Der "Fürchte euch nicht" Wachtturm aus dem Jahre 1933

Der deutsche in Bern gedruckte "Wachtturm vom 1. 12. 1933 veröffentlichte auch einen "Fürchtet euch nicht" überschriebenen Artikel. Etwa im WTG-Buch "Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" (S. 143) wird ihm ein besonderer Stellenwert zugemessen, dergestalt. dass die "Diplomatie-Phase" gegenüber dem Naziregime, damit beendet wurde.

Zur diesbezüglichen Chronologie ist festzuhalten, dass noch am 20. 9. 1933 via amerikanische Regierung dem Naziregime ein Protestnote in Sachen WTG überreicht bekam WTG-Funktionär Harbeck hatte zu der Zeit noch ausdrücklich die Parole des "Stillhaltens, etwa in seinem Zirkularschreiben vom 28. 8. 1933, ausgegeben

Zu letzterem kann man vergleichen:

19372Harbeck

Der „Fürchtet euch nicht"-Artikel war dann quasi die offizielle Beendigung dieser diplomatischen Phase, die zwar eine Freigabe materieller Werte der WTG erreichen konnte, aber eben keine Verbotsaufhebung.

Da mag es doch mal angebracht sein, den in Rede stehenden Artikel sich einmal etwas näher anzusehen. Nachstehend mal einige Zitate aus ihm:

„Jehova hat es denen, die ihn lieben, völlig klar gemacht, daß die Gegenwart die Zeit seiner Vorbereitung zum Kriege ist, und daß der Kampf mit dem Feinde bald folgen und mit der gänzlichen Rechtfertigung des Namens Jehovas enden wird. 'Alles hat eine bestimmte Zeit' … Es ist Gottes Zeit, der Gesetzlosigkeit ein Ende zu bereiten.

Die römisch-katholische Hierarchie, die seit mehr als 1500 Jahren besteht, ist eine politische Organisation, obschon sie den Anspruch erhebt, Gottes Dienerin zu sein. Alle politischen Organisationen sind selbstsüchtig, aber die römische Hierarchie ist mehr als das. Menschliche Worte können es gar nicht beschreiben, wie gewissenlos, grausam und gesetzlos diese Organisation ist. Sie bedient sich aller erdenklichen Ränke und gemeiner politischer Methoden, um ihre Ziele zu erreichen. …

Im Staate Bayern, einem Bollwerk des Romanismus, hatte die Verfolgung der Zeugen Jehovas begonnen und schon nach wenigen Stunden wurden in römisch-katholischen Zeitungen Amerikas Mitteilungen darüber gebracht, was zeigt, daß letztere mit dem Hauptquartier in Rom in enger Verbindung standen. …

Die römisch-katholischen Knechte Satans haben den politischen Herrschern vorgestellt, Jehovas Zeugen betätigten sich in verwerflichen politischen Machenschaften, um die gegenwärtigen irdischen Regierungen zu stürzen. Das ist eine böswillige und ruchlose Lüge. Diese Repräsentanten Satans erheben die Anklage, Jehovas Zeugen wären Kommunisten und Sozialisten, eine Anklage, die absolut falsch ist. …

Weil Jehovas Zeugen bei den Menschen mit Büchern vorsprechen, die die Königreichsbotschaften enthalten, und weil sie von den Leuten, die diese Bücher nehmen, einen Beitrag annehmen, der doch geringer ist als die Kosten der Herstellung und Ablieferung der Bücher, so beschuldigen die sichtbaren religiösen Vertreter Satans diese treuen Prediger des Evangeliums, daß sie 'ohne gesetzliche Erlaubnis hausierten' und lassen sie verhaften. …

Einige mögen einwenden: 'Wenn wir angesichts solch heftiger Verfolgung und Bekämpfung fortfahren, unter das Volk zu gehen und diese Wahrheiten öffentlich zu verkündigen, so fürchte ich, daß wir umgebracht werden können.' Das ist wahr ... Jesus wußte diese Tatsache natürlich voraus …"

Wenn das WTG-Buch „Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben" (S. 143) in Auszügen jenen eben zitiert WT-Artikel auch mit zitiert, dann ist allerdings festzustellen, dass man dort die nachweisbare antikatholische Komponente "dezent" unterm Tisch verschwinden lässt. Den Hinweis auf die USA-Auseinandersetzungen etwa in Plainfield ebenso.

Also fasst man das zusammen, ergibt sich das Resultat, jener „Fürchtet euch nicht"-WT-Artikel, war eine Hetzschrift gegen die katholische Kirche, die offenbar unterschwellig für das Verbot in Hitlerdeutschland als „maßgeblich verantwortlich" haftbar gemacht werden soll. Dass alles in den Rahmen der Endzeit-Naherwartung eingeordnet, da der „Kampf mit dem Feinde (Jehovas) bald folgen" solle.

Was den Aspekt Verhaftungen wegen Hausierertätigkeit anbelangt, so ergibt der weitere Kontext dieses WT-Artikels. Das bezieht sich vorrangig auf die USA, wo es solche Verhaftungen auch gab. William Schnell etwa, berichtet in seinem ZJ-bezüglichen Buch weitere Details über diese „Heuschreckenplage".

Man vergleiche dazu: Schnell Detail

Man muss jedoch auch sagen.
Eine Anpassung etwa an deutsche Verhältnisse ist in diesem WT-Artikel nicht sonderlich registrierbar. Wenn in den USA in Plainfield etwa, Verhaftungen stattfinden, dann sieht offenbar der WT dasselbe „Strickmuster" sich auch in Hitlerdeutschland wiederholend.

Wahrlich wenn man diese WT-Artikel-Verfasser als von Milchmädchenlogik getränkt bezeichnen würde, wäre dass wohl noch eine maßlose Untertreibung.

1933er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte

ZurIndexseite