Polen folgt nach Jugoslawien

Bereits Ende 1947 hatte das kommunistische Jugoslawien in äußerst rabiater Weise gegen die Zeugen Jehovas zugeschlagen. "Erwachet!" notierte mal (22. 1. 1950 S. 4):

"In Jugoslawien wurden, nachdem die Kommunisten ans Ruder gelangt waren, die drei Oberaufseher der Zeugen Jehovas zum Tode, zwölf andere zu fünfzehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt. … Gleichzeitig wurde das jugoslawische Zweigbüro dieser Gesellschaft geschlossen und der Gottesdienst der Zeugen Jehovas in diesem Lande für ungesetzlich erklärt."

Der nächste Kandidat, der seinem Beispiel folgte war Polen.

Das "Jahrbuch 1951" (S. 234) notiert:

"Es war im April 1950, als die Behörden zum erstenmal auf dem Zweigbüro vorsprachen. Die Polizei unterstellte die dortigen Brüder einem scharfen Verhör. Sie erschienen zum zweitenmal am 21. Juni 1950. Diesmal wurden alle Brüder verhaftet und das Zweigbüro verschlossen und versiegelt. Ein Befehl wurde erlassen, alle Königreichssäle zu schließen und auch diese wurden versiegelt. Der größte Teil der Gruppen- und der übrigen Diener wurde verhaftet. Jegliche Zusammenkünfte der Zeugen Jehovas wurden verboten. Die Tätigkeit von Haus zu Haus wurde untersagt. Eine Verhaftungswelle ging über ganz Polen, wobei, wie uns von gewissen Seiten mitgeteilt wurde, nur bei älteren Frauen und Müttern mit Kindern unter acht Monaten eine Ausnahme gemacht wurde. … Bald darauf wurden viele der verhafteten und eingekerkerten Geschwister nach Arbeitslagern abtransportiert."

Der "Wachtturm" vom 1. 11. 1950 (S. 327) vermeldet dazu, dass dort 80 % oder 14 400 aktive Zeugen Jehovas verhaftet worden seien. Mag man die Zahl der 80% auch als zahlenmäßige Überschätzung bewerten, so konnte jedoch kein Zweifel darüber bestehen, dass der polnische Staat zugeschlagen hatte. Über den Umweg einer entsprechenden Pressemeldung der New York Times vom 30. 6. 1950 wird dazu zitiert:

"Warschau. 29. Juni - Die vollständige Liquidation eines vermutlichen Spionenrings der Vereinigten Staaten, mit Hauptquartier in Brooklyn N. Y., wurde heute vom Ministerium der Öffentlichen Sicherheit Polens angekündigt. Annähernd 80 Prozent der Mitglieder des angeblichen Rings sind verhaftet worden, so sagte das Ministerium. Der Ring, der vermutlich durch die religiöse Sekte, Jehovas Zeugen genannt wirkte, wurde angeklagt, Auskünfte über militärische und kommerzielle Objekte und Institutionen der polnischen Regierung gesammelt zu haben. … Nachforschungen, die in den Büros der Sekte und in den Wohnungen ihrer Mitglieder durchgeführt wurden, ergaben eine große Menge Beweismaterial, wie der Bericht erklärte. … Eine weitere Anklage ging dahin, dass die Sekte der Aktion zur Sammlung von Unterschriften für den sogenannten Stockholmer Friedensappell, der auf die Ächtung der Atombombe dringt, wiederstanden habe."

An anderer Stelle wurde zu Polen noch ausgeführt:

"Die polnische Tageszeitung 'Express Veiczccny' (bezeichnete) die Zeugen Jehovas als 'Vorposten eines Spionagenetzes der Vereinigten Staaten.' Und was für Beweise liegen für diese Aufsehen erregenden Anschuldigungen vor? Nach Angabe von kommunistischer Seite sollen Jehovas Zeugen 'Spionagezentralen organisiert haben, die unter anderem die Aufgabe hatten, Ablenkungsmanöver durchzuführen, Informationen von militärischem, wirtschaftlichen und kommerziellem Wert zu sammeln und in den wichtigeren Ämtern Spione hineinzubringen.' Razzien bei Zeugen Jehovas hätten Flugschriften zutage gefördert, in denen von einem nahe bevorstehenden Krieg und einer Katastrophe gesprochen wird, womit unter dem Volk eine Panik hätte hervorgerufen werden sollen. Weiteres gegen die Zeugen Jehovas vorgebrachtes 'Beweismaterial': Sie weigerten sich, für einen kommunistischen 'Friedensappell', der ein Verbot der Atombombe verlangt, Unterschriften zu sammeln." ("Erwachet!" 22. 11. 1950 S. 10).

Man muss hinzufügen, dass dem eine Reihe weiterer Ostblockstaaten folgte, wobei die DDR dabei das Schlusslicht bildete. Der "Wachtturm" (1950 S. 330) notiert dazu:

"Die Regierung von Albanien hat Jehovas Zeugen ebenfalls ins Gefängnis gesteckt und ihre Organisation verboten. …Rumänien hat die Beamten der Watch Tower Society ins Gefängnis geworfen, dass Eigentum der Gesellschaft beschlagnahmt und Jehovas Zeugen verboten. Dies sei bereits im August 1949 geschehen. Der dortige Zweigdiener sei zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden und nach dem Donau-Kanal geschickt worden um dort zu arbeiten." ("Jahrbuch 1951" S. 238). An anderer Stelle wurde noch notiert, dass im Juli 1950 ein Kriegsgericht in Bukarest, drei Zeugen Jehovas zu 10 Jahren, sechs zu 5 Jahren und 2 (Frauen) zu 2 Jahren Zwangsarbeit verurteilt habe. Auch Bulgarien und Ungarn werden in der Liste der zeitgenössischen Verbotsländer mit erwähnt.

Über die Tschechoslowakei wurde notiert, dass die dortigen verantwortlichen Funktionäre der Zeugen Jehovas, verhaftet und ohne Gerichtsverhandlung in Arbeitslager gesteckt wurden. Das "Jahrbuch 1950 der Zeugen Jehovas" vermeldet etwas ausführlicher dazu (S. 274):

"Bereits als die Vorbereitungen für diese Versammlung getroffen wurden (1948 in Prag), machte es sich bemerkbar, dass die Behörden Jehovas Zeugen gegenüber nicht freundlich gesinnt waren und dass sie nur auf eine Gelegenheit warteten, in ihre schnell wachsende Tätigkeit einzugreifen. Und dieses Eingreifen kam. … Ende November 1948, betrat die geheime Staatspolizei das Zweigbüro der Gesellschaft in Suchdol bei Prag und verhaftete alle Mitarbeiter wie auch eine Anzahl der Prager Brüder, und zwar die, welche Mitglieder des Komitees der beiden tschechoslowakischen Vereinigungen waren. Alle Maschinen, alle Ausrüstung der Büros Karteien, Berichte und Literatur des Zweigbüros wurden beschlagnahmt, und außerdem büßten die Mitarbeiter viel von ihrem Privateigentum, wie Kleider und Wäsche usw. Ein. Am selben Tage unternahm die staatliche Sicherheitspolizei gemeinsam mit der staatlichen Gendarmerie in der ganzen Tschechoslowakei bei fast allen Gruppen der Zeugen Jehovas und auch bei Einzelverkündigern in entlegenen Gebieten Haussuchungen. Dabei wurde viel Literatur, wie Berichte und Korrespondenz beschlagnahmt. An vielen Orten verbot die staatliche Gendarmerie den Geschwistern, sich weiterhin zu versammeln und das Evangelium zu predigen, obwohl bis dahin keine schriftliche Verfügung herausgegeben worden war.

Nach langer Untersuchung übergab die staatliche Sicherheitspolizei die Mitarbeiter der Zweigbüros dem Staatsgericht. Dieses Gericht konnte jedoch keinerlei Beweise für die Dinge, deren sie angeklagt waren, finden und war somit nicht in der Lage, ein Strafverfahren gegen sie einzuleiten. Somit wurde nach achtmonatigem Warten die Untersuchung gegen sie eingestellt. Nun wird sicherlich jedermann verwundert sein, zu hören, dass diese … ihre Freiheit nicht erlangten, sondern dass die Sicherheitspolizei wiederum Hand an sie legte und sie vor einen besonderen Ausschuss, genannt Arbeiter-Ausschuss, stellte, der sie zu zwei Jahren schwerer Arbeit in einem Arbeitslager verurteilte, ohne irgendeinen Beweis für das, was man ihnen zur Last legte, zu erbringen. Der Ausschuss fand es nicht nötig, die Schuld unserer Brüder zu beweisen."

Relativ "konziliant" in Anführungsstrichen, wurden die Zeugen Jehovas in Ungarn behandelt. Über sie wurde berichtet: "Sie verfügen nicht über die Literatur wie Jehovas Zeugen in andern Teilen der Welt; sie benützen lediglich die Bibel und predigen mündlich. Von den Religionisten und den Behörden werden sie scharf beobachtet und die Presse hat verschiedene verleumderische Artikel gegen sie veröffentlicht. … Die durchschnittliche Verkündigerzahl in Ungarn erhöhte sich im letzten Jahr von 1410 auf 1910. Dies ist eine Zunahme von 35 Prozent in einem Land hinter dem Eisernen Vorhang. Am Gedächtnismahl waren 5 593 Personen anwesend.

Die Regierung selbst hat keinerlei Verfügung gegen uns erlassen, aber aus den Fragen, die man bei den polizeilichen Verhören stellt, können wir feststellen, dass unter den Kommunisten und bei den Behörden im allgemeinen die Ansicht vorherrscht, dass Jehovas Zeugen die geheimen Söldlinge der amerikanischen Imperialisten seien und aus Amerika bezahlt würden. Bei jeder Festnahme und auch sonst stellt man immer wieder in dieser Richtung Untersuchungen an; man sucht Beweise hierfür … Es kommt vor, dass man sogar solche 'Beweise' zu fabrizieren sucht, um die Geschwister verurteilen zu können.

Während des Jahres erfolgten 21 Verhaftungen im Lande. Fünf davon endeten mit Freispruch und in sechzehn Fällen wurden Strafen von 2 bis 18 Monaten verhängt. Wegen Militärdienstverweigerung wurden zehn Brüder zu 6 bis 18 Monaten verurteilt. Dreiundzwanzig Geschwister haben ihre Stelle verloren, da sie nicht gewillt waren, dem Cäsar zu geben, was Gott gehört" ("Jahrbuch 1951" S. 262). Siehe auch: Polnisches Verbot

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1950er Rückblick zur Zeugen Jehovas-Geschichte