnungstür. Binnen weniger Sekunden lasse ich ein dünnes Papierröllchen mit wichtigen Aufzeichnungen in der Matratze der Bettcouch verschwinden, und schon treten zehn Mann der Geheimen Staatspolizei ein: "So, ziehen Sie sich an, Frost. Das Spiel ist aus!" Ich betete zu Jehova und begann mich anzuziehen, während sie das gastliche Zimmer zu einer Räuberhöhle machten. Das Papierröllchen wurde nie gefunden.
Alles wickelte sich nun sehr schnell ab. Die Gestapo hatte Kenntnis von unserem Plan, uns an jenem Freitag zur Gedächtnismahlfeier zu treffen, doch wusste sie nicht, wo. Mehr als einmal schlug man mich, bis ich bewusstlos war, überschüttete mich dann mit Wasser, um mich wieder zum Bewusstsein zu bringen. Bald konnte ich nicht mehr liegen und nicht mehr sitzen. Von Freitag bis Montag aß und trank ich kaum etwas, rief aber unablässig Jehova um Hilfe an, damit ich um der Brüder willen schweigen könnte. Als ich wieder vor die Gestapo-Meute geführt wurde, dachte ich an Daniel in der
Löwengrube. Ihr zorniger Wortschwall verriet mir, was ich hören wollte: Die Brüder waren nicht in das Netz geraten, das die Polizei gelegt hatte. Meine Freude war unbeschreiblich.
Im Juli erreichte mich die Nachricht von der Verhaftung meiner Frau. Unser Sohn sollte national erzogen werden. Viele andere Kinder von Zeugen wurden ihren Eltern entrissen und in Nazi-Heime gesteckt. Die meisten dieser Kinder wurden durch diese Feuerprobe gestärkt. ...

In den Lagern des Emslandmoors trieben die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und die grausame Behandlung einen fast zur Verzweiflung. Vielleicht hat jemand schon etwas von der ,,Hölle am Waldesrand" gehört. Der Glaube und die Gesellschaft treuer Zeugen befähigten mich, dort das Schlimmste zu ertragen ... Meine Strafzeit endete nach dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges, und ich wurde nach Berlin zurückgebracht. Neunundneunzig Tage später schlossen sich hinter mir die Tore des Konzentrationslagers Sachsenhausen. Unvorstellbar war der grausame Empfang durch die SS, unvorstellbar aber auch meine Freude, als mich 280 Zeugen begrüßten, alle erprobt und gestärkt durch ähnliche harte Prüfungen. Das waren die treuen Christen, die im Bestseller The Theory and Practice of Hell (Theorie und Praxis der Hölle) erwähnt wurden: "Als der Krieg ausbrach, wurden die Zeugen im Konzentrationslager Sachsenhausen aufgefordert, sich freiwillig zum Militärdienst zu melden. Auf jede Weigerung folgte die Erschießung von zehn Männern aus ihren Reihen. Als vierzig Opfer getötet worden waren, gab es die SS auf ... Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass - um psychologisch zu sprechen - die SS der Herausforderung der Zeugen Jehovas niemals ganz gewachsen war." ...
Als Strafe dafür, dass wir "Rädelsführer" waren, erhielten sechzehn von uns je fünfundzwanzig Schläge mit einer Stahlrute, worauf die Versetzung in die Strafkompanie folgte. Schließlich landeten wir als sogenannte SS-Baubrigade auf der Felseninsel Alderney, die zwischen der französischen und der englischen Küste liegt. Obwohl wir durch die, die uns gefangen hielten, viel Ungemach zu erdulden hatten, hatten wir doch auch Gelegenheiten, unsere Mitgefangenen vor Gefahren und Leiden zu bewahren. So, wie sich alles entwickelte, begann Hitlers Stern zu sinken, nachdem seine Armeen in Stalingrad angehalten worden waren. Im Lager der Nazis begann man, die Handschrift an der Wand zu verstehen.
In einer sternklaren Juninacht des Jahres 1944 stand ich unten am Hafen und beobachtete die Invasion der Alliierten. Dann erfolgte unser Rücktransport nach St. Malo, den wir in alten Schiffen antraten. Mit der Bahn ging es weiter, je sechzig Mann in einem Güterwagen, durch Frankreich, Belgien, Holland und zurück nach Deutschland. Die Absicht, uns in der Kieler Bucht auf Schiffen zu versenken, zerschlug sich, als unser Transport nach Österreich abgedrängt wurde. Am 5. Mai 1945 wurden wir schließlich von Panzertruppen befreit.

Etwa zur selben Zeit öffneten sich durch den Druck der vorrückenden alliierten Heere die Tore verschiedener Konzentrationslager, und Tausende der Elendsgestalten ergossen sich über das zerbombte Land. Sie marschierten noch unter Bewachung, und die SS erschoss jeden, der zu schwach war weiterzugehen oder der am Wegesrand plünderte. Es gab viele Tote. Jehovas Zeugen halfen einander weiter. Oft predigten sie Dorfbewohnern, die ihre Wertschätzung dadurch zum Ausdruck brachten, dass sie das, was sie an Nahrungsmitteln besaßen, mit ihnen teilten, was eine weitere Fürsorge Jehovas war. Die frohen Worte eines Zeugen wurden bald typisch: ,,Jetzt bin ich frei. Ich bin dem himmlischen Vater und unserem Führer, Jesus Christus, dankbar, dass ich seinen Namen weiterhin lobpreisen kann."
Die Inquisition hatte ihren Zweck verfehlt!
Jehovas Geist spornte uns zur Tat an. Viele von uns dachten nicht daran, heimzukehren, obwohl wir noch ein Heim hatten. Unsere erste Sorge galt dem Eigentum der Gesellschaft in Magdeburg. Dort stand man gerade im Begriffe, das Gebäude in ein Hotel für die Russen zu verwandeln. Den sowjetischen Offizieren verständlich zu machen, wer Jehovas Zeugen sind, erwies sich als eine zermürbende Aufgabe. Unsere Arbeit in der Ostzone wäre wahrscheinlich nie in Fluß gekommen, wenn wir nicht tagtäglich betont hätten, daß in Magdeburg früher die Zentrale unserer Organisation gewesen sei und wir die Absicht hegten, von diesem Büro aus auch weiterhin unsere Organisation in allen vier Zonen zu leiten. Schließlich gab man, und das Werk ging in der kommunistischen Zone wie anderswo weiter. ...
Als die Kommunisten in den Nazi-Konzentrationslagern noch unsere Mitgefangenen waren, sagten sie oft drohend: "Sollten wir je an die Macht kommen, hängen wie euch Himmelskomiker auf!" Im Jahre 1950 begann die totalitäre Inquisition im kommunistischen Ostdeutschland von neuem, indem man die Bewegung der Zeugen Jehovas verbot. Das Büro in Magdeburg wurde von neuem beschlagnahmt. Und nochmals haben unsere Brüder, in dem Glauben, daß Jehova sie befreien kann, die Herausforderung angenommen. ...
Die totalitäre Inquisition kann Glieder des Volkes Jehovas wohl gefangensetzen und sie drangsalieren, wenn Jehova es zu einem Zeugnis zuläßt, nichts aber kann den Geist Jehovas in Fesseln legen!
Mögen Christen, die unter totalitären Inquisitionsmethoden leiden, und auch ihre Bedrücker niemals vergessen, daß Jehova während der Zeit der Nazi-Inquisition beständig mit seinen Zeugen war.

Im Wachtturm vom 1. 2. 1980 berichtete Ilse Unterdörfer auch über ihre eigene Biographie. Man liest dort auch die Worte:
"J. F. Rutherford, der damalige Präsident der Watch Tower Society, betraute dort (in Luzern) Erich Frost mit der Aufgabe, unser schwer angeschlagenes Untergrundwerk zu reorganisieren. Einige Tage später wurde bestimmt, daß ich mit ihm zusammenarbeiten sollte."
Das alles hört sich irgendwie banal an. Seitens der DDR wurde bekanntlich Erich Frost massiv publizistisch attackiert. In der Regel wurde dabei auf die Stasiakten über ihn abgestellt. Der Publikation von Andre Gursky "Zwischen Aufklärung und Zersetzung" ist es zu danken, dass jetzt wieder ein Dokument aus der "Versenkung" hervorgeholt wurde, dass auch in den Stasiakten enthalten ist. Auf Seite 96 bei Gursky reproduziert. Bezüglich der von der Gauckbehörde vorgenommenen Namensschwärzungen ist anzumerken. Es handelt sich dabei eindeutig um Ilse Unterdörfer. Sicherlich. Dieses Dokument will Frost in ein schiefes Licht stellen. Ob das Licht wirklich so schief ist, darüber indes mag sich jeder so seine eigenen Gedanken einmal machen.

 

Bezüglich des "Spiegel"-Artikels "Väterchen Frost", siehe

www.spiegel.de/spiegel/print/d-43365083.html
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Sicher ist Frost eine tragische Figur. Hätte er nach 1945 im Höhenrausch seines Zweigdienerpostens (also faktisch des höchsten Repräsentanten der Zeugen Jehovas in Deutschland), seine Rolle in diesen Gestapo-Vernehmungen nicht so verklärt, so könnte man eher mit ihm Mitleid haben. Er hat sich dieser Chance durch sein eigenes Verhalten, nach 1945 beraubt. Es kann hier nicht darum gehen, den "Oberlehrer" zu spielen. Ohne Zweifel hat sich nicht Frost selbst aus "freien" Stücken an die Schreibmaschine gesetzt und der Gestapo offeriert, was er so alles wusste. Die hat das in intensiven Vernehmungen, die nicht selten erst um 4 Uhr morgens, auch wegen der Übermüdung der Vernehmer, abgebrochen wurden, zu Protokoll notiert.
Ich mache es Frost nicht zum Vorwurf, dass er geredet hat. In seiner Position hätte er ein konsequentes Schweigen, angesichts der bekannten Brutalität der SS-Schergen, nicht überlebt. Frost hat aber überlebt. Er musste den dafür fälligen Preis zahlen, und er hat ihn gezahlt. Das alles ist menschlich nur zu verständlich. Nicht verständlich ist hingegen die Verklärung, die Frost und die Wachtturmgesellschaft mit dieser Tragödie betrieben haben und noch betreiben. Zu den dabei mit zu erwähnenden Namen H. und Y. habe ich mich schon an anderer Stelle näher geäußert und werde dies bei sich bietenden weiteren Anlass, fernerhin tun.
Zum Fall Frost sei vielleicht noch durch ein weiteres Dokument aus der Kollektion der Freienwalderstr. zitiert: ZBI - 1421
"Berlin, den 14. Juni 1937
An die Geheime Staatspolizei
Geheimes Staatspolizeiamt II B 2
Betreff: Reichsdiener der IBV Erich Frost, z. Zt. in Haft
Bei einer Rücksprache auf der Stapo Leipzig teilte der Oberwachtmeister der Schupo Frank 2 mit, dass Frost über ein Bücherlager in bzw. in der Umgebung von Hannover Bescheid wissen müsse. Er sei selbst mit seinem BD Siebeneichler dort gewesen. Weiter hat Frost sich im September 36 an der Grenze bei Lörrach mit 6 Glaubensbrüdern, die keinen Pass besitzen, getroffen und ist mit diesen über die 'grüne' Grenze nach Luzern gegangen. Dieser Treff ist aus einem Brief ersichtlich, der dem Reichsleiter Winkler seiner Zeit abgenommen wurde und sich in dessen Personalakten befinden muss. Es wird gebeten, den Frost zu diesen Punkten nochmals eingehend zu vernehmen, zwecks Aufdeckung des Bücherlagers und Feststellung der Namen der 6 Bibelforscher.
Weiter soll die Frau des Frost eine 4-Zimmer-Wohnung besitzen (Adresse dort aktenkundig), zu der der Staat einen Zuschuss zahlt. Der Sohn des Frost besucht eine Sprachklasse, die ebenfalls staatlicherseits finanziert und unterstützt wird. Es wird vorgeschlagen, die örtlichen Behörden über die staatsfeindliche Einstellung und Betätigung des Frost aufzuklären, damit der Frau eine andere Wohnung zugewiesen wird, die sie selbst aus eigenen Mitteln bezahlen muss."

Über Erich Frost verbreitete Horst Kühn einmal die nachfolgende Meinungsäußerung, die hier auch noch unkommentiert wiedergegeben sei: "In der Haftanstalt Bautzen lernte ich einen Bruder kennen, er hieß Hubert Nobis, er war nach 1945 als Sonderpionier in der Gegend von Meiningen-Suhl eingesetzt. Von ihm erfuhr ich sehr viel über E. Frost, denn er war mit ihm im KZ Sachsenhausen. Hubert sagte wörtlich: 'Alle wunderten sich, wie Erich Frost nur zum Landesdiener ernannt werden konnte, denn nach den Satzungen wäre das unmöglich gewesen!' Der Auffassung waren Brüder, welche mit Frost zusammen im KZ waren. Erich Frost hat noch ein viel größeres Sündenregister, was an unbrüderlichem Verhalten nichts zu wünschen übrig läßt. Frost hatte im KZ durch seine guten Beziehungen zur SS-Aufsicht, immer sehr viel zu essen, daß sogar das Brot in seinem Schrank verschimmelte, wohingegen andere Brüder dort verhungerten Frost wohnte nicht in den Baracken unter den anderen Brüdern, er wohnte im Hause der Wache, weit er dort bei allen Gelegenheiten für die SS-Wache Musik spielen musste, als ehemaliger Musiker. Von einem Bruder, welcher auf Grund seines Berufes überall Zutritt hatte, wurde Frost auf sein unbrüderliches Verhalten hingewiesen. Der Bruder bat um Brot von seinem Überfluß, da andere Brüder hungerten Frost antwortete: 'Wenn ich dir von dem Brot geben würde, würde es womöglich mein Leben kosten, und ich bin nicht gewillt, für meine Gutmütigkeit zu büßen!'"

Ergänzend sei noch aus einem Posting von Gerd Borchers-Schreiber zitiert. Es ist zwar hier nicht das Hauptthema, aber doch der beiläufigen Beachtung wert, wie selbst vormalige hauptamtliche WTG-Mitarbeiter (in diesem Fall der langjährige österreichische WTG-Zweigdiener Voigt), gezwungen wurden, mangels einer regulären Altersversorgung, noch im Rentneralter sich eine Arbeit zu suchen. Namentlich wenn sie sich in zunehmendem Dissenz zur WTG befanden. Zu Frost ist noch anzumerken; auch er konnte nicht seinen Lebensabend in der WTG-Zentrale verbringen, sondern wurde nach der Kleinstadt Tuttlingen abgeschoben. Formale Begründung. Dort seien seine Kinder wohnhaft.

Von Gerd am Freitag, den 25. Januar, 2002 - 20:10:

Zu Erich Frost:
Als nach dem Krieg der österreichische Zweigaufseher W.E. Voigt bei einer WTG-Tagung Erich Frost traf, fragte er diesen bezüglich der "Verleumdungen" von denen er besonders im (DDR) Buch …über die Zeugen Jehovas … las. Da sagte ihm Frost, daß dies leider stimmt. Er war bei den Befragungen durch die Gestapo derartig fertig, daß er wie in Trance deren Fragen beantwortete und Namen von Brüdern nannte. Danach glaubte er einen bösen Traum gehabt zu haben und nicht er selbst gewesen zu sein. Er bereute sehr seine Tat, erzählte er Voigt.
Daß Frost dann von der WTG ausgebootet wurde, war auch die Folge dieser "Missetat".
Das erfuhr ich in einem Gespräch durch Voigt, der mit 68 Jahren vom Bethel-Wien freiwillig ausstieg und in meiner Abteilung für ca. 3 Jahre ein "weltlicher" Mitarbeiter wurde.

Der Fall Frost erinnert doch in einiger Beziehung auch an den Fall Honecker. Letzterer Funktionär des kommunistischen Jugendverbandes, über seine Nachkriegskarriere ist genügend bekannt und braucht deshalb im Detail nichts ausgeführt zu werden. Honecker geriet 1935 in die Hände der Gestapo. Und auch bemerkenswert, seine damaligen Gestapo-Protokolle gelangten nach 1945 in die Fügungsgewalt der ostdeutschen Stasi.

Kommentatoren sind sich ziemlich einig. Die "Männerfreundschaft" zwischen Stasiminister Mielke und Honecker, hatte auch eine Wurzel in diesen Gestapo-Protokollen. Sie waren für Mielke das "Faustpfand", dass er nie eine gegen die Interessen der Stasifunktionäre gerichtete Politik betreiben würde, dass er faktisch der Stasi freien Lauf ließ. Angeblich will Honecker daher auch nichts von dem aufgeblähten Stasiapparat gewusst haben. Wie auch immer:

Honecker unterschrieb genauso wie Frost, Gestapo-Protokolle deren Substanz wohl kaum mit der These "standhaftes Leugnen" beschrieben werden kann. Beide "Gestapohandlanger" (Frost und Honecker). Ich mag diese Vokabel zwar nicht besonders, aber da sie seitens der DDR bis zum Überdruss im Falle Frost verwandt wurde, sei sie auch als adäquat auf Honecker übertragen. Beide Gestapo-Handlanger brachten es in ihrem jeweiligen Organisationsrahmen noch zu allerhöchsten Positionen. Im Falle der Zeugen Jehovas, waren wohl die "Engel Jehovas" die da doch alles "überwallten" mit Blindheit geschlagen. Und im Falle Honecker sicherte sich sein Stasiminister damit ein lebenslanges Faustpfand. Von den Stasidokumenten über Honecker sei nur eines auch an dieser Stelle einmal zitiert:

Weiterverhandelt,

Berlin, den 5. Dezember 1935.

Nochmals vorgeführt erscheint der Dachdecker Erich Honecker, P.b. und sagt zur Sache folgendes aus:

Es ist richtig, daß ich am Dienstag gegen 21.30 Uhr vom Anhalter Bahnhof - Gepäckaufbewahrung - einen Koffer abgeholt habe. Den Gepäckschein für den dort hinterlegten Koffer habe ich von derselben Person erhalten, mit der ich am Dienstag im Laufe des Tages verschiedene Male zusammen war und die mir auch das Geld für mich und für

"F r i t z " ausgehändigt hat. Das Geld war verschlossen in einem Briefumschlag.

Zu welchem Zweck ich den Koffer abholen sollte, war mir bekannt. Es handelte sich um den üblichen Koffer, der auf diese Weise mit kommunistischem Material über die Grenze geschafft wurde. Das Material lag nicht offen im Koffer, sondern war fast unsichtbar auf dem Boden des Koffers festgeklebt und mit demselben Futter überklebt, wie der ganze Koffer ausstaffiert war. Es war somit unmöglich zu erkennen, daß im Boden des Koffers Material gelagert war.

Bei Abholung des Koffers auf dem Bahnhof wurde ich durch das merkwürdige aufgeregte Verhalten und das unruhige Suchen nach dem Koffer der Eisenbahnbeamten an der Gepäckausgabe aufmerksam und vermutete, daß irgend etwas nicht in Ordnung sein müsse. Meine besondere Aufmerksamkeit erregte das herausgeschnittene Kofferschloß. Ursprünglich wollte ich mit dem Koffer in meine Wohnung fahren, bin aber dann zum Bahnhof Zoo weitergefahren, habe den Koffer, da ich mich beobachtet fühlte, in der Autotaxe liegen lassen und bin geflüchtet. Trotzdem ich wußte, daß in dem Koffer kommunistisches Material verborgen war, ließ ich ihn liegen, weil er mir bei der Flucht nur behinderlich sein konnte

Wie ich bereits in meiner ersten Vernehmung ausgesagt habe, brachte mir das Mädel auch einen Notizblock mit. Die Aufzeichnungen in dem Block bedeuteten den neuen Treff für den nächsten Kurier von außerhalb und die Art und Weise, wie unsere Bekanntschaft entstehen sollte. Ich gebe die Aufzeichnungen wie folgt wieder:

« M.M.Sd. 17 NDT» bedeutet Montag, Mittwoch, Sonnabend 17 gleich 17 Uhr. Neues Deutsches Theater».

«Rubelova» = Straße.

- P. Mitt. = Mittag, linke Hand Husten tritt einer an ihn heran "Wo ist die nächste Hühnerfarm?» Antw.: «Das weiß ich leider nicht, aber die nächste Geflügelhandlung will ich Ihnen gern zeigen.»

Antw.: «Das ist ausgezeichnet».

Das Vorstehende bedeutet, wie schon erwähnt, die Art und Weise, die Zeit und der Ort, wo der nächste Auslandskurier von mir empfangen werden sollte. Und umgekehrt die Prager Adresse, wo jemand von hier in Prag empfangen werden konnte.

Bei dem in meiner Wohnung vorgefundenen Material handelt es sich teilweise um zurückgebliebenes Material von der letzten Sendung aus Prag und teilweise um Material, welches von hier nach drüben geschickt werden sollte und das gewöhnlich von dem anwesenden Kurier mitgenommen wurde. Ich hatte es schon verpackt, um es weiterzuleiten. Das jedesmal angekommene Material leitete ich dem «Fritz» weiter. Das früher eingetroffene sowohl, als auch das, welches von mir vom Anhalter Bahnhof abgeholt wurde, hätte ich ebenfalls an «Fritz» aushändigen müssen.

Auf welche Art die Betriebsberichte, die ich vom «Fritz" hatte, in seine Hände gelangt sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich persönlich hatte diese Verbindungen nicht, kann auch nicht sagen, um welche Personen es sich dabei handelt, die die Berichte geliefert haben.

Anfang November bin ich nach Prag berufen worden, um, wie man mir sagte, nachzuprüfen, inwieweit ich mich in die hiesige Arbeit schon reingefunden hatte. Ich reiste zu diesem Zweck am 10.11. 35 nach Prag, hielt mich ungefähr 8 Tage dort auf und fuhr auf dem gleichen Wege über Tetschen wieder zurück. In Prag habe ich mit einem gewissen "Franz» verhandelt, der auch die fragliche Nachprüfung vorgenommen und für gut befunden hat. «Franz» ist ebenfalls ein jüngerer Mensch, der wahrscheinlich drüben die Jugendbewegung in Deutschland zur Bearbeitung unter sich hat. Sein richtiger Name ist mir unbekannt. "Franz» beschreibe ich wie folgt: Etwa 25 Jahre alt, blond, volles Gesicht, vielleicht 1,70-72m groß, schlank und spricht, soweit ich das beurteilen kann, norddeutschen Dialekt, so wie ihn die Leute an der Wasserkante sprechen.

V. g. U.

Erich Honecker

g. w. 0.

KBS.

Drei der auch in Ex-Zeugen Jehovas-Kreisen kursierenden Frostakten im Ursprungs-Layout:

 

 

 

Den nachfolgendem Bildtext offerierte die "Trost"-Ausgabe vom 1. 6. 1945 (vielleicht wußte man es zu diesem Zeitpunkt noch nicht besser)

Nun ist "Trost" zuzustimmen, dass Frost als höchster Funktionär der illegalen WTG in Hitlerdeutschland, besonders hohe Chancen gehabt hätte, hingerichtet oder auf andere Art und Weise ermordet zu werden. Man denke nur an die Beispiele Hitler-Attentäter Georg Elser, der zwar "aufbewahrt" wurde; jedoch noch 1945, kurz vor Toresschluß ermordet wurde. Oder an den gleichfalls 1945 hingerichteten Dietrich Bonhoeffer. Auch Frost hätte eine ähnliche "Chance" gehabt, sollten die Nazis der Meinung gewesen sein. Da ist noch einer unbeglichene Rechnung offen. Offenbar war für sie der Fall Frost erledigt. Das was sie von ihm wissen wollten, hatten sie aus ihm herausgepresst.

Damit war er in der Folge eine "unbedeutende KZ-Nummer", mit den gleichen Vernichtungs- oder Überlebenscanchen, wie sie auch andere hatten.

Aus dem 1937er Rückblick zur Zeugen Jehovas Geschichte ergänzend noch:

Erich Frost macht Meldung

Wenn man der Frage nachgeht, warum gerade Erich Frost es gewesen ist, der nach 1945 auf den höchsten Repräsentationsposten der Zeugen Jehovas in Deutschland geklettert ist, dann wird man sicher auch jenes zeitgenössische Dokument mit in Betracht ziehen müssen, dass der "Wachtturm" im Jahre 1937 (S. 139) veröffentlichte. In der für einen Zeugen Jehovas-Funktionär geforderten devoten Grundeinstellung, machte er da seinem Chef, Rutherford Meldung, über den Vollzug der Verbreitung der Luzerner Resolution am 12. 12. 1936 in Deutschland. Der Text beginnt schon mit der obligat devoten Anrede:

"Lieber Bruder Rutherford!

Es ist mein Vorrecht, Dir im Namen aller Geschwister in Deutschland den Bericht über die Tätigkeit während der letzten Wochen zu übersenden und gleichzeitig einen Ausdruck der großen Freude zu übermitteln, die uns alle bewegt."

Frost kommt dann als nächstes auf die Verbreitungsaktion der Luzerner Resolution zu sprechen:

"Wir hatten alle Sorgfalt angewandt, die Vorbereitungsarbeiten streng geheim zu halten. Die Resolutionen wurden bereitgemacht. Durch ihre Spitzel in H. hatte auch die deutsche Geheime Staatspolizei von der bevorstehenden Verteilung erfahren, doch über den von uns festgesetzten Zeitpunkt blieb sie völlig im dunkeln. Selbst die Geschwister wurden erst an dem der Verteilung vorangehenden Tage in Kenntnis gesetzt. Jeder erhielt sein Päckchen mit den einzeln in Briefumschläge gesteckten Resolutionen, sowie sein Arbeitsgebiet zugestellt, und am Sonnabend, den 12. Dezember, nachmittags Punkt 17 Uhr begann schlagartig die Arbeit, die bis 19 Uhr wieder beendet war. In sämtlichen Gegenden Deutschlands, in allen größeren und vielen kleinen Städten setzten zum selben Zeitpunkt 3 540 mutige Zeugen zum Sturmangriff ein. Es wurde ein großer Sieg, ein empfindlicher Schlag wider den Feind und eine unbeschreibliche Freude für die treuen Mitarbeiter.

Eineinviertel Stunde nach Beginn, also 18.15 Uhr, verkündete der Polizei-Rundfunk die Verteilung unserer Flugschriften, und binnen einer weiteren halben Stunde wurde die gesamte Polizei, SA und SS auf die Beine gebracht. Doch da war es schon zu spät. Unsere Arbeit war getan.

Die Wut des Feindes, überrumpelt worden zu sein, kennt keine Grenzen. Aber auch große Angst und Verwirrung hat ihn erfasst, und dies aus folgendem Grunde.

Er weiß nicht, wie viele solcher Flugblätter wir unter das Volk gebracht haben, sieht jedoch, dass dieselben in allen Gegenden des Reiches zu finden sind. Bei den Nachfragen, die die Polizei hielt, behaupten die meisten Leute, nichts erhalten zu haben. Nun glaubt man ihnen nicht, weil man ja längst weiß, dass weitaus die meisten Menschen in Deutschland Gegner des Hitlerregimes sind und sich freuen, wenn die Menschen die Wahrheit erfahren.

An einigen Orten holte die Polizei gerade diejenigen Geschwister ab, die sich nicht an der Arbeit beteiligt hatten, während die Mutigen verschont blieben.

Unter ihnen herrscht nun eine große Freude, wie sie eigentlich seit dem Verbot in Deutschland nie gewesen ist. Sie alle warten und fragen beständig nachdem nächsten Sturmangriff, und eine Anzahl derer, die sich diesmal aus Angst enthalten hatten, wünschen das nächste Mal mitzuarbeiten. …

Natürlich werden außer diesen Flugschriften nach wie vor Bücher und Broschüren verbreitet, die Jonadabe aufgesucht und in einzelnen Orten auch noch etwas Schallplattendienst durchgeführt.

Während des letzten Vierteljahres 1936 (1. Oktober bis 31. Dezember) ist der Tätigkeitsbericht folgender. Ungefähr 3 600 Arbeiter, 21 591 Stunden, 300 Bibeln, 9624 Bücher, 19 304 Broschüren.

In Haft befinden sich gegen 4 000 Geschwister. Gegenwärtig finden überall große Prozesse statt, die - da die Zeitungen jetzt mehr darüber berichten als früher - ebenfalls unter dem Volke viel Aufsehen erregen. … Trotz der harten Verfolgungen von Seiten der braunen und schwarzen Henkersknechte sind die Geschwister dennoch unverzagt … der entschlossene Wille zur treuen Pflichterfüllung auch angesichts des Todes wird immer nur stärker durch die zunehmende Hitze des Feuerofens, der in Deutschland wahrlich 'siebenfältig' geheizt ist."

Jene Luzerner Resolution und ihre Verteilung in Deutschland, wird von den Zeugen Jehovas, und den mit ihnen liierten "Gefälligkeitsaposteln" aus dem wissenschaftlichen Spektrum, im allgemeinen mit positiven Worten kommentiert, oder zumindest "neutral", unter Ausklammerung kritischer Akzente dazu. Eine Ausnahme von diesem Trend, stellte Friedrich Zipfel dar. Es ist einzuräumen, dass auch Zipfel Fehler beim recherchieren unterlaufen sind. Auch Zipfel ist Außenstehender, dass heißt, er hat nie eine persönliche Beziehung zu den Zeugen Jehovas gehabt. Ihn interessierte das Thema lediglich unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten. Allerdings nahm sich Zipfel auch die Freiheit, sich bei seinen Wertungen nicht als Lakai der Kirchen zu verstehen, die da teilweise belieben, als Feigenblatt für ihr eigenes Versagen in der NS-Zeit, das Thema Zeugen Jehovas hochzukochen, unter Eliminierung wesentlicher kritischer Gesichtspunkte. Ein herausragender Vertreter dieser Tendenz ist bekanntlich Garbe und seine Nachbeter. Jedenfalls, ich würde die Formulierungen von Zipfel auch so nicht übernehmen wollen. Zipfel ist im Gegensatz zu Garbe, wieder "zu weit weg" von den Zeugen Jehovas. Dennoch halte ich jenes Statement von Zipfel für durchaus diskussionswürdig, der da in Kommentierung der Luzerner Resolution in seiner Studie "Kirchenkampf in Deutschland (S. 186) äußerte:

"Von geradezu verheerender Wirkung für die deutschen Bibelforscher war ein Beschluss, der von der mit den deutschen Verhältnissen nicht recht vertrauten ausländischen Leitung gefasst und von den deutschen Glaubensbrüdern fanatisch durchgeführt wurde."

Zum Ausklang des Falles Frost

Erich Frost wird abgehalftert
Im Impressum der „Wachtturm"-Ausgabe vom 1. 7. 1964 liest man weiter die Angabe (wie in den vorangegangenen Ausgaben)
„Verlag und Druck: Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft
Deutscher Zweig e. V., Wiesbaden
Verantwortliche Redaktion: Erich Frost, Wiesbaden".

Schon eine Ausgabe weiter, also die Ausgabe vom 15. Juli 1964 hat sich diese Inpressums-Angabe verändert.
Nunmehr wird erstmals der Name genannt:

„Verantwortliche Redaktion: Günter Künz, Wiesbaden".

Eine nähere Erläuterung zu diesem Personalwechsel gibt es nicht.
Erst recht gibt es keine würdige Verabschiedung des Frost.
Der ist nunmehr sang- und klanglos verschwunden.
Böse Zungen indes sind geneigt, dieses „sang- und klanglose" Verschwinden, durchaus noch etwas anders zu sehen. Und verweisen da auf einen Kommentar in der genannten „Wachtturm"-Ausgabe vom 1. Juli 1964, den man durchaus auch auf Frost zugeschnitten ansehen kann.
Genannte WT-Ausgabe führte auch aus
(S. 397):
„Angenommen, es ginge ein Gerücht um, daß ein Bruder, der für seinen starken Glauben bekannt war, sich als Verräter entpuppt habe und von der Geheimpolizei als Spitzel gebraucht worden sei."

Der WT führt weiter aus:

„Die hier beschriebenen Verhältnisse sind nicht nur eine Annahme oder ein Phantasiegebilde, sondern Wirklichkeit."

Der WT sucht dann aber erst mal zu beschwichtigen. Seiner Meinung könne es sich auch um eine Trick der Geheimpolizei dabei handeln. Ganz wohl indes, ist dem WT-Schreiber bei der Trick-These nicht.
Eher wiederwillig muss er auch zugeben, es gäbe auch Fälle die sich nicht auf den Faktor „Trick" reduzieren lassen. Davon sollten sich aber die WTG-Hörigen dann nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen, so die weitere Belehrung.
Im Falle Frost bedeutete dass dann wohl, das der frühere „Persilschein" des WTG-Präsidenten N. H. Knorr, nach der Publizierung von Materialien über Frost, im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel", nunmehr nicht mehr länger Gültigkeit hatte.
Knorr hatte ja, wie die genannte „Spiegel"-Publizistik noch Tagesaktuell war, dazu kommentieren lassen:

„Ich (Frost) hatte über diese Anschuldigungen Bruder Knorr befragt, ob ich vielleicht etwas tun sollte. Doch er sagte mir: 'Nein, lass das sein, Bruder Frost! Was glaubst du, wie viele Anschuldigungen gegen mich gemacht werden. Wir schenken solchen keine Aufmerksamkeit. We put them in the file, d. h. wir legen sie ab, aber haben keine Zeit sie zu lesen."

Nun etwas später, hatte man offenbar doch noch sich die Zeit genommen, besagte Anwürfe zu lesen.

Frost mit Geburtsdatum 22. 12. 1900, hatte also zum Zeitpunkt seiner Abhalfterung noch nicht einmal sein 65. Lebensjahr vollendet, welches andernorts vielfach als magisches Datum des Rentnerbeginns gehandelt wird. Es sind indes genügend Fälle im WTG-Bereich bekannt, wo dieses Datum in WTG-Kreisen keine Beachtung findet, die betreffenden über dieses Datum hinaus, ihren vorherigen Job weiter ausüben. Und die klammheimliche Realisation, mitten im WT-Jahrgang, nicht zum Jahreswechsel etwa, spricht nicht dafür, dass Frost etwa um diese Entscheidung „gebeten" hätte. Da entschieden andere für und über ihn.
Die CV 20
kommentierte über den nachfolgenden Wohnort des Frost (Tuttlingen an der Donau):
"Aus der Versammlung wird berichtet, daß er dort eine Etagenwohnung gemietet hatte und sich kaum noch öffentlich sehen ließ. Meist fuhr er nur in seinem VW aus. In der Versammlung galt er als erledigt, tat kaum den Mund auf und hatte keine Freunde. Alle wunderten sich, daß dieser einst so glänzende Redner sich so in ein Mauseloch verkroch."

Nachschlag in Sachen Ericht Frost

„Wie man sich auf eine Verhaftung vorbereitet" so der Titel einer jener unseligen Texte, der namentlich auch den Zeugen Jehovas zu den Verbotszeiten in der vormaligen DDR, WTG-seitig eingetrichtert wurde.  Der Verhaftungstext

An jenen unseligen Text wird man in der „Wachtturm"-Ausgabe vom 15. 7. 1964 wieder erinnert.
Der dortige Text nennt drei damalige Verbotsländer beim direkten Namen:
Rumänien, Ungarn und Rußland.
Da gab es vor einigen Jahren einen Streit über die These, auch seitens kommunistischer Geheimdienstkreise sollen gefälschte (sprich inhaltlich abgeänderte) „Wachttürme" in Umlauf gesetzt worden sein. Was etwa diesbezüglich in Rumänien, Polen, Sowjetunion abgelaufen sein mag, vermag ich nicht im Detail zu beurteilen. Jedenfalls findet man vorgenannte These in der genannten WT-Ausgabe auf der Seite 455 wieder.
Eine Stellungnahme zu jener These von den „gefälschten Wachttürmen" auch in 
Parsimony.19561

Aber auch das kann gesagt werden. Was immer denn die Ostdeutsche Stasi so auf dem Kerbholz gehabt haben mag, das mit den gefälschten (abgeänderten) WT-Ausgaben gehörte wohl nicht zu ihrem Metier. Die zog es vor eher mit offenem Visier anzutreten, mit dem Briefversand des Willy Müller, welcher der Gründung der CV im Oktober 1965 vorausging

In der Studie von Andere Gursky (S. 96) ist ja ein solch bemerkenswertes Schreiben bezogen auf den wie in Kommentierung der vorigen WT-Ausgabe bereits festgestellt, nunmehr WTG-seitig abgehalfterten Erich Frost abgebildet.

Allerdings tendiere ich dazu jenes bei Gursky abgebildete Schreiben, erfolgte nicht über den Müller-Briefversand, sondern separat.
Wie auch immer scheint mir aber, die in diesem Text enthaltenen Anwürfe, sind in der Substanz, keineswegs entkräftet.
Wenn vorgenannte WT-Ausgabe auf Seite 434 auch den Satz formuliert:

„In einem kommunistischen Land versandte die Geheimpolizei an verschiedene Brüder vervielfältigte Rundschreiben, in denen veranwortliche Personen in der Organisation der Zeugen Jehovas heftig angegriffen wurden. Man beschuldigte sie der Trunkenheit, des Ehebruchs und der Verrats."

Abgesehen von dem Vorhalt „Trunkenheit" der mir dann doch wohl etwas zu pauschal erscheint, wurde es mich keineswegs wundern, nähme die genannte WT-Ausgabe auf jenes bei Gursky abgebildete Dokument mit oder auch nur, Bezug!
Es ist auch keinesfalls als „unbeachtlich" zu bezeichnen, dass die WT-Angabe, in einem kommunistischen Land seien Briefe verschickt worden, welche führende WTG-"Leuchten" in ein schiefes Licht stellten. Und auch die indirekte Einräumung, substanziell sei an diesen Vorhalten was dran.
In der letzten WT-Ausgabe der Redaktionsphase Frost (1964 S. 397f.) war unter der Artikelüberschrift „Stärke dich für künftige Tätigkeit" in mehr nebulösen Wendungen eingeräumt worden, an solchen Vorhalten, auch wenn sie denn über Geheimdienstkreise lanciert wurden, könne was dran sein. Die „Spiegel"-Veröffentlichung von 1961 lag nun zeitlich schon etwas zurück. Es wäre wohl zuviel erwartet, dass schon sie unmittelbar im Anschluss daran, genannte Personalveränderung bewirkt hätte. Die Frist „zum Gesicht wahren" war indes nun abgelaufen.
Jene Personalveränderung zum Jahresanfang realisiert, hätte sicherlich mehr Beachtung gefunden, als wie eine mitten im Jahrgang realisierte Personalveränderung. Wer liest schon ständig die Impressumsangaben einer periodischen Zeitschrift? Wohl kaum einer.
Aber auch die erste WT-Ausgabe der Redaktionsphase Künz enthält durchaus eindeutige Andeutungen. Titel jenes WT-Artikels „Die Einheit bewahren in schweren Zeiten" (S. 431f.). Das dies die Zielstellung der WTG in der Sache war, ist ja durchaus nachvollziehbar. Indem dort erneut auf das agieren der Verbotsländer Bezug genommen wurde, ist das faktisch eine thematische Fortsetzung der in der vorangegangenen WT-Ausgabe enthaltenen Einräumung, an den über Geheimdienstkreise lancierten Vorhalten „könnte etwas dran sein". Erneut wird notiert
(S. 434):

Das diese Ausführungen ausgerechnet in jener WT-Ausgabe erschienen, welche die erste der Redaktionsphase des Günter Künz darstellte (15. 7. 1964) ist auch bezeichnend. Sollte wieder Erwarten Frost bezüglich seiner Absetzung noch irgendwelche Fragen gehabt haben, so konnten ihm die eingeweihten WTG-Technokraten antworten.
Hey Frost, das mit dem Briefversand durch die kommunistische Geheimpolizei, nimmt auf Deinen Fall Bezug!
Weiter wusste Frost, in bezug auf seine Gestapoakten, gab es schon einige Jahre vorher den Versuch, ihn über einen Mittelsmann zu erpressen. Damals spielte sich das alles noch ohne weitergehende Öffentlichkeit ab. Diese Schallmauer (keine Öffentlichkeit) war seit der „Spiegel"-Veröffentlichung durchbrochen. Die Gefahr für die WTG, würde sie den Frost an seiner in der Öffentlichkeit herausgehobenen Stellung weiter belassen, könnte es zum erneuten Aufkochen der Thematik in der Öffentlichkeit kommen. Das diese Gefahr real war, wusste die WTG nur zu gut.
Seit etwa 1959 datierte der Briefversand des Willy Müller, indem das Thema Frost auch mit vorkam. Als jener Briefversand ab Oktober 1965 dann in die Zeitschrift „Christliche Verantwortung" umgewandelt wurde, fand auch dort das Thema seine Fortsetzung. Was den Müller'schen Briefversand anbelangt, konnte die WTG sich zwar einstweilen noch damit trösten, der erreicht ja kaum relevante Empfänger. Die Umwandlung des Briefversandes in eine Zeitschrift zeigte dann indes, dieser Zustand musste kein Dauerzustand bleiben. Handelte die WTG nicht rechtzeitig, bestand für sie die Gefahr, andere werden ihr das Gesetz des Handelns abnehmen. Auch Frost selber dürfte klug genug gewesen sein, die bestehende Situation realistisch einzuschätzen.
Offenkundig zog er es in dieser Gemengelage vor, dann „keine weiteren Fragen mehr zu haben"!

1937er Rückblick zur Zeugen Jehovas Geschichte

Die Apologie des Herrn Hirch

Die Apologie des Herrn Wrobel

Die Gebetskunst des Hans Müller

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