Die Frauen waren Zeugen Jehovas

Das kennt man ja zur Genüge. Es gibt Fälle, wo Ehepartner sich außerstande sehen, sich auch den Zeugen Jehovas anzuschließen. Man hat also den gar nicht so seltenen Fall, dass ein Ehepartner ihnen angehört, der andere nicht. Auch erweisen sich solche Situationen als gewichtige Prüfungen für den weiteren Bestand einer Ehe. Es sind durchaus sehr unterschiedliche Konstellationen diesbezüglich zu registrieren. Normalerweise handelt es sich dabei um die private Angelegenheit der Betreffenden. Misslich, wenn solche Sachlagen dann noch in die Öffentlichkeit hineingezogen werden. Eine solche Situation bestand im Jahre 1935.

Damals gab es in dem formal noch unabhängigen Stadtstaat Danzig einen erklärten Kommunisten namens Wegner, Bildhauer von Beruf. In groß aufgemachten Presseschlagzeilen wurde in die Welt hinaus posaunt, dass er gleichzeitig das Haupt der Danziger Bibelforscher/Zeugen Jehovas sei. Diese Behauptung wurde auch von der damals noch in Hitlerdeutschland erscheinenden Zeitung "Germania" (Ausgabe vom 28. 5. 1935) mit übernommen.

Verhältnismäßig umfänglich, wenn auch tendenziös, berichtete das Blatt "Danziger Neueste Nachrichten" (Ausgabe vom 27. 5. 1935) über den Fall. Danach fand man in den Kellerräumen eine nahezu komplette Druckeinrichtung. Entscheidend ist jedoch, was auf dieser gedruckt werden sollte - eindeutig kommunistisches Schrifttum.

Jedoch auch WTG-Schriftturm. Namentlich wird das Rutherford-Buch "Regierung" genannt, und es wird auch nicht versäumt dieses dann noch durch die Angabe zu "würzen" jenes Buch habe "sich beispielsweise mit dem politischen System in Deutschland auseinandergesetzt und den Führer scharf angegriffen."

Am 28. 5. 1935 gab es dann noch eine Fortsetzung des Berichtes im gleichen Blatt. Nunmehr ist von umfänglichen Verhaftungen in der Folge, die Rede.

Sieht man sich die weiter dabei genannten Details an, verdichtet sich der Eindruck eines überwiegend gegen Kommunisten geführten Schlages. Etwa wenn man liest:

"Am 4. Mai erregte der Arbeiter Heinrich Pokriefke, der Schlüsseldamm wohnt, in einer Gastwirtschaft dadurch berechtigtes Aufsehen, daß er in der Trunkenheit politische Reden hielt und sich rühmte, wichtige Funktionen in der KPD zu erfüllen. Er erwarte heute abend umfangreiches Material, das er weiterreichen werde. Die politische Polizei wurde benachrichtigt und Pokrieffke beobachtet, doch kam es am Abend des 4. Mai nicht zur Aushändigung des erwähnten illegalen Druckmaterials. Aber am nächsten Tage wurde bereits illegales Material diesem Kurier der Kommunisten und der „Ernsten Bibelforscher“ zugestellt."

Meines Erachtens ist bei dieser Aussage aber die Detailangabe: "und der „Ernsten Bibelforscher“ zugestellt." nicht belegt.

Weiter geht es im Bericht mit der Detailangabe:

"Bei den festgenommenen Personen, die bereits dem Richter vorgeführt sind und gegen die Haftbefehl erlassen ist, handelt es sich größtenteils um langjährige Kommunisten, die bereits in politischer Hinsicht ein Sündenregister haben.

Die Organisation war so vorgenommen, wie man es aus früheren politischen Prozessen, in denen die KPD eine Rolle spielte, erfahren hat.

Die Stadt Danzig wurde in Arbeitsgebiete eingeteilt und jedem Mitglied ein bestimmtes Arbeitsgebiet zur Bearbeitung zugewiesen.

Verhaftet sind. Der frühere kommunistische Volkstagsabgeordnete Paul Seratzki, Lauental, Löwenweg 1;

Der polnische Staatsangehörige Isaac Waldmann, Schichaugasse 23a;

Kurt Brüski, Karpfeneigen 8;

Ehefrau Hildegard Groll, Jakobsneugasse 8,

Albert Splitter, Schidlitz, Neue Sorge 18;

Czykowski, Große Gasse 20,

Wladislaus Droblowelski, Lauental,

Bernhard Bemowski, Schidlitz,

Otto Rückwardt aus Pasework,

Gustav Goldmann, Schild 15,

Heinrich Pokriefke, Schüsseldamm,

Paul Zöllikau, Schellmühl, Broschkischer Weg,

Oskar Troll, Jakobswall 23,

Ernst Bartsch, Kl. Rammbau 7a.

Bei diesen Personen handelt es sich um Kommunisten, deren Namen bereits öfters in die Zeitung gekommen sind.

So ist Otto Rückwardt aus Pasework bekannt durch seine Teilnahme an dem Hungermarsch vor mehreren Jahren, der ihm eine lange Freiheitsstrafe eingetragen hat, da es damals zu schweren Ausschreitungen und Mißhandlungen von Landjägern gekommen ist."

Auch diese Details belegen die eindeutig kommunistische Ausrichtung des ganzen Vorganges. Der gleichzeitigen Auffindung von WTG-Schrifttum, wird dabei ein überbetonter Stellenwert zugewiesen, für den die Sachlage keine ausreichende Grundlage liefert.

Eine solche Behauptung machte sich für die propagandistischen Interessen des damaligen Regimes gut und wurde begierig auch von den Nazigazetten übernommen. Nicht übernommen hingegen wurde die Aufklärung in dieser Sache. Es stellte sich heraus dass lediglich die Frau und Tochter dieses Bildhauers den Zeugen Jehovas angehörten, nicht jedoch Wegener selbst. Darauf machte das "Goldene Zeitalter" in seiner Ausgabe vom 15. 8. 1935 aufmerksam.

Der Fall diente zugleich als Verbotsvorwand in Danzig, gegen die Zeugen Jehovas. Als bisher ungeklärt muss in diesem Zusammenhang wohl die Behauptung der ohne Frage nazistisch orientierten Zeitung "Danziger Vorposten" vom 9. 6. 1935 angesehen werden, Besagter Wegner habe zusammen mit seiner Frau und Tochter, die Zeugen Jehovas-Versammlungen regelmässig besucht. Desweiteren bleibt bei der  Frage, wieso er sich denn 95 Exemplare des 1935er Zeugen Jehovas Jahrbuch ins Haus nahm, ein Fragezeichen zurück. Besagte Jahrbücher gehören nicht zu dem Schrifttum, das gezielt auch der Öffentlichkeit angeboten wird. Frauen pflegen in den Zeugen-Versammlungen zudem keine relevanten Funktionärsposten wahrzunehmen. Wieso dann diese 95 Jahrbücher?

In der Folge Verbot der Zeugen Jehovas auch in Denzig.

Am 17. 7. 1935 meldete ´dann der "Danziger Vorposten"

"Wie uns bekannt wird, soll der bisherige Vorsitzende der Danziger Gruppe der „Internationalen Vereinigung ernster Bibelforscher“, Kaufmann Ewald Niehuß, Zopot, Wilhelmstr. 16, aus dem Danziger Freistaatgebiet ausgewiesen werden. Niehuß, der die reichsdeutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist heute vom Danziger Polizeipräsidenten aufgefordert worden, innerhalb 14 Tagen Danzig zu verlassen. Mit dem Verbot der Danziger Bibelforscher, das vor einigen Tagen durch den Polizeipräsidenten erfolgte, hat sich der Vorstand sowie einige Mitglieder dieser Vereinigung nicht zufrieden gegeben. Im Interesse der Danziger Staatssicherheit und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung war es unbedingt notwendig, Niehuß aus dem Freistaatsgebiet auszuweisen."

Siehe auch

Parsimony.20827

 

ZurIndexseite

1935er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte