"Intoleranz"

Es ist davon die Rede gewesen, dass Katholiken mit den Nazis paktierten in Sachen Zeugen Jehovas. Der Fall Jonak ist ein exemplarisches Beispiel. Ein solcher Vorwurf, "macht sich in der heutigen Zeit gut". Er könnte für die Zeugen Jehovas Anlass sein, nunmehr ihrerseits in die Rolle der Pharisäer zu schlüpfen und Beispiele dafür gibt es. Dennoch muss man ihnen sagen, dass ihre Selbstgerechtigkeit durchaus unangemessen ist. Zum verstehen der Sachlage gehört es, die zeitgenössische Gegenmeinung auch zur Kenntnis zu nehmen. Sie spiegelte sich einmal im "Goldenen Zeitalter" (1. 7. 1935) mit der Referierung einer Kontroverse wieder. In ihr kommen sowohl die Pro als auch die Kontrameinungen zum Ausdruck. Nachstehend sei aus ihr zitiert:

"Aus Gams (St. Gallen) ging uns folgender Artikel, der im 'Werdenberger Anzeiger' Nr. 44 erschien, zu:

'Was man sich heute im Zeichen von schweizerischer Duldsamkeit und Freiheit gefallen lassen muss, davon erhalten wir dieser Tage wieder ein beredtes Zeugnis durch das Herumtreiben der sogenannten Bibelforscher, die sich mit ihrem Elaborat von Bibelsprüchen und verdrehten Bibelauslegungen ihre Opfer, noch besser gesagt den nötigen Mammon für ihr unheilvolles Treiben suchen. Mit scheinheiliger Miene sind sie letzten Samstag durch unsere Gemeinde gezogen, beileibe nicht etwa polizeiwidrig, dazu sind diese Vögel durch allerlei erlebte Vorkommnisse viel zu schlau. Mit einer Karte, die sie als Apostel ihres Werkes zeichnete, auch beteuerten, dass sie keine Beiträge, sondern nur freiwillige Opfer einzuziehen, haben sie ihre Broschüren angeboten und mit ihrem Redeschwall von Gratisverteilung und freiwilligen Gaben unsre Hausfrauen zu angeln versucht.

Wir haben uns bemüht, eines dieser Heftchen in die Hände zu erhalten, wobei das selbige das schmutzigste Machwerk darstellt, dass uns von dieser Seite bisher vor die Augen kam. Schon das Titelbild mit der schändlichen Fratze eines kathol. Priesters zeugt vom Inhalt, nicht minder der Inhalt selber, von dem wir nur einige der unflätigsten und gemeinsten Stellen wiedergeben.

Auf Seite 1 lesen wir: 'Diese Kunde (vom Bibelforscherführer Rutherford) erboste die Diener des Teufels, die kath. Geistlichkeit jener Gemeinde …

Auf Seite 7: 'Viele Jahrhunderte lang hat die kath. Hierarchie die grausamste, verruchteste und schmählichste Organisation die jemals auf der Erde gewesen ist, betrieben. Zur Erreichung ihres grausamen Zweckes bediente sie sich des Zwanges und des Knebels und wenn nötig irgendwelcher anderer gesetzloser Mittel. Wenn sie irgend jemand umbringen wollen, machen sie den Mörder glauben, die Priester können ihn von aller Schuld entbinden und von jeder Strafe freisprechen sowohl hier als auch im Jenseits.'

Dies nur einige Beispiele dieses Misthaufens von Lüge und schmutziger Verdächtigungen, die beliebig vermehrt werden können. Das Bemühendste der ganzen Geschichte ist, dass in unserm Schweizerland die Verbreiter solcher Beleidigungen gegen einen gut vaterländischen Volksteil ihr Werk ruhig und unter behördlichem Schutz betreiben dürfen.

Soll das immer so bleiben, haben wir Katholiken kein Recht gegen eine solche Heruntermachung unseres Glaubens und unserer Priester einen unverzüglichen Schritt der Behörden den Schutz der Polizei zu verlangen? Das wollen wir nun einmal wissen. Wir verlangen, dass kein Agent dieser 'als rechtskräftig im schweizerischen Handelsregister eingetragenen philanthropischen Gesellschaft' die Sekte Rutherfords aus Amerika inskünftig mehr in der Schweiz solche Schriften vertreiben darf. Wir verlangen die sofortige Beschlagnahmung aller dieser Schriften, die mehr als eine Million Schweizerbürger aufs tiefste verletzen. Wir fragen: Ist unsere Regierung zu Stadt und Land, im Kanton und Bund gerecht und stark genug, diese Maßnahme unverzüglich durchzuführen?

Ist dies nicht der Fall, dann werden wir von katholischer Seite aus eine Abwehr organisieren, die uns das Recht schafft, auf das wir vor Gott und der Welt Anspruch haben. Wir werden dann dafür sorgen, dass inskünftig in jeder kathol. Gemeinde solche Abgesandten des Hasses und der Lüge aufgegriffen und mit einer Tracht Prügel für ihr Tun entsprechend besoldet werden, dass ihnen nicht etwa das Lügen aber das Wiederkommen verleidet. Soweit sind wir hoffentlich in der Schweiz noch nicht, dass eine sich christlich nennende Sekte einfach das Recht in Anspruch nimmt, in gemeinster Weise gegen einen treu vaterländischen Volksteil zu schimpfen und mit einem Lügenfeldzug zu verdächtigen. Wir verlangen von unseren Behörden Auskunft und zwar sofort, dass Maß ist voll, unsere Geduld am Ende. …'

Unsere Antwort: Die Broschüre 'Intoleranz' hat … das besondere Missfallen gewisser katholischer Kreise erweckt. Dass das Angesichts des Geistlichen im beanstandeten Titelbild der nicht gerade anziehend ist, ist wohl richtig. Aber spiegelt es nicht den Hass und die Wut nieder, die uns … Entgegentreten? … Zugegeben, dass sich der Prügel in der Hand des Priesters nicht gut macht; aber hat ihn der Zeichner des Titelbildes nicht ganz richtig platziert … Der Artikelschreiber und die hinter ihm Stehenden betrachten die Behörden und das katholische Volk offenbar wie einen bissigen Hund, den man anhetzen kann und an dessen Bellen und Beißen man seinen Spaß hat. Wir glauben nicht, dass anständige Menschen sich in dieser Weise missbrauchen lassen. … Wir sind über die bei der katholischen Hierarchie herrschende Stimmung und ihre Absichten keineswegs im unklaren, aber auch nicht gesonnen zu weichen."


Man vergleiche auch die Reprints einschlägiger Karikaturen der Zeugen Jehovas in: Günther Pape "Die Wahrheit über Jehovas Zeugen", Rottweil/Neckar 1971 S. 135, 136.
In jener Broschüre konnte man z. B. auf Seite 42 den Satz von Rutherford lesen: "Ich bestehe darauf, dass der Klerus der päpstlichen Hierarchie den Teufel, aber nicht Jehova Gott vertritt."

Nun, angesichts solch deutlicher Meinungsäußerung, der jegliche Diplomatie offenbar ein Fremdbegriff war, braucht man sich nicht zu wundern, dass die Gegenseite auf eine gegenteilige Meinung dazu bestand!
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1935er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte