Annotationen zu den Zeugen Jehovas

Weintraubenkur

Zu den Skurilitäten des Jahres 1930, mit Nachwirkungen bis in die Gegenwart, gehört auch die von den seinerzeitigen Bibelforschern in höchsten Tönen gepriesene "Weintraubenkur". Wenn von gewissen Nachwirkungen bis in die Gegenwart die Rede ist, dann allerdings nur dergestalt, dass gerade auch im Dunstkreis der Zeugen Jehovas, sich nach wie vor einige Typen der sogenannten "Heilpraktikerszene" tummeln. Das heißt Leute, die für Geld (von den Krankenkassen werden sie in der Regel nicht bezahlt), gewisse pseudomedizinische Ratschläge und Behandlungsformen offerieren, die von der offiziellen Medizin, nur in Ausnahmefällen, auch akzeptiert werden. Offenbar spielt die psychologische Beeinflussung der Patienten, hierbei oftmals eine nicht zu unterschätzende Rolle. Jedenfalls wirft die Siegesgewissheit, mit der diese Heilpraktikerkreise, ihre oftmals ziemlich simplen Rezepte offerieren, einige Fragen auf. Bezeichnend jedoch, dass eine gewisse religiöse Klientel, wie eben auch die Bibelforscher, für solcherlei Angebote, besonders anfällig ist. Wenn beispielsweise ein gewisser F. W. Franz, später noch bekannt geworden, als Präsident der Wachtturmgesellschaft, sich schon im Jahre 1931 euphorisch über die sogenannte Weintraubenkur verbreitete (man vergleiche dazu "Das Goldene Zeitalter", (Schweizer Ausgabe) vom 1. 5. 1931 S. 139f.), dann sind für etliche einfache Bibelforscher/Zeugen Jehovas, alle eventuellen Sicherungen kritischer Hinterfragung, solcher Thesen, offenbar "durchgeknallt". Glaubt und propagiert die "Prominenz" das schon, was will man dann noch vom "Fußvolk" erwarten?

Die Sache fing damit an, dass in der (Schweizer Ausgabe) des "Goldenen Zeitalter" vom 1. 4. 1929 sich ein gewisser Dr. med. Rollin Jones, aus Florida (USA) über die von ihm empfohlene Weintraubenkur verbreitete. Im einzelnen führte er aus:

"Vor mehreren Jahren kam eine Dame in meine Sprechstunde, die an innerlichem Krebs litt. Ich riet ihr für mehrere Wochen eine strenge Weintraubenkur zu machen, und dann allmählich zu einer allgemeinen Vegetarierkost überzugehen. Seit dem sind sieben Jahre vergangen, und die Dame hat mir erst vor kurzem wieder berichtet, dass sie sich durchaus wohl fühle. Eine andere Frau litt an einem etwa neun bis zehn Pfund schweren Gewächs. Ihre Gesundheit war dadurch so geschwächt und ihre Nerven so mitgenommen, dass sie kaum noch sehen und hören konnte. Nachdem sie für viele Wochen eine Weintraubenkur gemacht und entsprechende Behandlung mit Bädern genossen hatte, war das Gewächs bedeutend zurückgegangen und sie konnte wieder hören und sehen.

Auch andere Krebskranke und vier Patienten, die an Lungentuberkulose litten, sind zu unserer Freude durch Weintraubenkur geheilt worden. Wir erkennen in der Weintraube (in ihrem natürlichen Zustande und als ausschließliche Nahrung genossen) das beste Mittel die Gewebe des menschlichen Körpers zu einem normalen oder gesunden Zustand wieder herzustellen. Aber wenn die chemischen Bestandteile der Weintraube mit anderen Nahrungsbestandteilen in dem menschlichen Laboratorium, dem Magen, in Verbindung kommen, werden sie fast immer ein Nebenprodukt erzeugen, dass ein wirkliches Gift ist.

Die dunkelschaligen Weintrauben sind wegen ihrer mineralischen Bestandteile den hellen vorzuziehen. Aus ähnlichen Gründen sind auch die rotschaligen Zwiebeln als Diät zur Lösung von Gallensteinen vorzüglicher. Vor Jahren kam eine Frau aus Süd-Afrika um einer leidenden Menschheit mitzuteilen, wie sie von jahrelangem schwerem Krebsleiden nur durch eine Weintraubenkur geheilt wurde. …"

Einen „Nachschlag" von demselben Dr. Rollin Jones, gab es dann in der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 9. 1929. Viele Leserbriefe seien bezüglich dieser Weintraubenkur eingegangen, teilt das GZ mit. Was also liegt näher, als dem Verursacher selber, sich weiter dazu zu äußern lassen. Und die Tribüne die ihm da willfährig zur Verfügung gestellt wird, ist eben das GZ.

Liest man unuvoreingenommen und genau, wird man aber auch registrieren können. Auf den Einbau ein paar Hintertürchen verzichtet auch dieser Rollin Jones nicht.

Klappt es also nicht so, wie in der theoretischen Wunschvorstellung angedacht, dann hat der so Enttäuschte, eben die Ratschläge nicht genau genug befolgt.

Ohne Zweifel ist das „Prinzip Hoffnung" das allergrößte Kapital der Heilpraktikerszene. Und das auch eben in diesem Fall. Seiner „Kundschaft" weis von dieser Dr. Rollin Jones bezüglich der eingegangenen Leserfrage wie folgt hinters Licht zu führen:

„Die Weintraubenkur sollte nur unter Aufsicht eines Arztes, der sich wirklich mit dem Studium der Gesundheit und nicht nur mit dem Studium der Krankheitskeime befaßt hat, und der die Wirkungen und Reaktionen der Weintrauben auf den menschlichen Körper versteht, gemacht werden."

Lässt man sich eben zitierten Satz auf der „Zunge zergehen", entpuppt der sich schon mal als „Seitenhieb" gegen die verachtete Schulmedizin.

Weiter geht es in seinen Empfehlungen mit der Aussage:

„Vor allen Dingen sollte es niemand unternehmen diese Kur zu machen, der nicht entschlossen ist, sie auch bis zum Ende durchzuführen. Die Weintraubenkur nur als ein Experiment zu "probieren" ist ganz wert- und nutzlos und kann womöglich die Sache verschlimmern."

Und falls die hochgespannten Erwartungen nicht das erhoffte Resultat zeitigen, sichert sich auch dieser Rollin Jones mit ein paar „Wenn und Aber" ab. Zum Beispiel dem:

„Man benütze keinen Traubensaft in Flaschen. Ich kenne keinen, der den Anforderungen genügte. Dann darf man während der Durchführung der Traubenkur keine andere Nahrung zu.sich nehmen, wenn man nicht sich und vielleicht auch anderen Schwierigkeiten damit bereiten will.

Dann lasse man es niemals zu Stuhlverstopfung kommen, während man die Kur macht. Man bediene sich des Klystiers, Diese Verstopfung kann nur durch den Zustand, in dem sich das Verdauungssystem befindet, entstehen und wird sich mit der Zeit geben. Dann sollte man nicht mit der Kur beginnen, während das System noch mit schädlichen, schlechten Stoffen angefüllt ist, sondern man faste erst zwei oder drei Tage, ehe man mit der Traubenkur beginnt.

Man lasse sich nicht durch Reden anderer, daß man sterben müsse, wenn man ein paar Tage keine Nahrung zu sich nimmt, abschrecken. Moses fastete vierzig Tage und auch der Herr Jesus. Andere haben schon bis zu 56 Tagen mit guten Erfolgen gefastet.

Sichere Dir die Hilfe eines guten, vernünftigen Arztes und lasse Dich während der Kur von ihm beraten. Bei innerlichem Krebs oder einem Krebsleiden, das noch nicht wirksam geworden ist, ist es gut, nach kurzem Fasten (unter Überwachung des Arztes) mit einer kleinen Menge von Weinbeeren alle zwei Stunden zu beginnen. Man esse für die ersten zwei Tage nicht mehr als zwei Pfund am Tage, und steigere.die Menge allmählich, aber nicht höher als bis auf vier Pfund pro Tag. Man setze die Kur solange fort, wie es der Zustand verlangt, oder bis der Patient zu schwach wird."

Den letzteren Satz zu übersehen, dürfte wohl auch nicht gerade ratsam sein. „... Bis der Patient zu schwach wird".

Und weiter Rollin Jones:

„Viele setzen die Kur sechs Wochen oder noch länger durch. Der behandelnde Arzt sollte Erfahrungen mit der "Weintraubenkur" besitzen und nicht etwa dem Patienten Medikamente verabreichen. Der Patient sollte nur reines Wasser trinken und zwar zwei bis drei Liter täglich.

Wenn man mit der Weintraubenkur aufhört, sollte man nur rohe Gemüsesalate und zwar in kleinen Mengen genießen, wie zum Beispiel grünen Salat mit geriebenen Mohren und Sellerie, oder rohe Feigen mit Zwiebeln und grünem Salat. (Das ist sehr die Verdauung fördernd).

Niemals sollte man gekochte und ungekochte Speisen bei einer Mahlzeit essen. Die natürliche Nahrung des Menschen sind rohe Früchte und Gemüse und Nüsse.

Wenn der Krebs bereits wirksam und eiternd ist, mache man von dem Fruchtmark der Weinbeeren einen Umschlag und erneuere ihn öfters. Der Fruchtsaft wird in das Krebsgeschwür eindringen, ohne dabei den gesunden Zellen und Geweben zu schaden. Wo sich schwer Umschläge machen lassen, wie zum Beispiel beim Nasenkrebs, sollte die kranke Stelle zweimal am Tage für zehn bis fünfzehn Minuten mit tiefblauem elektrischem Licht beleuchtet werden. Streng zu vermeiden ist alles Reiben der kranken Stellen, weil dadurch Entzündungen entstehen können.

Wir empfehlen die Art der Weintrauben zu wechseln, wenn es dem Kranken angenehm ist, obwohl die dunkelschaligen Arten die besten sind. Aber auch die kleinen grünen im Treibhaus gezogenen Weintrauben sind besser als gar keine, das Wachsen des Krebses aufzuhalten, bis die Weintraubenzeit gekommen ist, und genügend Weintrauben erhältlich sind. Auch bei Geschwülsten kann die Traubenkur in derselben Weise angewendet werden wie bei Krebs. In solchen Fällen wird auch ein häufiges Baden des Körpers in Körperwärmetemperatur viel helfen; dies kann sogar stundenlang getan werden. Man verwende dafür ein paar Löffel voll Epsom- oder Bittersalz, aber keine Seife.

Bei Gallensteinen empfehlen wir dem Patienten ein paar Tage zu fasten und dann ausschließlich von Rohkost zu leben, .mit täglich mindestens zwei großen Zwiebeln. Das wird die Gallensteine, die nur verdichtete Galle sind, binnen sechs Wochen lösen.

Auch für Tuberkulosekranke ist die Weintraubenkur sehr zu empfehlen. Aber, auch hier muß der Patient mindestens einen Tag fasten, ehe er die Kur machen darf.

In der (Schweizer) Ausgabe vom 1. 1. 1930 des "Goldenen Zeitalter" veröffentlichte deren Redaktion dann noch eines "Lobesbrief", zu den von ihr schon vorher dargestellten Ausführungen zum Thema Weintraubenkur. In besagtem Leserbrief konnte man lesen:

"Als ein Leser und Freund des 'Goldenen Zeitalters' las ich Ihre Ausführungen über die Weintraubenkur und möchte diesen aus eigener Erfahrung etwas hinzufügen.

Als Kind war ich immer sehr krank. Die Ärzte erklärten schließlich, es müssten mir die Mandeln herausgeschnitten werden, aber das änderte gar nichts an meinem Zustand. Im Gegenteil, nach einiger Zeit bekam ich einen bösen Ausschlag, der durch nichts zu heilen zu sein schien. Er breitete sich immer weiter aus, bedeckte meine Ohren und mein Kinn, was sehr schlecht aussah und sehr schmerzte.

Als dieser Ausschlag am schlimmsten war, begann Dr. Rollin Jones eine Weintraubenkur mit mir zu machen. Er verordnete mir sechs Wochen lang ausschließlich von Weintrauben zu leben. Ich trank dabei auch viel Wasser. Am Ende der sechs Wochen war mein Ausschlag völlig verschwunden, und seit jener Zeit fühle ich mich vollkommen wohl. Jetzt bin ich verheiratet und erfreue mich bester Gesundheit und Frische.

Ich kenne viele Leute, die die Weintraubenkur mit wunderbarem Erfolg durchgeführt haben. Wo sich nicht der gewünschte Erfolg gezeigt hat, hat der Arzt, der die Kur geleitet hat, vielleicht nicht sorgfältig genug ihre Wirkungen studiert. Die zu einer solchen Kur geeigneten Trauben sind auch nicht das ganze Jahr über erhältlich, nicht einmal in den großen Städten, darum muss die richtige Jahreszeit dazu abgewartet werden."

Man beachte in dem vorstehenden dem „Jubelbericht" auch das darin enthaltene Hintertürchen.

Zitat: „Die zu einer solchen Kur geeigneten Trauben sind auch nicht das ganze Jahr über erhältlich..."

Ob den solcherart vermeintliche Heilungen nicht auch via andere Formen von Diätkuren eintreten würden, auf die der jeweilige Heilpraktiker als seine „Spezialstrecke" so zu schwören pflegt, ist doch sehr die Frage. Darüber allerdings reflektierte das „Goldene Zeitalter" nicht

Auch die Magdeburger und Schweizer Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 1. 5. 1930 ist diesbezüglich zu nennen.

Ein in ihr enthaltener   „Der Weg zu besserer Gesundheit" betitelter Artikel wusste beispielsweise (unter anderem) die nachfolgenden Empfehlungen zu geben:

„Vor allen Dingen vermeide man den Gebrauch von Aluminiumgeschirr und aluminiumhaltigem Backpulver. Aluminium vergiftet den Blutstrom und ist die Ursache zu einem großen Prozentsatz aller Magenkrankheiten unserer Zeit.

Man schlafe auf der rechten Seite oder liege flach auf dem Rücken, das Haupt gen Norden gerichtet, um den Vorteil des Magnetstromes der Erde genießen zu können.

Man meide alle Serumeinspritzungen und Impfungen, die nur den Blutstrom durch die Einführung schlechter eitriger Masse verderben. ...

Diese schnell sich zersetzenden Stoffe bleiben dann im Blute und vergiften den Blutstrom,

Wenn ein solcher Zustand besteht, kann man durch eine Weintraubenkur, die man ein oder zwei Wochen strikte durchführen muß, geheilt werden. Ehe man diese Kur beginnt, faste man für zwei Tage, an denen man jedoch reichlich Wasser trinkt. Dann esse man täglich zwei bis vier Pfund Weintrauben mit der Schale, aber nicht mit den Kernen, und mache des Abends ein Klystier, um den Mastdarm von den Giften zu reinigen. Während einer solchen Kur sollten gar keine anderen Speisen genossen werden."

Die Magdeburger Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 9. 1930, (Schweizer Ausgabe 1. 11. 1930) setzte die offensive Propagierung der sogenannten Weintraubenkur fort.

„Eine Heilkur gegen Krebs" so lautet darin die schreiende Überschrift. An und für sich ist solch eine Überschrift, in einer Medizin-Laien Zeitschrift, schon als äußerst bedenklich einzustufen. Suggeriert sie doch etwas, wovon es mehr als fraglich ist, ob denn der Erwartungshorizont erfüllt werden kann.

Einleitend muss der Artikel-Verfasser schon selbst einräumen:

„Bei diesen Arbeiten hat man so manches gefunden, was Krebs n i c h t ist, aber herzlich wenig gefunden, was wirklich zu einer erfolgreichen Heilbehandlung dienen könnte."

Trotz dieser Einräumung, verwendet das GZ aber trotzdem die kritisierte Überschrift. Und da jener Artikel relativ lang ist (jedenfalls für GZ-Verhältnisse), muss man auch noch sehen, wie es denn in seinen Ausführungen so weiter geht.

Sicherlich spricht der Verfasser eine Befindlichkeit an, wenn er auch rekapituliert: „Ihre hauptsächlichste Zuflucht ist das Operationsmesser, das im günstigsten Falle doch nur eine vorübergehende Hilfe schaffen kann."

Es ist doch wohl sehr die Frage, ob das schüren solcher Ängste, nun wirklich „hilfreich" ist. Aber nachvollziehbar ist es ja schon, wird Betroffenen suggeriert, es ginge auch ohne das Operationsmesser. Allerdings, muss dann auch die Frage gestattet sein, ob die Schürung solcher Erwartungen gerechtfertigt ist.

Und schon alsbald ist das GZ wieder bei seinem schon früher benannten Buhmann angelangt. Mehr noch, Personen aus dem GZ-Autoren-Umfeld, die besonders zur Forcierung ihres vermeintlichen Buhmannes beigetragen haben, werden nun erneut aus „Autoritäten" erklärt.

Im GZ-Artikel liest sich das so:

„Wenn also Krebs durch äußere Reizungen entstehen kann [Einfügung. Einen detailliert, nachvollziehbaren Beweis für diese These liefert das GZ aber nicht. Weiter in der GZ-Zitierung], wie von der Ärzteschaft anerkannt wird, ist es da nicht auch einleuchtend, daß innere Reizungen Krebs hervorrufen können.

Diese Theorie wird von Dr. Betts in Toledo, Ohio, aufgestellt. Dr. Betts behauptet, daß innere Reizungen, die zu Krebs führen, durch Aluminium-Komplikationen  entstehen."

Der Artikel-Verfasser meint dann auf Fallbeispiele von ihm selbst geheilter Krebskranker verweisen zu können. Und wie schaffte er das.

Durch „eine Weintraubenkur ... Neben einem täglichen Einlauf von einfachen warmen Wasser."

Über ein zweites von ihm vermeintlich geheiltes Fallbeispiel berichtet er:

„Diese Dame war etwa 60 Jahre alt. Sie beschränkte ihre Diät nicht lediglich auf Weintraubensaft, sondern genoß auch andere Fruchtsäfte, wenn sie eine Abwechslung wünschte, zum Beispiel Apfelsinen-, Pfirsisch- und Apfelsaft. Der Fruchtsaft wurde jeden Tag frisch ausgepreßt, etwa einen halben Liter für den Tag. Dabei wurde ihr geraten, viel frisches Wasser zu trinken, was sie auch tat. Auch das warme Klistier macht sie jeden Tag, ohne jemals damit auszusetzen. ... In beiden Fällen verlief die Heilung in gewohnter Weise in 30 - 40 Tagen."

Und der Verfasser meint sich gar noch zu der Aussage versteigen zu können:

„Durch diese Fälle ist der Beweis erbracht, daß Krebs heilbar ist, auch im bereits vorgeschriiienen Stadium."

Ob den auch Vertreter der Schulmedizin, sich seiner Meinung anschließen würden, darüber reflektiert er allerdings nicht. Wobei man wohl auch einräumen muss, es wäre wohl auch vergebliche Liebesmüh. Der Schulmedizin dürften ob solch simpler Rezepte, eher „die Haare zu Berge stehen."

Natürlich wird auch die Schulmedizin gegen eine gesunde Lebensführung, gesunde Nahrung, nichts einzuwenden haben. Aber es geht ja doch wohl um die Überhöhung etwa von Fruchtsäften in diesem Falle, zum quasi Wundermittel.

Abgeschlossen wird das Pseudowissenschaftliche Palaver in diesem Artikel dann noch mit der definitivem Behauptung:

„Sicherlich hat noch niemand mit einer reinen, gesunden Blutbeschaffenheit die Krebskrankheit bekommen. Darum ist es in allen Fällen gut, für Blutreinigung zu sorgen und alles zu vermeiden, was eine Vergiftung des Blutes bewirkt."

In der Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 15. 10. 1932 kann man unter der Überschrift „Traubenkuren" lesen:

„Diese können nicht genug empfohlen werden, denn sie sind von unschätzbarem Wert für den ganzen Organismus, den sie reinigen, erneuern und verjüngen, sogar von chronischen Krankheiten heilen.

Die Körpersäfte und das Blut werden dadurch verbessert, ja selbst erneuert. Während drei bis vier, möglichst aber vier bis sechs Wochen sollte man sämtlichen Alltagsspeisen Lebewohl sagen und sich ausschliesslich an den Traubensaft halten.

Zu diesem Zwecke presse man weisse oder blaue Trauben durch eine Frucht oder Kartoffelpresse und beginne gleich morgens statt dem obligaten Frühstück mit ein bis zwei Gläser frisch ausgepressten Saftes, dazu einige Zwieback. Es ist darauf zu achten, dass der Saft von einer Mahlzeit zur ändern nicht stehen bleibt, sondern stets frisch gepresst wird. Zur Mittagsmahlzeit kann man dem Safte geschroteten Weizen, gemahlene Nüsse, Hafer-, Mais- oder Weizenflocken beimischen. Als nicht unbedingt notwendige Nachspeise geniesse man Schrotbrot, kein "Hefebrot", oder Zwieback mit etwas Butter, Reis-, Mais-, Griesgerichte oder Teigwaren, jedoch ohne Zucker zubereitet.

Man meide überhaupt wahrend dieser Kurzeit streng jegliche Süssigkeiten, da sie in Verbindung mit Traubensaft grosse Gährungszustände im Magen und Darm hervorrufen würden. Abends sind nach dem Genuss des Traubensaftes verschiedene Schleimsuppen zur Erwärmung des Körpers angebracht. Alkohol und sonstige Getränke müssen während der ganzen Kurzeit vollständig vermieden werden. Der für eine Mahlzeit erforderliche Saft benötigt pro Person ein halbes Kilo Trauben. Soll die Kur von Erfolg sein, so muss der Saft löffelweise getrunken und gut eingespeichelt werden. Zwischenmahlzeiten sind vollständig zu unterlassen; ein tüchtiger Marsch in die herrliche Natur hinaus wird der Gesundheit bessere Dienste leisten.

Wer den Willen und die sonstige Möglichkeit hat, eine solche Traubenkur durchzuführen, wird Wunder erleben.

Steinleiden jeder Art, Stockungen des Unterleibes und der Eingeweide, Leber, Milz- und Gallenleiden, chronische Herz- und Lungenkrankheiten, überhaupt sämtliche organischen Erkrankungen, müssen vor diesem Lebenselixier weichen.

Äusserlich verwendet man den Blätterabsud zu Klistieren bei Stuhlverstopfung und zur allgemeinen Darmreinigung. („Schweizer Heilkräuter")

Da dieser Beitrag gezeichnet ist mit „Schweizer Heilräuter", kann wohl unterstellt werden, es handele sich um einen Abdruck aus einer Zeitschrift dieses Namens.

Wenn selbige nun eine gute Meinung über „Traubenkuren" hat, sei ihr das ja unbenommen.

Aber bei näherem Hinsehen zeigt sich auch.

Als Heilmittel für Krebskranke wird jedenfalls eine Traubenkur darin nicht offeriert.

Und das ist eben der entscheidende Punkt.

Ratschläge, die im Sinne des Beratenden, zur Steigerung des Wohlbefindens beitragen können.

Und Ratschläge für akut an einer Krebskrankheit Erkrankte.

Das sind doch wohl zwei völlig verschiedene Ebenen. Und es ist weiterhin als verantwortungslos zu bezeichnen, jenen Krebskranken die dubiose Weintraubenkur zu offerieren!

 Die Reklametrommel für die Weintraubenkur wurde dann in der Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 15. 10. 1933 erneut gedreht.  Diesmal liest man in einem mit "Dr. natura" gezeichneten Artikel:

"Die Weintraubenkur

Die Weintrauben sind eine herrliche Arznei und können in verschiedenen Krankheitsformen mit gutem Erfolg gebraucht werden. Ausser Wasser enthalten die Weintrauben viel Zucker, etwas Eiweiss, Weinsäure, geringe Mengen von Mineralsalzen. Daher wirkt eine Traubenkur fäulniswidrig, kühlend, durststillend, mild abführend, harntreibend, regt die Nerven- und Darmtätigkeit an, hebt den Appetit und die Verdauung und ist besonders auch den tuberkulösen, skrofulösen und blutarmen Kranken, auch den Wöchnerinnen zu empfehlen.

Bei Blasenkatarrh, Hämorrhoidalleiden, Hypochondrie, Leberleiden, chronischer Darmträgheit, chronischen Katarrhen der Atmungsorgane, Fettsucht, Kreislaufstörungen ist oft eine Weintraubenkur am Platze.

Auch bei nervösen Störungen, Nervenschwäche, Melancholie, Hysterie erzielt man vielfach gute Erfolge wegen des hohen Gehaltes der Weintrauben an Kali, Natron, Kalk und Phosphor.

Der Traubenkur kann eine Kirschenkur vorangehen, da letztere ganz ähnliche Wirkungen hat. Alkoholfreier Weinmost kann eine Traubenkur zum Teil ersetzen.

Man beginne mit kleinen Quantitäten und steigere sie allmählich.

Dass die Weintrauben auch bei bösartigen Gewächsen, Krebs usw. von grossem Nutzen sein können, ist vielfach bezeugt worden.

So berichtet Dr. med. Rollin Jones folgendes:

"Vor mehreren Jahren kam eine Dame in meine Sprechstunde, die an innerlichem Krebs litt. Ich riet ihr, für mehrere Wochen eine strenge Weintraubenkur zu machen, und dann allmählich zu einer allgemeinen Vegetarierkost überzugehen.

Seitdem sind sieben Jahre vergangen und die Dame hat mir erst vor kurzem wieder berichtet, dass sie sich wohl fühle.

Eine andere Frau litt an einem etwa neun bis zehn Pfund schweren Gewächs. Ihre Gesundheit war dadurch so geschwächt, und ihre Nerven so mitgenommen, dass sie kaum noch sehen und hören konnte. Nachdem sie für viele Wochen eine Weintraubenkur gemacht und entsprechende Behandlung mit Bädern genossen hatte, war das Gewächs bedeutend zurückgegangen und sie konnte wieder sehen und hören

Auch andere Krebskranke und sogar Patienten, die an Lungentuberkulose litten, sind zu unserer Freude durch Weintraubenkuren geheilt worden.

Wir erkennen in der Weintraube in ihrem natürlichen Zustande und als ausschliessliche Nahrung genossen, das beste Mittel, die Gewebe des menschlichen Körpers zu einem normalen oder gesunden Zustand wieder herzustellen.

Die dunkelschaligen Weintrauben sind wegen ihrer mineralischen Bestandteile den hellen vorzuziehen. Aus ähnlichen Gründen sind auch die rotschaligen Zwiebeln als Diät zur Lösung von Gallensteinen vorzüglicher.

Vor Jahren kam eine Frau aus Süd-Afrika, um einer leidenden Menschheit mitzuteilen, wie sie von jahrelangem schweren Krebsleiden nur durch eine Weintraubenkur geheilt wurde. Aber ach, es erging ihr wie dem grossen Arzte — ihr Mittel wurde von einer altmodischen Welt nicht anerkannt, und so musste sie ihr wohltätiges Werkeinstellen."

Und im Anschluss an diesem Artikel gibt es dann noch in derselben GZ-Ausgabe eines Lobesartikel über Scharfgarbentee. Selbiger "glänzt" auch mit der Aussage:

"Ich (der Artikelverfasser) habe durch die Empfehlung des Schafgarbentees an Leidende mehr Heil gestiftet, als vielleicht Hunderte von Ärzten zusammengenommen."

Nun kann hier keine Bewertung über die Wirksamkeit und Nicht von Scharfgarbentee erfolgen. Das muss schon Fachmedizinern überlassen bleiben. Denkbar ist ja durchaus. In bestimmten Konstellationen, für bestimmte Fälle eingesetzt, macht das einen gewissen Sinn.

Soweit es sich eben um die dafür geeigneten Fälle handelt. Allerdings wird es dann problematisch, wird das auch als Wundermittel für solche Fälle angepriesen, die eben nicht dafür geeignet sind.

Nun soll nicht unterstellt werden, jener Scharfgarben-Artikel erfülle die Kriterien einer pauschalen Wundermittel-Verkündigung.

Aber die vom GZ offenbar redaktionell hinzugefügte Artikelüberschrift lautet auch:

"Aus unseres Herrgotts Apotheke"

Und darin kommt wieder mal eine gewisse Überhöhung der Heilpraktikerszene zum Ausdruck. Und das eben, ist das eigentlich bedenkliche!

Einen „Nachschlag" zum Thema gab es dann noch in der „Trost"-Ausgabe vom 15. 10. 1938, in der man wie folgt glaubte jubeln zu können:

Weintraubenkur gegen Krebs

Der Redaktion von TROST ging folgendes Schreiben zu:

"Ich erlaube mir, Sie aufmerksam zu machen, daß in Ihrer Nummer vom November 1930 ein wunderbarer Artikel war von einer Traubenkur für Krebskranke. Ich habe dieses Blatt schon vielen Kranken zum Lesen gegeben. Solche, die diese Kur genau gemacht haben, haben wunderbare Erfolge erzielt bei Magen- und Unterleibskrebs, wo alle Arzte die Hoffnung aufgaben. Mit diesen Zeilen wollte Ich Sie nur höflichst bitten, im Interesse der vielen Kranken diesen Artikel in nächster Zeit zu wiederholen. Es wäre jetzt die günstigste Zeit für eine Kur.

Mit aller Hochachtung zeichnet

Frau M.W.-SL, Br."

Viele ähnliche Zuschriften bestätigten schon nach Erscheinen jenes Artikels, welch erstaunliche Heilwirkung eine Traubenkur bei Erkrankung an Krebs hat. Der Patient ernährt sich dabei vier bis sechs Wochen lang mit täglich etwa einem halben Liter frisch ausgepreßtem Traubensaft. In manchen Fällen genießt man auch noch andere Fruchtsäfte, trinkt daneben viel frisches Wasser und macht täglich ein warmes Klistier. Von sachkundiger Seite sollte kontrolliert werden, ob sich die Lebenskraft des Patienten nicht zu stark vermindert, da eine solche Kur naturgemäß mit Gewichtsabnahme verbunden ist.

Wie von allen Seiten bestätigt wird, schafft jedoch die Rückkehr zu reichhaltigerer Kost, nach erfolgter Ausheilung, sehr schnell einen Gewichtsausgleich.

Der erwähnte Artikel wird in der nächsten Ausgabe von TROST nochmals abgedruckt.

In der „Trost"-Ausgabe vom 1. 11. 1938 gibt es dann - wie angekündigt - einen Artikel „Eine Heilkur gegen Krebs". Das in ihm enthaltene Highlight ist eben besagte Weintraubenkur.

Eben genannter Artikel in dieser „Trost"-Ausgabe ist nicht namentlich gezeichnet. Namentliche Artikel-Kennzeichnung ist beim „Trost" auch eher die Ausnahme, denn die Regel. Umso auffallender ist indes der Umstand, dass diese „Trost"-Ausgabe noch einen zweiten Artikel zum Thema publiziert. Überschrieben: „Ein tatsächlicher Erfolg der Weintraubenkur. von F. W. Franz, New York".

Das ist genau jener Franz, welcher es dann in späteren Jahren noch zum WTG-Vizepräsidenten, und nach dem Tode von Knorr gar zum WTG-Präsidenten brachte. Wenn ein solcher in der Zeugen Jehovas-Hierachie hoch angesiedelter Mann, sich für dieses Thema derart engagiert, dann kann man sich schon ausrechnen, wie die Auswirkungen dessen beim „Fußvolk" sind.

Der genannte Franz-Artikel sei hier nachfolgend noch dokumentiert:

Da wir glauben, daß nachstehender Brief unsere Leser interessieren wird, sind wir gern bereit, ihn zu veröffentlichen.

Als ich meine letzten Ferien im August 1930 zu Hause verlebte, rief mich ein Freund, Herr Christophel, telephonisch an und bat mich dringend, ihn doch zu besuchen, um ihm alles was ich von der Weintraubenkur wisse, mitzuteilen.

Als ich dem Rufe folgte, fand ich ihn krank im Bett liegen. Er sagte mir, daß ihn verschiedene Ärzte aufgegeben hätten. Der letzte Arzt sagte: "Sie müssen sowieso sterben, darum essen Sie was Sie wollen!" Herr Christophel hatte nun einen Artikel im "Goldenen Zeitalter" über die Weintraubenkur gelesen, und ich riet ihm, sich Joanna Brandts Buch über diesen Gegenstand zuzulegen. Herr Christophel ging unmittelbar nach meinem Besuch an den Beginn der Kur und vor kurzem erhielt ich nun folgenden Brief von ihm:

"Ich muß Ihnen schreiben, wie es mir mit meiner Krebskrankheit geht. Am Montag war es nun sechs Wochen her, seit Sie mich besucht haben, und seit ich mit der Weintraubenkur begann. Ich habe sechs Wochen lang Weintrauben gegessen und Wasser getrunken. Nach acht Tagen fand ich einen Naturheilarzt in Cincinnati, dem ich mich anvertraute. Er sagte mir, daß der Krebs jetzt zum Stillstand gebracht sei, und daß ich sehr vorsichtig in bezug auf die Auswahl meiner Speisen sein müsse. Er verordnete mir, für lange Zeit nur rohe Früchte etc. zu essen.

Ehe ich die Weintraubenkur begann, hatte ich zwei Ärzte und drei Heilkundige, die den Urin untersuchten. Sie alle sagten mir, daß mir nichts mehr helfen könne. Der eine Heilkundige erklärte, daß ich vielleicht noch drei Jahre leben könne, wenn ich eine Radiumbehandlung erhalten würde.

Zum Besten und zur Ermutigung anderer möchte ich nun sagen: Ich habe, als ich bei dem ersten Spezialisten in Behandlung war, in 20 Tagen 21 Pfund abgenommen. Dieser Arzt behandelte mich vier Wochen, in denen ich mich sehr elend fühlte und viel Schmerzen litt und in 21 Tagen nicht eine Stunde schlief. Während ich die Weintraubenkur machte, nahm ich in 42 Tagen 16% Pfund ab, und hatte keine Schmerzen. In der zweiten Nacht nach Beginn der Weintraubenkur schlief ich mit Unterbrechungen. Ich danke Gott für seine Früchte, die Weintrauben. Jetzt geht es mir sehr gut. Mein Zustand bessert sich zusehends, und sobald ich wieder kräftig genug sein werde, gehe ich in den Dienst des Herrn."

Eine erste tendenziöse Meldung zum Thema, gab es offenbar schon in der Schweizer Ausgabe des "Goldenen Zeitalters" vom 15. 8. 1928:

Am Rande vermerkt.

Die Schweizer Ausgabe des „Goldenen Zeitalters" vom 1. 4. 1932 (Ausgabe Magdeburg vom 1. 5. 1932) machte sich auch zum Multiplikator einer Meldung in Sachen der Krebs-Krankheit, bei der man sich des Eindruckes nicht erwehren kann, wieder mal wird da einem Quacksalber eine Tribüne geboten. Im folgendem unkommentiert diese Meldung:

„Krebs

Ein Freiherr v. Pohl soll festgestellt haben, dass Todesfälle an Krebs ausnahmslos in Häusern, Zimmern oder Betten erfolgen, die über besonders starken unterirdischen Wasserläufen stehen. Die Stockwerkshöhe der Wohnung spielt keine Rolle. Schon durch blosse Umstellung der Betten sollen manche Patienten mit langjährigem Leiden auffallende Heilungen erzielt haben. Man mag hierüber denken, was man will, aber ohne Vernachlässigung der sonstigen Heilbehandlung des Krebses könnte man schon einmal versuchsweise das Bett (und gegebenenfalls auch den Arbeitstisch) in ein andres Zimmer oder wenigstens an einen andern Platz im Zimmer stellen. Probieren geht über Studieren! Auch andre langwierige Krankheiten kommen in Frage."

Aluminiumstreit

Insulin

Russell als Krebs"heiler"

Impfgegner-Dokumentation

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