Esperanto

Zu den Bedenklichkeiten der WTG-Strategie gehört es bekanntlich auch, dass sie sehr wohl praktische Ratschläge, manchmal ziemlich bedenklicher Art damit verbindet. Mag der nachfolgenden Bericht einem auch nur ein "müdes Lächeln" abringen, so sollte man meines Erachtens die Sache durchaus etwas ernsthafter betrachten, denn er offenbart eine Grundsatzhaltung. Am 15. 12. 1923 (Schweizer Ausgabe 15. 7. 1923) veröffentlichte das "Goldene Zeitalter" eine Leserfrage und ihre Beantwortung:

"Frage: Hat es mit Rücksicht auf den Anbruch des Goldenen Zeitalters noch Wert, Fremdsprachen zu erlernen?

Antwort: Wir glauben mit Bestimmtheit, dass im Goldenen Zeitalter der Sprachenunterschied verschwinden wird. Die Bibel bezeugt, dass die Sprachenverwirrung als eine Strafe von Gott über eine Generation herbeigeführt wurde, die kurz nach der Sinflut im Begriffe war, einen riesigen Turm zu bauen, um einem ähnlichen Gottesgericht wie dem der Sinflut künftighin wirksam begegnen zu können. …

In den letzten fünfzig Jahren hat sich mehr und mehr das Bestreben bemerkbar gemacht, nebst vielen anderen nationalen Schranken, auch diese Schranke zu überwinden und eine Universalsprache einzuführen. Wir erblicken hierin ein weiteres bemerkenswertes Zeichen der nahe bevorstehenden Einführung des Goldenen Zeitalters. -

Das Esperanto scheint in der Tat berufen zu sein, diese Jahrtausende alte Schranke niederzureißen und die ganze Menschheit auch auf diesem Gebiete einander nahe zu führen. In manchen Ländern ist diese universale neue Hilfssprache bereits offiziell eingeführt und auf Weltkongressen mit großem Erfolg angewandt worden.

Wenn also keine besonderen zwingenden Gründe vorliegen, irgend eine andere Sprache zu erlernen, würden wir dem Fragesteller empfehlen, Esperanto zu lernen, denn es scheint in der Tat die Sprache zu sein, die die meisten nutzbringenden Erfolge für die nächste Zukunft verspricht."

Jener Ratschlag sollte sich alsbald als Eintagsfliege erweisen. Er wurde denn auch nicht mehr wiederholt. Die Rutherford-Organisation gab in den nachfolgenden Jahren ganz andere Ratschläge. Rutherford's Bücher und Broschüren in Klinkenputzermanier verkaufen und nochmals verkaufen - hieß jetzt die Parole. Da konnte man sich natürlich nicht mehr mit solch zeitaufwendigen Vorhaben, wie etwa das erlernen von Esperanto oder anderen Fremdsprachen abgeben.

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1923er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte